Bei einer befristeter Versetzung des Arbeitnehmers an eine andere betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers (hier: eine andere Stammdienststelle der Bundeswehr) besteht dort keine regelmäßige Arbeitsstätte i.S. von § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG noch der Tätigkeitsmittelpunkt i.S. von § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 2 EStG.

Als Werbungskosten i.S. von § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG sind sämtliche Aufwendungen abziehbar, die beruflich veranlasst sind. Hierzu gehören auch Fahrt- bzw. Mobilitätskosten. Sie sind grundsätzlich in tatsächlicher Höhe zu berücksichtigen1. Allerdings sind Aufwendungen des Arbeitnehmers für die Wege zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte nach Maßgabe der in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG genannten Entfernungspauschalen nur eingeschränkt als Werbungskosten abziehbar.
Regelmäßige Arbeitsstätte im Sinne dieser Vorschrift ist nach der neueren Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs jede ortsfeste dauerhafte betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers, der der Arbeitnehmer zugeordnet ist und die er nicht nur gelegentlich, sondern mit einer gewissen Nachhaltigkeit, das heißt fortdauernd und immer wieder aufsucht; dies ist regelmäßig der Betrieb des Arbeitgebers oder ein Zweigbetrieb.
Liegt eine auf Dauer und Nachhaltigkeit angelegte (regelmäßige) Arbeitsstätte vor, so kann sich der Arbeitnehmer in unterschiedlicher Weise auf die immer gleichen Wege einstellen und so auf eine Minderung der Wegekosten hinwirken. Dies kann etwa durch Bildung von Fahrgemeinschaften und Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel und ggf. durch eine entsprechende Wohnsitznahme geschehen. Für diesen Grundfall erweist sich die Regelung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG als sachgerechte und folgerichtige Ausnahme vom objektiven Nettoprinzip.
Liegt dagegen keine auf Dauer und Nachhaltigkeit angelegte (regelmäßige) Arbeitsstätte vor, auf die sich der Arbeitnehmer in der aufgezeigten Weise einstellen kann, ist eine Durchbrechung der Abziehbarkeit beruflich veranlasster Mobilitätskosten gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG sachlich nicht gerechtfertigt. Dies ist insbesondere bei Auswärtstätigkeiten der Fall. Ein auswärts tätiger Arbeitnehmer hat typischerweise nicht die vorbezeichneten Möglichkeiten, seine Wegekosten gering zu halten, insbesondere scheidet ein Familienumzug an die Tätigkeitsstätte aus2.
Eine Auswärtstätigkeit liegt u.a. vor, wenn der Arbeitnehmer vorübergehend außerhalb seiner Wohnung und seiner regelmäßigen Arbeitsstätte (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG)) beruflich tätig wird3; dies gilt auch dann, wenn der Arbeitnehmer seiner Berufstätigkeit vorübergehend längerfristig an einer anderen betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers nachgeht. Denn eine vorübergehende Tätigkeitsstätte wird nicht durch bloßen Zeitablauf zum Tätigkeitsmittelpunkt bzw. zur regelmäßigen Arbeitsstätte des Arbeitnehmers4. Vielmehr wird eine betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers nur dann zur regelmäßigen Arbeitsstätte i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG, wenn der Arbeitgeber seinen Arbeitnehmer dieser Tätigkeitsstätte dauerhaft zugeordnet hat5.
Ob der Arbeitnehmer lediglich -unter Beibehaltung seiner bisherigen regelmäßigen Arbeitsstätte- „vorübergehend“ in einer anderen betrieblichen Einrichtung seines Arbeitgebers tätig wird oder von Anbeginn dauerhaft an den neuen Beschäftigungsort entsandt wurde und dort eine (neue) regelmäßige Arbeitsstätte begründet hat, ist nach den Gesamtumständen des Einzelfalls zu beurteilen. Hierfür hat das Finanzgericht insbesondere die der Auswärtstätigkeit zugrunde liegenden Vereinbarungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer in den Blick zu nehmen und anhand dieser -ex ante6- zu beurteilen, ob der Arbeitnehmer voraussichtlich an seine regelmäßige Arbeitsstätte zurückkehren und dort seine berufliche Tätigkeit fortsetzen wird. Denn das Gesetz gibt derzeit noch (anders als künftig § 9 Abs. 4 EStG i.d.F. des Gesetzes zur Änderung und Vereinfachung der Unternehmensbesteuerung und des steuerlichen Reisekostenrechts7) keine zeitliche Obergrenze für die Annahme einer vorübergehenden Auswärtstätigkeit vor.
Gemessen daran ist ein nur befristet versetzten Soldat auswärts tätig. Die Kosten für die Wege zwischen seiner Wohnung und der befristeten Tätigkeitsstätte sind daher in tatsächlicher Höhe gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG zu berücksichtigen. Die Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG liegen nicht vor.
Im vorliegenden Fall war die Tätigkeit des Soldaten in X laut Versetzungsverfügung auf längstens zwei Jahre ausgerichtet und damit befristet. Der Soldat musste sogar im Zuge der Bundeswehrstrukturreform mit einer Versetzung vor Ablauf der Zweijahresfrist rechnen, was die Nichtzusage einer Umzugskostenvergütung erklärt. Die Tätigkeit des Soldaten in – X war demnach trotz Versetzung nur vorübergehend. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ist, wie erwähnt, ein Arbeitnehmer auch dann auswärts tätig, wenn er einer längerfristigen vorübergehenden Tätigkeit an derselben Tätigkeitsstätte nachgeht. Denn der Begriff der „regelmäßigen Arbeitsstätte“ i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG entspricht dem Begriff des „Tätigkeitsmittelpunkts“ i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 2 EStG8. Ein Arbeitnehmer ist nicht am Tätigkeitsmittelpunkt (regelmäßige Arbeitsstätte), sondern auch dann auswärts beschäftigt, wenn er -wie hier- einer „längerfristigen vorübergehenden Tätigkeit an derselben Tätigkeitsstätte“ nachgeht (vgl. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 5 EStG)9.
Die Urteile des Bundesfinanzhofs in BFHE 234, 155, BStBl II 2012, 34, in BFHE 234, 160, BStBl II 2012, 36 und in BFHE 234, 164, BStBl II 2012, 38 stehen diesem Ergebnis nicht entgegen. Denn diese Entscheidungen betreffen zum einen besondere Fallgestaltungen. Zum anderen hat der Senat auch hier darauf abgestellt, dass regelmäßige Arbeitsstätte (nur) der Mittelpunkt der dauerhaft angelegten beruflichen Tätigkeit des Arbeitnehmers sein kann. Eine, wie im Streitfall, schon aus ex ante-Sicht nur vorübergehende bzw. befristete Tätigkeit von allenfalls zwei Jahren erfüllt diese Voraussetzung nicht.
Gleiches gilt auch hinsichtlich der rechtlichen Beurteilung der Mehraufwendungen für die Verpflegung:
Nach § 9 Abs. 5 Satz 1 EStG i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Sätze 1 und 2 EStG kann ein Arbeitnehmer Mehraufwendungen für seine Verpflegung dann als Werbungskosten abziehen, wenn er vorübergehend von seiner Wohnung und dem Tätigkeitsmittelpunkt entfernt, also auswärts, beruflich tätig ist. Davon ist hier auszugehen, weil aus den genannten Gründen die Tätigkeitsstätte des Klägers in – X nicht der Tätigkeitsmittelpunkt i.S. von § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 2 EStG war.
Da sich nach der Sonderregelung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 5 EStG i.V.m. § 9 Abs. 5 EStG der Abzug der Pauschbeträge nach Satz 2 der erstgenannten Vorschrift auf „die ersten drei Monate“ der Auswärtstätigkeit beschränkt, kam die Berücksichtigung von Mehraufwendungen für die Verpflegung aus den vom Finanzgericht genannten Gründen nur für die Monate Januar und Februar des Streitjahres in Betracht.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 8. August 2013 – VI R 27/12
- BFH, Vorlagebeschluss vom 10.01.2008 – VI R 17/07, BFHE 219, 358, BStBl II 2008, 234[↩]
- ständige Rechtsprechung, siehe etwa BFH, Urteile vom 09.07.2008 – VI R 21/08, BFHE 225, 449, BStBl II 2009, 822; vom 17.06.2010 – VI R 35/08, BFHE 230, 147, BStBl II 2010, 852; jeweils m.w.N.[↩]
- BFH, Urteile vom 15.05.2013 – VI R 41/12, BStBl II 2013, 704; vom 13.06.2012 – VI R 47/11, BFHE 238, 53, BStBl II 2013, 169; in BFHE 221, 35, BStBl II 2008, 825; in BFHE 209, 502, BStBl II 2005, 782; in BFHE 209, 508, BStBl II 2005, 785[↩]
- vgl. BFH, Urteile vom 19.12 2005 – VI R 30/05, BFHE 212, 218, BStBl II 2006, 378; vom 10.07.2008 – VI R 21/07, BFHE 222, 391, BStBl II 2009, 818; Schmidt/Krüger, EStG, 32. Aufl., § 19 Rz 110, Stichwort: Reisekosten [Auswärtstätigkeit][↩]
- BFH, Urteile vom 19.01.2012 – VI R 36/11, BFHE 236, 353, BStBl II 2012, 503; VI R 32/11, BFH/NV 2012, 936; vom 09.06.2011 – VI R 55/10, BFHE 234, 164, BStBl II 2012, 38; VI R 36/10, BFHE 234, 160, BStBl II 2012, 36; VI R 58/09, BFHE 234, 155, BStBl II 2012, 34[↩]
- vgl. hierzu BFH, Urteil vom 09.02.2012 – VI R 22/10, BFHE 236, 426, BStBl II 2012, 827[↩]
- vom 20.02.2013, BGBl I 2013, 285[↩]
- BFH, Urteile in BFHE 221, 35, BStBl II 2008, 825; in BFHE 230, 147, BStBl II 2010, 852[↩]
- BFH, Urteil in BFHE 221, 35, BStBl II 2008, 825; auch BFH, Urteile vom 09.02.2012 – VI R 42/11, BFHE 236, 439, BStBl II 2013, 236; VI R 44/10, BFHE 236, 431, BStBl II 2013, 234[↩]