Ein Leiharbeitnehmer verfügt typischerweise nicht über eine regelmäßige Arbeitsstätte und kann damit grundsätzlich Verpflegungsmehraufwand geltend machen.

In einem jetzt vom Bundesfinanzhof entschiedenen Streitfall war der Kläger in einem Hafengebiet als Leiharbeitnehmer bei einem Unternehmen beschäftigt, das seine Bediensteten verschiedenen anderen Betrieben im Hafengebiet jeweils kurzfristig entsprechend deren Bedarf überlassen hatte. Der Kläger begehrte bei seiner Einkommensteuerveranlagung die Berücksichtigung von Verpflegungsmehraufwendungen. Das Finanzamt lehnte dies ebenso ab wie in der Folge das von dem Leiharbeitnehmer angerufene Finanzgericht.
Die hiergegen eingelegte Revision des Klägers war jedoch vor dem Bundesfinanzhof erfolgreich: Nach § 9 Abs. 5 Satz 1 EStG in Verbindung mit § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Sätze 1 und 2 EStG können Arbeitnehmer bei Auswärtstätigkeiten Mehraufwendungen für ihre Verpflegung als Werbungskosten abziehen. Eine solche Auswärtstätigkeit liegt unter anderem vor, wenn ein Arbeitnehmer vorübergehend von seiner Wohnung und dem Tätigkeitsmittelpunkt entfernt beruflich tätig wird. Keine Auswärtstätigkeit ist dagegen die an der (regelmäßigen) Arbeitsstätte, nämlich an der dauerhaften betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers, der der Arbeitnehmer zugeordnet ist und die er nachhaltig, fortdauernd und immer wieder aufsucht. Das ist regelmäßig im Betrieb des Arbeitgebers der Fall, nicht aber bei der Tätigkeitsstätte in einer betrieblichen Einrichtung des Kunden des Arbeitgebers.
Der Bundesfinanzhof begründete seine Entscheidung damit, dass der Kläger seiner beruflichen Tätigkeit in Einrichtungen der verschiedenen Kunden seines Arbeitgebers nachgegangen ist. Er habe sich als Leiharbeitnehmer nicht darauf einrichten können, an einem bestimmten Tätigkeitsmittelpunkt und damit an einer regelmäßigen Arbeitsstätte dauerhaft tätig zu sein.
Offen ließ es der Bundesfinanzhof dagegen, ob der Auffassung der Finanzverwaltung zu folgen sei, dass ein Leiharbeitnehmer, der vom Verleiher für die gesamte Dauer seines Dienstverhältnisses dem Entleiher überlassen wird, über eine regelmäßige Arbeitsstätte verfügt. Denn im aktuellen Streitfall war der Kläger jeweils nur kurzfristig für verschiedene Kunden seines Arbeitgebers tätig.
Tätigkeitsmittelpunkt i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 2 EStG und (regelmäßige) Arbeitsstätte i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG ist jeweils jede dauerhafte betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers, der der Arbeitnehmer zugeordnet ist und die er nachhaltig, fortdauernd und immer wieder aufsucht. Das ist regelmäßig im Betrieb des Arbeitgebers oder im Zweigbetrieb der Fall1, nicht aber bei der Tätigkeitsstätte in einer betrieblichen Einrichtung des Kunden des Arbeitgebers2.
Tätigkeitsmittelpunkt und regelmäßige Arbeitsstätte im vorgenannten Sinne sind dadurch gekennzeichnet, dass sich der Arbeitnehmer in unterschiedlicher Weise auf die immer gleichen Wege einstellen und so auf eine Minderung der Wegekosten etwa durch die Bildung von Fahrgemeinschaften, die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel und gegebenenfalls sogar durch die entsprechende Wohnsitznahme hinwirken kann. Für diesen Fall erweist sich die Regelung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG als sachgerechte und folgerichtige Ausnahme vom objektiven Nettoprinzip3.
Auf Grundlage der gesetzlich angelegten und in der vorgenannten Weise gerechtfertigten Zweiteilung der Berücksichtigung von Erwerbsaufwendungen unterscheiden sich regelmäßige Arbeitsstätte/Tätigkeitsmittelpunkt von Auswärtstätigkeit nach der mittlerweile ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats nicht danach, ob der Arbeitnehmer aus einer ex post-Betrachtung tatsächlich an einem bestimmten Ort für längere Zeit tätig gewesen war, sondern danach, ob sich der Arbeitnehmer zu Beginn der jeweiligen Tätigkeit („ex ante“) darauf hatte einrichten können, dort dauerhaft tätig zu sein. Deshalb hatte der Bundesfinanzhof auch die Frage, ob eine Tätigkeitsstätte beim Kunden des Arbeitgebers eine regelmäßige Arbeitsstätte sein kann, verneint. Denn selbst dann, wenn der Arbeitnehmer jahrelang bei einem bestimmten Kunden seines Arbeitgebers tätig gewesen sein sollte, hatte sich der Arbeitnehmer darauf typischerweise nicht einstellen können.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 17. Juni 2010 – VI R 35/08
- vgl. zuletzt BFH, Urteile vom 18.12.2008 – VI R 39/07, BFHE 224, 111, BStBl II 2009, 475; vom 18.06.2009 – VI R 61/06, BFHE 226, 59, BStBl II 2010, 564; vom 21.01.2010 – VI R 51/08, BFHE 228, 85[↩]
- BFH, Urteile vom 10.07.2008 – VI R 21/07, BFHE 222, 391, BStBl II 2009, 818; und vom 09.07.2009 – VI R 21/08, BFHE 225, 449, BStBl II 2009, 822[↩]
- vgl. BFH, Urteile vom 11.05.2005 – VI R 25/04, BFHE 209, 523, BStBl II 2005, 791; in BFHE 222, 391, BStBl II 2010, 564; und in BFHE 224, 111, BStBl II 2009, 475[↩]