Sonderausgabenabzug für Kinderbetreuungskosten – und das Erfordernis der Haushaltszugehörigkeit

Das Kriterium der Haushaltszugehörigkeit in § 10 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 EStG beruht auf einer verfassungsrechtlich zulässigen Typisierung bzw. Förderung.

Sonderausgabenabzug für Kinderbetreuungskosten – und das Erfordernis der Haushaltszugehörigkeit

§ 10 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 EStG verstößt jedenfalls dann nicht gegen die Steuerfreiheit des Existenzminimums und den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 6 Abs. 1 GG, Art. 3 Abs. 1 GG), wenn die Betreuungsaufwendungen desjenigen Elternteils, der das Kind nicht in seinen Haushalt aufgenommen hat, durch den ihm gewährten Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf (§ 32 Abs. 6 EStG) abgedeckt werden.

Abziehbare Sonderausgaben sind zwei Drittel der Aufwendungen, höchstens 4.000 € je Kind, für Dienstleistungen zur Betreuung eines zum Haushalt des Steuerpflichtigen gehörenden Kindes im Sinne des § 32 Abs. 1 EStG, welches das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet hat oder wegen einer vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetretenen körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten (§ 10 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 EStG, vgl. die weiteren Regelungen in den Sätzen 2 bis 4).

Danach liegen im hier vom Bundesfinanzhof entschiedenen Streitfall beim klagenden Vater keine abziehbaren Sonderausgaben in Höhe von 199 € (beziehungsweise zwei Dritteln von 299 €) vor, da er die Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 EStG nicht erfüllte. Seinem Sonderausgabenabzug steht entgegen, dass die Tochter im Streitjahr allein zum Haushalt der Mutter und nicht auch zum Haushalt des Vaters gehörte. Der steuerliche Abzug für die konkreten vom Vater getragenen Kosten der Betreuung der Tochter im Kindergarten und im Schulhort lässt sich auch nicht auf eine andere Vorschrift des EStG stützen.

Die als Verfahrensmangel des erstinstanzlich mit dem vorliegenden Fall befassten Thüringer Finanzgerichts1 gerügte Verletzung der Pflicht, dem BVerfG die Vorschrift des § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG im Rahmen einer konkreten Normenkontrolle (Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG) zur verfassungsgerichtlichen Prüfung vorzulegen, liegt nicht vor. Ausgehend von der maßgeblichen Auffassung des Finanzgericht, dass die Regelung des 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG verfassungsgemäß sei, waren die Voraussetzungen für die Vorlage an das BVerfG im erstinstanzlichen Verfahren nicht gegeben. Dass ein Beteiligter des Klageverfahrens eine entscheidungserhebliche Norm für verfassungswidrig hält, begründet keine Vorlagepflicht des zur Entscheidung berufenen Gerichts, das von der Verfassungswidrigkeit nicht überzeugt ist.

Eine Aussetzung gemäß § 74 FGO und eine Vorlage an das BVerfG zur verfassungsgerichtlichen Normenkontrolle (Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG i.V.m. §§ 80 ff. des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes) kommen auch im Revisionsverfahren nicht in Betracht. Der Bundesfinanzhof ist ebenfalls nicht davon überzeugt, dass § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG im Fall des Vaters ein Eltern- bzw. Familiengrundrecht (Art. 6 GG) oder den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) verletzt.

Nach Art. 6 GG stehen Ehe und Familie unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung (Abs. 1), Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht (Abs. 2 Satz 1). Nach Art. 3 GG sind alle Menschen vor dem Gesetz gleich (Abs. 1), Männer und Frauen sind gleichberechtigt (Abs. 2 Satz 1). Der allgemeine Gleichheitssatz umfasst unter anderem das Gebot der Rechtsetzungsgleichheit, bei dessen Umsetzung der Gesetzgeber grundsätzlich nicht daran gehindert ist, generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen zu verwenden; für die Gesetzgebung im Steuerrecht folgen aus Art. 3 Abs. 1 GG das Gebot der Belastungsgleichheit und -in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1, Art.20 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 GG- das Gebot der Steuerfreiheit des Existenzminimums für sämtliche Familienmitglieder2.

Weiterlesen:
Errichtung eines Erweiterungsbaus - und der gewerbliche Grundstückshandel

Ein Verstoß des § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG gegen Art. 6 Abs. 1 GG im Hinblick auf das Existenzminimum der Tochter, des Vaters oder seiner Familie ist im Streitfall schon wegen der in § 32 Abs. 6 EStG gewährten Freibeträge zu verneinen.

3 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1, Art.20 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 GG verpflichten den Gesetzgeber, das Einkommen des Bürgers jedenfalls insoweit steuerfrei zu stellen, als dieser es zur Schaffung der Mindestvoraussetzungen eines menschenwürdigen Daseins für sich und seine Familie benötigt (Prinzip der Steuerfreiheit des Existenzminimums). Bei der Besteuerung einer Familie muss deshalb das -durch das Sozialhilferecht auf der Grundlage des Verfassungsrechts bestimmte- Existenzminimum für sämtliche Familienmitglieder steuerfrei bleiben. Dies gilt in besonderer Weise auch für den Kindesunterhalt. Der Staat darf auf Mittel, die für den Lebensunterhalt von Kindern unerlässlich sind, nicht so zugreifen wie auf finanzielle Mittel, die zur Befriedigung anderer Bedürfnisse eingesetzt werden3.

Nach § 31 Satz 1 EStG wird die steuerliche Freistellung eines Einkommensbetrags in Höhe des Existenzminimums eines Kindes einschließlich der Bedarfe für Betreuung und Erziehung oder Ausbildung im gesamten Veranlagungszeitraum entweder durch die Freibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG oder durch Kindergeld nach Abschnitt – X des EStG bewirkt4. Soweit das im laufenden Kalenderjahr als Steuervergütung monatlich gezahlte Kindergeld dafür nicht erforderlich ist, dient es der Förderung der Familie (§ 31 Sätze 2 und 3 EStG). Bewirkt der Anspruch auf Kindergeld für den gesamten Veranlagungszeitraum die nach § 31 Satz 1 EStG gebotene steuerliche Freistellung nicht vollständig und werden deshalb bei der Veranlagung zur Einkommensteuer die Freibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG vom Einkommen abgezogen, erhöht sich die unter Abzug dieser Freibeträge ermittelte tarifliche Einkommensteuer um den Anspruch auf Kindergeld für den gesamten Veranlagungszeitraum; bei nicht zusammenveranlagten Eltern wird der Kindergeldanspruch im Umfang des Kinderfreibetrags angesetzt (§ 31 Satz 4 EStG; vgl. zur sogenannten Günstigerprüfung BVerfG, Beschluss in BVerfGE 162, 277, Rz 3; BFH, Urteil vom 14.04.2021 – III R 34/19, BFHE 273, 33, BStBl II 2021, 848, Rz 22 ff.).

Gemäß § 32 Abs. 6 EStG erhielt der Vater im Streitjahr für die bei beiden Eltern zu berücksichtigende minderjährige Tochter (§ 32 Abs. 3 EStG) den Freibetrag für das sächliche Existenzminimum des Kindes (Kinderfreibetrag) und daneben auch den Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf (BEA-Freibetrag). Der Kinderfreibetrag belief sich im Streitjahr auf 2.586 €, der BEA-Freibetrag auf 1.320 €. In dem mit der Klage angefochtenen Einkommensteuerbescheid vom 30.03.2021 wurden diese Freibeträge in Höhe von insgesamt 3.906 € in Abzug gebracht. Aufgrund des ausdrücklich auch den Betreuungsbedarf betreffenden BEA-Freibetrags5 ist im Streitfall eine Verletzung des Art. 6 Abs. 1 GG in Gestalt einer Beeinträchtigung des familiären Existenzminimums durch die Vorschrift des § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG nicht ersichtlich. Denn der dem Vater gewährte BEA-Freibetrag lag mit 1.320 € wesentlich höher als der von ihm für die Kindergarten- und Hortbeiträge entrichtete Betrag von 299 €, dessen Abzug als Sonderausgaben er in Höhe von 199 € unter Verweis auf das GG begehrt. Vor diesem Hintergrund ist nicht erkennbar, dass das Existenzminimum der Tochter, des Vaters oder der Familie des Vaters wegen § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG nicht mehr gewahrt gewesen sein könnte.

Weiterlesen:
Prozesskostenabzugsverbot - und die Kosten Dritter

Auch aus Rz 75 des BVerfG, Beschlusses in BVerfGE 99, 216 folgt keine Verfassungswidrigkeit des § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG.

Das Bundesverfassungsgericht hat dort ausgeführt, dass es nach dem Schutzbereich des Art. 6 Abs. 2 GG verfassungsrechtlich geboten sei, den Betreuungsaufwand für Kinder bei allen Eltern steuerrechtlich zu berücksichtigen. Der Aufwand entstehe unabhängig davon, ob und wenn ja, in welchem zeitlichen Rahmen die Kinderbetreuung durch Dritte wahrgenommen werde, und sei in das Existenzminimum des Kindes einzurechnen. Die nach damaliger Rechtslage (§ 33c EStG a.F.) auf erwerbstätige Alleinstehende beschränkte steuerliche Abziehbarkeit der Kinderbetreuungskosten als außergewöhnliche Belastung verletze die -unbeschränkt steuerpflichtige- eheliche Erziehungsgemeinschaft in ihrem Gleichbehandlungsanspruch aus Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 GG, weil das Gesetz den Abzug allein wegen des Tatbestands der Ehe versage und insoweit gegen das Diskriminierungsverbot des Art. 6 Abs. 1 GG verstoße. Der Gesetzgeber kam der vom BVerfG zur Beseitigung der Verfassungswidrigkeit angeordneten Verpflichtung zur Neuregelung durch die Gleichstellung alleinstehender und (verheiratet oder unverheiratet) zusammenlebender Eltern nach. Mit Wirkung vom 01.01.2000 wurde in § 32 Abs. 6 EStG der Freibetrag für das sächliche Existenzminimum des Kindes (Kinderfreibetrag) angehoben und darüber hinaus um einen Betreuungsfreibetrag erweitert6.

Eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) durch das Kriterium der Haushaltszugehörigkeit in § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG liegt nach Maßgabe der Rechtsprechung des BVerfG nicht vor.

Der allgemeine Gleichheitssatz gebietet dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches seinem Wesen entsprechend ungleich zu behandeln.

3 Abs. 1 GG gilt für ungleiche Belastungen wie auch für ungleiche Begünstigungen. Verboten ist daher auch ein gleichheitswidriger Begünstigungsausschluss, bei dem eine Begünstigung einem Personenkreis gewährt, einem anderen, vergleichbaren Personenkreis aber vorenthalten wird. Zwar ist es grundsätzlich Sache des Gesetzgebers, diejenigen Sachverhalte auszuwählen, an die er dieselben Rechtsfolgen knüpft und die er so als rechtlich gleich qualifiziert. Diese Auswahl muss er jedoch sachgerecht treffen. Genauere Maßstäbe und Kriterien dafür, unter welchen Voraussetzungen der Gesetzgeber den Gleichheitssatz verletzt, lassen sich nicht abstrakt und allgemein, sondern nur in Bezug auf die jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereiche bestimmen. Dabei ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen aus dem allgemeinen Gleichheitssatz im Sinne eines stufenlosen, am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierten Prüfungsmaßstabs unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen. Differenzierungen bedürfen stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind7.

Der allgemeine Gleichheitssatz ist verletzt, wenn sich ein vernünftiger, aus der Natur der Sache folgender oder sonst sachlich einleuchtender Grund für eine gesetzliche Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden lässt. Eine strengere Bindung des Gesetzgebers und damit höhere Anforderungen an Rechtfertigungsgründe für gesetzliche Differenzierungen können sich insbesondere ergeben, wenn und soweit sich die Ungleichbehandlung von Personen oder Sachverhalten auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten auswirken kann. Zudem verschärfen sich die verfassungsrechtlichen Anforderungen, je weniger die Merkmale, an die die gesetzliche Differenzierung anknüpft, für Einzelne verfügbar sind8.

Den Steuergesetzgeber bindet Art. 3 Abs. 1 GG an den Grundsatz der Steuergerechtigkeit, der gebietet, die Besteuerung an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit auszurichten. Das gilt insbesondere im Einkommensteuerrecht, das auf die Leistungsfähigkeit des jeweiligen Steuerpflichtigen hin angelegt ist. Zwar belässt der allgemeine Gleichheitssatz dem Gesetzgeber bei der Auswahl des Steuergegenstandes ebenso wie bei der Bestimmung des Steuersatzes einen weit reichenden Entscheidungsspielraum. Der Grundsatz der gleichen Zuteilung steuerlicher Lasten verlangt jedoch eine gesetzliche Ausgestaltung der Steuer, die den Steuergegenstand in den Blick nimmt und mit Rücksicht darauf eine gleichheitsgerechte Besteuerung des Steuerschuldners sicherstellt. Unter dem Gebot möglichst gleichmäßiger Belastung der betroffenen Steuerpflichtigen muss die Ausgestaltung des steuerrechtlichen Ausgangstatbestandes folgerichtig im Sinne von belastungsgleich erfolgen. Ausnahmen von einer belastungsgleichen Ausgestaltung der getroffenen gesetzgeberischen Entscheidung bedürfen eines besonderen sachlichen Grundes, der die Ungleichbehandlung nach Art und Ausmaß zu rechtfertigen vermag9.

Weiterlesen:
Rechtsmissbräuchliche wechselseitige Vermietung von Wohnungen

Der Gesetzgeber ist allerdings berechtigt, bei der Ausgestaltung der mit der Wahl des Steuergegenstandes getroffenen Belastungsentscheidung generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen zu verwenden, ohne allein schon wegen der damit unvermeidlich verbundenen Härten gegen den allgemeinen Gleichheitssatz zu verstoßen. Typisierung bedeutet, bestimmte in wesentlichen Elementen gleich geartete Lebenssachverhalte normativ zusammenzufassen. Besonderheiten, die im Tatsächlichen durchaus bekannt sind, können generalisierend vernachlässigt werden. Die Vorteile der Typisierung müssen aber im rechten Verhältnis zu der mit ihr notwendig verbundenen Ungleichheit der steuerlichen Belastung stehen. Eine zulässige Typisierung setzt voraus, dass die durch sie eintretenden Härten nur unter Schwierigkeiten vermeidbar wären, lediglich eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen betreffen und das Ausmaß der Ungleichbehandlung gering ist. Der Gesetzgeber darf sich dabei grundsätzlich am Regelfall orientieren und ist nicht gehalten, allen Besonderheiten jeweils durch Sonderregelungen Rechnung zu tragen. Die gesetzlichen Verallgemeinerungen müssen jedoch von einer möglichst breiten, alle betroffenen Gruppen und Regelungsgegenstände einschließenden Betrachtung ausgehen. Insbesondere darf der Gesetzgeber keinen atypischen Fall als Leitbild wählen, sondern muss realitätsgerecht den typischen Fall als Maßstab zugrunde legen10.

Der Grundsatz der Belastungsgleichheit hindert den Gesetzgeber nicht, mit Hilfe des Steuerrechts außerfiskalische Förderungs- und Lenkungsziele zu verfolgen; bei der Entscheidung darüber, welche Sachverhalte oder Personen gefördert werden sollen, ist er weitgehend frei. Derartige Förderungs- und Lenkungsziele sind allerdings nur dann geeignet, rechtfertigende Gründe für steuerliche Be- und Entlastungen zu liefern, wenn entweder Ziel und Grenze der Förderung und Lenkung mit hinreichender Bestimmtheit tatbestandlich vorbezeichnet sind oder das angestrebte Förderungs- und Lenkungsziel jedenfalls von einer erkennbaren gesetzgeberischen Entscheidung getragen wird11.

Nach diesen Maßstäben ist das Kriterium der Haushaltszugehörigkeit in § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG nicht gleichheitswidrig.

§ 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG wurde durch das Steuervereinfachungsgesetz (StVereinfG) 2011 vom 01.11.201112 mit Wirkung vom 01.01.2012 in das EStG eingefügt. Ziel war eine Vereinfachung der steuerlichen Berücksichtigung von Kinderbetreuungskosten13. Die zuvor im Gesetz zersplitterten Regelungen14 wurden in § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG zusammengeführt15.

Im Hinblick auf das vom Vater als verfassungswidrig angesehene Merkmal der Haushaltszugehörigkeit des Kindes verweist das Thüringer Finanzamt in zutreffender Weise auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 30.09.199216. Das Bundesverfassungsgericht hat in diesem Beschluss zu § 33c Abs. 1 Satz 1 EStG 1985 entschieden, es könne keinen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 GG darstellen, wenn der Gesetzgeber die Anerkennung von Kinderbetreuungskosten von der Haushaltszugehörigkeit des Kindes beim Steuerpflichtigen abhängig mache. Es handle sich hierbei um eine Zuordnungsregelung, die darauf abstelle, wann typischerweise Kinder von alleinstehenden Eltern diesen erhöhte Betreuungskosten abverlangten. Nur wenn ein Kind zum Haushalt des Steuerpflichtigen gehöre, stelle sich grundsätzlich die Frage, ob er die sich aus seiner elterlichen Stellung ergebenden Pflichten der Betreuung selbst erfülle oder ob er sich zur Erfüllung dieser familienrechtlichen Pflicht einer anderen Person bediene.

Weiterlesen:
Zweitausbildung vor Abschluss der ersten Ausbildung?

Auch nach dem Beschluss des BVerfG zum Familienleistungsausgleich aus dem Jahr 199817 hatte der Gesetzgeber keine Veranlassung, das Tatbestandsmerkmal der Haushaltszugehörigkeit aufzugeben oder zu modifizieren. Nachdem § 33c EStG a.F. zunächst aufgehoben worden war18, wurde er durch das Zweite Gesetz zur Familienförderung vom 16.08.200119 unter Anknüpfung an das Merkmal der Zugehörigkeit zum Haushalt erneut in das EStG eingefügt20. Auch in dieser Neufassung der Vorschrift21 und ebenso in den späteren gesetzlichen Vorschriften zum Abzug von Kinderbetreuungskosten blieb das Kriterium der Haushaltszugehörigkeit als Tatbestandsmerkmal erhalten. Es fand unverändert Eingang in die ab 2006 beziehungsweise ab 2009 anzuwendenden Tatbestände für den Abzug von Kinderbetreuungskosten (vgl. § 4f, § 9 Abs. 5 Satz 1, § 9c und § 10 Abs. 1 Nr. 8 EStG a.F.)22. Dasselbe gilt auch für den seit 2012 anwendbaren § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG.

Entsprechend der verfassungsrechtlichen Würdigung des BVerfG in HFR 1993, 129 ist das Merkmal der Haushaltszugehörigkeit in § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG als verfassungsgemäß anzusehen. Es handelt sich auch hier um eine zulässige Vereinfachungs- und Typisierungsregelung, die weder Art. 3 Abs. 1 GG noch Art. 6 Abs. 1 GG noch Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art.20 Abs. 1 GG verletzt. Die Bezugnahme auf „Dienstleistungen zur Betreuung eines zum Haushalt des Steuerpflichtigen gehörenden Kindes“ ist sachlich begründet, da das Kriterium der Haushaltszugehörigkeit den typischen Fall abbildet und zugleich der Verwaltungsvereinfachung dient. Es ist nicht willkürlich, sondern sachgerecht, wenn der Gesetzgeber davon ausgeht, dass Fremdbetreuungsaufwand typischerweise bei dem Elternteil anfällt, der das Kind in seinen Haushalt aufgenommen hat und deshalb das Kind entweder selbst betreuen oder sich um eine Fremdbetreuung kümmern muss. Dem Umstand, dass trotz fehlender Haushaltsaufnahme auch beim anderen Elternteil Betreuungsaufwand in Gestalt der Eigenbetreuung oder der Übernahme von Betreuungskosten entstehen kann, hat der Gesetzgeber in verfassungsrechtlich grundsätzlich hinreichender Weise dadurch Rechnung getragen, dass der BEA-Freibetrag nach § 32 Abs. 6 Satz 1 EStG auch diesem Elternteil zu gewähren ist23. Für den Fall der Trennung der Eltern hat er außerdem dem barunterhaltspflichtigen Elternteil das Recht eingeräumt, der vollständigen Übertragung des BEA-Freibetrags auf den anderen Elternteil, bei dem das minderjährige Kind gemeldet ist, zu widersprechen (vgl. § 32 Abs. 6 Sätze 8 f. EStG in der Fassung des StVereinfG 2011)24.

Ein weiteres Argument für die verfassungsrechtliche Rechtfertigung der Anknüpfung an die Zugehörigkeit zum Haushalt kann ferner in der besonderen steuerlichen Förderung des alleinerziehenden Elternteils erblickt werden, der vom barunterhaltspflichtigen Elternteil getrennt lebt. In diesem Sinne hat das Bundesverfassungsgericht durch durch Beschluss vom 22.05.200925 eine Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen, die sich dagegen richtete, dass der Entlastungsbetrag gemäß § 24b EStG nur für Alleinerziehende gilt. Das BVerfG verneinte auch insoweit eine Verletzung von Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 3 Abs. 1 GG und sah in § 24b EStG, der auf die Haushaltszugehörigkeit des Kindes gemäß der Meldung in der Wohnung des alleinstehenden Steuerpflichtigen abstellt, eine verfassungsrechtlich gerechtfertigte Entlastungsentscheidung des Gesetzgebers.

Weiterlesen:
Bar geleisteten Kinderbetreuungskosten

Auch im Schrifttum wird das Merkmal der Haushaltszugehörigkeit nicht als verfassungswidrig angesehen26.

Der Rechtsprechung zum steuerlichen Abzug von Kinderbetreuungskosten, zum BEA-Freibetrag (§ 32 Abs. 6 EStG) und zum Entlastungsbetrag für Alleinerziehende (§ 24b EStG) lassen sich ebenfalls keine Anhaltspunkte für die Verfassungswidrigkeit des auch in anderen EStG-Normen verwendeten und mit Wirkung vom 01.01.2012 in § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG übernommenen Merkmals der Haushaltszugehörigkeit entnehmen27.

Entgegen der Auffassung des Vaters spricht auch der BGH, Beschluss in BGHZ 216, 96 nicht für die Verfassungswidrigkeit des Merkmals der Haushaltszugehörigkeit in § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG. Nach der Rechtsprechung des BGH ist zwar bei der Frage, ob ein betreuungsbedingter „Mehrbedarf“ des Kindes vorliegt, zu differenzieren. Bejaht wird ein weitergehender Bedarf des Kindes bezüglich der üblichen pädagogisch veranlassten Betreuung in staatlichen oder vergleichbaren privaten Einrichtungen wie etwa Kindergärten, Schulen und Horten28. Soweit daraus im Residenzmodell eine Pflicht des Barunterhaltspflichtigen zur Tragung zusätzlicher Kosten für die Kinderbetreuung folgt (im Streitfall nach den Feststellungen des Finanzgericht in Höhe der Hälfte der Kindergarten- und Hortbeiträge), ist es von Verfassungs wegen dennoch nicht geboten, diese Aufwendungen bei dem barunterhaltspflichtigen Elternteil zum Abzug als Sonderausgaben zuzulassen. Die Abzugsberechtigung gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG in typisierender Weise nach dem Kriterium der Haushaltszugehörigkeit zu gewähren, ist verfassungsrechtlich vielmehr nach wie vor nicht zu beanstanden, weil dem nicht zum Sonderausgabenabzug berechtigten Elternteil für das auch bei ihm zu berücksichtigende Kind der BEA-Freibetrag gemäß § 32 Abs. 6 Satz 1 EStG zusteht. Dies gilt jedenfalls, solange und soweit -wie im Streitfall- die tatsächlich getragenen Kinderbetreuungskosten mit dem BEA-Freibetrag vollständig erfasst werden.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 11. Mai 2023 – III R 9/22

  1. Thür. FG, Urteil vom 01.02.2022 – 3 K 210/21[]
  2. vgl. BVerfG, Beschluss vom 28.06.2022 – 2 BvL 9, 10, 13, 14/14, BVerfGE 162, 277, Rz 67[]
  3. BVerfG, Beschlüsse vom 19.11.2019 – 2 BvL 22-27/14, BVerfGE 152, 274, Rz 104 ff. und in BVerfGE 162, 277, Rz 80, m.w.N.[]
  4. vgl. zum Familienleistungsausgleich: BVerfG, Beschlüsse vom 10.11.1998 – 2 BvR 1057, 1226, 980/91, BVerfGE 99, 216; vom 11.01.2005 – 2 BvR 167/02, BVerfGE 112, 164, Rz 33 f. und in BVerfGE 152, 274[]
  5. vgl. dazu BFH, Urteil vom 22.04.2020 – III R 25/19, BFHE 269, 257, BStBl II 2022, 63, Rz 16[]
  6. vgl. Gesetz zur Familienförderung vom 22.12.1999, BGBl I 1999, 2552; vgl. auch BT-Drs. 14/1513, S. 11, 14[]
  7. vgl. BVerfG, Beschlüsse in BVerfGE 152, 274, Rz 94 ff. und in BVerfGE 162, 277, Rz 68 ff., m.w.N.[]
  8. BVerfGE, Beschlüsse in BVerfGE 152, 274, Rz 97 f. und in BVerfGE 162, 277, Rz 71 f., m.w.N.[]
  9. BVerfGE, Beschlüsse in BVerfGE 152, 274, Rz 99 f. und in BVerfGE 162, 277, Rz 75 f., m.w.N.[]
  10. BVerfGE, Beschlüsse in BVerfGE 152, 274, Rz 101 ff. und in BVerfGE 162, 277, Rz 73 f., 77, m.w.N.[]
  11. BVerfGE, Beschluss in BVerfGE 162, 277, Rz 78 f., m.w.N.[]
  12. BGBl I 2011, 2131[]
  13. vgl. dazu den Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drs. 17/5125, S.20 f., 23, 34, 37; zur Historie vgl. BeckOK EStG/Fissenewert, 15. Ed. [01.03.2023], EStG § 10 Rz 243 f.; Kulosa in Herrmann/Heuer/Raupach -HHR-, § 10 EStG Rz 141 f. und Nolte, Kinderbetreuungskosten, NWB ZAAAE40887, Rz 5 ff.[]
  14. vgl. z.B. § 4f, § 9 Abs. 5 Satz 1, § 9c, § 10 Abs. 1 Nr. 8, § 33c EStG a.F.[]
  15. vgl. HHR/Kulosa, § 10 EStG Rz 141 f., s. dort auch zum Normzweck des § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG und zur verfassungsrechtlichen Notwendigkeit eines Abzugstatbestands für Kinderbetreuungskosten[]
  16. BVerfG, Beschluss vom 30.09.1992 – 1 BvR 626/89, HFR 1993, 129[]
  17. BVerfGE 99, 216[]
  18. Gesetz zur Familienförderung vom 22.12.1999, BGBl I 1999, 2552[]
  19. BGBl I 2001, 2074[]
  20. vgl. BT-Drs. 14/6160, S. 8, 11 f.[]
  21. vgl. zu deren Verfassungsmäßigkeit: BVerfG, Beschluss vom 20.10.2010 – 2 BvR 2064/08, HFR 2011, 208[]
  22. vgl. desweiteren BFH, Urteile vom 14.11.2013 – III R 18/13, BFHE 243, 514, BStBl II 2014, 383, Rz 10 ff.; und vom 18.12.2014 – III R 63/13, BFHE 249, 93, BStBl II 2015, 583, Rz 15 ff.[]
  23. zum Nebeneinander von § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG und § 32 Abs. 6 EStG vgl. nur Schmidt/Krüger, EStG, 42. Aufl., § 10 Rz 63[]
  24. BT-Drs. 17/6146, S. 15; BFH, Urteil vom 27.10.2011 – III R 42/07, BFHE 236, 10, BStBl II 2013, 194[]
  25. BVerfG, Beschluss vom 22.05.2009 – 2 BvR 310/07, BVerfGK 15, 521[]
  26. vgl. z.B. BeckOK EStG/Fissenewert, 15. Ed. [01.03.2023], EStG § 10 Rz 245; Bleschick in Kirchhof/Seer, EStG, 22. Aufl., § 10 Rz 38a, 38e, 38k; Brandis/Heuermann/Vogel, § 10 EStG Rz 350 ff.; HHR/Kulosa, § 10 EStG Rz 142 f.; Kanzler in Rahm/Künkel, Handbuch Familien- und Familienverfahrensrecht, F. Kinderfreibetrag, Kindergeld und sonstige kinderbezogene Ermäßigungen (Familienleistungsausgleich), Rz 470 ff.; Schmidt/Krüger, EStG, 42. Aufl., § 10 Rz 64 ff.[]
  27. vgl. z.B. die BFH Entscheidungen vom 25.11.2010 – III R 79/09, BFHE 232, 331, BStBl II 2011, 450; in BFHE 236, 10, BStBl II 2013, 194; vom 09.02.2012 – III R 67/09, BFHE 237, 39, BStBl II 2012, 567; vom 05.07.2012 – III R 80/09, BFHE 238, 76, BStBl II 2012, 816; in BFHE 243, 514, BStBl II 2014, 383; vom 05.02.2015 – III R 9/13, BFHE 249, 436, BStBl II 2015, 926; in BFHE 269, 257, BStBl II 2022, 63; in BFHE 273, 33, BStBl II 2021, 848; vom 14.04.2021 – III R 30/20, BFHE 273, 48, BStBl II 2021, 772; vom 01.09.2021 – III R 54/20; und vom 15.12.2021 – III R 24/20, BFHE 275, 157, BStBl II 2022, 409; BFH, Beschluss vom 08.05.2012 – III B 2/11; vgl. auch die BFH, Entscheidungen zu § 64 Abs. 2 Satz 1 EStG vom 10.11.1998 – VI B 125/98, BFHE 187, 477, BStBl II 1999, 137; vom 19.08.2003 – VIII R 60/99, BFH/NV 2004, 320; und vom 14.12.2004 – VIII R 106/03, BFHE 208, 220, BStBl II 2008, 762[]
  28. BGH, Beschluss in BGHZ 216, 96, Rz 13 und 18 f., m.w.N.[]
Weiterlesen:
Wiedereinsetzung und Ausschlußfrist

Bildnachweis: