Nicht ausgeschüttete Erträge eines Investmentfonds – in Altfällen

Ausschüttbare Erträge eines Investmentvermögens aus den in § 1 Abs. 3 Satz 2 InvStG 2004 genannten Einnahmearten, die nach dem Ausschüttungsbeschluss für eine Ausschüttung nicht verwendet werden, können vor Einführung von § 3a InvStG 2004 i.d.F. des AIFM-Steuer-Anpassungsgesetzes nicht zur Vermeidung einer Substanzausschüttung als ausgeschüttete oder ausschüttungsgleiche Erträge behandelt werden1.

Nicht ausgeschüttete Erträge eines Investmentfonds – in Altfällen

Über die Höhe der gemäß § 15 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b InvStG 2004 festzustellenden ausgeschütteten und ausschüttungsgleichen Erträge ist in einem solchen Fall im Rahmen einer gesonderten und einheitlichen Feststellung der investmentsteuerlichen Besteuerungsgrundlagen für das Streitjahr zu entscheiden, auch wenn der Fonds nur eine Anlegerin hat. Streitgegenstand der Revision ist ausschließlich die Feststellung zu dieser Besteuerungsgrundlage. Der Investmentfonds ist als gesetzlicher Prozessstandschafter der Anlegerin insoweit gemäß § 48 Abs. 1 Nr. 1 Alternative 2 FGO klagebefugt; die Anlegerin ist mangels einer eigenen Klagebefugnis gemäß § 48 Abs. 1 Nr. 3 und 4 FGO nicht zum Verfahren notwendig beizuladen.

Eine gesonderte und einheitliche Feststellung (und nicht eine nur gesonderte Feststellung) der investmentsteuerlichen Besteuerungsgrundlagen gemäß § 15 Abs. 1 Satz 3 InvStG 2004 (zur Anwendbarkeit des § 15 Abs. 1 Satz 3 InvStG 2004 auf das Streitjahr s. § 18 Abs. 9 InvStG 2004 i.d.F. des Jahressteuergesetzes 20082) ist auch vorzunehmen, wenn ein Spezialinvestmentvermögen wie der Investmentfonds nur einen Anleger hat. Streitgegenstand ist vorliegend allein die Feststellung zur Höhe der ausgeschütteten Erträge gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b InvStG 2004, da der geänderte Feststellungsbescheid vom 06.09.2011 vom Investmentfonds nur insoweit angefochten wurde; die weiteren Feststellungen sind bestandskräftig3.

Der Investmentfonds ist hinsichtlich der angefochtenen Feststellung zur Höhe der ausgeschütteten und ausschüttungsgleichen Erträge nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b InvStG 2004 als gesetzlicher Prozessstandschafter der Anlegerin gemäß § 48 Abs. 1 Nr. 1 Alternative 2 FGO klagebefugt4.

Die Anlegerin ist nicht gemäß § 60 Abs. 3 FGO zum Verfahren notwendig beizuladen, da eine eigene Klagebefugnis der Anlegerin gemäß § 48 Abs. 1 Nr. 3 bis 5 FGO für die hier streitige Feststellung im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b InvStG 2004 nicht besteht. Bei der hier allein streitigen Feststellung geht es nicht um eine die Anlegerin im Sinne des § 48 Abs. 1 Nr. 5 FGO persönlich angehende Frage. Eine Klagebefugnis nach dieser Vorschrift ist nicht bereits dadurch eröffnet, dass die angefochtene Feststellung wegen der Grundlagenwirkung des Feststellungsbescheids (vgl. § 182 Abs. 1 AO) Einfluss auf die Besteuerung des Feststellungsbeteiligten hat. Es ist vielmehr erforderlich, dass die streitige Feststellung der eigenen Sphäre des Feststellungsbeteiligten zuzuordnen ist5. Diese Wertung ist im Rahmen der gemäß § 15 Abs. 1 Satz 3 InvStG 2004 gesondert und einheitlich zu treffenden Feststellungen der investmentsteuerlichen Besteuerungsgrundlagen sinngemäß zu berücksichtigen. Die Feststellung zur Höhe der ausgeschütteten und ausschüttungsgleichen Erträge gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b InvStG 2004 ist insoweit der Feststellung zur Höhe des gemeinschaftlich erzielten Gewinns im Rahmen einer gesonderten und einheitlichen Feststellung der Einkünfte gemäß § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO vergleichbar, für die nur der gesetzliche Prozessstandschafter gemäß § 48 Abs. 1 Nr. 1 Alternative 2 FGO und nicht jeder der Mitunternehmer klagebefugt ist6. Anhaltspunkte für eine Klagebefugnis der Anlegerin gemäß § 48 Abs. 1 Nr. 3 und 4 FGO sind nicht ersichtlich.

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Die nach dem Ausschüttungsbeschluss auf der Fondsebene thesaurierten Gewinne aus der Veräußerung von Wertpapieren gehören nicht in Höhe von 1.353.815 € zu den ausgeschütteten und ausschüttungsgleichen Erträgen im Sinne des § 1 Abs. 3 Satz 2 und 3 InvStG 2004. Die ausgeschütteten und ausschüttungsgleichen Erträge gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b i.V.m. § 1 Abs. 3 Satz 2 und 3 InvStG 2004 sind entgegen der Auffassung des Finanzamtes damit nicht oberhalb des Betrags von 8.890.959, 45 € gesondert und einheitlich festzustellen.

Ausgeschüttete Erträge im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b i.V.m. § 1 Abs. 3 Satz 2 InvStG 2004 sind die von einem Investmentvermögen zur Ausschüttung verwendeten Kapitalerträge, Erträge aus der Vermietung und Verpachtung von Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten, sonstige Erträge und Gewinne aus Veräußerungsgeschäften. § 1 Abs. 3 Satz 2 InvStG 2004 stellt auf die „zur Ausschüttung verwendeten“ Erträge ab. Über die „Verwendung“ bestimmter Beträge für die Ausschüttung ist investmentrechtlich und investmentsteuerlich gemäß § 12 InvStG 2004 durch einen vom Investmentvermögen (vertreten durch die Kapitalanlagegesellschaft) zu fassenden Ausschüttungsbeschluss zu entscheiden. Aus dieser Verknüpfung der Regelungen in § 1 Abs. 3 Satz 2 und § 12 InvStG 2004 folgt, dass zwischen den investmentrechtlich ausgeschütteten Beträgen und den investmentsteuerlich ausgeschütteten Erträgen grundsätzlich eine Identität hinsichtlich der für die Ausschüttung verwendeten Quellen (Einnahmearten) besteht7.

Nach § 12 Satz 1 InvStG 2004 kann das Investmentvermögen frei wählen, welche der ausschüttbaren Beträge ausgeschüttet und welche Beträge thesauriert werden sollen. Es bestimmt damit auch über die in die Überleitungsrechnung gemäß § 1 Abs. 3 Satz 2 InvStG 2004 einzustellenden „verwendeten“ Beträge. Ausdruck dieser dem Investmentvermögen in § 12 Satz 1 InvStG 2004 eingeräumten freien Verwendungsentscheidung und der von § 1 Abs. 3 Satz 2 InvStG 2004 für die Ertragsermittlung grundsätzlich vorausgesetzten Identität der investmentrechtlich und investmentsteuerlich für die Ausschüttung verwendeten Einnahmearten ist die Regelung in § 12 Satz 2 InvStG 2004. Nach dieser Vorschrift hat das Investmentvermögen für die Ertragsermittlung konsequenterweise die für die Ausschüttung verwendeten Beträge aus den in § 1 Abs. 3 Satz 2 InvStG 2004 genannten Einnahmearten zu dokumentieren8.

Aus den vom Finanzamt geltend gemachten investmentrechtlichen Vereinbarungen und Regelungen folgt keine Beschränkung der Verwendungsentscheidung des Fonds. Selbst wenn die vertraglichen „Besonderen Anlagebedingungen“ den Investmentfonds als sogenannten „Muss-Ausschütter“ zur vorrangigen Ausschüttung bestimmter Erträge verpflichten sollten, wäre aus ihnen nur eine Bindung des Investmentfondss im Innenverhältnis zum Anleger abzuleiten9. Die vom Finanzamt angeführte investmentrechtliche Regelung in § 44 Abs. 1 Nr. 4a des Investmentgesetzes enthält ausschließlich die Aussage, dass der Jahresbericht Angaben über die von der Kapitalanlagegesellschaft „beschlossene“ Verwendung der Erträge des Fonds enthalten muss, regelt jedoch keine steuerlich vorgegebene und im Rahmen des § 12 Satz 1 InvStG 2004 zu beachtende oder die Wahlfreiheit beschränkende Ausschüttungsreihenfolge.

Danach waren aufgrund des Ausschüttungsbeschlusses in die Überleitungsrechnung zur Ermittlung der ausgeschütteten Erträge gemäß § 1 Abs. 3 Satz 2 InvStG 2004 nach der vom Investmentfonds beschlossenen Verwendung die in den ordentlichen investmentrechtlichen Erträgen des laufenden Geschäftsjahres enthaltenen Zinsen und sonstigen Erträge, die dem Halbeinkünfteverfahren unterliegenden Dividenden und die ausschüttungsgleichen Erträge des Vorjahres einzustellen; hinzu traten die zwischen den Beteiligten unstreitig zu berücksichtigenden ausschüttungsgleichen Erträge aus den Zielfonds. Die nach dem Beschluss nicht für die Ausschüttung verwendeten (thesaurierten) Gewinne aus Wertpapierveräußerungsgeschäften waren hingegen nicht einzubeziehen. Da ausgeschüttete Erträge nur positive Nettoerträge nach Anwendung der Regelungen zur Ertragsermittlung in § 3 Abs. 1 bis Abs. 4 InvStG 2004 aus den für die Ausschüttung verwendeten Einnahmearten im Sinne des § 1 Abs. 3 Satz 2 InvStG 2004 sein können10, wichen im Streitfall aufgrund der Verrechnung der negativen Zwischengewinne gemäß § 1 Abs. 4 Nr. 3 InvStG 2004 der Ausschüttungsbetrag und der Betrag der ausgeschütteten Erträge voneinander ab. Ausschüttungen aus dem Investmentvermögen, die den Rechtsbegriff der ausgeschütteten Erträge (§ 1 Abs. 3 Satz 2 InvStG 2004) oder den der ausschüttungsgleichen Erträge (§ 1 Abs. 3 Satz 3 InvStG 2004) nicht erfüllen, sind wie der hier streitige Differenzbetrag Substanzausschüttungen, die bei einem betrieblichen bilanzierenden Anleger wie der Anlegerin durch die Bildung eines passiven Ausgleichspostens abzubilden sind11.

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Nach dem bereits dargelegten -und auch vom Finanzamt im Ausgangspunkt geteilten- Regelungsverständnis, dass die verwendeten ausgeschütteten Erträge im Sinne des § 1 Abs. 3 Satz 2 InvStG 2004 durch den Ausschüttungsbeschluss des Fonds bestimmt werden und damit hinsichtlich ihrer Quellen grundsätzlich übereinstimmen, bedürfte es -wie vom Finanzgericht zutreffend erkannt- einer gesetzlichen Ausnahmeregelung, die es erlauben würde, zur Vermeidung einer Substanzausschüttung zusätzliche -thesaurierte- ausschüttbare Erträge in die Ertragsermittlung einzubeziehen. Eine solche Regelung enthielt das Investmentsteuergesetz 2004 im Streitjahr nicht.

Das Finanzamt ist zwar der Auffassung, § 1 Abs. 3 Satz 2 InvStG 2004 erlaube es unmittelbar, Differenzbeträge, die nach der investmentsteuerlichen Ertragsermittlung zwischen den investmentsteuerlichen ausgeschütteten Nettoerträgen und dem Ausschüttungsbetrag verbleiben, mit ausschüttbaren (thesaurierten) Erträgen aus den in § 1 Abs. 3 Satz 2 InvStG 2004 genannten Einnahmearten „aufzufüllen“12.

Der Bundesfinanzhof kann sich dieser Auslegung jedoch nicht anschließen. Für den Fall, dass sich aufgrund der Verwendungsentscheidung des Fonds in der Ertragsermittlung nach § 3 Abs. 1 bis Abs. 4 InvStG 2004 ein Differenzbetrag zwischen einem höheren Ausschüttungsbetrag und niedrigeren ausgeschütteten und ausschüttungsgleichen Erträgen ergibt, hat der Gesetzgeber für die im Streitjahr geltende Fassung des Investmentsteuergesetzes 2004 das Entstehen von Substanzausschüttungen hingenommen. Er hat solche Differenzbeträge auf der Fondsebene durch die Ausgestaltung der Regelungen in § 12 InvStG 2004 und § 3 Abs. 1 bis Abs. 4 InvStG 2004 ermöglicht und zugleich keine gesetzliche Korrekturvorschrift vorgesehen, die es zur Vermeidung von Substanzausschüttungen gestatten würde, thesaurierte ausschüttbare Beträge als zusätzliche ausgeschüttete Erträge zu behandeln und entsprechend gesondert und einheitlich festzustellen.

Beträge aus den in § 1 Abs. 3 Satz 2 InvStG 2004 genannten Einnahmearten, die auf der Fondsebene thesauriert werden, sind nach der Grundsystematik des Investmentsteuergesetzes 2004 der Besteuerung beim Anleger bis zu ihrer Ausschüttung entzogen. Für thesaurierte Beträge dieser Einnahmearten soll nach der bewussten Entscheidung des Gesetzgebers nicht der Realisationszeitpunkt auf der Fondsebene, sondern der Moment der Ausschüttung für die Besteuerung des Anlegers maßgeblich sein; über den Zeitpunkt der Ausschüttung an den Anleger entscheidet nach der in § 12 InvStG 2004 zum Ausdruck kommenden Entscheidung des Gesetzgebers nur die inländische Investmentgesellschaft13. Dieses dem Fondsanleger im Vergleich zum Direktanleger gewährte Thesaurierungsprivileg hat der Gesetzgeber bewusst geschaffen. Er durchbricht es in § 1 Abs. 3 Satz 3 InvStG 2004 zielgerichtet nur für bestimmte thesaurierte Beträge, indem er diese Beträge als ausschüttungsgleiche Erträge der Besteuerung unterwirft. Für die Vermeidung einer Substanzausschüttung hat der Gesetzgeber in § 1 Abs. 3 Satz 2 InvStG 2004 in Kenntnis dieser Zusammenhänge hingegen keine Regelung vorgesehen, die es ermöglicht, thesaurierte Beträge als ausgeschüttete Erträge gemäß § 1 Abs. 3 Satz 2 InvStG 2004 zu behandeln, obwohl dies nahegelegen hätte. Aus diesem „Schweigen“ des Gesetzes zieht der Bundesfinanzhof den Schluss, dass der Gesetzgeber Substanzausschüttungen, die sich als Folge der Verwendungsentscheidung des Fonds aus den investmentsteuerlichen Ertragsermittlungsregelungen ergeben, für die im Streitjahr geltende Rechtslage hingenommen hat.

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Soweit das Finanzamt dem entgegenhält, die nachrangige Zulässigkeit einer Substanzausschüttung sei aufgrund der vom Gesetzgeber gewollten Gleichbehandlung des Fondsanlegers mit dem Direktanleger geboten, weil Letzterer keine Substanzausschüttungen erhalten könne, greift dieses Argument angesichts des dargelegten Regelungszusammenhangs der Vorschriften in § 1 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 12 und § 1 Abs. 3 Satz 3 InvStG 2004 nicht durch.

Der Fondsanleger wird durch die Regelungen in § 1 Abs. 3 Satz 2 und 3 i.V.m. § 2 Abs. 1 InvStG 2004 aufgrund des darin anerkannten Thesaurierungsprivilegs für bestimmte Einnahmearten vom Gesetzgeber insoweit bewusst nicht gleichgestellt, weshalb das Gleichbehandlungsgebot für den hier vorliegenden Bereich nur eingeschränkt als Auslegungsmaxime heranzuziehen ist14.

Eine etwaige Ungleichbehandlung des Fondsanlegers mit dem Direktanleger ist aus Sicht des Bundesfinanzhofs zudem nur bezogen auf das Streitjahr und die Ursache der jeweiligen Substanzausschüttung zu prüfen15. Da die Substanzausschüttung im Streitfall auf einer Verrechnung negativer Zwischengewinne auf der Fondsebene beruht, führt deren Anerkennung zur Gleichstellung des betrieblichen Fondsanlegers (hier: der D) mit dem Direktanleger. Ein Direktanleger könnte nach der Rechtslage im Streitjahr gezahlte Stückzinsen gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes als negative Einnahmen aus Kapitalvermögen mit seinen übrigen Kapitaleinkünften aus Zinsen und Dividenden verrechnen16.

Diese steuermindernde Verrechnung negativer Einnahmen aus Stückzinsen eines Direktanlegers mit anderen Kapitalerträgen entspricht dem Abzug negativer Zwischengewinne im Sinne des § 1 Abs. 4 Nr. 3 InvStG 2004 auf der Ebene des Fonds gemäß § 3 Abs. 4 Satz 1 InvStG 2004. Der aus der Verrechnung resultierende Differenzbetrag zwischen dem Ausschüttungsbetrag und den ausgeschütteten Nettoerträgen wird zwar mitausgeschüttet, als Substanzausschüttung beim betrieblichen Anleger aber folgerichtig nicht der sofortigen Besteuerung unterworfen. Die Substanzausschüttung wird beim betrieblichen Anleger im Ausschüttungsjahr durch den Ansatz des passiven Ausgleichspostens „neutralisiert“, weil sie eine Nähe zum inneren Wert des Anteils aufweist und erst im Zusammenhang mit der Ermittlung eines Rückgabegewinns/-verlustes ertragswirksam werden soll, wenn der passive Ausgleichsposten aufzulösen ist17. Die aufgeschobene Besteuerung der Substanzausschüttung beim betrieblichen Anleger korrespondiert mit der geminderten Bemessungsgrundlage des Direktanlegers nach der Verrechnung seiner negativen Stückzinsen mit den übrigen Kapitalerträgen.

Das vorstehende Auslegungsergebnis wird durch die Einfügung der Regelung in § 3a InvStG 2004 durch das AIFM-Steuer-Anpassungsgesetz (AIFM-StAnpG) vom 18.12.201318 und die damit im Zusammenhang stehenden Gesetzesmaterialien bestätigt.

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Die gescheiterte Einfügung eines § 9a InvStG im Entwurf des Jahressteuergesetzes 2013 sah vor, dass eine Substanzausschüttung erst nach Ausschüttung sämtlicher auf Ebene des Investmentvermögens realisierter Erträge der Besteuerung zugrunde gelegt werden dürfe. Nach den Gesetzesmaterialien sollte diese Neuregelung § 12 InvStG 2004 ersetzen und „erstmals“ eine Ausschüttungsreihenfolge für Erträge inländischer und ausländischer Investmentvermögen normieren19. Mangels einer gesetzlich bestimmten Ausschüttungsreihenfolge könne -so die Gesetzesbegründung in BT-Drs. 17/10604, S. 30- die Investmentgesellschaft die Verwendung der zur Ausschüttung zur Verfügung stehenden Beträge „gegenwärtig frei wählen“. Der geplanten, aber zunächst gescheiterten Neuregelung zur Begrenzung der Verwendungsfreiheit auf der Fondsebene sollte aus Sicht des Gesetzgebers konstitutive Wirkung für die Ermittlung der ausgeschütteten Erträge zukommen.

Nach dem dann durch das AIFM-Steuer-Anpassungsgesetz eingefügten § 3a InvStG 2004 gelten Substanzbeträge für eine Ausschüttung erst nach Ausschüttung sämtlicher Erträge des laufenden und aller vorherigen Geschäftsjahre als verwendet. Die Regelung findet auf nach dem 23.08.2014 abfließende Ausschüttungen Anwendung (§ 22 Abs. 4 InvStG 2004 i.d.F. des AIFM-StAnpG) und gilt im Streitjahr damit noch nicht. Im Gesetzgebungsverfahren bekräftigte der Gesetzgeber seine Aussage, dass in § 3a InvStG 2004 „erstmals“ eine gesetzliche Ausschüttungsreihenfolge zur Vermeidung von Substanzausschüttungen eingeführt werde20. Dies entspricht auch der -soweit ersichtlich- einhelligen Auffassung des Schrifttums21.

Eine vorrangige fiktive Verwendung ausschüttbarer Erträge der in § 1 Abs. 3 Satz 2 InvStG 2004 genannten Einnahmearten lässt sich ferner nicht auf die vom Finanzamt befürwortete analoge Anwendung der Regelung in § 27 Abs. 1 Satz 3 bis 5 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) stützen. Es fehlt an einer planwidrigen Regelungs- und Besteuerungslücke im Investmentsteuergesetz 2004, die durch eine analoge Anwendung dieser Vorschrift geschlossen werden müsste.

Eine für eine Analogie erforderliche, erkennbar planwidrige Regelungslücke liegt nur vor, wenn das Gesetz, gemessen an seiner eigenen Absicht und der ihm immanenten Teleologie, unvollständig und somit ergänzungsbedürftig ist und seine Ergänzung nicht einer gesetzlich gewollten Beschränkung auf bestimmte Tatbestände widerspricht. Hiervon zu unterscheiden ist der sogenannte rechtspolitische Fehler, der gegeben ist, wenn sich eine gesetzliche Regelung zwar als rechtspolitisch verbesserungsbedürftig, aber doch nicht -gemessen an der dem Gesetz immanenten Teleologie- als planwidrig unvollständig und ergänzungsbedürftig erweist. Die analoge Anwendung einer Vorschrift kommt bei Vorliegen einer planwidrigen Regelungslücke nur in Betracht, wenn die für einen bestimmten Sachverhalt vorgesehene gesetzliche Regelung auf einen anderen; vom Gesetz nicht erfassten, aber nur unwesentlich abweichenden Sachverhalt anwendbar ist. Der vom Gesetz nicht erfasste Sachverhalt muss mit dem gesetzlich geregelten Sachverhalt in den wesentlichen, für die rechtliche Bewertung maßgebenden Aspekten übereinstimmen22.

Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Durch die Bildung des passiven Ausgleichspostens und die damit verbundene aufgeschobene Besteuerung der Substanzausschüttung droht entgegen der Auffassung des Finanzamtes kein systemwidriger Besteuerungsausfall. Die Bildung des passiven Ausgleichspostens für eine Substanzausschüttung dient dazu, Vermögensmehrungen, die den „inneren Wert“ des Investmentanteils berühren, nicht als laufenden Ertrag, sondern erst im Zusammenhang mit der Anteilsveräußerung zu besteuern. Die Bildung des bilanziellen passiven Ausgleichspostens im Ausschüttungsjahr liegt somit gerade im Interesse des betrieblichen Anlegers. Ist der passive Ausgleichsposten in der Bilanz des Anlegers gebildet worden, ist er hinreichend dokumentiert und bis zur Anteilsveräußerung fortzuführen. Das Risiko einer im Zeitpunkt der späteren Anteilsveräußerung fehlerhaft unterbleibenden gewinnerhöhenden Auflösung des passiven Ausgleichspostens und eines damit verbundenen Besteuerungsausfalls mag daher zwar abstrakt bestehen. Es ist aber nicht in systemwidriger Weise höher als bei anderen vergleichbaren Realisationsvorgängen und zwingt nicht dazu, die in § 27 Abs. 1 Satz 3 bis 5 KStG geregelte Verwendungsreihenfolge auf Investmentfonds zu übertragen. Zudem ist das Entstehen einer Substanzausschüttung aufgrund der investmentsteuerlichen Ertragsermittlungsregelungen vom Gesetzgeber hingenommen worden und damit nicht systemwidrig.

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Die vorliegenden Gewinne aus Wertpapierveräußerungen sind danach nicht in Höhe von 1.353.815 € als ausgeschüttete Erträge zu behandeln. Der Betrag der ausgeschütteten und ausschüttungsgleichen Erträge gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b i.V.m. § 1 Abs. 3 Satz 2 und 3 InvStG 2004 ist wie vom Finanzgericht entschieden nicht oberhalb des Betrags von 8.890.959, 45 € gesondert und einheitlich festzustellen. Ob die ausgeschütteten und ausschüttungsgleichen Erträge in Höhe von 8.869.067 € festzustellen sein könnten, wie der Investmentfonds mittlerweile meint, bedarf aus prozessualen Gründen keiner Entscheidung. Da der Investmentfonds keine Revision eingelegt hat, ist er an die Entscheidung des Finanzgericht über seinen erstinstanzlichen Antrag gebunden.

Soweit das Finanzamt der Auffassung ist, die vorstehende Auslegung der Regelungen in § 1 Abs. 3 Satz 2 und 3 i.V.m. § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b InvStG 2004 führe wegen der mit der Substanzausschüttung einhergehenden aufgeschobenen Besteuerung zu einer Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes widersprechenden Bevorzugung der Anlegerin Anlegerin gegenüber einem (privaten) Direktanleger, handelt es sich um eine im Streitfall nicht entscheidungserhebliche Frage.

Die Feststellung zur Höhe der ausgeschütteten und ausschüttungsgleichen Erträge gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b InvStG 2004 ist erst in der Gewinnermittlung und Veranlagung der Anlegerin auf der Folgebescheidsebene umzusetzen. Über die Bildung eines passiven Ausgleichspostens aufgrund einer Substanzausschüttung wird erst im Rahmen der bilanziellen Gewinnermittlung der Anlegerin entschieden. Sie ist durch die Feststellung des Ausschüttungsbetrags in § 5 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a InvStG 2004 und der ausgeschütteten sowie ausschüttungsgleichen Erträge in § 5 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b InvStG 2004 im hier streitigen Feststellungsbescheid nicht bindend vorgegeben. Ob die Gewinnermittlungsgrundsätze zur Behandlung von Substanzausschüttungen aus Investmentanteilen durch die Bildung passiver Ausgleichsposten zu einer verfassungswidrigen Begünstigung des betrieblichen Fondsanlegers gegenüber dem Direktanleger führen, betrifft damit ausschließlich die Ebene der hier nicht angefochtenen körperschaftsteuerlichen Veranlagung der Anlegerin.

Die Bildung des passiven Ausgleichspostens führt im Streitfall zudem zu einer Gleichbehandlung der Anlegerin mit einem Direktanleger, der Stückzinsen als negative Einnahmen aus Kapitalvermögen mit seinen übrigen Einkünften verrechnen könnte. Der Bundesfinanzhof sieht auch mangels einer erkennbaren Benachteiligung eines hypothetischen Direktanlegers gegenüber der Anlegerin daher keine Veranlassung, in eine weitergehende verfassungsrechtliche Prüfung einzutreten.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 23. Mai 2023 – VIII R 3/19

  1. entgegen BMF, Schreiben vom 18.08.2009, BStBl I 2009, 931, Rz 16[]
  2. vom 20.12.2007, BGBl I 2007, 3150[]
  3. vgl. BFH, Urteile vom 30.01.2018 – VIII R 20/14, BFHE 260, 400, BStBl II 2018, 487, Rz 27 f.; und vom 30.07.2019 – VIII R 22/16, BFHE 265, 504, BStBl II 2020, 82, Rz 15[]
  4. BFH, Urteil vom 30.07.2019 – VIII R 22/16, BFHE 265, 504, BStBl II 2020, 82, Rz 19[]
  5. BFH, Urteil vom 18.08.2015 – I R 42/14, Rz 10[]
  6. vgl. BFH, Urteil vom 18.08.2015 – I R 42/14, Rz 10[]
  7. Petersen, Finanz-Rundschau, 2006, 1065, 1067 f.[]
  8. vgl. BT-Drs. 15/1553, S. 128; Bäuml in Berger/Steck/Lübbehüsen, § 12 InvStG, Rz 36, 38, 39; Baur/Tappen/Schäfer/Schinzl, § 12 InvStG, Rz 19, 32, 33, 50; Jäger/Gleisner in Haase, InvStG, 2. Aufl., § 3a Rz 3; Ramackers in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, § 12 InvStG Rz 6, 10; Brandis/Heuermann/Hammer, § 12 InvStG Rz 16; s.a. BMF, Schreiben vom 18.08.2009, BStBl I 2009, 931, Rz 226[]
  9. Bäuml in Berger/Steck/Lübbehüsen, , § 12 InvStG Rz 31; Baur/Tappen/Schäfer/Schinzl, § 12 InvStG Rz 12, 16[]
  10. vgl. BFH, Urteil vom 30.07.2019 – VIII R 22/16, BFHE 265, 504, BStBl II 2020, 82, Rz 25; BMF, Schreiben vom 18.08.2009, BStBl I 2009, 931, Rz 15; Berger in Berger/Steck/Lübbehüsen, § 1 InvStG Rz 267, 268, 273[]
  11. vgl. BFH, Urteil vom 01.07.2020 – XI R 10/18, BFHE 269, 516, BStBl II 2021, 292, Rz 18, 22, m.w.N.; BMF, Schreiben vom 18.08.2009, BStBl I 2009, 931, Rz 16a Satz 2[]
  12. BMF, Schreiben vom 18.08.2009, BStBl I 2009, 931, Rz 16 und 16a[]
  13. Brielmaier, Betriebs-Berater -BB- 2014, 2140, 2141[]
  14. vgl. BFH, Urteil vom 03.03.2010 – I R 109/08, BFHE 229, 351[]
  15. vgl. BFH, Urteil vom 21.04.2021 – XI R 42/20, BFHE 273, 149, BStBl II 2022, 20, Rz 29[]
  16. vgl. BFH, Urteil vom 27.07.1999 – VIII R 36/98, BFHE 189, 408, BStBl II 1999, 769, unter 1. [Rz 10][]
  17. vgl. zu dieser Neutralisierung und Nachversteuerung des Substanzbetrags die BFH, Urteile vom 01.07.2020 – XI R 10/18, BFHE 269, 516, BStBl II 2021, 292, Rz 18, 20 bis 22; und vom 21.04.2021 – XI R 42/20, BFHE 273, 149, BStBl II 2022, 20, Rz 26 f.[]
  18. BGBl I 2013, 4318[]
  19. BT-Drs. 17/10604, S. 30 f.[]
  20. BT-Drs. 17/12603, S. 31[]
  21. vgl. Baur/Tappen/Schäfer/Schinzl, § 3a InvStG Rz 9; Elser in Beckmann/Scholtz/Volmer, § 3a InvStG, Rz 2 [Stand: Lfg 5/15-V.15]; Bäuml in Berger/Steck/Lübbehüsen, § 12 InvStG Rz 36, sowie Berger in Berger/Steck/Lübbehüsen, § 1 InvStG, Rz 270, 277; Ramackers in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, § 12 InvStG, Rz 6; Jäger/Gleisner in Haase, InvStG, 2. Aufl., § 3a Rz 3 bis 5; Brandis/Heuermann/Hammer [106. Aufl.2010, Stand Mai 2010], § 12 InvStG Rz 16; Patzner/Wiese, Internationales Steuerrecht 2013, 73, 76; Elser/Stadler, Deutsches Steuerrecht 2012, 2561, 2568; Brielmaier, BB 2014, 2140, 2141 f.[]
  22. vgl. BFH, Urteil vom 03.12.2019 – VIII R 34/16, BFHE 267, 232, BStBl II 2020, 836, Rz 27, 36, m.w.N.[]
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