Die Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 9 AO schließt den Eintritt der Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 5 Satz 1 AO nicht generell aus, wenn die Ermittlungen der Steuerfahndung vor dem Ablauf der ungehemmten Festsetzungsfrist beginnen und die Steuerfestsetzung auf den Ermittlungen der Steuerfahndung beruht1.

Ein solches „Beruhen“ der Steuerfestsetzungen auf rechtzeitig begonnenen Ermittlungen setzt voraus, dass die Steuerfahndung vor Ablauf der ungehemmten Festsetzungsfrist Ermittlungshandlungen vornimmt, die konkret der Überprüfung der nacherklärten Besteuerungsgrundlagen dienen.
Die einjährige Verlängerung der Festsetzungsfrist nach Abgabe einer Selbstanzeige schließt also eine weitergehende Verlängerung der Festsetzungsfrist bei Steuerhinterziehungen nicht aus, wenn die Steuerfahndung noch vor dem Ablauf der zehnjährigen Festsetzungsfrist für Steuerhinterziehungen mit Ermittlungen beginnt und die spätere Steuerfestsetzung für die nacherklärten Besteuerungsgrundlagen auf den Ermittlungen der Steuerfahndung beruht. Nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs vom 03.07.20182 setzt dies aber voraus, dass diese Ermittlungshandlungen konkret der Überprüfung der nacherklärten Besteuerungsgrundlagen dienen. Der Streitfall betraf Kapitalerträge aus bei einer liechtensteinischen Stiftung geführten Depots, zu denen der Steuerfahndung eine 2007 angekaufte Steuer-CD vorlag.
Im Streitfall verdächtigte die Steuerfahndung die Steuerpflichtigen nach Auswertung einer angekauften Steuer-CD der Steuerhinterziehung von Kapitalerträgen aus den bei einer liechtensteinischen Stiftung unterhaltenen Kapitalanlagen für den Zeitraum von 1996 bis 2006, hatte aber zunächst keine konkreten Ermittlungen zu den einzelnen Besteuerungsgrundlagen aufgenommen. Die Steuerpflichtigen gaben im Januar 2008 für die Veranlagungszeiträume 2000 bis 2006 eine Selbstanzeige ab, in der sie Kapitaleinkünfte nur für diesen Zeitraum nacherklärten. Im Mai 2008 gaben die Steuerpflichtigen eine Selbstanzeige hinsichtlich der für die Streitjahre 1996 und 1997 nicht erklärten Kapitaleinkünfte ab. Für diese Streitjahre hatten die Steuerpflichtigen ihre Steuererklärungen im Jahr 1998 abgegeben, so dass die reguläre zehnjährige Festsetzungsfrist mit Ablauf des Jahres 2008 endete. Als im Juni 2010 für 1996 und 1997 Änderungsbescheide erlassen wurden, wurde streitig, ob die Bescheide für diese Streitjahre nach Eintritt der Festsetzungsverjährung ergangen waren, da sowohl die Zehnjahresfrist als auch die einjährige Verlängerung der Festsetzungsfrist bei Selbstanzeigen gemäß § 171 Abs. 9 AO zu diesem Zeitpunkt abgelaufen waren. Das Finanzgericht München3 verneinte den Eintritt der Festsetzungsverjährung. Es stellte fest, die Steuerfahndung habe noch vor Ende des Jahres 2008 bei den Steuerpflichtigen Unterlagen zu den hinterzogenen Kapitalerträgen angefordert, deren Gegenstand allerdings nicht näher konkretisiert werden könne. Die zehnjährige Festsetzungsfrist habe sich hierdurch nach § 171 Abs. 5 AO bis zu dem Zeitpunkt verlängert, zu dem die geänderten Steuerbescheide für die Streitjahre unanfechtbar geworden seien, weil in der Anforderung der Unterlagen Ermittlungsmaßnahmen der Steuerfahndung zu sehen seien. Der BFH gab hingegen den Steuerpflichtigen Recht. Er hob die Entscheidung des Finanzgerichts München auf und verwies die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Finanzgericht zurück:
Das Finanzgericht habe nicht festgestellt, ob die Steuerfahndung zu den nacherklärten Besteuerungsgrundlagen der Streitjahre 1996 und 1997 noch vor Ablauf des Jahres 2008 mit konkreten Ermittlungen begonnen habe. Ermittlungsmaßnahmen im Zusammenhang mit den nacherklärten Besteuerungsgrundlagen anderer Veranlagungszeiträume könnten die Ablaufhemmung gemäß § 171 Abs. 5 AO für die Streitjahre nicht auslösen. Das Finanzgericht habe im zweiten Rechtsgang aufzuklären, ob und welche konkreten Ermittlungshandlungen von der Steuerfahndung noch vor Ablauf des Jahres 2008 zu den für die Streitjahre nacherklärten Kapitalerträgen ausgeführt worden seien.
Der Bundesfinanzhof geht im vorliegenden Fall mit den Beteiligten davon aus, dass die Festsetzungsfrist für beide Streitjahre aufgrund der jeweils im Jahr 1998 eingereichten Steuererklärungen gemäß § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO mit Ablauf des Jahres 1998 begann. Aufgrund der vorsätzlichen Nichtangabe der Kapitalerträge aus der N-Foundation in den Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre gilt gemäß § 169 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO für jedes Streitjahr eine zehnjährige Festsetzungsfrist. Die reguläre Festsetzungsfrist beider Streitjahre endete damit mit Ablauf des 31.12 2008. Es ist zwischen den Beteiligten zudem nicht streitig und bedarf hier keiner Vertiefung, dass für die Kapitalerträge der Streitjahre aus der N-Foundation aufgrund der Nacherklärung vom 13.05.2008 eine einjährige Ablaufhemmung gemäß § 171 Abs. 9 AO ausgelöst wurde, die mit Ablauf des 13.05.2009 und damit vor Erlass der angefochtenen Änderungsbescheide der Streitjahre vom 11.06.2010 endete.
Das Finanzgericht hat im Ergebnis rechtsfehlerhaft angenommen, dass bei Erlass der Änderungsbescheide vom 11.06.2010 eine Ablaufhemmung gemäß § 171 Abs. 5 Satz 1 AO bestand.
Beginnen die Zollfahndungsämter oder die mit der Steuerfahndung betrauten Dienststellen der Landesfinanzbehörden vor Ablauf der Festsetzungsfrist beim Steuerpflichtigen -wie im Streitfall durch die Steufa im Jahr 2007- mit Ermittlungen der Besteuerungsgrundlagen, so läuft die Festsetzungsfrist insoweit nicht ab, bevor die aufgrund der Ermittlungen zu erlassenden Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind (§ 171 Abs. 5 Satz 1 1. Halbsatz AO). Es muss aber für den Steuerpflichtigen erkennbar sein, dass in seinen Steuerangelegenheiten ermittelt wird4 und welcher Sachverhaltskomplex den Gegenstand der Ermittlungen bildet5. Die Ablaufhemmung gemäß § 171 Abs. 5 Satz 1 AO endet erst, wenn aufgrund der Prüfung Steuerbescheide ergehen und diese unanfechtbar werden6.
Der Bundesfinanzhof teilt im Ausgangspunkt die Beurteilung des Finanzgericht, dass die -vor Eingang der Nacherklärungen vom 21.02.2008 und 13.05.2008- im Jahr 2007 durchgeführte Aktenauswertung der Steufa und die Erkundung von Durchsuchungsmöglichkeiten des Anwesens der Steuerpflichtigen keine Ablaufhemmung gemäß § 171 Abs. 5 Satz 1 AO bewirkten. Die durch den Beginn der Ermittlungen grundsätzlich ausgelöste Ablaufhemmung für die Streitjahre ist aufgrund einer Unterbrechung der Prüfung unmittelbar nach Beginn rückwirkend entfallen (§ 171 Abs. 5 Satz 1 2. Halbsatz i.V.m. § 171 Abs. 4 Satz 2 AO).
Vom Finanzgericht wurde bei Aufnahme der Prüfung eine Aktenauswertung (der Steuer-CD) durch die Steufa festgestellt, deren Ergebnis sich im Verdachtsprüfungsvermerk vom 30.09.2007 niederschlug. Die Steufa sah wegen der im Raum stehenden Hinterziehung auch von Erbschaft- und Vermögensteuern und der möglichen Täterschaft weiterer Personen den Streitfall als „herausgehobenen Fall“ und eine Durchsuchung bei den Steuerpflichtigen als geboten an. Für die Steuerpflichtigen war aufgrund der Akteneinsicht des Prozessbevollmächtigten Mitte 2008 auch zumindest im Nachhinein erkennbar, dass die Steufa die Kapitalerträge aus der N-Foundation für den Zeitraum 1996 bis 2006 ermitteln wollte. Diese spätere Kenntnisnahme von den internen Maßnahmen genügt den Anforderungen an die Erkennbarkeit der Ermittlungen, da die Ermittlungshandlungen der Steufa i.S. des § 171 Abs. 5 AO auch bereits vor dem Zeitpunkt ihrer Erkennbarkeit durch den Steuerpflichtigen liegen dürfen7.
Eine Unterbrechung der Fahndungsprüfung unmittelbar nach Beginn der Prüfung i.S. des § 171 Abs. 4 Satz 2 AO ist jedoch anzunehmen, wenn -wie im Streitfall- der Prüfer nach Beginn der Prüfung über Vorbereitungshandlungen wie das Einholen allgemeiner Informationen über die betrieblichen Verhältnisse, das Rechnungswesen und die Buchführung und/oder die Sichtung der Unterlagen des zu prüfenden Steuerfalls bzw. ein allgemeines Aktenstudium nicht hinauskommt8. Dies ist hier der Fall. Nach den Feststellungen des Finanzgericht gingen die Maßnahmen der Steufa nicht über reine Vorbereitungshandlungen hinaus. Die Aktenauswertung und Vorermittlung der Steufa bildeten nur die Entscheidungsgrundlage für den Umfang des zu erteilenden eigentlichen Prüfungsauftrags und dienten der Entscheidung darüber, ob eine Durchsuchung bei den Steuerpflichtigen notwendig sei. Das Finanzgericht hat auch nicht festgestellt, dass die Vorprüfung der Steufa erste verwertbare Ergebnisse zu den Kapitalerträgen aus der N-Foundation gezeitigt hätte, an die von der Prüferin später angeknüpft werden konnte und die eine Unterbrechung ausschließen würden9.
Das Finanzgericht ist ferner zutreffend davon ausgegangen, dass eine Nacherklärung von Besteuerungsgrundlagen gemäß § 171 Abs. 9 AO eine auf Ermittlungshandlungen der Steuerfahndung beruhende Ablaufhemmung gemäß § 171 Abs. 5 Satz 1 AO hinsichtlich derselben Besteuerungsgrundlagen nicht ausschließt10. Nach Abgabe einer Nacherklärung muss das Finanzamt nicht abwarten, ob der Steuerpflichtige zu den hinterzogenen Einkünften bis zum Ablauf der einjährigen Hemmungsfrist des § 171 Abs. 9 AO ausreichende Angaben macht. Vielmehr hat das Finanzamt die Möglichkeit, vor Ablauf der ungehemmten Festsetzungsfrist eigene Ermittlungen durch die Steuerfahndung anzustellen, um die Hemmung nach § 171 Abs. 5 Satz 1 AO herbeizuführen11. Voraussetzung für deren Eintritt ist jedoch, dass die Steuerfestsetzung auf den Ermittlungen der Steuerfahndung beruht12.
Ist danach im Spannungsverhältnis der §§ 171 Abs. 9, 171 Abs. 5 Satz 1 AO neben dem Zeitkriterium (der Aufnahme der Ermittlungen vor Ablauf der ungehemmten Festsetzungsfrist) für eine Ablaufhemmung gemäß § 171 Abs. 5 Satz 1 AO weiter erforderlich, dass die spätere Steuerfestsetzung auf den rechtzeitig aufgenommenen Ermittlungen der Steuerfahndung beruht, so setzt ein solches „Beruhen“ voraus, dass die vor Ablauf der ungehemmten Festsetzungsfrist vorgenommenen Ermittlungshandlungen konkret der Überprüfung der nacherklärten Besteuerungsgrundlagen dienen. Ausreichend für den Beginn der Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 9 AO ist, dass die angezeigte Steuerverkürzung dem Grunde nach individualisiert werden kann13. Für die weitergehende Ablaufhemmung gemäß § 171 Abs. 5 Satz 1 AO kann im Anschluss an eine solche Nacherklärung individualisierter Besteuerungsgrundlagen verlangt werden, dass die Steuerfahndung rechtzeitig konkrete und zielgerichtete Ermittlungshandlungen entfaltet, da der Steuerpflichtige ihr mit der Nacherklärung konkrete Anknüpfungspunkte für die Ermittlungen gibt.
Ergeben sich nach rechtzeitiger Vornahme solcher Ermittlungshandlungen in den späteren Steuerfestsetzungen gegenüber den Angaben in der Nacherklärung keine Änderungen, beruhen die Steuerfestsetzungen gleichwohl auf den rechtzeitig durchgeführten Ermittlungshandlungen der Steuerfahndung.
Die spätere Steuerfestsetzung der nacherklärten Besteuerungsgrundlagen eines bestimmten Veranlagungszeitraums beruht demgegenüber nicht mehr auf einer rechtzeitigen Ermittlungshandlung, wenn die Steuerfahndung nach Eröffnung der Prüfung vor Ablauf der ungehemmten Festsetzungsfrist dieses Veranlagungszeitraums (hier: der Streitjahre 1996 und 1997) zwar Ermittlungshandlungen hinsichtlich der Besteuerungsgrundlagen eines anderen Veranlagungszeitraums des Prüfungszeitraums (hier: etwa für die Jahre 1998 bis 2006) vornimmt, mit der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen des betrachteten Veranlagungszeitraums (hier: der Streitjahre 1996 und 1997) aber erst nach Ablauf der ungehemmten Festsetzungsfrist für diesen (hier: nach dem 31.12 2008) tatsächlich beginnt.
Die Würdigung des Finanzgericht beachtet diese Anforderungen nicht vollständig.
Das Anfordern von Unterlagen zur Überprüfung nacherklärter Besteuerungsgrundlagen durch die Steufa stellt -wie vom Finanzgericht zutreffend erkannt- grundsätzlich eine hinreichend konkrete Ermittlungshandlung dar14. Das Anfordern dieser Unterlagen wäre auch ausreichend, um die im Streitfall unterbrochene Fahndungsprüfung wieder aufzunehmen und die Ablaufhemmung gemäß § 171 Abs. 5 Satz 1 AO auszulösen15.
Das Finanzgericht hat es für den Eintritt der Ablaufhemmung gemäß § 171 Abs. 5 Satz 1 AO aber zu Unrecht genügen lassen, dass die Steufa in 2008 irgendeine Ermittlungshandlung hinsichtlich der Besteuerungsgrundlagen des Prüfungszeitraums 1996 bis 2006 (in Form der festgestellten Anforderung von „Unterlagen zur Vermögensanlage bei der N-Foundation“) entfaltet hat, weil sich die Prüfung erst in ihrem weiteren Verlauf während des Jahres 2009 bis zum Abschlussbericht vom 26.04.2010 auf die nacherklärten Besteuerungsgrundlagen der Streitjahre erstreckt hat.
Erforderlich für den Eintritt der Ablaufhemmung gemäß § 171 Abs. 5 Satz 1 AO für die Streitjahre ist nach den unter II. 2.d dargelegten Anforderungen nämlich, dass die Steufa noch im Jahr 2008 Ermittlungshandlungen (z.B. durch die Anforderung detaillierter Konto- und Depotauszüge) vorgenommen hat, die der Überprüfung der nacherklärten Besteuerungsgrundlagen der Streitjahre dienten. Nur dann beruhen die späteren Steuerfestsetzungen für die Streitjahre auf einer vor Ablauf der ungehemmten Festsetzungsfrist durchgeführten Ermittlungshandlung der Steufa. Die Feststellungen des Finanzgericht ermöglichen diesen Schluss nicht.
Aus den Feststellungen lässt sich der Gegenstand der angeforderten Unterlagen nicht ableiten. Die Anforderung der Unterlagen im Jahr 2008 ist in den Akten der Steufa nicht dokumentiert. Auch das Finanzgericht hat zum Gegenstand der angeforderten Unterlagen anhand des Kalendereintrags und der Zeugenaussage nur feststellen können, es habe sich um „Unterlagen zur Vermögensanlage bei der N-Foundation“ gehandelt. Zudem hat die Zeugin X ausgesagt, ihr sei es wegen einer mutmaßlichen Hinterziehung von Vermögen- und Erbschaftsteuern und der möglichen Täterschaft weiterer Familienmitglieder zunächst vordringlich um die Aufklärung der Mittelherkunft bei der Errichtung des Depots der Steuerpflichtigen gegangen. Ob die in 2008 angeforderten Unterlagen der Ermittlung von Besteuerungsgrundlagen zur Vermögen- und Erbschaftsteuer oder der Einkommensteuer des Prüfungszeitraums und falls ja, welcher Veranlagungszeiträume dienten, ist völlig ungewiss.
Es ist zudem angesichts des vom Finanzgericht im Übrigen festgestellten Geschehensablaufs eher zweifelhaft, dass die in 2008 angeforderten Unterlagen die nacherklärten Besteuerungsgrundlagen der Streitjahre betrafen. Die Steuerpflichtigen hatten mit der Nacherklärung vom 13.05.2008 Depotauszüge zum 31.12 jedes der Streitjahre übersandt. Aus diesen und der Auswertung der beigefügten Anlagen waren die Einnahmen und Aufwendungen zu den einzelnen Kapitalanlagen ersichtlich. Die so nacherklärten Einnahmen für die Streitjahre wurden nach den Feststellungen des Finanzgericht „von der Steuerfahndung zunächst übernommen und erst im Folgejahr 2009 festgestellt (ermittelt)“. Nach dem Vermerk der Prüferin vom 19.02.2009 fehlten ihr zu diesem Zeitpunkt u.a. noch vollständige Kontounterlagen der Steuerpflichtigen zu den Kapitalerträgen aus den Streitjahren. Diese wurden von der Steufa nach der Feststellung des Finanzgericht anknüpfend daran einen Tag später, am 20.02.2009, beim Prozessbevollmächtigten angefordert. Der festgestellte Geschehensablauf spricht damit insgesamt eher dafür, dass die Prüferin zu den nacherklärten Kapitaleinkünften der Streitjahre erstmals im Februar 2009 eine Ermittlungshandlung vornahm, indem sie sich mit der Nacherklärung näher befasste und ausgehend davon zielgerichtet Unterlagen für die weitere Prüfung anforderte.
Die Entscheidung des Finanzgericht erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 126 Abs. 4 FGO). Eine Ablaufhemmung für die Streitjahre ergibt sich nicht gemäß § 171 Abs. 5 Satz 2 AO.
Das Steuerstrafverfahren gegen die Steuerpflichtigen wurde wegen des Ablaufs der Strafverfolgungsverjährung erst für die Veranlagungszeiträume ab 2002 eingeleitet. Diese Maßnahme beeinflusste nur den Fristenlauf für die Steueransprüche der betreffenden Jahre, nicht aber für die streitgegenständlichen Steueransprüche für 1996 und 1997. Bereits deshalb ist die Vorschrift des § 171 Abs. 5 Satz 2 AO tatbestandlich nicht erfüllt. Sie greift nur in Bezug auf denjenigen konkreten Steueranspruch ein, der durch eine im Ermittlungsverfahren näher aufzuklärende Straftat verletzt worden sein soll16. Verjährungsrechtlich will das Gesetz sicherstellen, dass die im Zuge des eingeleiteten Steuerstrafverfahrens gewonnenen Erkenntnisse bei der Festsetzung des betroffenen Steueranspruchs Berücksichtigung finden. Erkenntnisgewinn in diesem Sinne verspricht aber nicht irgendein Steuerstrafverfahren, sondern nur ein solches, das gerade wegen der vermeintlichen Verletzung eines bestimmten Steueranspruchs eingeleitet wurde.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 3. Juli 2018 – VIII R 9/16
- Bestätigung der BFH-Rechtsprechung in BFH, Urteil vom 24.04.2003 – VII R 3/02, BFHE 202, 32, BStBl II 2003, 739[↩]
- BFH, Urteil vom 03.07.2018 – VIII R 9/16[↩]
- FG München, Urteil vom 25.02.2016 – 13 K 2818/13[↩]
- BFH, Urteil vom 09.03.1999 – VIII R 19/97, BFH/NV 1999, 1186, unter II. 1.a[↩]
- BFH, Beschluss vom 15.06.2010 – VIII B 2/10, BFH/NV 2010, 2001[↩]
- zur zeitlichen Begrenzung durch den Eintritt der Verwirkung siehe BFH, Urteil vom 08.07.2009 – VIII R 5/07, BFHE 226, 198, BStBl II 2010, 583, unter II. 1.[↩]
- BFH, Urteil in BFH/NV 1999, 1186, unter II. 1.a[↩]
- BFH, Urteil vom 26.06.2014 – IV R 51/11, BFH/NV 2014, 1716, Rz 34[↩]
- zu den Anforderungen an solche verwertbaren Erkenntnisse siehe BFH, Urteile vom 24.04.2003 – VII R 3/02, BFHE 202, 32, BStBl II 2003, 739, unter II. 4.b; in BFH/NV 2014, 1716, Rz 34[↩]
- BFH, Urteile in BFHE 226, 198, BStBl II 2010, 583, unter II. 2.c dd; vom 17.11.2015 – VIII R 68/13, BFHE 252, 210, BStBl II 2016, 571, Rz 20 bis 22[↩]
- BFH, Urteile in BFHE 252, 210, BStBl II 2016, 571, Rz 22; vom 17.12 2015 – V R 58/14, BFHE 252, 5, BStBl II 2016, 574, Rz 22[↩]
- BFH, Urteile in BFHE 252, 210, BStBl II 2016, 571, Rz 22; in BFHE 252, 5, BStBl II 2016, 574, Rz 22[↩]
- BFH, Urteil in BFHE 252, 210, BStBl II 2016, 571, Rz 22[↩]
- BFH, Urteil in BFHE 226, 198, BStBl II 2010, 583, unter II. 2.c bb[↩]
- siehe zur Wiederaufnahme als Beginn einer neuen Prüfung BFH, Urteil in BFHE 202, 32, BStBl II 2003, 739, unter II. 4.d[↩]
- vgl. BFH, Urteil vom 14.04.2005 – XI R 83/03, BFH/NV 2005, 1961, unter II. 3.b[↩]