Wiederkehrende Bezüge, die ein Steuerpflichtiger aufgrund eines Vermächtnisses von einer gemeinnützigen; vom Erblasser mit Vermögen ausgestatteten Stiftung erhält, sind dem Grunde nach gemäß § 22 Nr. 1 Satz 2 Halbsatz 2 Buchst. a EStG steuerbar. Der Höhe nach ist die Besteuerung allerdings auf den Ertragsanteil begrenzt.

Nach § 22 Nr. 1 Satz 2 Halbsatz 2 Buchst. a EStG sind Bezüge, die von einer Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse außerhalb der Erfüllung steuerbegünstigter Zwecke i.S. der §§ 52 bis 54 AO gewährt werden, dem Empfänger zuzurechnen, und zwar auch dann, wenn sie freiwillig oder auf Grund einer freiwillig begründeten Rechtspflicht gewährt werden.
Die Stiftung stellt eine Vermögensmasse dar. Sie gewährt die Bezüge außerhalb der Erfüllung steuerbegünstigter Zwecke. Damit liegen im Streitfall alle Voraussetzungen vor, die der Wortlaut des § 22 Nr. 1 Satz 2 Halbsatz 2 Buchst. a EStG enthält.
Die gegenteilige Auffassung, die Voraussetzungen für die Steuerbarkeit der Destinatärsleistungen seien gleichwohl nicht erfüllt, weil die Stiftung die Zahlungen ausschließlich aus dem Vermögen erbringe, das ihr von E zu diesem Zweck zur Verfügung gestellt worden sei, beruht in methodischer Hinsicht auf der -in der Literatur nur vereinzelt vertretenen1- Vorstellung, das gesetzliche Tatbestandsmerkmal „von einer Körperschaft … gewährt“ sei nicht erfüllt, wenn die Rentenverpflichtung ausschließlich aus dem hiermit belasteten Vermögen der Stiftung, nicht aber aus deren Einkommen erfüllt werde.
Insoweit zeigt vorliegend allerdings eine Zusammenschau der Regelungen der Stiftungssatzung und deren Änderungshistorie, dass die Zahlungen an die Destinärin aus den Erträgen des der Stiftung vom Erblasser zugewandten Vermögens zu erbringen sind. Nach der ursprünglichen Stiftungssatzung sollte ein monatlicher Festbetrag, jedoch begrenzt auf einen bestimmten Prozentsatz der Erträge der Stiftung, an die Destinärin ausgeschüttet werden. Die beiden späteren Änderungen der Stiftungssatzung beruhten jeweils darauf, dass sich das der Stiftung zugewandte bzw. zuzuwendende Vermögen des Erblassers deutlich erhöht hatte. Dementsprechend wurde der in der Satzung genannte Festbetrag, der der Destinärin zukommen sollte, jeweils proportional zu dem Anstieg des Vermögens der Stiftung erhöht. Dass die Höchstgrenze nunmehr nicht mehr in Abhängigkeit von den Erträgen, sondern in Abhängigkeit von einem bestimmten Prozentsatz des Vermögens der Stiftung angegeben wurde, lässt sich zwanglos dahingehend verstehen, dass ein solcher Prozentsatz des Vermögens einen „Sollertrag“ dieses Vermögens darstellt2. Die Angabe eines Sollertrags in der einschlägigen Satzungsbestimmung bedeutet aber nicht, dass von nun an die Zuwendungen an die Destinärin ausschließlich aus dem Vermögen der Stiftung -ohne die Erträge anzutasten- geleistet werden sollen.
Im Übrigen vertritt auch die oben wiedergegebene Literaturauffassung, dass ausschließlich aus dem Vermögen geleistete Zahlungen nur anzunehmen sind, wenn in der Satzung zum einen angeordnet wird, dass die Destinatärsleistung erlischt, wenn der Nachlass (d.h. das der Stiftung zum Zweck der Erfüllung der Rentenverpflichtung zugewandte und daher nicht gemeinnützig zu verwendende Vermögen) erschöpft ist, und in der Satzung zudem ein Verbot der Verwendung von Erträgen zum Zwecke der Erbringung der Rentenleistungen festgeschrieben ist1. Derartige Regelungen enthält die Stiftungssatzung vorliegend indes nicht.
Allerdings führt nach der neueren höchstrichterlichen Rechtsprechung allein die wiederkehrende äußere Form der Bezüge nicht zur Steuerpflicht; der Tatbestand des § 22 Nr. 1 Satz 1 EStG ist insoweit teleologisch zu reduzieren. Dies ist bisher entschieden worden für Schadensersatzrenten, die einen schädigungsbedingten Mehrbedarf3 oder wegfallende Unterhaltsleistungen ausgleichen sollen4; ferner für wiederkehrende Leistungen im Gegenzug für einen Erb- und Pflichtteilsverzicht5 sowie für wiederkehrende Leistungen, bei deren Ermittlung ein Kapitalbetrag -anders als im Regelfall- nicht verrentet, sondern schlicht durch die Anzahl der voraussichtlichen Zahlungsjahre dividiert worden ist, weil dann in den einzelnen Zahlungen kein Zinsanteil enthalten ist6.
Umgekehrt ist eine Besteuerung wiederkehrender Bezüge nach § 22 Nr. 1 (Satz 1 oder Satz 3) EStG dann geboten, wenn diese Leistungen wegfallende steuerpflichtige Einkünfte ersetzen sollen oder in ihnen ein Zinsanteil enthalten ist7.
Eine weitere Fallgruppe, in der jedenfalls kein Grund für eine teleologische Reduktion des Tatbestands des § 22 Nr. 1 EStG gegeben ist, stellen Destinatärsleistungen dar, die eine natürliche Person von einer Stiftung bezieht. Dies folgt bereits aus der differenzierenden Regelung des § 22 Nr. 1 Satz 2 Halbsatz 1 sowie Halbsatz 2 Buchst. a EStG, der eindeutig zu entnehmen ist, dass der Gesetzgeber derartige Bezüge einkommensteuerrechtlich erfassen wollte8. Eine teleologische Reduktion würde in diesen Fällen nicht zu sachgerechten Ergebnissen führen, weil die Erträge, aus denen die Bezüge gespeist werden, im Fall einer gemeinnützigen Körperschaft gar keiner Ertragsteuerbelastung unterlegen haben9 und im Fall einer steuerpflichtigen Körperschaft lediglich der -seit 2001 stark abgesenkten- körperschaftsteuerlichen Tarifbelastung unterworfen worden sind, die nach den Vorstellungen des Gesetzgebers nur einen Teil der gesamten Ertragsteuerbelastung darstellen soll.
Eine Übermaßbesteuerung sowie eine Kumulation mit der Erbschaftsteuer wird dadurch vermieden, dass in Fällen wie dem vorliegenden lediglich der Ertragsanteil gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb EStG der Einkommensbesteuerung unterliegt.
Soweit das BFH-Urteil in BFHE 223, 471, BStBl II 2009, 651 dahingehend verstanden werden könnte, dass eine Besteuerung nach § 22 Nr. 1 EStG überhaupt nur in den dort genannten Fallgruppen (Ersatz von Einnahmen, Fälle der Korrespondenz, Vorhandensein eines Zinsanteils) zulässig sei, hält der Bundesfinanzhof an dieser -durch den damaligen Streitfall nicht veranlassten- Aussage nicht fest.
Eine vorrangige Einkunftsart ist nicht ersichtlich. Insbesondere sind die Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG nicht erfüllt, da die Stiftung von der Körperschaftsteuer befreit ist.
Weshalb es der Destinärin an der -stets erforderlichen- Einkunftserzielungsabsicht gefehlt haben sollte, ist für den Bundesfinanzhof nicht erkennbar und wird auch von den Klägern nicht weiter begründet. Die Destinärin hat ersichtlich keine Verluste, sondern in allen Veranlagungszeiträumen erhebliche Überschüsse aus den streitgegenständlichen Bezügen erzielt. Bei einer solchen Sachlage liegt das Fehlen von Einkunftserzielungsabsicht fern10.
Die Bezüge sind der Höhe nach gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb EStG lediglich mit dem Ertragsanteil zu erfassen, weil es sich um Leibrenten handelt. Von der Anwendung der genannten Norm ist weder unter dem Gesichtspunkt des Fehlens einer Vermögensumschichtung noch wegen fehlender Gleichmäßigkeit der Bezüge abzusehen.
Die Bezüge der Destinärin stellen Leibrenten dar, die nicht unter die für bestimmte Altersbezüge geltende Spezialregelung des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG fallen und in denen Einkünfte aus Erträgen des Rentenrechts enthalten sind.
Die durch § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb EStG angeordnete Beschränkung des Einkommensteuerzugriffs auf den Ertragsanteil solcher wiederkehrender Bezüge, die als Leibrenten anzusehen sind, ist auch in den Fällen des § 22 Nr. 1 Satz 2 EStG anzuwenden. Zwar hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass der -in § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG in Zusammenhang mit Altersbezügen der sog. „ersten Schicht“ verwendete- Begriff der „anderen Leistungen“ autonom umschrieben wird und nicht voraussetzt, dass es sich auch um „wiederkehrende Bezüge“ i.S. des § 22 Nr. 1 Satz 1 EStG handelt11. Bei Leibrenten stellt sich dieses Konkurrenzproblem indes nicht, weil Leibrenten stets zugleich auch wiederkehrende Bezüge darstellen. Auch die Anwendung des § 22 Nr. 1 Satz 2 EStG setzt das Vorliegen wiederkehrender Bezüge nach Satz 1 der genannten Norm voraus. Dann spricht aber alles dafür, die in § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb EStG vorgesehene Milderung des Einkommensteuerzugriffs auf wiederkehrende Bezüge in der Form der Leibrente auch in den Fällen des § 22 Nr. 1 Satz 2 EStG anzuwenden.
Das Finanzamt weist zwar im Ausgangspunkt zutreffend darauf hin, dass die Beschränkung der Besteuerung auf den Ertragsanteil der Sonderung des steuerbaren Zinsanteils von der nichtsteuerbaren Kapitalrückzahlung in Fällen der Vermögensumschichtung diene12. Ebenso trifft zu, dass im Streitfall unmittelbar keine Vermögensumschichtung gegeben ist, weil die Destinärin der Stiftung keinen Kapitalbetrag überlassen hat, den sie nunmehr in verrenteter Form zurück erhielte.
Gleichwohl weist der Streitfall bei wirtschaftlicher Betrachtung hinsichtlich derjenigen Gesichtspunkte, die für die Anwendbarkeit des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb EStG entscheidend sind, wesentliche Gemeinsamkeiten mit Fällen der Kapitalüberlassung und anschließenden verrenteten Rückzahlung auf: E hat der Stiftung einen Kapitalbetrag zur Verfügung gestellt, dieser aber zur Auflage gemacht, regelmäßige Zahlungen an die Destinärin zu erbringen. Der II. Bundesfinanzhof des BFH würdigt derartige Gestaltungen dahingehend, dass der Stiftung von vornherein nur ein um die Zahlungsverpflichtung vermindertes Vermögen zugewendet wird13. Bei der Destinärin wurde der Kapitalwert ihrer Zahlungsansprüche -in rechtlich bedenkenfreier Weise- der Erbschaftsteuer unterworfen. Dann ist der vorliegende Sachverhalt bei wirtschaftlicher Betrachtung aber konsequenterweise dahingehend zu würdigen, dass der Destinärin durch einen Erwerb von Todes wegen, also außerhalb der einkommensteuerrechtlich relevanten Erwerbssphäre, ein bestimmter Anspruch gegen die Stiftung eingeräumt wurde, der sich -wie für Zwecke der Erbschaftsteuer tatsächlich geschehen- jedenfalls näherungsweise als Kapitalbetrag ausdrücken und bewerten lässt. Wenn dieser Kapitalbetrag, der ihr erbschaftsteuerrechtlich als eigener Erwerb zugerechnet wurde, nun verrentet an die Destinärin ausgezahlt wird, befindet sie sich im Hinblick auf ihre -einkommensteuerrechtlich zu erfassende- wirtschaftliche Leistungsfähigkeit in derselben Situation wie jemand, der einem Dritten (z.B. einer Versicherungsgesellschaft) einen Kapitalbetrag überlässt und anschließend verrentet zurück erhält.
Die vom Bundesfinanzhof vorgenommene Gesetzesauslegung führt zu einer Harmonisierung von Erbschaftsteuer- und Einkommensteuerbelastung. Sie vermeidet in derartigen Fällen zuverlässig, dass ein und derselbe Zufluss sowohl mit Erbschaftsteuer als auch mit Einkommensteuer belastet wird und stellt zugleich eine Einmalbelastung sicher. So wird der Kapitalwert der Bezüge der Erbschaftsteuer unterworfen; der Ertragsanteil -der nach der Systematik des EStG die zeitlich erst nach dem Erbfall erwirtschafteten Erträge des Kapitals erfassen will, die nicht in die Bemessungsgrundlage der Erbschaftsteuer eingegangen sind- unterliegt hingegen der Einkommensteuer. Eine Einkommensteuerpflicht in Bezug auf die Erträge des von Todes wegen erworbenen Kapitals hätte auch dann bestanden, wenn die Destinärin im Erbgang Vermögen unmittelbar von E erhalten hätte.
Beim gegenwärtigen Stand des Verfahrens bestehen auch keine Bedenken gegen die Annahme des Finanzgericht, die Bezüge der Destinärin seien als gleichmäßig anzusehen. Zwar hat das Finanzgericht diese Würdigung nicht weiter begründet; allerdings war dieser Punkt im finanzgerichtlichen Verfahren nicht streitig. Die in den Jahren bis 2005 eingetretenen Schwankungen der Zahlbeträge weisen kein Ausmaß auf, das zu einer Einordnung der Zahlungen als ungleichmäßig zwingen würde. Da die Streitsache aber aus den nachfolgend unter 3. genannten Gründen ohnehin an die Vorinstanz zurückzuverweisen ist, erhält das Finanzgericht Gelegenheit, zu diesem Punkt nähere Feststellungen zu treffen, insbesondere die von den Klägern angebotenen Unterlagen entgegenzunehmen, die belegen sollen, dass die Schwankungen auf Nachzahlungen für die Vorjahre beruhen.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 15. Juli 2014 – X R 41/12
- vgl. Reich, DStR 2011, 1742[↩][↩]
- vgl. zum Verständnis der früheren Vermögensteuer als Sollertragsteuer: BVerfG, Beschluss vom 22.06.1995 – 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, 121, unter C.II. 4.[↩]
- BFH, Urteile vom 25.10.1994 – VIII R 79/91, BFHE 175, 439, BStBl II 1995, 121; und vom 14.12 1994 – X R 106/92, BFHE 176, 402, BStBl II 1995, 410[↩]
- BFH, Urteil vom 26.11.2008 – X R 31/07, BFHE 223, 471, BStBl II 2009, 651[↩]
- BFH, Urteile vom 20.10.1999 – X R 132/95, BFHE 190, 178, BStBl II 2000, 82; und vom 09.02.2010 – VIII R 43/06, BFHE 229, 104, BStBl II 2010, 818[↩]
- BFH, Urteil vom 20.11.2012 – VIII R 57/10, BFHE 239, 422, BStBl II 2014, 56[↩]
- BFH, Urteil in BFHE 223, 471, BStBl II 2009, 651, unter II. 2.a[↩]
- vgl. auch BFH, Urteil vom 14.07.2010 – X R 62/08, BFHE 231, 46, BStBl II 2014, 320, unter II. 1.a, wo die Subsumtion der dort zu beurteilenden Destinatärszahlungen unter den Begriff der wiederkehrenden Bezüge gar nicht näher problematisiert worden ist[↩]
- die Einkommensteuerpflicht der Rentenzahlungen gemeinnütziger Körperschaften bejahend auch Fischer in Kirchhof, EStG, 13. Aufl., § 22 Rz 10; Orth, DStR 2001, 325, 336[↩]
- vgl. zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb BFH, Urteil vom 26.06.2007 – IV R 49/04, BFHE 217, 150, BStBl II 2009, 289, unter II. 1.d, m.w.N.[↩]
- BFH, Urteil vom 23.10.2013 – X R 3/12, BFHE 243, 287, BStBl II 2014, 58, Rz 22[↩]
- so BFH, Beschluss vom 15.07.1991 – GrS 1/90, BFHE 165, 225, BStBl II 1992, 78, unter C.II. 2.[↩]
- BFH, Urteil vom 21.01.1998 – II R 16/95, BFHE 185, 54, BStBl II 1998, 758; BMF, Nichtanwendungserlass vom 06.11.1998, BStBl I 1998, 1446[↩]