Steuerfreie Trinkgelder in der Spielbank

Freiwillige Zahlungen von Spielbankkunden an die Saalassistenten einer Spielbank für das Servieren von Speisen und Getränken können steuerfreie Trinkgelder i.S. des § 3 Nr. 51 EStG sein. Die Steuerfreiheit entfällt nicht dadurch, dass der Arbeitgeber als eine Art Treuhänder bei der Aufbewahrung und Verteilung der Gelder eingeschaltet ist.

Steuerfreie Trinkgelder in der Spielbank

Im hier vom Bundesfinanzhof entschiedenen Streitfall war der Kläger als eine Art Kellner mit dem Bedienen der Spielbankkunden betraut. Er war nicht Teil des spieltechnischen Personals, wie etwa die Croupiers (Kassierer). Im Gehaltstarifvertrag wurden die freiwilligen Zuwendungen von Besuchern der Spielbank an die Saalassistenten als Trinkgelder bezeichnet, die arbeitstäglich zu erfassen und ausschließlich zugunsten der Saalassistenten zu verwenden sind. Die Saalassistenten erhielten aus dem Aufkommen monatlich vorab einen pauschalen Anteil, der Restbetrag wurde nach einem festgelegten Punktesystem von der Spielbank auf diese verteilt. Das Finanzamt vertrat die Auffassung, es handele sich dabei nicht um steuerfreies Trinkgeld i.S. des § 3 Nr. 51 EStG.

Das Finanzgericht Berlin-Brandenburg schloss sich dieser Auffassung an und wies die Klage ab1. Der Bundesfinanzhof hat das Urteil des Finanzgerichts hinsichtlich der Behandlung der freiwilligen Zahlungen der Spielbankkunden aufgehoben und entschieden, dass es sich hierbei um steuerfreie Trinkgelder i.S. des § 3 Nr. 51 EStG handelt.

Mit dieser Entscheidung knüpft der Bundesfinanzhof an seine bisherige Rechtsprechung zum Trinkgeldbegriff an. So stellt er darauf ab, dass es sich bei den von den Spielbankkunden neben dem Rechnungsbetrag gegebenen Geldern um freiwillige Zahlungen handelt, auf die kein Rechtsanspruch bestand. Denn der Tarifvertrag regelte lediglich die Verteilung und Auskehrung der bereits geleisteten Trinkgelder durch die Spielbank. Der Bundesfinanzhof urteilte, dass der Streitfall nicht mit den bereits vom Bundesfinanzhof entschiedenen, das spieltechnische Personal betreffenden, sog. Tronc-Fällen vergleichbar ist. Denn, anders als in den Tronc-Fällen, liegt im Streitfall eine typische persönliche und unmittelbare Leistungsbeziehung zwischen den Saalassistenten und den Spielbankkunden vor. Es besteht gerade kein gesetzliches Trinkgeldannahmeverbot, wie es für Croupiers gilt, vgl. § 11 Abs. 1 des Gesetzes über die Zulassung öffentlicher Spielbanken in Berlin. Zudem sei auch die Zuwendung eines Dritten gegeben, wie es der Trinkgeldbegriff voraussetzt. Die Einschaltung der Spielbank als eine Art Treuhänder bei der Verteilung der Gelder stehe dem nicht entgegen, vielmehr sei dieses Verteilungssystem vergleichbar mit einer „Poolung von Einnahmen“.

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Zum Arbeitslohn gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG gehören nach ständiger Rechtsprechung alle Vorteile, die für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden. Dies gilt auch für die Zuwendung eines Dritten, wenn diese ein Entgelt „für“ eine Leistung bildet, die der Arbeitnehmer im Rahmen des Dienstverhältnisses für seinen Arbeitgeber erbringt, erbracht hat oder erbringen soll. Voraussetzung ist, dass sie sich für den Arbeitnehmer als Frucht seiner Arbeit für den Arbeitgeber darstellt und im Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis steht2.

Danach waren die streitigen Zahlungen der Spielbankbesucher an die Saalassistenten Arbeitslohn i.S. des § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG.

Dieser Arbeitslohn ist gemäß § 3 Nr. 51 EStG steuerfrei.

Nach § 3 Nr. 51 EStG sind ohne betragsmäßige Begrenzung Trinkgelder steuerfrei, die anlässlich einer Arbeitsleistung dem Arbeitnehmer von Dritten freiwillig und ohne dass ein Rechtsanspruch auf sie besteht, zusätzlich zu dem Betrag gegeben werden, der für diese Arbeitsleistung zu zahlen ist.

Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ist Trinkgeld i.S. des § 3 Nr. 51 EStG eine dem dienstleistenden Arbeitnehmer vom Kunden oder Gast gewährte zusätzliche Vergütung, die eine gewisse persönliche Beziehung zwischen dem Arbeitnehmer und dem Dritten voraussetzt. Trinkgeld ist eine freiwillige und typischerweise persönliche Zuwendung an den Bedachten als eine Art honorierende Anerkennung seiner dem Leistenden gegenüber erwiesenen Mühewaltung in Form eines kleineren Geldgeschenkes3. Zum Begriff des Trinkgelds gehört es demnach, dass in einem nicht unbedingt rechtlichen, jedenfalls aber tatsächlichen Sinne Geldfluss und honorierte Leistung korrespondierend einander gegenüberstehen, weil die durch die Zuwendung „belohnte“ Dienstleistung dem Leistenden unmittelbar zugutekommt. Faktisch steht der Trinkgeldempfänger damit in einer doppelten Leistungsbeziehung und erhält korrespondierend dazu auch doppeltes Entgelt, nämlich das Arbeitsentgelt seitens seines Arbeitgebers und das Trinkgeld seitens des Kunden. Der Trinkgeldbegriff ist durch den allgemeinen Sprachgebrauch geprägt und erfasst insbesondere die Zuwendungen an Arbeitnehmer, bei denen Trinkgelder traditionell einen flankierenden Bestandteil der Entlohnung darstellen4.

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Diesen Grundsätzen entsprechend sind die von den Spielbankkunden an die Saalassistenten für das Servieren von Getränken und Speisen erbrachten Zahlungen steuerfreie Trinkgelder i.S. des § 3 Nr. 51 EStG.

Bei den von den Spielbankkunden neben dem Rechnungsbetrag gegebenen Geldern handelt es sich um freiwillige Zahlungen, auf die kein Rechtsanspruch besteht. Denn ob die Spielbankkunden Trinkgeld geben, liegt in ihrem Ermessen. Einen Rechtsanspruch darauf, neben dem eigentlichen Arbeitslohn anknüpfend an die eigene Arbeitsleistung Trinkgelder in bestimmter Höhe zu erhalten, haben die Saalassistenten nicht. Der tarifvertragliche Zahlungsanspruch gegen die Spielbank aus § 7 Abs. 4 des Tronc- und Gehaltstarifvertrags (–TGTV– Klassisches Spiel) regelt lediglich die Verteilung und Auskehrung der bereits von den Spielbankkunden geleisteten Trinkgelder.

Anders als in den vom Bundesfinanzhof bereits entschiedenen Tronc-Fällen5 ist im Streitfall eine für ein steuerfreies Trinkgeld i.S. des § 3 Nr. 51 EStG typische persönliche und unmittelbare Leistungsbeziehung zwischen den Saalassistenten und den Spielbankkunden zu bejahen und es besteht auch kein gesetzliches Trinkgeldannahmeverbot. Denn der Saalassistent gehört zu einer eigenen Arbeitnehmergruppe (§ 3 Abs. 1 Buchst. E RTV) und unterliegt als solcher nach § 11 Abs. 3 des Gesetzes über die Zulassung öffentlicher Spielbanken in Berlin (SpBG) nicht dem in § 11 Abs. 1 SpBG geregelten Verbot der Annahme von Trinkgeldern, das etwa für Croupiers (Kassierer) gilt und insbesondere die Ordnungsmäßigkeit des staatlich geregelten Spielbankbetriebs gewährleisten soll6. Bei der von den Saalassistenten ausgeübten Kellnertätigkeit ist die Annahme von Trinkgeldern hingegen weder gesetzlich noch (tarif-)vertraglich untersagt. Der Tarifvertrag geht in den §§ 3 Abs. 2 und 4 Abs. 2 TGTV vielmehr ausdrücklich davon aus, dass den Saalassistenten von den Spielbankkunden Trinkgeld gegeben werden darf und dieses Trinkgeld den Saalassistenten nach Maßgabe des tarifvertraglichen Verteilungsschlüssels auch zu Gute kommen soll.

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Die Steuerbefreiung für diese Art der Tätigkeit entspricht auch dem Regelungszweck des § 3 Nr. 51 EStG, den Niedriglohnsektor zu entlasten und die Besteuerung zu vereinfachen7. Der Umstand, dass diese Tätigkeit im Rahmen eines Spielbankbetriebs ausgeübt wird, ist insoweit unerheblich.

Die Zuwendungen der Spielbankkunden an die Saalassistenten für deren Serviceleistungen unterliegen auch dann nicht der Lohnsteuer, wenn -wie im Streitfall- der Arbeitgeber als eine Art Treuhänder bei der Verteilung der Gelder eingeschaltet ist. Auch in dieser Konstellation liegt die Zuwendung eines Dritten und nicht die des Arbeitgebers vor.

§ 3 Nr. 51 EStG setzt voraus, dass die Trinkgelder „dem Arbeitnehmer von Dritten“ gegeben werden. Allerdings muss der Dritte nicht unmittelbar an den Arbeitnehmer leisten8. Entscheidend ist vielmehr, dass die Leistung nicht vom Arbeitgeber, sondern von einem Dritten stammt. So verhält es sich im Streitfall. Denn die Spielbank A erfasst nach § 3 Abs. 2 TGTV lediglich die von den Spielbankkunden an die Saalassistenten für deren Serviceleistungen gegebenen Gelder, die nach § 4 Abs. 2 TGTV ausschließlich zugunsten der Saalassistenten verwendet werden dürfen. Die Saalassistenten haben gegen die Spielbank A aus § 7 Abs. 4 TGTV einen Anspruch auf Überlassung der Gelder nach Maßgabe des tarifvertraglich geregelten Verteilungsschlüssels. Die Spielbank A verteilt und zahlt nach Maßgabe dieses Schlüssels daher kein eigenes Geld, sondern das der Spielbankbesucher9.

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Dieses Verteilungssystem ist vergleichbar mit einer „Poolung von Einnahmen“10, wie sie beispielsweise bei Richtfestgeldern vorliegt11 oder in anderen Fällen, in denen Trinkgelder in eine gemeinsame Kasse eingezahlt und anschließend aufgeteilt werden, z.B. beim Friseurgewerbe oder Gaststättenbereich bei zentraler Kasse12. Allen diesen Fällen ist gemeinsam, dass das Trinkgeld den Arbeitnehmern in ihrer Gesamtheit gegeben wird, so dass sie entweder originär Miteigentum am Inhalt der Trinkgeldkasse erwerben, jedenfalls aber gegen den Arbeitgeber einen Anspruch auf Überlassung des Inhalts der Trinkgeldkasse haben13.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 18. Juni 2015 – VI R 37/14

  1. FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 14.05.2014 – 7 K 7031/11[]
  2. BFH, Urteile vom 18.12 2008 – VI R 49/06, BFHE 224, 103, BStBl II 2009, 820; und vom 03.05.2007 – VI R 37/05, BFHE 218, 122, BStBl II 2007, 712, m.w.N.[]
  3. BFH, Urteile vom 19.07.1963 – VI 73/62 U, BFHE 77, 433, BStBl III 1963, 479; in BFHE 218, 122, BStBl II 2007, 712; in BFHE 224, 103, BStBl II 2009, 820, zuletzt vom 10.03.2015 – VI R 6/14, BFHE 249, 471; so auch die in der Literatur vertretene Auffassung, vgl. Bergkemper in Herrmann/Heuer/Raupach -HHR-, § 3 Nr. 51 EStG Rz 2; v. Beckerath, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 3 Nr. 51 Rz B 51/51; Blümich/Erhard, § 3 Nr. 51 EStG Rz 3[]
  4. BT-Drs. 14/9029, 3, und BFH, Urteil vom 10.03.2015 – VI R 6/14, BFHE 249, 471[]
  5. BFH, Urteile vom 18.12 2008 – VI R 8/06, BFH/NV 2009, 382, und in BFHE 224, 103, BStBl II 2009, 820; BFH, Beschlüsse vom 18.08.2005 – VI B 40/05, BFH/NV 2005, 2190; vom 27.10.2005 – VI B 70/05, BFH/NV 2006, 293; vom 10.11.2005 – VI B 68/05, BFH/NV 2006, 530; vom 22.04.2009 – VI S 4/09, juris; vom 25.11.2009 – VI B 97/09, BFH/NV 2010, 632[]
  6. BFH, Urteil in BFHE 224, 103, BStBl II 2009, 820, m.w.N.[]
  7. BT-Drs. 14/9029, 3; BT-Drs. 14/9444, 1; BT-Drs. 14/9428, 1, 4[]
  8. HHR/Bergkemper, § 3 Nr. 51 EStG Rz 2, m.w.N.[]
  9. vgl. v. Beckerath, a.a.O., § 3 Nr. 51 Rz B 51/55, zur Steuerbefreiung von Trinkgeldern bei gemeinsamer Kasse[]
  10. vgl. v. Beckerath, a.a.O., § 3 Nr. 51 Rz B 51/55[]
  11. siehe FG Nürnberg, Urteil vom 20.08.1974 – II 2/71, EFG 1974, 565[]
  12. vgl. BFH, Beschluss in BFH/NV 2005, 2190; vgl. auch: v. Beckerath, a.a.O., § 3 Nr. 51 Rz B 51/55; v. Beckerath in Kirchhof, EStG, 14. Aufl., § 3 Rz 133; HHR/Bergkemper, § 3 Nr. 51 EStG Rz 2; Blümich/Erhard, § 3 Nr. 51 EStG Rz 4[]
  13. BFH, Urteile in BFHE 224, 103, BStBl II 2009, 820, und in BFH/NV 2009, 382[]
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