Rückgabe von Fondsanteilen – und der besitzzeitanteilige Anleger-Aktiengewinns

In die aufgrund einer im Jahr 2005 durchgeführten Rückgabe von Fondsanteilen vorzunehmende Ermittlung des besitzzeitanteiligen Anleger-Aktiengewinns gemäß § 8 Abs. 3 Satz 1 InvStG 2004 gehen ggf. auch Verluste aus Veräußerungen von Aktien ein, die sich auf Ebene des Fonds vor Inkrafttreten des InvStG 2004 (hier: im Jahr 2002) realisiert haben. Dies ist unter dem Aspekt des rechtsstaatlichen Vertrauensschutzes unbedenklich.

Rückgabe von Fondsanteilen – und der besitzzeitanteilige Anleger-Aktiengewinns

Im hier entschiedenen Streitfall hat es das Finanzgericht Nürnberg daher zu Recht abgelehnt, die Hinzurechnung der nicht von der STEKO-Rechtsprechung erfassten negativen Anleger-Aktiengewinne, die sich als Veräußerungsverluste im Jahr 2002 auf Ebene der Fonds realisiert hatten, im Rahmen der Besteuerung des besitzzeitanteiligen Anleger-Aktiengewinns nach Rückgabe der Fonds-Anteile im Streitjahr 2005 rückgängig zu machen1.

Für im Betriebsvermögen gehaltene Investmentanteile sieht § 8 Abs. 1 Satz 1 InvStG 2004 vor, dass auf die Einnahmen aus der Rückgabe oder Veräußerung von Investmentanteilen u.a. § 8b KStG anzuwenden ist, soweit sie dort genannte, dem Anleger noch nicht zugeflossene oder als zugeflossen geltende Einnahmen enthalten oder auf bereits realisierte oder nicht realisierte Gewinne aus der Beteiligung des Investmentvermögens an Körperschaften, Personenvereinigungen oder Vermögensmassen entfallen, deren Leistungen beim Empfänger zu den Einnahmen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG gehören (positiver Aktiengewinn).

Spiegelbildlich ist gemäß § 8 Abs. 2 Satz 1 InvStG 2004 auf Vermögensminderungen innerhalb des Investmentvermögens beim Anleger u.a. § 8b KStG anzuwenden, soweit die Vermögensminderungen u.a. auf Beteiligungen des Investmentvermögens an Körperschaften, Personenvereinigungen oder Vermögensmassen entfallen, deren Leistungen beim Empfänger zu den Einnahmen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG gehören (negativer Aktiengewinn).

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Der für die Schlussbesteuerung des Anlegers maßgebliche, nach § 8 Abs. 1 und Abs. 2 InvStG 2004 zu berücksichtigende besitzzeitanteilige Aktiengewinn ist gemäß § 8 Abs. 3 Satz 1 InvStG 2004 die Differenz zwischen dem Aktiengewinn auf den Rücknahmepreis zum Zeitpunkt der Veräußerung einerseits und dem Aktiengewinn auf den Rücknahmepreis zum Zeitpunkt der Anschaffung des Investmentanteils andererseits.

Da es sich bei den im Streitfall auf Ebene der drei Fonds im Jahr 2002 realisierten Verlusten aus der Veräußerung von Aktien um Vermögensminderungen i.S. von § 8 Abs. 2 Satz 1 InvStG 2004 handelt, die bei einer Direktbeteiligung des Anlegers nach § 8b Abs. 3 Satz 3 KStG bei der Einkommensermittlung nicht berücksichtigt werden dürften, gehen sie als Bestandteile des negativen Aktiengewinns in den nach § 8 Abs. 3 InvStG 2004 zu ermittelnden besitzzeitanteiligen Anleger-Aktiengewinn ein.

Entgegen der Auffassung des Anlegers ergibt sich nichts Anderes aus dem Umstand, dass die betreffenden Veräußerungsverluste sich auf Fondsebene im Jahr 2002 realisiert haben und im Falle einer Veräußerung oder Rückgabe der Investmentanteile durch den Anleger noch im Jahr 2002 ein negativer Aktiengewinn nach dem seinerzeit anzuwendenden § 40a Abs. 1 KAGG nicht den Folgen des § 8b Abs. 3 Satz 3 KStG unterworfen worden wäre2. Nach zutreffender Auffassung der Vorinstanz ist im Rückgabefall der beim Anleger nach § 8b KStG freizustellende bzw. hinzuzurechnende Betrag auf den Zeitpunkt der Rückgabe zu ermitteln und bestimmt sich nach der zu diesem Zeitpunkt geltenden Rechtslage, im Streitjahr 2005 mithin nach Maßgabe von § 8 Abs. 1 bis 3 InvStG 2004 i.V.m. § 8b KStG.

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Der Anleger bezieht sich für seine gegenteilige Sichtweise auf die Anwendungsbestimmung des § 18 Satz 1 InvStG 2004 i.d.F. des Gesetzes zur Modernisierung des Investmentwesens und zur Besteuerung von Investmentvermögen (Investmentmodernisierungsgesetz) vom 15.12.20033 -InvStG 2004 a.F. Danach ist das -zusammen mit dem Investmentgesetz ab 01.01.2004 an die Stelle u.a. des KAGG getretene- InvStG 2004 a.F. erstmals auf das Geschäftsjahr des Investmentvermögens anzuwenden, welches nach dem 31.12.2003 beginnt, sowie auf Erträge, die dem Investmentvermögen in diesem Geschäftsjahr zufließen.

Angesichts des Umstands, dass der Aktiengewinn -bis zum 31.12.2003 gemäß § 41 Abs. 5 KAGG, danach gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 InvStG 2004 a.F.- vom Fonds bewertungstäglich zu ermitteln und bekannt zu geben ist, soll nach Auffassung des Anlegers aus § 18 Satz 1 InvStG 2004 a.F. abzuleiten sein, dass ab dem 01.01.2004 nur jene Bestandteile i.S. des § 8 InvStG 2004 a.F. in den Fondsaktiengewinn eingingen, die dem Investmentvermögen nach dem 31.12.2003 zuflössen. Bei den im Streitfall zu beurteilenden, auf Fondsebene in den Jahren 2001 und 2002 realisierten Verlusten richte sich die Beurteilung hingegen nach § 41 Abs. 5 i.V.m. § 40a KAGG.

Dem ist nicht zu folgen. Soweit nach § 41 Abs. 5 KAGG die Kapitalanlagegesellschaften im Jahr 2002 gehalten waren, börsentäglich den Vomhundertsatz des Wertes des Anteils zu ermitteln, der auf die in dem Veräußerungsgewinn enthaltenen Bestandteile i.S. des § 40a Abs. 1 KAGG entfällt, und ihn mit dem Rücknahmepreis zu veröffentlichen, kann eine irgend geartete Bindung für die Bemessung des besitzzeitanteiligen Anleger-Aktiengewinns für im Jahr 2005 erfolgende Anteilsrückgaben nicht abgeleitet werden. Das ergibt sich schon daraus, dass die von der Kapitalanlagegesellschaft nach § 41 KAGG und von der Investmentgesellschaft nach § 5 InvStG 2004 bewertungstäglich zu ermittelnden und bekannt zu machenden Besteuerungsgrundlagen keine für die Besteuerung der Anleger formell oder materiell verbindliche Wirkung haben4. Hierzu bedürfte es gemäß der gesetzlichen Anordnung einer gesonderten und einheitlichen Feststellungswirkung (§ 179 Abs. 1, § 180 Abs. 2 AO), die den Bekanntmachungen der Fonds weder durch das KAGG noch durch das InvStG 2004 beigegeben wird. Die für die Besteuerung der Anleger zuständigen Finanzämter sind demnach bei der Ermittlung der besitzzeitanteiligen Aktiengewinne nicht an die Bekanntmachungen der Fonds nach § 41 Abs. 5 KAGG oder § 5 Abs. 2 InvStG 2004 gebunden, sondern haben diese nach den zum jeweiligen Veräußerungs, Rücknahme- oder Bewertungszeitpunkt geltenden Vorgaben in der materiell zutreffenden Höhe anzusetzen.

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Auch kann der Anwendungsbestimmung des § 18 Satz 2 InvStG 2004 a.F. -entgegen der Sichtweise des Anlegers- nicht entnommen werden, dass negative Aktiengewinne nur dann nach Maßgabe des InvStG 2004 a.F. Bestandteil des Aktiengewinns werden, wenn sie auf Ebene des Fonds nach dem 31.12.2003 verursacht worden sind. Nach § 18 Satz 2 InvStG 2004 a.F. ist § 8 InvStG 2004 a.F. bei Anteilen an einem inländischen Investmentvermögen auf Einnahmen anzuwenden, die nach dem 31.12.2003 zufließen, sowie auf Gewinnminderungen, die nach dem 31.12.2003 entstehen.

Da die von § 18 Satz 2 InvStG 2004 a.F. angesprochene Bestimmung des § 8 InvStG 2004 a.F. nicht die Ebene des Fonds, sondern die Ebene der Anlegerbesteuerung betrifft, beziehen sich die dort genannten Begriffe der „Einnahmen“ und „Gewinnminderungen“ auf diejenigen Einnahmen und Gewinnminderungen, die beim Anleger im Zusammenhang mit der Rückgabe oder der Veräußerung der Fondsanteile entstehen. Daher hat die Vorinstanz aus § 18 Satz 2 InvStG 2004 a.F. zu Recht abgeleitet, dass die Bestimmungen des § 8 InvStG 2004 a.F. auf alle nach dem 31.12.2003 stattfindenden Anteilsrückgaben oder -veräußerungen anzuwenden sind.

Die Bemessung des besitzzeitanteiligen Anleger-Aktiengewinns des Anlegers nach Maßgabe des zum Zeitpunkt der Anteilsrückgabe im Jahr 2005 geltenden Rechts (§ 8 Abs. 1 bis 3 InvStG 2004) ist unter dem Aspekt des aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art.20 Abs. 3 des Grundgesetzes -GG-) abzuleitenden Vertrauensschutzes unbedenklich. Denn damit ist im Streitfall weder eine „echte“ noch eine „unechte“ Rückwirkung verbunden.

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Im Steuerrecht liegt eine grundsätzlich nicht zulässige sog. echte Rückwirkung nur vor, wenn der Gesetzgeber eine bereits entstandene Steuerschuld nachträglich abändert5. Solches steht hier nicht im Raum, weil die Anwendung des § 8 Abs. 1 bis 3 InvStG 2004 auf die im Streitjahr 2005 verwirklichten Tatbestände der Anteilsrückgaben nicht auf eine in einem früheren Veranlagungszeitraum -etwa im Veranlagungszeitraum 2002- entstandene Steuerschuld des Anlegers einwirkt.

Eine sog. unechte Rückwirkung ist gegeben, wenn eine Norm auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen für die Zukunft einwirkt und damit zugleich die betroffene Rechtsposition entwertet, beispielsweise, wenn belastende Rechtsfolgen einer Norm erst nach ihrer Verkündung eintreten, tatbestandlich aber von einem bereits ins Werk gesetzten Sachverhalt ausgelöst werden („tatbestandliche Rückanknüpfung“). Sie ist grundsätzlich zulässig. Allerdings können sich aus dem Grundsatz des Vertrauensschutzes und dem Verhältnismäßigkeitsprinzip Grenzen der Zulässigkeit ergeben. Diese Grenzen sind erst überschritten, wenn die vom Gesetzgeber angeordnete unechte Rückwirkung zur Erreichung des Gesetzeszwecks nicht geeignet oder erforderlich ist oder wenn die Bestandsinteressen der Betroffenen die Veränderungsgründe des Gesetzgebers überwiegen6.

Die Anwendung des § 8 Abs. 1 bis 3 InvStG 2004 auf die im Streitjahr 2005 verwirklichten Tatbestände der Anteilsrückgaben bewirkt keine unechte Rückwirkung. Tatbestandliche Anknüpfungspunkte für die steuerliche Behandlung des besitzzeitanteiligen Anleger-Aktiengewinns nach § 8 InvStG 2004 sind die Rückgaben der Fondsanteile, die sich sämtlich im Streitjahr 2005 vollzogen haben, d.h. nach erstmaliger Anordnung der Anwendbarkeit des § 8b Abs. 3 Satz 3 KStG auf die negativen Aktiengewinne zunächst durch den mit Gesetz zur Umsetzung der Protokollerklärung der Bundesregierung zur Vermittlungsempfehlung zum Steuervergünstigungsabbaugesetz (sog. Korb II-Gesetz) vom 22.12.20037 eingefügten § 40a Abs. 1 Satz 2 KAGG, fortgeführt durch § 8 Abs. 2, Abs. 3 InvStG 2004. Soweit in die Berechnung des besitzzeitanteiligen Aktiengewinns nach § 8 Abs. 1 bis 3 InvStG 2004 auch Parameter einzubeziehen sind, die einen Vergangenheitsbezug haben, wie hier die auf der Ebene der Fonds im Jahr 2002 realisierten Veräußerungsverluste aus Aktienverkäufen, handelt es sich dabei nicht um einen vom Anleger „ins Werk gesetzten“ Sachverhalt, auf den für die Beurteilung des rechtsstaatlichen Vertrauensschutzes abzustellen wäre. Maßgeblicher Sachverhalt und zeitlicher Anknüpfungspunkt für die Prüfung des Vertrauensschutzes ist die Anteilsrückgabe8.

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Allein aus dem Umstand, dass bei einer hypothetischen Veräußerung oder Rückgabe der Investmentanteile durch den Anleger noch im Jahr 2002 ein negativer Aktiengewinn nach dem seinerzeit anzuwendenden § 40a Abs. 1 KAGG nicht den Folgen des § 8b Abs. 3 Satz 3 KStG unterworfen worden wäre, kann der Anleger kein geschütztes Vertrauen ableiten. Soweit nicht besondere Momente der Schutzwürdigkeit hinzutreten, genießt die bloß allgemeine Erwartung, das geltende Recht werde zukünftig unverändert fortbestehen, keinen besonderen verfassungsrechtlichen Schutz9.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 29. September 2021 – I R 40/17

  1. FG Nürnberg, Urteil vom 13.12.2016 – 1 K 1214/14[]
  2. s. hierzu BFH, Urteile vom 25.06.2014 – I R 33/09, BFHE 246, 310, BStBl II 2016, 699; und vom 30.07.2014 – I R 74/12, BFHE 249, 430, BStBl II 2016, 701; BVerfG, Beschluss vom 17.12.2013 – 1 BvL 5/08, BVerfGE 135, 1; s.a. Vorlagebeschluss des Bundesfinanzhofs vom 23.10.2019 – XI R 43/18, BFHE 266, 533, BStBl II 2020, 281, betreffend den Veranlagungszeitraum 2003[]
  3. BGBl I 2003, 2676, BStBl I 2004, 5[]
  4. Völker in Moritz/Jesch, InvStG, 1. Aufl., § 5 Rz 50; Lübbehüsen in Berger/Steck/Lübbehüsen, InvG/InvStG, § 5 InvStG Rz 17[]
  5. vgl. BVerfG, Beschluss in BVerfGE 135, 1, m.w.N.[]
  6. BVerfG, Beschluss vom 10.10.2012 – 1 BvL 6/07, BVerfGE 132, 302, BStBl II 2012, 932; BFH, Beschluss in BFHE 266, 533, BStBl II 2020, 281, jeweils m.w.N.[]
  7. BGBl I 2003, 2840, BStBl I 2004, 14[]
  8. vgl. BFH, Beschluss in BFHE 266, 533, BStBl II 2020, 281, Rz 38 zur vergleichbaren Situation der Anteilsveräußerung[]
  9. BFH, Urteil vom 10.12.2014 – I R 76/12, BFHE 248, 303, BStBl II 2016, 237, m.w.N.[]
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Die nachträgliche Wahl der Antragsveranlagung