Die Ruhegehaltszahlungen seitens der NATO an ehemalige Nato-Bedienstete sind in voller Höhe Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit im Sinne des § 19 Abs. 1 Nr. 2 EStG. Sagt das Finanzgericht Köln:

Zu den Einkünften nach § 19 Abs. 1 Nr. 2 EStG gehören Ruhegelder und andere Bezüge und Vorteile aus früheren Dienstleistungen. Die Einnahmen müssen durch das Arbeitsverhältnis veranlasst sein. Dies ist der Fall, wenn der Arbeitnehmer die Bezüge als Gegenleistung dafür erhält, dass er seine Arbeitskraft zur Verfügung gestellt hat. Einkünfte im Sinne des § 19 Abs. 1 Nr. 2 EStG fließen aus einem früheren Dienstverhältnis, das heißt aus eben diesem Rechtsgrund zu, wenn der Arbeitnehmer sie ohne rechtlich ins Gewicht fallenden Eigenbeitrag erhält.
Demgegenüber sind Leibrenten im Sinne des § 22 Nr. 1 Satz 3 a) EStG wiederkehrende Bezüge, bestehend aus einem Ertragsanteil und aus der Aus- bzw. Rückzahlung eigenen Vermögens des Steuerpflichtigen. Der nur steuerbare Ertragsanteil als pauschalierter Zinsanteil ist seiner Rechtsnatur nach das Entgelt für die Überlassung eines auf Lebenszeit einer oder mehrerer Bezugspersonen zeitlich gestreckt auszuzahlenden Kapitals. Von dem steuerbaren Ertragsanteil zu trennen ist die Auszahlung bzw. Rückzahlung des mit dem eigenen Vermögen des Steuerpflichtigen gebildeten Kapitalstocks, die als bloße Vermögensumschichtung im privaten Bereich selbst nicht steuerbar ist1.
Die Zuordnung von Bezügen zu den Einkünften im Sinne des § 22 Nr. 1 Satz 3 a) EStG setzt daher voraus, dass der Steuerpflichtige zur Erlangung der Bezüge eigenes Vermögen eingesetzt hat, insbesondere Arbeitslohn. Im Rahmen von Versorgungsleistungen ist hierbei maßgeblich, ob die Beiträge des Arbeitnehmers aus seinem Arbeitslohn zu einem Versorgungssystem als eigenes Vermögen zu behandeln sind, das heißt, ob die Beitragsleistung eine Verwendung eigenen Vermögens darstellt.
Von einer Gehaltsverwendung unterscheidet sich eine Gehaltskürzung dadurch, dass der Steuerpflichtige bei letztgenannter infolge fehlenden Zuflusses von Lohn keinen Eigenbeitrag zu seinen späteren Versorgungsleistungen aufbringt. Ihm wird vielmehr der durch Gehaltskürzung einbehaltene Gehaltsanteil erst im Versorgungsfall als nachträglicher Arbeitslohn in Form eines Ruhegehaltes ausgezahlt. Entscheidend für die Abgrenzung zwischen Gehaltsverwendung einerseits und Gehaltskürzung andererseits ist, ob der Beitrag des Steuerpflichtigen zum Versorgungssystem diesem zuvor zugeflossen ist. Die Hinnahme des Lohneinbehalts bzw. der Verzicht auf die Barauszahlung des Gehaltsanteils ist als Zufluss gegenwärtigen Arbeitslohnes anzusehen, wenn sich dies wirtschaftlich betrachtet so darstellt, als ob der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer Beträge zur Verfügung gestellt und der Arbeitnehmer diese dann zum Erwerb einer Zukunftssicherung verwendet hätte2.
Dem Arbeitnehmer fließt noch kein Arbeitslohn zu, wenn der Arbeitgeber vom tarifvertraglich geschuldeten Bruttolohn lediglich einen Beitrag zu seinen Versorgungsausgaben einbehält und diesen Beitrag einer Versorgungsrückstellung oder einem Sondervermögen innerhalb seines Haushaltes zuführt. Dabei reicht die Zusage des Arbeitgebers, dem Arbeitnehmer künftig Leistungen zu erbringen, für den Zufluss auch dann nicht aus, wenn der Arbeitgeber interne Maßnahmen getroffen hat, um den entsprechenden Anspruch des Arbeitnehmers finanziell abzusichern. Ein Innehaben von Ansprüchen oder Rechten führt noch nicht zum Zufluss von Einnahmen. Einnahmen sind erst dann zugeflossen, wenn der Steuerpflichtige über sie wirtschaftlich verfügen kann. Dies ist der Fall bei Barauszahlung oder Gutschrift auf einem Konto des Steuerpflichtigen sowie bei buchmäßiger Erfassung einer Schuldverpflichtung in den Büchern des Verpflichteten, sofern sichergestellt ist, dass der Berechtigte ohne weiteres Zutun des Verpflichteten über den Betrag verfügen kann. Ein Zufluss durch Novation setzt eine Verfügung des Berechtigten über seine bisherige (Gehalts-)Forderung voraus, die als Zahlung der Altschuld durch den Verpflichteten gilt und der Berechtigte den vereinnahmten Betrag sofort wieder zur Verfügung stellt3.
Nach diesen Maßstäben begründet nicht schon der Anspruch auf Leistung den gegenwärtigen Zufluss von Arbeitslohn, sondern erst die Erfüllung dieses Anspruches in der Weise, dass der Arbeitgeber die geschuldete Leistung tatsächlich erbringt und dem Arbeitnehmer die wirtschaftliche Verfügungsmacht über die in Geld oder Geldeswert bestehenden Güter verschafft.
Dementsprechend stellen Zuführungen des Arbeitgebers zu einer Pensionsrückstellung bei der Erteilung einer Direktzusage im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung mangels Zuflusses von Vermögenswerten beim Arbeitnehmer noch keinen, regelmäßig steuerpflichtigen, Lohnzufluss dar. Dasselbe gilt, wenn die der Versorgungsrückstellung zugeführten Beträge vom Arbeitgeber zusätzlich zum geschuldeten Barlohn bereitgestellt werden, ebenso, wenn die Beträge durch einvernehmliche Herabsetzung des laufenden Gehaltes aufgebracht werden. Mit dieser Einordnung ist regelmäßig zugleich die Verlagerung des Besteuerungszugriffs vom Zeitpunkt der Zusage und Gehaltsherabsetzung auf den späteren Eintritt des Versorgungsfalles verbunden, da die Steuererhebung voraussetzt, dass das Vermögen des Arbeitnehmers durch eine durch das Arbeitsverhältnis veranlasste Zuwendung vermehrt wurde.
Ein Zufluss ist somit nur anzunehmen, wenn der Arbeitgeber mit seinen Leistungen dem Arbeitnehmer einen unmittelbaren und unentziehbaren Rechtsanspruch gegen einen Dritten verschafft. Dies kann dadurch geschehen, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer mit den Beiträgen am Markt zu einem Versicherungsschutz gegenüber einer Versorgungseinrichtung verhilft. Auch in diesem Fall wird der Zufluss jedoch nicht schon durch das Versprechen des Arbeitgebers, Versicherungsschutz zu gewähren, herbeigeführt, sondern erst durch die Erfüllung dieses Versprechens, insbesondere durch die Leistung der Versicherungsbeiträge in der Weise, dass ein eigener unentziehbarer Anspruch des Arbeitnehmers auf die Versicherungsleistung entsteht3.
Dies berücksichtigend gilt im Streitfalle Folgendes:
Der Kläger hat zur Erlangung seiner späteren Ruhegehaltsbezüge kein eigenes Vermögen eingesetzt, da ihm die von seinem Arbeitslohn einbehaltene „staff members contribution“ zu den Versorgungsausgaben der NATO nicht als Arbeitslohn zugeflossen war. Der Beitrag des NATO-Bediensteten zum Pension Scheme stand diesem zu keinem Zeitpunkt zur Verfügung. Der Beitrag wurde vielmehr einvernehmlich vom vereinbarten Gehalt des NATO-Bediensteten von der NATO einbehalten. Ein geldwerter Vorteil ist dem Kläger hierdurch nicht zugeflossen. Der Kläger erlangte durch den Einbehalt eines Teiles seines Gehaltes lediglich die Zusage der NATO, dass er nach dem geltenden Pension Scheme von der NATO Ruhegehaltszahlungen erhalten werde, wobei diese sich zusammen setzen sollten aus der 8%-igen „contribution“ = ca. 1/3 der Gesamtruhegehaltszahlungen und Zahlungen der NATO in Höhe der restlichen 2/3. Mit dem Lohneinbehalt in Höhe der „contribution“ war somit ein eigenständiger Rechtsanspruch des NATO-Bediensteten gegen einen als Träger der Versorgungsleistungen auftretenden Dritten nicht verbunden, da die NATO nicht über eine rechtlich von der Organisation getrennte Versorgungseinrichtung verfügt. Träger der Versorgungsleistungen an den Kläger ist vielmehr die NATO als frühere Anstellungsbehörde, ohne dass es darauf ankommt, ob die Versorgungsbeiträge im Haushaltsplan der NATO vom übrigen Vermögen der Organisation getrennt ausgewiesen und dem Kläger als Anteil am Kapitalstock gutgeschrieben wurden und warum die NATO von einer Verselbständigung ihrer Versorgungseinrichtung abgesehen hat3. Entscheidend ist nur, dass die Aufnahme der Beträge in den Haushaltsplan der NATO weder eine Gutschrift zugunsten des NATO-Bediensteten in der Weise bewirkte, dass er als Berechtigter über diesen Teil des Arbeitslohnes aus eigenem Recht verfügen konnte, noch lag hierin eine auf dem freien Entschluss des NATO-Bediensteten beruhende Novation. Dem Kläger war es nach Aktenlage während seiner aktiven Zeit nicht möglich, auf die ihm seitens der NATO erteilte Versorgungszusage anteilig zu verzichten und sich gleichzeitig die „staff members contribution“ bar auszahlen zu lassen. Nach Art. 41 Abs. 6 Satz 1 Anhang IV zu den NCPR war auch die Rückforderung einbehaltener Beiträge ausgeschlossen. Zwar war der Kläger durch die reduzierte Auszahlung seines Gehaltes belastet. Dies führte jedoch nach den vorangegangenen Ausführungen nicht zum Zufluss des einbehaltenen Gehaltsanteiles im Sinne des Einkommensteuerrechts. Die Einbehaltung der „staff members contribution“ stellte somit eine Gehaltskürzung durch die NATO dar, nicht jedoch eine Gehaltsverwendung durch den Kläger.
Die Ruhegehaltszahlungen der NATO beruhen daher nicht auf einem Eigenbeitrag des ehemaligen Angestellten im Sinne zugeflossener und sodann verwendeter Leistungen, sodass sie in den angefochtenen Steuerfestsetzungen zutreffend als nachträgliche Einkünfte im Sinne des § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr.2 EStG behandelt wurden.
Die Ruhegehaltszahlungen bzw. die hierin enthaltenen anteiligen Beiträge des Arbeitnehmers von ca. 8% werden durch die volle Besteuerung nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG nicht in verfassungswidriger Weise doppelt mit Einkommensteuer belastet. – Dass die Ruhegehaltszahlungen zu Recht der nationalen Einkommensteuer unterliegen und nicht, wie die Aktivbezüge des NATO-Bediensteten steuerfrei sind4, ist zwischen den Beteiligten nicht streitig, wird im Übrigen auch dadurch bestätigt, dass die NATO dem Kläger zusammen mit den Ruhegehaltszahlungen ein sogenanntes Tax Adjustment als Ausgleich für nationale Steuerverpflichtungen auszahlt. Die Tatsache, dass mit dieser Zusatzzahlung -jedenfalls in Deutschland- die auf das Ruhegehalt insgesamt entfallende Einkommensteuer nicht vollständig abgedeckt wird, ist für dessen rechtliche Einordnung in das nationale Steuersystem unerheblich.
Eine verfassungswidrige Doppelbesteuerung des Ruhegehaltes durch Anwendung des § 19 Abs. 1 Nr. 2 EStG wäre nur dann gegeben, wenn die früheren Beiträge des NATO-Bediensteten zum Pension Scheme (monatlich ca. 8% des vereinbarten Gehaltes) bereits der Einkommensteuer unterlegen hätten. Die Lohnzahlungen an den Kläger während dessen aktiver Zeit bei der NATO waren aber nach Art. 7 Abs. 2 Satz 1 des Protokolls über die NATO-Hauptquartiere von der deutschen Einkommensteuer befreit, sodass die in Streit stehende Besteuerung erstmalig erfolgt.
Der Einwand, ohne die Steuerfreiheit während der aktiven Zeit des NATO-Bediensteten hätte dieser mehr verdient – was auch der aufgebotene Zeuge hätte bestätigen sollen – ist unbeachtlich. Denn das Gericht hatte nicht über fiktive Sachverhalte – Einbehalt von 8% eines steuerbaren bzw. versteuerten Bruttogehaltes – zu entscheiden, vielmehr im Streitfalle nur darüber, ob der Einbehalt von 8% des steuerfrei gezahlten Gehaltes für Zwecke der späteren Auszahlung von Ruhegehaltsbezügen eine Gehaltsverwendung nach Zufluss beim Kläger darstellt. Soweit die Kläger vortragen, die Einkommensteuer sei bereits in die Gehaltszahlungen „eingepreist“ gewesen, mag dies den Kläger während seiner aktiven Zeit tatsächlich wirtschaftlich so gestellt haben, als hätte er ein Bruttogehalt abzüglich Einkommensteuer ausgezahlt bekommen. Dies ändert aber nichts daran, dass der Kläger ein steuerfreies Gehalt bezogen hatte, also auch der hierin enthaltene Anteil des NATO-Bediensteten von ca. 8% steuerfrei war. Eine Doppelbesteuerung, das heißt eine zweifach vorgenommene Einkommensbesteuerung des einbehaltenen Gehaltsanteiles ist damit nicht gegeben.
Um zu diesem Ergebnis zu gelangen, bedurfte es keiner Vernehmung des von den Klägern angebotenen Zeugen. Dieser sollte die neun mit Schriftsatz vom 01.08.2012 vorformulierten Aussagen der Kläger bestätigen. Nach deren Inhalt geht es darum, auf welcher Basis das steuerfreie Gehalt des NATO-Bediensteten während seiner aktiven Zeit ermittelt bzw. angepasst wurde (durchschnittliches Bruttogehalt abzüglich Einkommensteuer), welche (politischen) Überlegungen zur Steuerfreiheit des Gehaltes geführt haben und ob der Kläger aus seinem so berechneten Gehalt monatliche Beiträge zum Pension Scheme geleistet hat.
Wie sich aus den vorangegangenen Ausführungen ergibt, waren die von den Klägern vorgegebenen Aussagen entscheidungsunerheblich, sodass es keiner Bestätigung durch einen Zeugen bedurfte. Die zu beurteilende Rechtsfrage, ob der Kläger Ruhegehaltszahlungen erhält, die als Leibrente im Sinne des § 22 Nr. 1 Satz 3 a) EStG zu behandeln sind, hängt nach der Entscheidung des Finanzgerichts Köln unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BFH in einem gleichgelagerten Fall davon ab, ob der 8%ige Gehaltsanteil dem Kläger bei Einbehalt durch die NATO zugeflossen war, was zu verneinen war, sodass von einer damaligen Verwendung von Gehaltsanteilen und nunmehr von der Nutzung derselben nicht ausgegangen werden konnte. Der Zeuge hätte zur Frage des Zuflusses und der Gehaltsverwendung keine Aussagen machen sollen, aber auch nicht können, weil dies rechtliche Würdigung des im Übrigen unstreitigen Sachverhaltes darstellt.
Die vom Zeugen zu bestätigende Berechnung des Klägergehaltes wäre auch für die Frage, ob eine Doppelbesteuerung gegeben ist, unerheblich gewesen. Denn selbst bei Unterstellung der Richtigkeit der zu bezeugenden Aussagen zur Berechnung des Gehaltes änderte dies nach den vorangegangenen Ausführungen nichts daran, dass das Gehalt und damit auch der Beitrag zum Pension Scheme steuerfrei war und nunmehr dieser erstmals als Teil einer im Übrigen von der NATO aufgebrachten, ebenfalls bisher nicht besteuerten, Ruhegehaltszahlung der Einkommensteuer unterworfen wird.
Rechtlich unerheblich für die Beurteilung des Streitfalles ist auch, ob und wie die Finanzverwaltung die Arbeitnehmer anderer internationaler Organisationen behandelt, da das Gericht nur über den konkreten Fall des NATO-Bediensteten als Ruhegehaltsempfänger der NATO zu entscheiden hatte.
Eine Ungleichbehandlung mit Rentenempfängern ist ebenfalls nicht gegeben. Während gesetzlich Rentenversicherte Beiträge in ein selbständiges Versorgungssystem einzahlen und Rentner ihre Rente daher nicht vom früheren Arbeitgeber, also nicht aus dem früheren Dienstverhältnis erhalten, erhält der Kläger seine Ruhegehaltszahlungen von der NATO als seiner früheren Anstellungsbehörde. Ein Verstoß gegen Art. 3 GG, wonach die unterschiedliche Behandlung gleicher Sachverhalte untersagt ist, liegt damit nicht vor.
Ebenfalls unbeachtlich ist der Hinweis auf die Besteuerung durch den Beklagten in den Vorjahren, da jedes Veranlagungsjahr einer neuen Prüfung der Sach- und Rechtslage unterliegt.
Finanzgericht Köln, Urteil vom 15. August 2012 – 5 K 189/11