Sonderausgabenabzug für Altersvorsorgeaufwendungen – bei steuerfreiem Arbeitslohn aus der Schweiz

Das Sonderausgabenabzugsverbot für Altersvorsorgeaufwendungen, die in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang mit in der Schweiz erzielten und im Inland steuerlich freigestellten Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit stehen (§ 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Halbsatz 1 EStG), verstößt gegen die durch das Freizügigkeitsabkommen (FZA) gewährleisteten Grundsätze der Arbeitnehmerfreizügigkeit und Gleichbehandlung1.

Sonderausgabenabzug für Altersvorsorgeaufwendungen – bei steuerfreiem Arbeitslohn aus der Schweiz

Die durch das Gesetz zur Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen beim Handel mit Waren im Internet und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 11.12.20182 rückwirkend eingefügte Ausnahme vom Abzugsverbot in § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Halbsatz 2 EStG ist zwar nicht vom Wortlaut, wohl aber im Wege unionsrechtskonformer Auslegung auch für Fälle einer nichtselbständigen Erwerbstätigkeit in der Schweiz anzuwenden. Dies gebietet der Grundsatz des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts, der sich auch auf den Inhalt des FZA erstreckt.

Das Finanzgericht Rheinland-Pfalz hat insoweit in der Vorinstanz3 zwar zu Recht entschieden, dass die streitigen Altersvorsorgeaufwendungen des Arbeitnehmers einfachgesetzlich dem Abzugsverbot des § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG unterliegen. Allerdings ist dieses Verbot insoweit nicht mit der aus Art. 1 Buchst. a, 2, 4, 7 Buchst. a i.V.m. Art. 9 Abs. 1 und 2 des Anhangs I FZA garantierten Arbeitnehmerfreizügigkeit und Gleichbehandlung vereinbar, als es ohne Weiteres daran anknüpft, dass der vom Arbeitnehmer in der Schweiz erzielte Arbeitslohn im Inland steuerlich freigestellt wird. Allerdings ist die in § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Halbsatz 2 EStG enthaltene Rückausnahme vom Abzugsverbot über ihren Wortlaut hinaus auch auf das Verhältnis zur Schweiz anwendbar; mangels entsprechender tatsächlicher Feststellungen des Finanzgerichts kann der Bundesfinanzhof aber nicht beurteilen, ob bzw. in welchem Umfang die streitigen Vorsorgeaufwendungen im Zuge der Besteuerung in der Schweiz tatsächlich Berücksichtigung gefunden haben bzw. hätten finden können. Deshalb ging die Sache zur weiteren Sachaufklärung an die Vorinstanz zurück. Jedenfalls ergibt sich der geltend gemachte Anspruch auf Abzug der Rentenversicherungsbeiträge nicht schon aus verfassungsrechtlichen Grundsätzen.

Das Finanzgericht hat rechtsfehlerfrei entschieden, dass die gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG grundsätzlich als Sonderausgaben berücksichtigungsfähigen Beiträge des Arbeitnehmers zur DRV Bund einfachgesetzlich insoweit vom Abzug ausgeschlossen sind, als sie auf den in der Schweiz erzielten Arbeitslohn entfallen.

Rechtsgrundlage hierfür ist die erst während des Revisionsverfahrens eingefügte, aber gemäß § 52 Abs. 18 Satz 4 EStG auf alle offenen Fälle anzuwendende Regelung des § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Halbsatz 1 EStG i.d.F. des Gesetzes zur Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen beim Handel mit Waren im Internet und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 11.12.20182. Hiernach ist Voraussetzung für den Sonderausgabenabzug der u.a. in § 10 Abs. 1 Nr. 2 EStG benannten Aufwendungen, dass diese nicht in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang mit steuerfreien Einnahmen stehen.

Ein solcher Zusammenhang ist immer dann anzunehmen, wenn die Einnahmen und die Aufwendungen -vorliegend die Beiträge zur DRV Bund- durch dasselbe Ereignis veranlasst sind. Dies wiederum ist erfüllt, wenn ein Steuerpflichtiger steuerfreie Einnahmen erzielt und dieser Tatbestand gleichzeitig Pflichtbeiträge an einen Sozialversicherungsträger auslöst; in diesem Fall geht die Steuerbefreiung dem Sonderausgabenabzug logisch vor. Die mit der Verausgabung der Pflichtbeiträge verbundene Minderung der Leistungsfähigkeit wird bereits durch den Bezug der steuerfreien Einnahmen aufgefangen4. Ein doppelter steuerlicher Vorteil soll ausgeschlossen werden5.

Eine solche Konstellation ist nach der Bundesfinanzhofsrechtsprechung u.a. gegeben, wenn grundsätzlich abzugsfähige Vorsorgeaufwendungen auf Einnahmen beruhen, die im Inland aufgrund eines Doppelbesteuerungsabkommens steuerfrei gestellt werden, und zwar unabhängig davon, ob die künftigen Leistungen aus einer Rentenversicherung im Inland steuerpflichtig sind. Diese Grundsätze gelten sowohl für die Rechtslage vor als auch nach Inkrafttreten des Alterseinkünftegesetzes (AltEinkG) vom 05.07.20046, was sich insbesondere daraus ergibt, dass der Wortlaut des § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG durch das AltEinkG unberührt blieb7. Maßgeblich für die Geltung von § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Halbsatz 1 EStG ist allein die Steuerfreiheit der Einnahmen, aus denen die Vorsorgeaufwendungen stammen8.

Im Streitfall liegen die Voraussetzungen des § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Halbsatz 1 EStG vor. Nach den gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindenden Feststellungen der Vorinstanz hat der Arbeitnehmer im Streitjahr für seine in der Schweiz ausgeübte nichtselbständige Tätigkeit Einnahmen von umgerechnet … EUR erzielt, die nach Maßgabe von Art. 15 Abs. 1 DBA Schweiz dem dortigen Besteuerungsrecht unterfielen und im Inland unter Progressionsvorbehalt steuerfrei gestellt wurden (Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 Buchst. d sowie Satz 2 DBA Schweiz i.V.m. § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG). Durch die zeitweise Tätigkeit des Arbeitnehmers in der Schweiz blieb dessen inländische Rentenversicherungspflicht nach § 1 Satz 1 Nr. 1 des Sechsten Buchs Sozialgesetzbuch allerdings unberührt, so dass die steuerfrei erzielten Einnahmen Anlass für die vorliegend streitigen Versicherungsbeiträge waren.

Die vom Arbeitnehmer erstmals im Revisionsverfahren vorgebrachte Behauptung, er sei im Streitjahr Grenzgänger i.S. von Art. 15a Abs. 2 DBA Schweiz gewesen, führte zwar dazu, dass sich das inländische Besteuerungsrecht auch auf den in der Schweiz erzielten Arbeitslohn erstrecken würde (Art. 15a Abs. 1 Satz 1 DBA Schweiz) und demzufolge das Abzugsverbot des § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Halbsatz 1 EStG bereits von vornherein nicht einschlägig wäre. Dieses Vorbringen ist allerdings -unabhängig davon, dass neuer Tatsachenvortrag im Revisionsverfahren grundsätzlich nicht berücksichtigt werden kann9- nicht entscheidungserheblich. Denn der hiermit verbundene inländische Besteuerungszugriff auf den schweizerischen Arbeitslohn fiele -selbst unter Anrechnung der in der Schweiz zu erhebenden Quellensteuer für Grenzgänger- deutlich höher aus als die vom Arbeitnehmer erstrebte Entlastung durch einen vollständig zu gewährenden Sonderausgabenabzug.

Die Ausnahme vom Sonderausgabenabzugsverbot gemäß § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Halbsatz 2 EStG ist nach ihrem Wortlaut nicht einschlägig. Der Arbeitnehmer hat seine nichtselbständige, steuerfreie Einnahmen auslösende Tätigkeit weder in einem EU-Mitgliedstaat noch in einem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR), sondern in der Schweiz ausgeübt (vgl. § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Halbsatz 2 Buchst. a EStG).

Allerdings verletzt der Ausschluss des Sonderausgabenabzugs nach § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Halbsätze 1 und 2 EStG den Arbeitnehmer in seinem Recht auf Arbeitnehmerfreizügigkeit und Gleichbehandlung gemäß Art. 45 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) i.V.m. Art. 1 Buchst. a, 2, 4, 7 Buchst. a FZA und i.V.m. Art. 9 Abs. 1 und 2 des Anhangs I FZA).

Ziel des FZA ist u.a. die Einräumung eines Rechts auf Einreise, Aufenthalt und Zugang zu einer unselbständigen Erwerbstätigkeit zugunsten der Staatsangehörigen der EU-Mitgliedsstaaten und der Schweiz (Art. 1 Buchst. a FZA). Es gilt ein striktes Diskriminierungsverbot in Bezug auf die Staatsangehörigkeit (Art. 2 FZA). Art. 4 und Art. 7 Buchst. a FZA i.V.m. Art. 9 Abs. 1 des Anhangs I FZA legen fest, dass ein Arbeitnehmer, der Staatsangehöriger einer Vertragspartei ist, aufgrund seiner Staatsangehörigkeit im Hoheitsgebiet der anderen Vertragspartei (vorliegend in der Schweiz) u.a. hinsichtlich der Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen nicht anders als die inländischen (vorliegend schweizerischen) Arbeitnehmer behandelt werden darf. Erweiternd hierzu bestimmt die Sonderregelung des Art. 9 Abs. 2 des Anhangs I FZA, dass ein gebietsfremder Arbeitnehmer im Beschäftigungsstaat die gleichen steuerlichen und sozialen Vergünstigungen wie die dortigen Arbeitnehmer in Anspruch nehmen kann. Trotz des engeren Wortlauts ist durch die Rechtsprechung des EuGH geklärt, dass dieser Gleichbehandlungsgrundsatz nicht nur die Inländerbehandlung im Beschäftigungsstaat sicherstellen soll, sondern gleichermaßen Behinderungen verbietet, die insoweit vom Wohnsitzstaat des betreffenden Staatsangehörigen ausgehen10.

Im Streitfall liegt eine Beeinträchtigung des Rechts auf Freizügigkeit und Gleichbehandlung des Arbeitnehmers vor, die nach Art. 21 Abs. 2 FZA zu berücksichtigen ist.

Die vorliegend maßgebliche Regelung in § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG, den Sonderausgabenabzug für Vorsorgeaufwendungen davon abhängig zu machen, dass diese nicht in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang mit steuerfreien Einnahmen stehen, beschränkt den Arbeitnehmer in seiner durch Art. 9 Abs. 1 und 2 des Anhangs I FZA gewährleisteten Arbeitnehmerfreizügigkeit und Gleichbehandlung. Hätte der Arbeitnehmer seinen Arbeitslohn im Streitjahr ausschließlich im Inland bezogen, wären die von ihm geleisteten Rentenversicherungsbeiträge -unter Berücksichtigung der Grenzen in § 10 Abs. 3 EStG- vollständig abzugsfähig gewesen. § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Halbsatz 1 EStG ist daher geeignet, inländische Arbeitnehmer davon abzuhalten, in der Schweiz eine Beschäftigung zu suchen, anzunehmen oder ihr weiter nachzugehen11.

Im Streitfall fehlt es auch nicht an einer objektiven Vergleichbarkeit des grenzüberschreitend verwirklichten mit einem innerstaatlichen Sachverhalt.

Gemäß Art. 21 Abs. 2 FZA dürfen die Bestimmungen des Abkommens nicht in der Weise ausgelegt werden, dass sie die Vertragsparteien daran hindern, bei der Anwendung ihrer jeweiligen Steuerregelungen eine Unterscheidung zwischen Steuerpflichtigen zu machen, die sich -insbesondere hinsichtlich ihres Wohnsitzes- nicht in vergleichbaren Situationen befinden.

Eine dementsprechende Vergleichbarkeit ist im Streitfall gegeben. Der Arbeitnehmer ist trotz des Bezugs von in der Schweiz steuerpflichtigen Einkünften infolge seines inländischen Wohnsitzes in der Bundesrepublik Deutschland unbeschränkt einkommensteuerpflichtig. Dies vorausgesetzt, entspricht es ständiger -bereits vor der Unterzeichnung des FZA bestehender und damit gemäß Art. 16 Abs. 2 Satz 1 FZA zu beachtender- EuGH-Rechtsprechung, dass grundsätzlich der Wohnsitzstaat die Pflicht hat, dem Steuerpflichtigen sämtliche an seine persönliche und familiäre Situation geknüpften steuerlichen Vergünstigungen zu gewähren. Etwas anderes gilt ausnahmsweise dann, wenn der Steuerpflichtige sein gesamtes oder fast sein gesamtes zu versteuerndes Einkommen im ausländischen Beschäftigungsstaat erzielt und in seinem Wohnsitzstaat keine nennenswerten Einkünfte bezieht, so dass Letzterer nicht in der Lage ist, ihm diejenigen Vergünstigungen zu gewähren, die sich aus der Berücksichtigung seiner persönlichen und familiären Situation ergeben12.

Letzteres ist vorliegend bereits deshalb nicht gegeben, da der Arbeitnehmer im Streitjahr neben seinem in der Schweiz erwirtschafteten Arbeitslohn aus demselben Arbeitsverhältnis auch im Inland nennenswerte steuerpflichtige Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit bezogen hat. Hieraus wiederum folgt, dass sich der Arbeitnehmer steuerrechtlich in einer objektiv vergleichbaren Situation mit einem gebietsansässigen Steuerpflichtigen befand, der seine Einkünfte ausschließlich im Wohnsitzstaat erzielt. Der Einwand des BMF, der Arbeitnehmer würde -anders als bei ausschließlicher Inlandstätigkeit- eine doppelte Begünstigung aus (inländischer) Steuerfreistellung seines Arbeitslohns und zusätzlichem Sonderausgabenabzug genießen, berührt nicht die Vergleichbarkeit der Sachverhalte gemäß Art. 21 Abs. 2 FZA, sondern eine etwaige Rechtfertigung der Beeinträchtigung.

Der Eingriff in die Arbeitnehmerfreizügigkeit sowie die steuerliche Gleichbehandlung des Arbeitnehmers ist nicht aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt. Insbesondere kann das Sonderausgabenabzugsverbot des § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG nach Maßgabe der vorliegend zu berücksichtigenden EuGH, Entscheidung Bechtel13 nicht einer Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse zwischen den Vertragsstaaten dienen. Ebenso wenig kann eine Kohärenz des inländischen Steuersystems die Beschränkung des Sonderausgabenabzugs rechtfertigen.

Die Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse kann zwar einen zwingenden -und damit rechtfertigend wirkenden- Grund des Allgemeininteresses darstellen14, der auch bei Beeinträchtigungen von Freizügigkeiten nach Maßgabe des FZA zu berücksichtigen ist15. Allerdings sind diesem Rechtfertigungsgrund enge -im Streitfall überschrittene- Grenzen auferlegt.

Der EuGH hat -wie bereits aufgezeigt- seit seiner Entscheidung in der Rs. Schumacker vom 14.02.1995 den auch vorliegend zu beachtenden Grundsatz aufgestellt, dass bei grenzüberschreitenden Tätigkeiten im Regelfall der Wohnsitzstaat verpflichtet ist, dem Steuerpflichtigen sämtliche mit seiner persönlichen und familiären Situation zusammenhängenden steuerlichen Vergünstigungen zu gewähren und nur dann hiervon entpflichtet wird, wenn der Steuerpflichtige in einem anderen Staat (fast) sein gesamtes zu versteuerndes Einkommen erzielt16.

Anknüpfend an diese Wechselbeziehung zwischen Wohnsitzstaat auf der einen und Beschäftigungsstaat auf der anderen Seite, hat der EuGH nachfolgend seine Rechtsprechung dahingehend präzisiert, dass eine nationale Regelung des Wohnsitzstaats, die bei grenzüberschreitenden Erwerbsbetätigungen steuerliche Vergünstigungen betreffend die persönliche oder familiäre Situation beschränkt oder ausschließt, unter dem Gesichtspunkt der zu wahrenden Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse ausnahmsweise auch dann gerechtfertigt sein kann, wenn der Beschäftigungsstaat, in dem ein Teil der Einkünfte bezogen wird, derartige Vergünstigungen entweder auf freiwilliger Basis oder auf Grundlage bi- bzw. unilateraler Abkommen gewährt17. Voraussetzung für eine solche Entpflichtung des Wohnsitzstaats ist allerdings, dass -unabhängig von der Art der Aufteilung- die gesamte persönliche und familiäre Situation des Steuerpflichtigen „im Ganzen gebührend“ berücksichtigt wird18. Aus diesem Grund kann die Ausgewogenheit der Besteuerungsbefugnisse nur dann gewahrt werden, wenn zwischen der nationalen Steuerregelung im Wohnsitzstaat, die eine Vergünstigung beschränkt bzw. ausschließt, und der im Beschäftigungsstaat gewährten Vergünstigung für die dort zu besteuernden Einkünfte eine wechselseitige Beziehung besteht19.

Diese Voraussetzungen für eine Rechtfertigung liegen im Streitfall nicht vor.

Eine im Vertragswege zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Bundesrepublik Deutschland festgelegte Entpflichtung des jeweiligen Wohnsitzstaats, steuerliche Vergünstigungen in Bezug auf die persönliche und familiäre Situation des Steuerpflichtigen auch dann zu gewähren, wenn dieser im Beschäftigungsstaat steuerpflichtige Einkünfte erzielt, existiert nicht.

Selbst wenn -was das Finanzgericht bislang allerdings nicht festgestellt hat- nach Maßgabe des schweizerischen Einkommensteuerrechts die Möglichkeit bestünde, Beiträge in ein aus dortiger Sicht ausländisches Altersvorsorgesystem steuermindernd in Abzug zu bringen, rechtfertigte dies nicht die Geltung von § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG sowie die hierdurch verursachte Beeinträchtigung der Arbeitnehmerfreizügigkeit des Arbeitnehmers. Denn insoweit fehlte es an der erforderlichen „wechselseitigen Beziehung“ zwischen der nationalen Norm und -möglichen- steuerlichen Vergünstigungen, die dem Arbeitnehmer aufgrund seiner Tätigkeit in der Schweiz dort zugute gekommen wären20. Der Abzug der Vorsorgeaufwendungen wird nach § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Halbsatz 1 EStG -jedenfalls im Verhältnis zu Drittstaaten wie der Schweiz- unabhängig davon ausgeschlossen, ob der Steuerpflichtige die Möglichkeit hat, die Aufwendungen in jenem Staat, dem das Besteuerungsrecht für die mit den Aufwendungen in Zusammenhang stehenden steuerfreien Einnahmen zusteht, berücksichtigen zu lassen. Maßgebend und allein ausreichend für den nationalen Abzugsausschluss ist der Zusammenhang mit steuerfreien Einnahmen.

Die vorgenannten Rechtsprechungsgrundsätze des EuGH sind auch im Rahmen der Beurteilung der Arbeitnehmerfreizügigkeit sowie der Gleichbehandlung nach Art. 1 Buchst. a, 2, 4, 7 Buchst. a FZA i.V.m. Art. 9 Abs. 1 und 2 des Anhangs I FZA zu berücksichtigen. Sie unterfallen nicht der Sperrklausel des Art. 16 Abs. 2 Satz 1 FZA.

Soweit für die Anwendung des FZA Begriffe des Unionsrechts herangezogen werden, bestimmt Art. 16 Abs. 2 Satz 1 FZA, dass hierfür (nur) die einschlägige Rechtsprechung des EuGH vor dem Zeitpunkt der Unterzeichnung des FZA, d.h. vor dem 21.06.1999 berücksichtigt wird. Um das ordnungsgemäße Funktionieren des FZA zu gewährleisten, stellt der nach Art. 14 FZA eingesetzte Gemeinsame Ausschuss auf Antrag einer Vertragspartei die Auswirkungen der nach diesem Datum ergangenen EuGH-Rechtsprechung fest (Art. 16 Abs. 2 Satz 3 FZA). Damit ist grundsätzlich die Gleichwertigkeit der wechselseitigen Rechte und Pflichten aus dem FZA auf der Basis der anzuwendenden Begriffe des Unionsrechts, zu der eben auch die Freizügigkeit gehört, unter Berücksichtigung der einschlägigen Rechtsprechung des EuGH vor dem Zeitpunkt der Unterzeichnung zu beurteilen.

Die Sperrwirkung des Art. 16 Abs. 2 Satz 1 FZA gilt dagegen nicht für solche EuGH-Rechtsprechung, die zwar nach Unterzeichnung des Abkommens ergangen ist, aber lediglich diejenigen Grundsätze bestätigt oder präzisiert, die schon vor der Unterzeichnung aufgestellt waren21. Abzustellen ist hierbei auf die Rechtsprechung zu denjenigen Begriffen des Unionsrechts, an denen sich das FZA ausrichtet22.

Dementsprechend wurde durch die Rechtsprechung des EuGH zur Unionsrechtswidrigkeit des Sonderausgabenabzugsverbots für Vorsorgeaufwendungen, die in Zusammenhang mit im Inland steuerfrei gestellten ausländischem Arbeitslohn stehen23, keine grundlegend neuen, von der Sperrwirkung des Art. 16 Abs. 2 Satz 1 FZA erfassten Grundsätze zu auch für das FZA maßgeblichen Begriffen des Unionsrechts geprägt. Vielmehr hat diese Rechtsprechung lediglich präzisierende Wirkung zu feststehenden Grundsätzen des Unionsrechts, die sich aus der bis zur Abkommensunterzeichnung geltenden Rechtslage ableiten lassen.

Dies gilt zum einen für das Gebot unionsrechtlicher Gleichbehandlung, das bereits vor dem 21.06.1999 bestand24. Gleiches gilt für den Grundsatz, dass ein Staatsangehöriger eines Vertragsstaats aus dem FZA abgeleitete Rechte nicht nur im Wege der Inländer(-gleich-)behandlung gegenüber dem ausländischen Beschäftigungsstaat, sondern ebenso gegenüber dem eigenen Wohnsitzstaat beanspruchen kann25.

Zum anderen war bereits durch die Schumacker-Rechtsprechung die grundsätzliche und vorrangige Einstandspflicht des Wohnsitzstaats für die Gewährung steuerlicher Vergünstigungen, die die persönliche und familiäre Situation des Steuerpflichtigen betreffen, festgelegt26. Hieran knüpfte der EuGH in der Rs. Gilly im Jahr 1998, mit der er den Beschäftigungsstaat von einer dementsprechenden Verpflichtung ausnahm, an27. Die nachfolgende -nach dem 21.06.1999 ergangene- Rechtsprechung schuf insoweit keine neuen Grundsätze, sondern konkretisierte lediglich die interdependierenden Verpflichtungen zwischen Wohnsitz- und Beschäftigungsstaat, indem Fallgruppen aufgezeigt wurden, in denen der Wohnsitzstaat -neben den Fällen mangelnden zu versteuernden Einkommens- von seiner vorrangigen Verpflichtung zur Gewährung steuerlicher Vergünstigungen entbunden werden kann28 und welche Erfordernisse zur Wahrung einer ausgewogenen Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse hierfür einzuhalten sind29.

Eine Rechtfertigung aus Gründen der Notwendigkeit, die Kohärenz des deutschen Steuersystems zu wahren30, kommt ebenfalls nicht in Betracht. Insoweit verweist der Bundesfinanzhof zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen des EuGH in Sachen Bechtel31.

Aufgrund des Anwendungsvorgangs des Unionsrechts ist die Rückausnahme des § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Halbsatz 2 EStG auch im Verhältnis zur Schweiz anwendbar. Im Streitfall kann der Bundesfinanzhof auf Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen des Finanzgericht allerdings nicht abschließend beurteilen, ob die tatsächlichen Voraussetzungen dieser Rückausnahme erfüllt sind.

Zwar nimmt der Inhalt des FZA, der für die Organe der Union und die Mitgliedstaaten verbindlich ist (Art. 216 Abs. 2 AEUV), am Vorrang des Unionsrechts gegenüber nationalem Recht teil und bewirkt somit im Fall einer abkommenswidrigen innerstaatlichen Vorschrift deren Nichtanwendbarkeit32. Hieraus lässt sich indes nicht der Schluss ziehen, dass dem Arbeitnehmer in Anbetracht der unionsrechts- und abkommenswidrigen Versagung des Sonderausgabenabzugs nach § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Halbsatz 1 EStG ohne weiteres ein vollständiger Abzug zuzusprechen wäre. Vielmehr ist zu berücksichtigen, dass der nationale Gesetzgeber in Reaktion auf die EuGH, Entscheidung in der Rs. Bechtel13 inzwischen mit § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Halbsatz 2 EStG bei grenzüberschreitenden Beschäftigungen als Arbeitnehmer in einem anderen EU- bzw. EWR-Staat eine Regelung geschaffen hat, die trotz inländischer Steuerfreistellung der Einnahmen unter den dort genannten Voraussetzungen einen Sonderausgabenabzug für bestimmte Vorsorgeaufwendungen zulässt. Abkommens- und damit unionsrechtswidrig ist aus oben dargelegten Erwägungen allerdings, dass entsprechende Betätigungen in der Schweiz nicht vom Anwendungsbereich dieser Vorschrift erfasst werden.

Es entspricht gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung, im Fall der Kollision von Unionsrecht und nationalem Recht dem Anwendungsvorrang des Unionsrechts dadurch Rechnung zu tragen, dass die einschlägige nationale Regelung normerhaltend in der Weise weiter angewendet wird, dass das unionsrechtswidrige Tatbestandsmerkmal bei der Rechtsanwendung nicht beachtet wird. In diesem Sinne hat der BFH bereits entschieden, dass der seinerzeit noch mögliche Abzug von Steuerberatungskosten als Sonderausgaben über den Wortlaut von § 10 Abs. 1 Nr. 6 EStG a.F. hinaus auch einem im EU-Ausland wohnhaften beschränkt Steuerpflichtigen zuzusprechen ist33, Zahlungen einer französischen Universität für einen von einem deutschen Steuerpflichtigen versehenen Lehrauftrag trotz damaliger gesetzlicher Beschränkung auf das Inland nach § 3 Nr. 26 EStG steuerfrei zu stellen sind34 sowie Schulgeld für den Besuch eines schottischen Internats unter den Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG -trotz seinerzeitiger Begrenzung auf im Inland belegene Schulen- als Sonderausgabe abzugsfähig ist35.

Vor diesem Hintergrund ist die gesetzliche (Rück-)Ausnahme vom Sonderausgabenabzugsverbot nach § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Halbsatz 2 EStG normerhaltend insoweit zu erweitern, als der dort in Buchst. a festgelegte räumliche Bereich nicht auf EU- bzw. EWR-Staaten beschränkt, sondern auf die Schweizerische Eidgenossenschaft erstreckt wird. Auf diese Weise würde zudem sichergestellt, dass Arbeitnehmertätigkeiten in der Schweiz steuerlich nicht schlechter, aber auch nicht besser behandelt würden als entsprechende Betätigungen in einem ausländischen EU- bzw. EWR-Staat36. Durchgreifende Anhaltspunkte, dass eine solche normerhaltende Extension des § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Halbsatz 2 EStG in jedem Fall dem Willen des Gesetzgebers widerspräche, sind für den Bundesfinanzhof aus den Gesetzgebungsmaterialien zum Gesetz zur Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen beim Handel mit Waren im Internet und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften37 nicht abzuleiten.

Ob die vorliegend streitigen Altersvorsorgeaufwendungen im Hinblick auf § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Halbsatz 2 Buchst. c EStG überhaupt und -bejahendenfalls- in welchem Umfang im Rahmen der Besteuerung des Arbeitslohns des Arbeitnehmers in der Schweiz steuermindernd berücksichtigt wurden, kann der Bundesfinanzhof mangels entsprechender Feststellungen des Finanzgericht nicht abschließend entscheiden. Aus diesem Grund geht die Sache an die Vorinstanz zurück; es ist Aufgabe des Finanzgericht als Tatsacheninstanz, das maßgebende ausländische Recht gemäß § 155 Satz 1 FGO i.V.m. § 293 der Zivilprozessordnung zu ermitteln38.

Der geltend gemachte Anspruch auf Abzug der streitigen Beiträge zur DRV Bund als Sonderausgaben ergibt sich für den Arbeitnehmer auch nicht aus verfassungsrechtlichen Grundsätzen.

So hat der Bundesfinanzhof zum einen bereits entschieden, dass der Ausschluss des Sonderausgabenabzugs in den Fällen des § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Halbsatz 1 EStG bereits deshalb nicht am Maßstab des objektiven Nettoprinzips zu messen sei, da der Gesetzgeber die Altersvorsorgeaufwendungen -obwohl sie ihrer Rechtsnatur nach inzwischen vorweggenommene Werbungskosten darstellen- konstitutiv den Sonderausgaben habe zuweisen können und mit Blick auf das nahezu gleichlautende Abzugsverbot gemäß § 3c Abs. 1 EStG eine steuerliche Benachteiligung gegenüber der Einordnung als Werbungskosten nicht bestehe39. Der Arbeitnehmer hat keine Erwägungen vorgebracht, die Zweifel an dieser Rechtsprechung begründen.

Zum anderen kann der Arbeitnehmer jedenfalls für das Streitjahr keinen Verstoß gegen das Verbot der doppelten Besteuerung von Altersvorsorgeaufwendungen und späteren Alterseinkünften geltend machen.

Zwar hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Besteuerung von Vorsorgeaufwendungen für die Alterssicherung und die Besteuerung von hieraus resultierenden Rentenbezügen so aufeinander abzustimmen seien, dass eine doppelte Besteuerung in jedem Fall vermieden werde40. Allerdings entspricht es gefestigten Grundsätzen höchstrichterlicher (Verfassungs-)Rechtsprechung, dass der Einwand doppelter Besteuerung nicht in Veranlagungszeiträumen der Altersvorsorgeaufbauphase, sondern erstmals mit Beginn der Rentenauszahlungsphase gerügt werden kann41. Grund hierfür ist, dass aus dem Verbot doppelter Besteuerung kein Anspruch auf eine bestimmte Abziehbarkeit der Vorsorgebeiträge in der Aufbauphase abgeleitet werden kann. Vielmehr sind jene Beiträge und die späteren Altersbezüge für Zwecke der Prüfung, ob es zu einer doppelten Besteuerung kommt, als einheitliches Ganzes zu sehen42, so dass der Gesetzgeber dem Verbot doppelter Besteuerung ebenso durch einen entsprechend schonenderen Zugriff in der Versorgungsphase Rechnung tragen kann43.

Ob ein Ausschluss des Abzugs der streitigen Altersvorsorgeaufwendungen mit dem subjektiven Nettoprinzip vereinbar ist44, bedarf derzeit keiner Entscheidung des Bundesfinanzhofs. Ein Verstoß hiergegen wäre jedenfalls ausgeschlossen, sofern -was im zweiten Rechtsgang vom Finanzgericht festzustellen ist- die auf den schweizerischen Arbeitslohn anteilig entfallenden Rentenversicherungsbeiträge im Rahmen der dortigen Besteuerung angemessene Berücksichtigung gefunden haben oder aber hätten finden können45.

Im Übrigen weist der Bundesfinanzhof ohne Bindungswirkung gemäß § 126 Abs. 5 FGO darauf hin, dass der Arbeitnehmer nach den einschlägigen gesetzlichen Regelungen im schweizerischen Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer (DBG), im Bundesgesetz über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden sowie im Steuergesetz des Kantons (StG) hinsichtlich seiner Einnahmen aus sog. unselbständiger Erwerbstätigkeit (Art. 17 DBG; Art.20 StG) mangels eines steuerrechtlichen Wohnsitzes oder Aufenthalts in der Schweiz („Wochenaufenthalter“) grundsätzlich -wie außergerichtlich von der Steuerverwaltung des Kantons auch bescheinigt- im Quellensteuerabzugsverfahren zu besteuern gewesen sein dürfte.

Die Quellensteuer wird von den Bruttoeinkünften berechnet (Art. 84 Abs. 1, Art. 91 DBG; Art. 113 Abs. 1, Art. 116 Abs. 1 StG), so dass grundsätzlich -anders als im „ordentlichen“ Veranlagungsverfahren- weder Berufskosten (Art. 26 DBG; Art. 31 StG) noch die allgemeinen Abzüge und hierbei u.a. Aufwendungen für „gemäss Gesetz, Statut oder Reglement geleisteten […] Beiträge an die Alters, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung und an Einrichtungen der beruflichen Vorsorge“ (Art. 33 Abs. 1 Buchst. d DBG) bzw. „die im Rahmen der Bundesgesetzgebung geleisteten periodischen und einmaligen Beiträge zum Erwerb von Ansprüchen aus der Alters, Hinterbliebenen- und Invalidenversicherung und aus Einrichtungen der beruflichen Vorsorge“ (Art. 38 Abs. 1 Buchst. d StG) zu berücksichtigen sind. Allerdings werden auch im Quellensteuerabzugsverfahren bei der Festsetzung der Steuertarife Pauschalen sowohl für die Berufskosten als auch u.a. für Vorsorgeaufwendungen sowie für Familienlasten berücksichtigt (Art. 86 Abs. 1, Art. 91 DBG; Art. 114 Abs. 2 Buchst. b, Art. 116 Abs. 1 StG), so dass eine Entlastung des Arbeitnehmers jedenfalls in pauschalierter Form zumindest nahe liegt. Zudem gewährt Art. 116 Abs. 2 StG einem quellensteuerpflichtigen Arbeitnehmer ohne steuerrechtlichen Wohnsitz oder Aufenthalt in der Schweiz das Recht, bis zum 31.03.des jeweiligen Folgejahres einen Antrag auf Korrekturberechnung der Quellensteuer (Neuveranlagung) zu stellen. Durch einen solchen Antrag können Abzüge geltend gemacht werden, die entweder im angewandten Quellensteuertarif nicht enthalten sind oder bislang nur mit einer Pauschale berücksichtigt wurden46.

Dementsprechend sollte das Finanzgericht im zweiten Rechtsgang zunächst Feststellungen dazu treffen, ob der Arbeitnehmer für das Streitjahr 2012 in der Schweiz einen Antrag auf Neuveranlagung gemäß Art. 116 Abs. 2 StG gestellt hat und ggf. mit welchem Ausgang. Sollte dies -wofür das bisherige Vorbringen des Arbeitnehmers eher spricht- nicht der Fall gewesen sein, wird das Finanzgericht weiter zu klären haben, ob Beiträge in ein aus Sicht der Schweiz ausländisches Altersvorsorgesystem im Rahmen einer Neuveranlagung überhaupt in Abzug gebracht werden können. Wenn dies so wäre, müsste das Finanzgericht erwägen, ob ein fehlender Antrag des Arbeitnehmers auf Neuveranlagung zur Folge haben könnte, dass ein inländischer Sonderausgabenabzug für die streitigen Altersvorsorgeaufwendungen ausgeschlossen wäre.

Sollte dagegen eine steuermindernde Berücksichtigung der vorliegend streitigen Aufwendungen in einem Neuveranlagungsverfahren in der Schweiz rechtlich nicht in Betracht gekommen sein, wird das Finanzgericht -ggf. durch Sachverständigenbeweis- zu ermitteln haben, in welchem Umfang die Beiträge des Arbeitnehmers zur DRV Bund durch die Ausgestaltung des einschlägigen schweizerischen Quellensteuertarifs eine steuerliche Entlastung erfahren haben.

Bei einer nur sehr geringfügigen pauschalen Berücksichtigung der Vorsorgeaufwendungen hätte das Finanzgericht schließlich zu erwägen, ob ein solches Ergebnis mit der durch das FZA gewährleisteten Arbeitnehmerfreizügigkeit zu vereinbaren wäre. Zwar soll die Rückausnahme vom Sonderausgabenabzugsausschluss in den in § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Halbsatz 2 EStG genannten Konstellationen davon abhängig gemacht werden, dass der Beschäftigungsstaat „keinerlei“ steuerliche Berücksichtigung der Vorsorgeaufwendungen zulässt (Buchst. c). Demzufolge genügten nach Maßgabe des nationalen Rechts selbst betragsmäßig minimalste Entlastungen im Beschäftigungsstaat, um die Aufwendungen im Inland vom Sonderausgabenabzug auszuschließen. Dagegen sieht der EuGH -wie oben dargelegt- in ständiger Rechtsprechung bei grenzüberschreitender Erwerbstätigkeit ein Abzugsverbot im Wohnsitzstaat allerdings nur dann als gerechtfertigt an, wenn die gesamte persönliche und familiäre Situation des Steuerpflichtigen „im Ganzen gebührend“ berücksichtigt wird47.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 5. November 2019 – X R 23/17

  1. Anschluss an EuGH, Urteil Bechtel vom 22.06.2017 – C-20/16, EU:C:2017:488, BStBl II 2017, 1271[]
  2. BGBl I 2018, 2338[][]
  3. FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 23.01.2017 – 5 K 1463/14, EFG 2017, 1078[]
  4. BFH, Urteil vom 18.04.2012 – X R 62/09, BFHE 237, 434, BStBl II 2012, 721, Rz 17, m.w.N.[]
  5. statt vieler Schmidt/Krüger, EStG, 38. Aufl., § 10 Rz 160[]
  6. BGBl I 2004, 1427[]
  7. BFH, Urteil in BFHE 237, 434, BStBl II 2012, 721, Rz 17, 19 ff.[]
  8. BFH, Urteil in BFHE 237, 434, BStBl II 2012, 721, Rz 35 f.[]
  9. vgl. statt vieler Gräber/Ratschow, Finanzgerichtsordnung, 9. Aufl., § 118 Rz 36, m.w.N.[]
  10. zuletzt EuGH, Urteile Wächtler vom 26.02.2019 – C-581/17, EU:C:2019:138, Rz 51, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung -HFR- 2019, 439; Radgen vom 21.09.2016 – C-478/15, EU:C:2016:705, Rz 40, Deutsches Steuerrecht -DStR- 2016, 2331; Bukovansky vom 19.11.2015 – C-241/14, EU:C:2015:766, Rz 36, BStBl II 2017, 238; vgl. auch BFH, Urteil vom 24.08.2016 – X R 11/15, BFH/NV 2017, 300, Rz 42[]
  11. vgl. dazu auch EuGH, Urteil Bechtel, EU:C:2017:488, BStBl II 2017, 1271, Rz 48 ff.[]
  12. grundlegend EuGH, Urteil Schumacker vom 14.02.1995 – C-279/93, EU:C:1995:31, Rz 32, Slg. 1995, I-225; zuletzt EuGH, Urteil Jacob und Lennertz vom 14.03.2019 – C-174/18, EU:C:2019:205, Rz 26, DStR 2019, 729[]
  13. EU:C:2017:488, BStBl II 2017, 1271[][]
  14. EuGH, Urteil Beker vom 28.02.2013 – C-168/11, EU:C:2013:117, Rz 56, BStBl II 2015, 431[]
  15. vgl. EuGH, Urteil Wächtler, EU:C:2019:138, Rz 61, HFR 2019, 439[]
  16. EU:C:1995:31, Rz 32, 36, Slg. 1995, I-225; nachfolgend u.a. EuGH, Urteile Gilly vom 12.05.1998 – C-336/96, EU:C:1998:221, Rz 49 f., Slg. 1998, I-2793; Gschwind vom 14.09.1999 – C-391/97, EU:C:1999:409, Rz 27, Slg. 1999, I-5451; Zurstrassen vom 16.05.2000 – C-87/99, EU:C:2000:251, Rz 21, Slg. 2000, I-3337[]
  17. EuGH, Urteil de Groot vom 12.12.2002 – C-385/00, EU:C:2002:750, Rz 99 ff., Slg. 2002, I-11819; nachfolgend EuGH, Urteil Beker, EU:C:2013:117, Rz 56, BStBl II 2015, 431[]
  18. EuGH, Urteil de Groot, EU:C:2002:750, Rz 101, Slg. 2002, I-11819; ebenso EuGH, Urteil Imfeld und Garcet vom 12.12.2013 – C-303/12, EU:C:2013:822, Rz 70, HFR 2014, 183[]
  19. EuGH, Urteile Imfeld und Garcet, EU:C:2013:822, Rz 73, HFR 2014, 183, sowie Bechtel, EU:C:2017:488, Rz 74, BStBl II 2017, 1271; ebenso BFH, Beschluss vom 16.09.2015 – I R 62/13, BFHE 251, 204, BStBl II 2016, 205, Rz 39 f.[]
  20. vgl. EuGH, Urteil Bechtel, EU:C:2017:488, Rz 74, BStBl II 2017, 1271; ebenso EuGH, Urteil Imfeld und Garcet, EU:C:2013:822, Rz 73, HFR 2014, 183[]
  21. EuGH, Urteil Wächtler, EU:C:2019:138, Rz 39, HFR 2019, 439; vgl. auch BFH, Beschluss vom 07.09.2011 – I B 157/10, BFHE 235, 215, BStBl II 2012, 590, Rz 33; BFH, Urteil in BFHE 237, 434, BStBl II 2012, 721, Rz 41; FG Baden-Württemberg, Beschluss vom 15.07.2015 – 14 K 1229/13, EFG 2016, 1957, Rz 38; Ismer in Herrmann/Heuer/Raupach -HHR-, Einführung zum EStG Rz 560; Schönfeld/Häck in Schönfeld/Ditz, Doppelbesteuerungsabkommen, 2. Aufl., Systematik, Rz 177; Schaumburg in Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 4. Aufl., Kap. 4 Rz 4.48[]
  22. EuGH, Urteil Wächtler, EU:C:2019:138, Rz 39, HFR 2019, 439[]
  23. EuGH, Urteil Bechtel, EU:C:2017:488, BStBl II 2017, 1271[]
  24. EuGH, Urteile Radgen, EU:C:2016:705, Rz 47, DStR 2016, 2331; Wächtler, EU:C:2019:138, Rz 55, HFR 2019, 439, jeweils m.w.N.[]
  25. EuGH, Urteil Wächtler, EU:C:2019:138, Rz 51 f., HFR 2019, 439, unter Hinweis auf EuGH, Urteil Daily Mail and General Trust vom 27.09.1988 – C-81/87, EU:C:1988:456, Rz 16, Slg. 1988, 5483, zur Niederlassungsfreiheit[]
  26. EU:C:1995:31, Rz 32, 36, Slg. 1995, I-225[]
  27. EU:C:1998:221, Rz 50, Slg. 1998, I-2793[]
  28. EuGH, Urteile de Groot, EU:C:2002:750, Rz 99 ff., Slg. 2002, I-11819; Beker, EU:C:2013:117, Rz 56, BStBl II 2015, 431[]
  29. EuGH, Urteile Imfeld und Garcet, EU:C:2013:822, Rz 73, HFR 2014, 183, sowie zuletzt Bechtel, EU:C:2017:488, Rz 74, BStBl II 2017, 1271[]
  30. vgl. u.a. EuGH, Urteil Kohll und Kohll-Schlesser vom 26.05.2016 – C-300/15, EU:C:2016:361, Rz 60[]
  31. EU:C:2017:488, Rz 75 ff., BStBl II 2017, 1271[]
  32. vgl. BFH, Urteil vom 09.05.2012 – X R 3/11, BFHE 237, 223, BStBl II 2012, 585, Rz 26[]
  33. BFH, Urteil vom 20.09.2006 – I R 113/03, BFH/NV 2007, 220, unter III. 1.[]
  34. BFH, Urteil vom 22.07.2008 – VIII R 101/02, BFHE 222, 453, BStBl II 2010, 265, unter IV.01.[]
  35. BFH, Urteil vom 21.10.2008 – X R 15/08, BFH/NV 2009, 559, unter II. 2.a[]
  36. vgl. insoweit BFH, Urteil vom 10.04.2019 – I R 15/16, BFHE 265, 56, Rz 27, zur Einlagenrückgewähr durch eine Drittstaatengesellschaft[]
  37. vgl. insoweit insbesondere BR-Drs. 372/18, 41[]
  38. ständige BFH-Rechtsprechung, vgl. z.B. Urteil vom 19.01.2017 – IV R 50/14, BFHE 257, 35, BStBl II 2017, 456, Rz 60, m.w.N., sowie vom 22.03.2018 – X R 5/16, BFHE 261, 132, BStBl II 2018, 651, Rz 22[]
  39. vgl. z.B. BFH, Urteile vom 18.11.2009 – X R 34/07, BFHE 227, 99, BStBl II 2010, 414, unter B.I. 2.b; in BFHE 237, 434, BStBl II 2012, 721, Rz 26 ff.[]
  40. BVerfG, Urteil vom 06.03.2002 – 2 BvL 17/99, BVerfGE 105, 73, unter D.II.[]
  41. vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 13.02.2008 – 2 BvR 1220/04 u.a., BVerfGE 120, 169, unter B.I. 2.b, sowie vom 14.06.2016 – 2 BvR 290/10, BStBl II 2016, 801, Rz 57; ebenso BFH, Urteile vom 09.12.2009 – X R 28/07, BFHE 227, 165, BStBl II 2010, 348, unter B.II. 3.e bb aaa; und vom 21.06.2016 – X R 44/14, BFHE 254, 545, Rz 34[]
  42. BFH, Urteil in BFHE 254, 545, Rz 35[]
  43. BVerfG, Beschluss in BVerfGE 120, 169, unter B.I. 2.b, m.w.N.[]
  44. verneinend Niedersächsisches FG, Urteil vom 28.09.2016 – 3 K 169/15, EFG 2017, 124, Rz 20, 26, rkr., sowie Finanzgericht Düsseldorf, Urteil vom 10.07.2018 – 10 K 1964/17, EFG 2018, 1515, Rz 16, 22, rkr.; kritisch hiergegen HHR/Kulosa, § 10 EStG, Jahreskommentierung 2019 Rz J 18-4[]
  45. vgl. hierzu auch BFH, Urteil in BFHE 237, 434, BStBl II 2012, 721, Rz 37[]
  46. vgl. hierzu Miessl, Die Besteuerung von Grenzgängern in der Schweiz, 2019, S. 116[]
  47. EuGH, Urteile de Groot, EU:C:2002:750, Rz 44, Slg. 2002, I-11819, sowie Imfeld und Garcet, EU:C:2013:822, Rz 69, HFR 2014, 183; vgl. auch BFH, Beschluss in BFHE 251, 204, BStBl II 2016, 205, Rz 39[]

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