Regelmäßige Arbeitsstätte von Autobahnpolizisten

Bei einem Beamten der Autobahnpolizei, der arbeitstäglich seine Dienststelle anfährt und den Großteil seiner Zeit im Einsatzwagen auf einem abgegrenzten Bereich des öffentlichen Verkehrswegenetzes Streife fährt, stellt die Polizeidienststelle seine regelmäßige Arbeitsstätte bzw. das Einsatzgebiet eine weiträumige regelmäßige Arbeitsstätte dar.

Regelmäßige Arbeitsstätte von Autobahnpolizisten

Im Ergebnis konnte daher der Polizist in dem hier vom Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt in Dessau-Roßlau entschiedenen Fall für seine Fahrten zur Polizeidienststelle nur die sog. Entfernungspauschale (0,30 € pro Entfernungskilometer) für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte steuerlich absetzen. Verwehrt blieb dem Polizisten dagegen ein weitergehender Abzug von Fahrtkosten pro tatsächlich gefahrene Kilometer und die täglichen Verpflegungsmehraufwandspauschalen nach Dienstreisegrundsätzen.

Nach der Rspr. des Bundesfinanzhofs1 ist regelmäßige Arbeitsstätte i.S.d. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG jede ortsfeste dauerhafte betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers, der der Arbeitnehmer zugeordnet ist und die er nicht nur gelegentlich, sondern mit einer gewissen Nachhaltigkeit, das heißt fortdauernd und immer wieder aufsucht. Auf diese mit den immer gleichen Wegen verbundene Arbeitsstätte kann sich der Arbeitnehmer in unterschiedlicher Weise einstellen und so insbesondere auch auf eine Minderung der Wegekosten hinwirken, etwa durch Bildung von Fahrgemeinschaften, Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel und ggf. durch entsprechende Wohnsitznahme. Arbeitsstätte in diesem Sinne ist allerdings nicht jeder beliebige Tätigkeitsort, sondern der Ort, an dem der Arbeitnehmer typischerweise seine Arbeitsleistung im Schwerpunkt zu erbringen hat. Dies wird regelmäßig der Betrieb oder eine Betriebsstätte des Arbeitgebers sein. Für die Annahme einer Arbeitsstätte reicht es nicht aus, wenn zahlreiche Tätigkeitsstätten im zeitlichen Abstand immer wieder aufgesucht werden, sondern es ist auch eine gewisse zeitliche Nachhaltigkeit und Dauerhaftigkeit in der Tätigkeit an diesen Orten erforderlich. Für die regelmäßige Arbeitsstätte ist nach der mittlerweile geänderten Rspr. nunmehr entscheidend, wo sich der ortsgebundene Mittelpunkt der beruflichen Tätigkeit eines Arbeitnehmers befindet. Dort liegt die eine regelmäßige Arbeitsstätte, die ein Arbeitnehmer nur haben kann. Dieser Mittelpunkt der dauerhaft angelegten beruflichen Tätigkeit bestimmt sich nach den qualitativen Merkmalen einer wie auch immer gearteten Arbeitsleistung, die der Arbeitnehmer an dieser Arbeitsstätte im Einzelnen wahrnimmt oder wahrzunehmen hat sowie nach dem konkreten Gewicht dieser dort verrichteten Tätigkeit. Angesichts dessen liegt die regelmäßige Arbeitsstätte am Betriebssitz des Arbeitgebers oder an einer sonstigen ortsfesten dauerhaften betrieblichen Einrichtung, welcher der Arbeitnehmer zugeordnet ist, wenn er diesen Ort nicht nur gelegentlich, sondern mit einer gewissen Nachhaltigkeit, d.h. fortdauernd und immer wieder aufsucht und dort schwerpunktmäßig tätig wird. Dagegen genügt allein der Umstand, dass ein Arbeitnehmer den Betriebssitz oder sonstige Einrichtungen des Arbeitgebers mit einer gewissen Nachhaltigkeit aufsucht, für sich betrachtet nicht, um eine regelmäßige Arbeitsstätte zu begründen.

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Eine regelmäßige Arbeitsstätte kann aber auch ein größeres, räumlich geschlossenes Gebiet umfassen, wie beispielsweise bei einem Forstamtsmitarbeiter das diesem zugewiesene Waldgebiet2 oder das Lotsrevier einer Lotsenbrüderschaft3, wenn es sich um ein zusammenhängendes Gelände handelt, auf dem der Steuerpflichtige auf Dauer und mit einer gewissen Nachhaltigkeit tätig wird4 und sich in diesem Gelände jedenfalls eine ortsfeste betriebliche Einrichtung befindet, die nach ihren infrastrukturellen Gegebenheiten mit einem Betriebssitz oder mit einer sonstigen betrieblichen Einrichtung eines Arbeitgebers vergleichbar ist5.

Das Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt ist der Auffassung, dass Sinn und Zweck der Regelung einer Deutung dahingehend entgegensteht, dass ausgehend von der angeführten Rspr. des BFH der Autobahnpolizist im Revierkommissariat keine regelmäßige Arbeitsstätte hat, weil qualitativ seine Arbeit im Streifendienst überwiegt. Er folgt damit der Rspr. des Niedersächsischen Finanzgerichts6 und des Finanzgericht Berlin-Brandenburg7.

§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG ist eine Ausnahme vom objektiven Nettoprinzip. Übt ein Arbeitnehmer an mehreren betrieblichen Einrichtungen des Arbeitgebers seinen Beruf aus, ist es ihm regelmäßig nicht möglich, die anfallenden Wegekosten durch die oben aufgeführten Maßnahmen gering zu halten. Die unter Umständen nicht verlässlich vorhersehbare Notwendigkeit, verschiedene Tätigkeitsstätten aufsuchen zu müssen, erlaubt es dem Arbeitnehmer in diesen Fällen nicht, sich immer auf die gleichen Wege und eine kostengünstige Verpflegungssituation einzustellen8. In einem solchen Fall lässt sich die Einschränkung der Steuererheblichkeit von Wegekosten durch die Entfernungspauschale (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG) nicht rechtfertigen.

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Die vom Bundesfinanzhof aufgestellten Grundsätze sind zutreffend, soweit es sich im Streitfall wie auch in dem vom BFH mit Urteil vom 09.06.20119 entschiedenen Fall um einen Außendienstmitarbeiter handelt, der ursprünglich ständig wechselnde Kunden von der Wohnung aus anfuhr und später bei gleicher Tätigkeit zu reinen Kontrollzwecken einmal täglich die Betriebsstätte aufsuchen musste. Denn dieser ist bei der Planung seiner Besuchsfahrten den sich ständig ändernden äußeren Umständen unterworfen und kann so seine Wegekosten nicht durch entsprechende Maßnahmen minimieren.

Beim Autobahnpolizisten hingegen verhält es sich anders. Der Autobahnpolizist fährt arbeitstäglich zu seiner Dienststelle, der er zumindest nach dem vorgelegten Schreiben des Revierkommissariats BAB/SÜV B/Polizeidirektion S vom 14.11.2013 zugeordnet worden ist. Er erhält dort seinen Dienstwagen, ggf. erste Einsatzbefehle und ihm stehen für notwendige Schreibarbeiten entsprechende sachliche Mittel dort zur Verfügung. Folglich kann der Autobahnpolizist sich auf die immer gleichen Wege und eine kostengünstige Verpflegungssituation einstellen.

Das Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt ist zudem der Auffassung, dass es sich vorliegend um einen Fall einer weiträumigen Arbeitsstätte handelt.

Der Autobahnpolizist war im streitigen Zeitraum in einem abgegrenzten Bereich des öffentlichen Verkehrswegenetzes tätig, nämlich auf den Bundesautobahnen AX und Y und der Bundesstraße Z und dort wiederum im zugewiesenen Zuständigkeitsbereich. Dabei handelt es sich um ein zusammenhängendes Gelände. Die BZ führt zur AY und diese wiederum zur AX. An B wiederum führt die BZ vorbei, so dass vermittels der öffentlichen Verkehrswege das Revierkommissariat mit diesem Gelände verbunden ist.

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Die Tätigkeit des Polizisten lässt sich mit der eines Lotsen oder eines anderen, mit der Überwachung eines bestimmten Bereichs betrauten Arbeitnehmer oder Selbständigen vergleichen. Der Lotse hat10 die Aufgabe, innerhalb eines festgelegten Gebietes Schiffe sicher zu lotsen. Die Lotsenstation wiederum ist als ortsfeste Einrichtung für die Durchführung der von der Lotsenbrüderschaft in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit zu leistende Lotsendienste wesentlicher Teil zur Organisation und Steuerung der Lotseneinsätze. Der Autobahnpolizist wiederum ist als Polizeibeamter für Ordnung und Sicherheit in seinem Zuständigkeitsbereich verantwortlich. Ausgehend vom Revierkommissariat wird der Autobahnpolizist bei seinem Einsatz unterstützt, hier erfolgt die Organisation der Verkehrsüberwachung und die Steuerung der Einsätze. Es ist kein nachvollziehbarer Grund ersichtlich, bei vergleichbaren Tätigkeiten und Sachverhalten unterschiedliche steuerliche Regelungen zur Anwendung gelangen zu lassen.

Im Übrigen erschließt sich dem Finanzgericht bereits auch aus Gründen der Gleichbehandlung nicht, wieso Polizeibeamte, die vorwiegend im Innendienst arbeiten, für ihre Fahrten zum Revierkommissariat nur die Entfernungspauschale erhalten, deren Kollegen, die ganz überwiegend in einem abgegrenzten Gebiet im Außendienst tätig sind, für die gleichen Fahrten aber nach Reisekostengrundsätzen abrechnen können sollen. Das Kriterium des qualitativen Schwerpunkts der Arbeitsleistung erscheint damit in Fällen wie dem vorliegenden nicht sachgerecht.

Verpflegungsmehraufwendungen (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 EStG) können nicht geltend gemacht werden, weil der Autobahnpolizist nicht vorübergehend von seiner Wohnung und dem Mittelpunkt seiner dauerhaft angelegten betrieblichen Tätigkeit entfernt betrieblich tätig war. Er wurde innerhalb eines umgrenzten und überschaubaren Gebietes, nämlich auf zwei Bundesautobahnen und einer Bundesstraße innerhalb des Zuständigkeitsbereichs tätig. Damit konnte er sich wie seine überwiegend im Innendienst tätigen Kollegen auch auf eine kostengünstige Verpflegungssituation einstellen.

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Finanzgericht des Landes Sachsen -Anhalt, Urteil vom 20. April 2015 – 1 K 362/1411

  1. beispielhaft BFH, Urteil vom 09.06.2011 – VI R 58/09, BFHE 234, 155, BStBl II 2012, 34, m.w.N.[]
  2. BFH, Urteil vom 27.05.1983 – VI R 169/79, juris; BFH, Urteil vom 17.06.2010 – VI R 20/09, BFHE 230, 533, BStBl II 2012, 32[]
  3. BFH, Urteil vom 29.04.2014 – VIII R 33/10, BFHE 246, 53, BStBl II 2014, 777[]
  4. so BFH, Urteil vom 18.06.2010 – VI R 61/06, BFHE 226, 59, BStBl II 2010, 564[]
  5. BFH, Urteil vom 17.06.2010 – VI R 20/09, BFHE 230, 533, BStBl II 2012, 32[]
  6. Nds. Finanzgericht, Urteil vom 22.05.2014 – 10 K 109/13, EFG 2014, 1474[]
  7. FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19.11.2014 – 3 K 3087/14, EFG 2015, 285[]
  8. vgl. dazu BFH, Urteil vom 18.06.2009 – VI R 61/06, BFHE 226, 59, BStBl II 2010, 564[]
  9. BFH, Urteil vom 09.06.2011 – VI R 58/09 BFHE 234, 155, BStBl II 2012, 34[]
  10. nach der zitierten Rspr. des BFH in BFHE 246, 53, BStBl II 2014, 777[]
  11. nicht rechtskräftig: BFH – VI R 32/15[]