Ein Arbeitnehmer (Beamter), der von seinem Arbeitgeber für drei Jahre an eine andere als seine bisherige Tätigkeitsstätte abgeordnet oder versetzt wird, begründet dort keine regelmäßige Arbeitsstätte i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG.

Fahrtkosten eines Arbeitnehmers im Rahmen einer beruflich veranlassten Auswärtstätigkeit sind Erwerbsaufwendungen und gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG in Höhe des dafür tatsächlich entstandenen Aufwands als Werbungskosten zu berücksichtigen. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG kommt insoweit nicht zur Anwendung1. Denn ein Arbeitnehmer, der außerhalb einer dem Arbeitgeber zuzuordnenden Betriebsstätte oder an einer solchen nur vorübergehend und damit auswärts tätig ist, hat typischerweise nicht die Möglichkeit, seine Wegekosten gering zu halten2.
Eine Auswärtstätigkeit liegt u.a. vor, wenn der Arbeitnehmer vorübergehend außerhalb seiner Wohnung und seiner regelmäßigen Arbeitsstätte (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG) beruflich tätig wird3; dies gilt auch dann, wenn der Arbeitnehmer seiner Berufstätigkeit vorübergehend längerfristig an einer anderen betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers nachgeht (§ 9 Abs. 5 i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Sätze 1 ff. EStG). Denn eine vorübergehende Tätigkeitsstätte wird nicht durch bloßen Zeitablauf zum Tätigkeitsmittelpunkt bzw. zur regelmäßigen Arbeitsstätte des Arbeitnehmers4. Vielmehr wird eine betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers nur dann zur regelmäßigen Arbeitsstätte i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG, wenn der Arbeitgeber seinen Arbeitnehmer dieser Tätigkeitsstätte dauerhaft zugeordnet hat5.
Ob der Arbeitnehmer lediglich –unter Beibehaltung seiner bisherigen regelmäßigen Arbeitsstätte– „vorübergehend“ in einer anderen betrieblichen Einrichtung seines Arbeitgebers tätig wird oder von Anbeginn dauerhaft an den neuen Beschäftigungsort entsandt wurde und dort eine (neue) regelmäßige Arbeitsstätte begründet hat, ist nach den Gesamtumständen des Einzelfalls zu beurteilen6. Hierfür hat das Finanzgericht insbesondere die der Auswärtstätigkeit zugrundeliegenden Vereinbarungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer in den Blick zu nehmen und anhand dieser –ex ante7– zu beurteilen, ob der Arbeitnehmer voraussichtlich an seine regelmäßige Arbeitsstätte zurückkehren und dort seine berufliche Tätigkeit fortsetzen wird. Denn das Gesetz gibt derzeit noch (anders als künftig § 9 Abs. 4 EStG8 ) keine zeitliche Obergrenze für die Annahme einer vorübergehenden Auswärtstätigkeit vor.
Im vorliegend vom Bundesfinanzhof entschiedenen Fall war eine Tätigkeit des Klägers an der Landesfinanzschule lt. Abordnungsverfügung vom 27.07.1993 und Versetzungsverfügung vom 22.10.1993 „nach derzeitigem Stand … bis zum 31.07.1996 vorgesehen“. Die berufliche Verwendung des Klägers in Bad Eilsen war demnach, obwohl er im beamtenrechtlichen Sinne nicht nur (vorübergehend) abgeordnet (§ 27 Abs. 1 des Niedersächsischen Beamtengesetzes –NBG–9 ) war, trotz der im Grundsatz nach § 31 NBG auf unbestimmte Zeit angelegten Versetzung auf drei Jahre befristet und damit nur vorübergehend. Eine regelmäßige Arbeitsstätte i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG liegt damit nicht vor. Der Kläger ist folglich auswärts tätig. Die Kosten für die Wege zwischen seiner Wohnung und der Landesfinanzschule Niedersachsen sind daher in tatsächlicher Höhe gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG zu berücksichtigen.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 8. August 2013 – VI R 72/12
- BFH, Urteile vom 11.05.2005 – VI R 7/02, BFHE 209, 502, BStBl II 2005, 782; – VI R 70/03, BFHE 209, 508, BStBl II 2005, 785; vom 10.04.2008 – VI R 66/05, BFHE 221, 35, BStBl II 2008, 825[↩]
- ständige Rechtsprechung, z.B. BFH, Urteile vom 17.06.2010 – VI R 35/08, BFHE 230, 147, BStBl II 2010, 852; vom 09.02.2012 – VI R 22/10, BFHE 236, 426, BStBl II 2012, 827[↩]
- BFH, Urteile vom 15.05.2013 – VI R 41/12, BStBl II 2013, 704; vom 13.06.2012 – VI R 47/11, BFHE 238, 53, BStBl II 2013, 169; in BFHE 221, 35, BStBl II 2008, 825; in BFHE 209, 502, BStBl II 2005, 782; in BFHE 209, 508, BStBl II 2005, 785; R 9.4 Abs. 2 Satz 1 LStR[↩]
- vgl. BFH, Urteile vom 19.12.2005 – VI R 30/05, BFHE 212, 218, BStBl II 2006, 378; vom 10.07.2008 – VI R 21/07, BFHE 222, 391, BStBl II 2009, 818; Schmidt/Krüger, EStG, 32. Aufl., § 19 Rz 110, Stichwort: Reisekosten
; R 9.4 Abs. 3 Satz 4 LStR[↩] - BFH, Urteile vom 19.01.2012 – VI R 36/11, BFHE 236, 353, BStBl II 2012, 503; – VI R 32/11, BFH/NV 2012, 936; vom 09.06.2011 – VI R 55/10, BFHE 234, 164, BStBl II 2012, 38; – VI R 36/10, BFHE 234, 160, BStBl II 2012, 36; – VI R 58/09, BFHE 234, 155, BStBl II 2012, 34[↩]
- vgl. z.B. OFD Münster, Kurzinfo ESt Nr. 1/2011 vom 04.01.2011, DB 2011, 206; OFD Rheinland und OFD Münster vom 13.02.2009 S 2338-1001-St 215 bzw. S 2353-20-St 22-31, DStR 2009, 432[↩]
- vgl. hierzu BFH, Urteil vom 09.02.2012 – VI R 22/10, BFHE 236, 426, BStBl II 2012, 827[↩]
- i.d.F. des Gesetzes zur Änderung und Vereinfachung der Unternehmensbesteuerung und des steuerlichen Reisekostenrechts vom 20.02.2013, BGBl – I 2013, 285[↩]
- vom 25.03.2009, Nds. GVBl.2009, 72[↩]