Pauschale Ermittlung von Investmentfondserträgen

Die pauschale Ermittlung von Investmentfondserträgen nach § 6 Abs. 1 InvStG, die vom Steuerpflichtigen durch den Nachweis der tatsächlichen Besteuerungsgrundlagen nach § 6 Abs. 2 InvStG abgewendet werden kann, verstößt nach Ansicht des Bundesfinanzhofs nicht gegen europäisches Unionsrecht und ist auch mit dem Grundgesetz vereinbar.

Pauschale Ermittlung von Investmentfondserträgen

Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 InvStG gehören die auf Investmentanteile ausgeschütteten sowie die ausschüttungsgleichen Erträge und der Zwischengewinn zu den Einkünften aus Kapitalvermögen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG, wenn sie nicht Betriebseinnahmen des Anlegers, Leistungen nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG i.V.m. § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG oder Leistungen i.S. des § 22 Nr. 5 EStG sind. Diese Regelung gilt für sämtliche Anleger von Investmentfonds und damit auch für die Privatanleger. Zwar sind nach dem Einleitungssatz in § 5 Abs. 1 Satz 1 InvStG die §§ 2 und 4 InvStG nur anzuwenden, wenn der Fonds die in Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der Vorschrift angeführten Bekanntmachungs- und Veröffentlichungspflichten erfüllt. Dies kann aber nicht so verstanden werden, als habe sich der Gesetzgeber bei Privatanlegern die erkennbar auch bei intransparenten Fonds gewollte Steuerbarkeit der nach § 6 InvStG ermittelten Kapitalerträge durch ein Redaktionsversehen „selbst aus der Hand geschlagen“, wenn der Fonds die Verpflichtungen aus § 5 InvStG nicht erfüllt1.

Die gemäß § 5 Abs. 1 Sätze 1 und 2 InvStG bekannt zu machenden Besteuerungsgrundlagen wurden von den Investmentfonds, an denen die Privatanleger beteiligt waren, für die Streitjahre nicht veröffentlicht.

Die Privatanleger haben im hier entschiedenen Streitfall auch keinen anderweitigen Nachweis zu den Besteuerungsgrundlagen gemäß § 5 Abs. 1 InvStG erbracht.

Entgegen der Auffassung des Finanzgerichts Düsseldorf2 ergibt sich dies allerdings nicht bereits daraus, dass die Privatanleger die im Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 23.05.20163 unter 2.a als Mindestanforderungen aufgeführten Unterlagen nicht vorgelegt haben. Der Nachweis der notwendigen Besteuerungsgrundlagen gemäß § 5 Abs. 1 InvStG bestimmt sich im Streitfall vielmehr nach § 6 Abs. 2 InvStG.

§ 6 Abs. 2 InvStG wurde durch Art. 2 des Investmentsteuerreformgesetzes vom 19.07.20164 eingefügt. Die Vorschrift ist nach § 22a Abs. 2 InvStG in allen Fällen anzuwenden, in denen die Steuer noch nicht bestandskräftig festgesetzt ist. Sie findet daher auch im hier entschiedenen Streitfall Anwendung.

§ 6 Abs. 2 Satz 1 InvStG sieht vor, dass abweichend von § 6 Abs. 1 InvStG bei Erträgen aus Investmentfonds § 5 Abs. 1 Satz 2 InvStG anzuwenden ist, wenn der Anleger bis zur Bestandskraft seiner Steuerfestsetzung die Besteuerungsgrundlagen i.S. des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InvStG mit Ausnahme der Buchst. c und f erklärt und die Richtigkeit der Angaben vollständig nachweist. Als Nachweis kann insbesondere eine Bescheinigung eines zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung befugten Berufsträgers i.S. des § 3 des Steuerberatungsgesetzes, einer behördlich anerkannten Wirtschaftsprüfungsstelle oder einer vergleichbaren ausländischen Person oder Institution dienen, dass die Besteuerungsgrundlagen nach den Regeln des deutschen Steuerrechts ermittelt wurden (§ 6 Abs. 2 Satz 2 InvStG). Weist der Anleger auch die Besteuerungsgrundlagen nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. c und f InvStG nach, finden die §§ 2 und 4 InvStG Anwendung (§ 6 Abs. 2 Satz 3 InvStG).

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§ 6 Abs. 2 InvStG ist auch zugunsten von Anlegern thesaurierender Investmentfonds anzuwenden. Zwar setzt die Vorschrift nach ihrem Wortlaut voraus, dass die Besteuerungsgrundlagen nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InvStG mit Ausnahme der Buchst. c und f erklärt und nachgewiesen werden; sie nimmt damit Bezug auf die für ausschüttende Fonds geltenden Bekanntmachungs- und Veröffentlichungspflichten. Jedoch erfolgte die Einführung von § 6 Abs. 2 InvStG ausweislich der Gesetzesbegründung5 vor dem Hintergrund der Entscheidung des EuGH6, wonach Anlegern eines intransparenten EU-Investmentfonds ein anderweitiger Nachweis über die tatsächliche Höhe ihrer Einkünfte möglich sein muss. Diese Möglichkeit ist unabhängig davon einzuräumen, ob es sich um einen ausschüttenden oder thesaurierenden Investmentfonds handelt. Für diese Auslegung spricht auch, dass § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InvStG hinsichtlich der Bekanntmachungspflichten bei thesaurierenden Fonds auf § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InvStG (mit Ausnahme des Buchst. a) verweist. Die bei thesaurierenden Fonds erforderlichen Angaben sind deshalb -auch im Rahmen des § 6 Abs. 2 InvStG- entsprechend den in Ausschüttungsfällen geltenden Vorgaben zu machen und nachzuweisen.

Ausgehend hiervon ist es im Ergebnis revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Finanzgericht Düsseldorf7 zu dem Schluss gekommen ist, es könne anhand der eingereichten Jahresberichte der streitbefangenen Fonds die nach § 6 Abs. 2 Satz 1 InvStG erforderlichen Angaben zu den Besteuerungsgrundlagen nicht ermitteln. Denn die Anleger haben keine Angaben zu den bei thesaurierenden Investmentfonds erforderlichen Besteuerungsgrundlagen, insbesondere zum Betrag der ausschüttungsgleichen Erträge gemäß § 6 Abs. 2 Satz 1, § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b i.V.m. Nr. 2 InvStG gemacht, sondern lediglich das nach den Jahresberichten auf ihre jeweiligen Fondsanteile entfallende Nettoergebnis der Anlagen für die jeweiligen Streitjahre mitgeteilt. Soweit die Anleger geltend machen, ihnen seien die erforderlichen Mindestangaben wegen fehlender Informationen durch die Investmentfonds nicht verfügbar gewesen, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Insbesondere verstößt die Verpflichtung, die nach § 6 Abs. 2 Satz 1 InvStG erforderlichen Besteuerungsgrundlagen i.S. des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InvStG zu erklären, entgegen der Auffassung der Anleger nicht gegen die Kapitalverkehrsfreiheit aus Art. 63 AEUV. Wie der EuGH in seiner Entscheidung6 festgestellt hat, ist es mit der Kapitalverkehrsfreiheit vereinbar, wenn Anleger ausländischer Investmentfonds verpflichtet sind, diejenigen Angaben zu den Besteuerungsgrundlagen zu machen, die inländische Investmentfonds machen müssen, um eine ordnungsgemäße Besteuerung nach innerstaatlichem Recht zu gewährleisten.

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Da es vorliegend bereits an den gemäß § 6 Abs. 2 Satz 1 InvStG erforderlichen Angaben zu den Besteuerungsgrundlagen fehlt, kann dahinstehen, ob es, wovon das Finanzgericht Düsseldorf7 ausgegangen ist, auch an einem hinreichenden Nachweis der klägerischen Angaben zu den Besteuerungsgrundlagen i.S. der Vorschrift fehlt. Insbesondere kann der Bundesfinanzhof offenlassen, ob für den von § 6 Abs. 2 Satz 1 InvStG geforderten „vollständigen Nachweis“ der Richtigkeit der erklärten Besteuerungsgrundlagen statt der Berufsträgerbescheinigung nicht nur der zum jeweiligen Geschäftsjahresende gültige Jahresbericht, sondern darüber hinaus der Verkaufsprospekt, eine Summen- und Saldenliste aus der Fondsbuchhaltung, eine Überleitungsrechnung sowie eine Anlage für die Gewinn- und Verlustvorträge bezogen auf die einzelnen Ertragsarten kumulativ vorzulegen sind8.

Das Finanzgericht Düsseldorf7 hat die Möglichkeit einer Schätzung der Angaben zu den Besteuerungsgrundlagen auf der Grundlage der von den Anlegern vorgelegten Jahresberichte ebenfalls im Ergebnis zutreffend verneint.

Kommt ein Investmentfonds seinen Bekanntmachungs- und Veröffentlichungspflichten aus § 5 InvStG nicht nach und kann auch der Anleger keine Angaben zu diesen machen, sind die Besteuerungsgrundlagen nach § 6 Abs. 1 InvStG pauschal zu ermitteln. Eine individuelle Schätzung der Besteuerungsgrundlagen nach § 162 der Abgabenordnung (AO) schließt § 6 InvStG aus. Vielmehr ordnet die Regelung in Abs. 1 eine pauschale Ermittlung der Erträge an, die, soweit kein abweichender Nachweis nach § 6 Abs. 2 InvStG geführt wird, keinen Raum für eine individuelle Schätzung der Besteuerungsgrundlagen nach § 162 AO lässt. Soweit der Bundesfinanzhof in seiner Entscheidung in BFHE 252, 112, BStBl II 2016, 539 eine Schätzung der Besteuerungsgrundlagen des § 5 InvStG nach § 162 AO dem Grunde nach für möglich gehalten hat, ergibt sich hieraus für den Streitfall nichts anderes. Zum einen betraf die Entscheidung die vor Inkrafttreten des § 6 Abs. 2 InvStG geltende Rechtslage. Zum anderen hat der Bundesfinanzhof die Möglichkeit einer Schätzung der Besteuerungsgrundlagen allenfalls in einem sehr engen Rahmen und lediglich zur Beseitigung von Unklarheiten geringen Umfangs bejaht9.

Die Erträge der Anleger aus den Anteilen an den Investmentfonds hat das Finanzamt zutreffend nach § 6 Abs. 1 InvStG ermittelt.

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Nach § 6 Abs. 1 InvStG sind beim Anleger die Ausschüttungen auf Investmentanteile, der Zwischengewinn sowie 70 % des Mehrbetrags anzusetzen, der sich zwischen dem ersten im Kalenderjahr festgesetzten Rücknahme- oder Marktpreis und dem letzten im Kalenderjahr festgesetzten Rücknahme- oder Marktpreis eines Investmentanteils ergibt; mindestens sind 6 % des letzten im Kalenderjahr festgesetzten Rücknahmepreises anzusetzen.

Vorliegend sind vom Finanzgericht in der Vorinstanz keine Feststellungen zu Ausschüttungen und zu einem Zwischengewinn getroffen worden. Das Finanzamt hat deshalb für die einzelnen Streitjahre zu Recht Einkünfte in Höhe von 70 % des Mehrbetrags zwischen dem ersten und dem letzten im jeweiligen Kalenderjahr festgestellten Marktpreis bzw. mindestens in Höhe von 6 % des letzten im jeweiligen Kalenderjahr festgestellten Marktpreises angesetzt.

Die pauschale Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen nach § 6 Abs. 1 InvStG verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG.

Der allgemeine Gleichheitssatz gebietet dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Er verbietet ungleiche Belastungen ebenso wie ungleiche Begünstigungen. Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengeren Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen. Das Willkürverbot ist verletzt, wenn die ungleiche Behandlung zweier Personen oder Sachverhalte mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise nicht mehr vereinbar ist, also bezogen auf den jeweils in Rede stehenden Sachbereich und seine Eigenart ein vernünftiger, einleuchtender Grund für die gesetzliche Regelung fehlt. Die Anforderungen an Rechtfertigungsgründe für gesetzliche Differenzierungen steigen in dem Maße, in dem sich die Ungleichbehandlung von Personen oder Sachverhalten auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten auswirken kann und je weniger die Merkmale, an die die gesetzliche Differenzierung anknüpft, für den Einzelnen verfügbar sind bzw. je mehr sie sich denen des Art. 3 Abs. 3 GG annähern10.

Im Bereich des Steuerrechts hat der Gesetzgeber bei der Auswahl des Steuergegenstandes und bei der Bestimmung des Steuersatzes einen weitreichenden Gestaltungsspielraum. Die grundsätzliche Freiheit des Gesetzgebers, diejenigen Sachverhalte zu bestimmen, an die das Gesetz dieselben Rechtsfolgen knüpft und die es so als rechtlich gleich qualifiziert, wird insbesondere im Bereich des Einkommensteuerrechts durch das Gebot der Ausrichtung der Steuerlast am Prinzip der finanziellen Leistungsfähigkeit und durch das Gebot der Folgerichtigkeit begrenzt. Bei der Ausgestaltung des steuerrechtlichen Ausgangstatbestandes muss die einmal getroffene Belastungsentscheidung folgerichtig im Sinne der Belastungsgleichheit umgesetzt werden. Ausnahmen von einer belastungsgleichen Ausgestaltung der mit der Wahl des Steuergegenstandes getroffenen gesetzgeberischen Entscheidung bedürfen eines besonderen sachlichen Grundes, der die Ungleichbehandlung nach Art und Ausmaß zu rechtfertigen vermag11. Als besondere sachliche Gründe für Ausnahmen von einer folgerichtigen Umsetzung und Konkretisierung steuergesetzlicher Belastungsentscheidungen hat das Bundesverfassungsgericht in seiner bisherigen Rechtsprechung vor allem außerfiskalische Förderungs- und Lenkungszwecke sowie Typisierungs- und Vereinfachungserfordernisse anerkannt, nicht jedoch den rein fiskalischen Zweck staatlicher Einnahmenerhöhung12.

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Die pauschale Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen nach § 6 Abs. 1 InvStG führt zwar zu einer Ungleichbehandlung und kann im Einzelfall einer Besteuerung nach Maßgabe der finanziellen Leistungsfähigkeit zuwiderlaufen; sie ist jedoch durch hinreichende, die Pauschalierung der Erträge rechtfertigende Gründe verfassungsrechtlich gerechtfertigt.

§ 6 Abs. 1 InvStG behandelt Anleger von Investmentfonds hinsichtlich der Bestimmung ihrer steuerpflichtigen Einkünfte unterschiedlich je nachdem, ob die Investmentfonds, an denen sie beteiligt sind, die Bekanntmachungs- und Veröffentlichungspflichten nach § 5 Abs. 1 InvStG erfüllen oder nicht. Denn während Anleger solcher Investmentfonds, die die erforderlichen Angaben gemäß § 5 Abs. 1 InvStG machen, mit ihren tatsächlichen Einkünften besteuert werden, werden die Einkünfte von Anlegern solcher Investmentfonds, die dies nicht tun, pauschal ermittelt, sofern kein Nachweis der Besteuerungsgrundlagen seitens der Anleger erfolgt. Dies führt zu einem Verstoß gegen den Grundsatz der Besteuerung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit, wenn die tatsächlich erzielten ausgeschütteten oder ausschüttungsgleichen Erträge, die nach § 2 Abs. 1 InvStG zu versteuern wären, einer im Vergleich zur pauschalen Ermittlung nach § 6 Abs. 1 InvStG niedrigeren Steuer unterliegen13.

Die Vereinbarkeit der pauschalen Ermittlung der Erträge gemäß § 6 Abs. 1 InvStG mit Art. 3 Abs. 1 GG ist angesichts der dem Steuerpflichtigen nach § 6 Abs. 2 InvStG eröffneten Möglichkeit, die Besteuerungsgrundlagen nachzuweisen, sowie seiner Dispositionsfreiheit, keine Anteile an „intransparenten“ Fonds erwerben zu müssen, am Maßstab des Willkürverbots zu prüfen. Gemessen daran bewegt sich der Gesetzgeber mit der Norm noch innerhalb seines Gestaltungsspielraums, weil die pauschale Ermittlung der Kapitalerträge bei Fehlen von Angaben zu den Besteuerungsgrundlagen gemäß § 5 Abs. 1 InvStG dem Grunde und der Höhe nach durch hinreichend sachliche Gründe gerechtfertigt ist.

Mit der Regelung des § 6 Abs. 1 InvStG beabsichtigt der Gesetzgeber zum einen, eine gleichmäßige Besteuerung für alle Arten von Investmentfonds sicherzustellen. Falls Angaben oder Nachweise zu den Besteuerungsgrundlagen nach § 5 Abs. 1 InvStG ganz oder teilweise fehlen, soll die pauschale Ermittlung der Erträge nach § 6 Abs. 1 InvStG ungerechtfertigte Steuervorteile der Anleger verhindern. Dies will der Gesetzgeber insbesondere bei thesaurierenden ausländischen Investmentfonds, die keine Nachweise zur Verfügung stellen, ausschließen14. Schließlich dient die pauschale Ermittlung der Kapitalerträge des Anlegers der Vereinfachung der Einkünfteermittlung. Es liegt auf der Hand, dass eine Pauschalierung der Erträge des Anlegers, die an einen im Regelfall ohne größere Schwierigkeiten festzustellenden Rücknahme- oder Marktpreis des Investmentanteils anknüpft, Ermittlungen zur Zusammensetzung und Höhe der Besteuerungsgrundlagen eines ausländischen Investmentfonds, der seinen Nachweispflichten nicht nachgekommen ist, entbehrlich macht.

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Auch mit der konkreten Ausgestaltung von § 6 Abs. 1 InvStG bewegt sich der Gesetzgeber noch innerhalb seines Gestaltungsspielraums.

Der Gesetzgeber ist typisierend davon ausgegangen, dass die pauschale Ermittlung der Erträge des Anlegers im Regelfall dann eingreift, wenn es sich um einen Fonds handelt, dessen Anlagestrategie auf Thesaurierung der Erträge ausgerichtet ist. Zwar bilden sich im Laufe des Jahres erwirtschaftete, thesaurierte Erträge regelmäßig in einem Mehrwert des Anteilswertes zum Ende des Jahres ab, jedoch kann auch bei einer geringeren Wertsteigerung oder auch einer Wertminderung des Anteils, wie sie z.T. im Streitfall eingetreten ist, nicht davon ausgegangen werden, dass der jeweilige Fonds keine Erträge erwirtschaftet und thesauriert hat15. Je nach Anlagestrategie des Fonds können sich Wertminderungen des Anteils auch aus Verlusten auf der Ebene des Fondsvermögens ergeben, die einen Zufluss von laufenden Erträgen in das Fondsvermögen jedoch nicht verhindern. Daher durfte der Gesetzgeber zwar grob pauschalierend -aber noch zulässig- davon ausgehen, dass in jedem Veranlagungszeitraum auf der Fondsebene Erträge erwirtschaftet werden. Dies rechtfertigt die Anknüpfung an den Rücknahme- bzw. Marktpreis zum Jahresende im Rahmen der pauschalen Ermittlung der Erträge. Der Gesetzgeber legt der Pauschalierung damit keinen atypischen Fall zugrunde.

Auch die Höhe der pauschal ermittelten Erträge des Anlegers verletzt nicht Art. 3 Abs. 1 GG.

Die von § 6 Abs. 1 Satz 1 InvStG vorgesehene anteilige Erfassung von Wertsteigerungen des Investmentanteils als Grundlage zur Ermittlung der Erträge des Anlegers neben den Ausschüttungen und dem Zwischengewinn ist gerechtfertigt, weil sie bei thesaurierenden Investmentfonds eine Besteuerung sicherstellt, die dem Ergebnis bei der Besteuerung von „transparenten“ Investmentfonds vergleichbar ist. Bei Investmentfonds, die den Bekanntmachungspflichten des § 5 Abs. 1 InvStG nachkommen, werden auch ausschüttungsgleiche Erträge erfasst. Die Besteuerung dieser Erträge soll nicht dadurch umgangen werden können, dass der Investmentfonds die Bekanntmachungspflichten nicht erfüllt. Dass der Gesetzgeber pauschal davon ausgeht, dass 70 % der Wertsteigerung des Investmentanteils am Ende des Kalenderjahres zu ausschüttungsgleichen Erträgen beim Anleger führen, ist von seinem Gestaltungsspielraum gedeckt16.

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Die pauschale Ermittlung der Erträge des Anlegers in Höhe von mindestens 6 % des letzten im Kalenderjahr festgesetzten Rücknahme- bzw. Marktpreises des Anteils unterstellt zwar eine überdurchschnittliche Fondsrendite. Da diese pauschale Ermittlung jedoch erst eingreift, wenn auch der Anleger den Nachweis der Besteuerungsgrundlagen nach § 6 Abs. 2 InvStG nicht erbracht hat, ist die Pauschalierung unter Berücksichtigung des dem Gesetzgeber eröffneten weiten Gestaltungsspielraums gerechtfertigt, zumal der Gesetzgeber mit der Herabsetzung der Mindestverzinsung von 10 % auf 6 % ab dem Veranlagungszeitraum 2004 die Wirkungen der pauschalen Ermittlung der Erträge wesentlich entschärft und ihres teilweise beanstandeten Strafcharakters entkleidet hat17.

§ 6 InvStG führt auch nicht zu einer nach Art. 14 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich unzulässigen Übermaßbesteuerung. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Bundesfinanzhof insoweit auf die Ausführungen im BFH, Urteil in BFHE 251, 162, BStBl II 2016, 447, zu § 18 Abs. 3 AuslInvestG Bezug, weil insoweit dieselben Wertungen einschlägig sind.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 14. Mai 2019 – VIII R 31/16

  1. BFH, Urteil vom 17.11.2015 – VIII R 27/12, BFHE 252, 112, BStBl II 2016, 539, Rz 21[]
  2. FG Düsseldorf, Urteil vom 03.11.2016 – 16 K 3383/10 F[]
  3. BMF, Schreiben vom 23.05.2016, BStBl I 2016, 504[]
  4. BGBl I 2016, 1730[]
  5. vgl. BT-Drs. 18/8045, S. 129 f.[]
  6. EU:C:2014:2269, HFR 2014, 1127[][]
  7. FG Düsseldorf, a.a.O.[][][]
  8. vgl. BT-Drs. 18/8045, S. 130[]
  9. BFH, Urteil in BFHE 252, 112, BStBl II 2016, 539, Rz 51[]
  10. ständige Rechtsprechung, vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 15.12 2015 – 2 BvL 1/12, BVerfGE 141, 1, m.w.N.[]
  11. vgl. BVerfG, Beschluss vom 29.03.2017 – 2 BvL 6/11, BVerfGE 145, 106, m.w.N.[]
  12. BVerfG, Beschluss vom 06.07.2010 – 2 BvL 13/09, BVerfGE 126, 268, m.w.N.[]
  13. vgl. auch EuGH, Urteil, EU:C:2014:2269, Rz 28, HFR 2014, 1127[]
  14. BT-Drs. V/3494, S. 16 f. sowie BT-Drs. 15/1553, S. 121 f.[]
  15. vgl. BFH, Urteil in BFHE 251, 162, BStBl II 2016, 447, zur Vorgängervorschrift § 18 Abs. 3 des Gesetzes über den Vertrieb ausländischer Investmentanteile und über die Besteuerung der Erträge aus ausländischen Investmentanteilen -AuslInvestG-[]
  16. vgl. BFH, Urteil in BFHE 251, 162, BStBl II 2016, 447, zur Verfassungsmäßigkeit von 90 % des Mehrbetrags nach § 18 Abs. 3 AuslInvestG[]
  17. vgl. BT-Drs. 15/1553, S. 121 f.[]