Eine Veräußerung liegt nicht vor, wenn der Anleger den Anteilsschein gemäß § 11 Abs. 2 KAGG an die Kapitalanlagegesellschaft zurückgibt.

Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 i.V.m. § 22 Nr. 2, § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG unterliegen private Veräußerungsgeschäfte insbesondere bei Wertpapieren, als sonstige Einkünfte der Einkommensteuer, wenn der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als ein Jahr beträgt. Die durch das Steuerentlastungsgesetz (StEntlG) 1999/2000/2002 vom 24.03.19991 auf ein Jahr verlängerte Frist ist erstmals anzuwenden auf Veräußerungsgeschäfte, bei denen die Veräußerung auf einem nach dem 31.12 1998 rechtswirksam abgeschlossenen obligatorischen Vertrag oder gleichstehenden Rechtsakt beruht (§ 52 Abs. 39 Satz 1 i.d.F. durch das StEntlG 1999/2000/2002).
Anteilsscheine i.S. von § 18 KAGG sind Wertpapiere. Sie verbriefen die Ansprüche des Anteilsinhabers gegenüber der Kapitalanlagegesellschaft (§ 18 Abs. 1 Satz 1 KAGG).
Eine Veräußerung liegt jedoch nicht vor, wenn der Anleger den Anteilsschein gemäß § 11 Abs. 2 KAGG an die Kapitalanlagegesellschaft zurückgibt.
Anschaffung ist der entgeltliche Erwerb eines bereits vorhandenen Wirtschaftsguts von einem Dritten, Veräußerung die entgeltliche Übertragung desselben Wirtschaftsguts auf einen Dritten2.
Schon begrifflich stellt eine Rückgabe keine Veräußerung dar. Die Begriffe Veräußerung und Rückgabe werden deshalb im KAGG und im AuslInvestmG stets parallel, aber nicht synonym verwendet (z.B. § 39 Abs. 1a Satz 2 Nr. 5, Satz 3 KAGG, sowie entsprechend § 17 AuslInvestmG).
Die Rückgabe eines Anteilsscheins gemäß § 11 Abs. 2 KAGG ist auch nicht dessen Veräußerung gleichzustellen. Bei der Rückgabe gemäß § 11 Abs. 2 KAGG (vgl. auch § 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b AuslInvestmG) wird nicht das erworbene Wirtschaftsgut auf einen Dritten übertragen. Mit der Übereignung des Anteilsscheins an die Kapitalanlagegesellschaft erlöschen die darin verbrieften Rechte und verliert das Papier (zumindest vorübergehend) seine Verbriefungsfunktion. Das vom früheren Inhaber eingezahlte Kapital ist nach dessen Auszahlung im Sondervermögen nicht mehr vorhanden. Die Kapitalanlagegesellschaft kann schon aus Rechtsgründen keine schuldrechtlichen Ansprüche gegen sich selbst haben3. Aus der Sicht des Übertragenden unterscheidet sich die Rückgabe von der Veräußerung vor allem im Hinblick auf die Gegenleistung. Während er bei der Rückgabe allenfalls den Rückkaufswert erhält, den der Emittent ermittelt, kann er bei der Veräußerung an einen Dritten den Kurswert realisieren, der vom Wert des Anteils abweichen kann. Unerheblich ist, ob sich ein Käufer für die Investmentanteile hätte finden lassen, denn die Unterschiede zwischen Rückgabe und Veräußerung werden dadurch nicht beseitigt. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung sah die Einbeziehung veräußerungsähnlicher Vorgänge (Einlösung, Rückzahlung etc.) nicht vor (so aber z.B. § 20 Abs. 2 Satz 2 EStG in der ab dem 1.01.2009 geltenden Fassung). Eine den Besteuerungstatbestand erweiternde Auslegung hat der Bundesfinanzhof wiederholt abgelehnt4.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 10. November 2015 – IX R 3/15
- BGBl I 1999, 402[↩]
- ständige Rechtsprechung, z.B. BFH, Urteile vom 21.01.2014 – IX R 11/13, BFHE 244, 44, BStBl II 2014, 385; vom 12.05.2015 – IX R 57/13, BFH/NV 2015, 1364[↩]
- Pleyer, Wertpapier-Mitteilungen -WM- 1979, 850; Baur, Investmentgesetze, 2. Aufl., § 11 KAGG Rz 11; Dahm/Hamacher, WM Sonderbeilage Nr. 3, 1994, 20, 21; Oho/Remmel, Betriebs-Berater 2002, 1449, 1456[↩]
- vgl. BFH, Urteile vom 25.08.1987 – IX R 65/86, BFHE 151, 132, BStBl II 1988, 248 zu Devisentermingeschäften; vom 03.08.2004 – X R 55/01, BFH/NV 2005, 517; für eine erweiternde Auslegung Schmidt/Heinicke, EStG, 18. Aufl., § 23 Rz 11[↩]