Fällt das Jahresende auf einen Sonntag, einen gesetzlichen Feiertag oder einen Samstag, endet die Festsetzungsfrist für Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis erst mit Ablauf des nächstfolgenden Werktags.

Im hier vom Bundesfinanzhof entschiedenen Streitfall beantragte ein Arbeitnehmer für 2007 die sog. Antragsveranlagung gemäß § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG. Der Antrag ist innerhalb der sog. Festsetzungsfrist zu stellen. Diese Frist beginnt mit Ablauf des Jahres der Steuerentstehung und beträgt vier Jahre. Der Antrag ging im konkreten Fall beim Finanzamt erst am 2.01.2012 ein.
Das Finanzamt und ihm folgend das Thüringer Finanzgericht1 sahen dies als verspätet an, da die Festsetzungsfrist bereits mit Ablauf des 31.12 2011 geendet habe. Dem ist nun der Bundesfinanzhof entgegengetreten:
Der Arbeitnehmer habe den gemäß § 46 Abs. 2 Nr. 8 Satz 2 EStG erforderlichen Antrag rechtzeitig gestellt. Zwar verjähre die Einkommensteuer 2007 eigentlich mit Ablauf des Jahres 2011. Als Besonderheit sei aber zu berücksichtigen, dass das Jahresende 2011 auf einen Samstag gefallen sei. In einem solchen Fall trete Verjährung nicht mit Ablauf des 31.12, sondern nach § 108 Abs. 3 der Abgabenordnung erst mit Ablauf des nächsten Werktages und damit am 2.01.2012 ein. Folglich sei der Arbeitnehmer -entgegen der Auffassung von Finanzamt und Finanzgericht- für 2007 zur Einkommensteuer zu veranlagen.
Diese Entscheidung des Bundesfinanzhofs ist auch für die Verjährung zum nächsten Jahresende von Bedeutung, da der 31.12 2016 auf einen Samstag fällt.
Besteht das Einkommen ganz oder teilweise aus Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit, von denen ein Steuerabzug vorgenommen worden ist, so wird eine Veranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 Satz 1 EStG nur durchgeführt, wenn die Veranlagung beantragt wird, insbesondere zur Anrechnung von Lohnsteuer auf die Einkommensteuer. Der Antrag ist durch Abgabe einer Einkommensteuererklärung zu stellen (§ 46 Abs. 2 Nr. 8 Satz 2 EStG).
Der Antrag auf Veranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 Satz 2 EStG ist zwar nicht mehr fristgebunden, aber innerhalb der Festsetzungsfrist zu stellen.
Gemäß § 108 Abs. 3 AO endet, wenn das Ende einer Frist auf einen Sonntag, einen gesetzlichen Feiertag oder einen Sonnabend fällt, die Frist mit dem Ablauf des nächstfolgenden Werktags. Für die Auslegung des § 108 AO ist, wie aus der Verweisung auf die Fristbestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) in Abs. 1 der Vorschrift hervorgeht, der Fristbegriff des Bürgerlichen Rechts maßgebend. § 108 Abs. 3 AO erfasst demnach alle Arten von Fristen. Der Zweck des § 193 BGB, die Sonn- und Feiertagsruhe zu wahren und die in Wirtschaft und öffentlicher Verwaltung übliche Fünftagewoche zu berücksichtigen2, wird mithin durch § 108 Abs. 3 AO (und § 31 Abs. 3 Satz 1 des VwVfG; ebenso § 222 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 54 Abs. 2 FGO) auf alle Arten von Fristen -„eigentliche“ Fristen (Handlungsfristen) wie auch „uneigentliche“ Fristen- erstreckt3.
Die Festsetzungsfrist ist eine „Frist“ in diesem Sinne. Es handelt sich um einen abgegrenzten, bestimmten oder jedenfalls bestimmbaren Zeitraum4. Verjährungsfristen zählen als gesetzliche Fristen zu den „uneigentlichen“ Fristen5 und werden mithin vom Anwendungsbereich des § 108 Abs. 3 AO erfasst6.
Dem steht § 47 AO nicht entgegen. Zwar weist das Thüringer Finanzgericht zutreffend darauf hin, dass Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis mit Ablauf der Festsetzungsfrist erlöschen und ein durch Fristablauf erloschener Anspruch nicht wieder aufleben kann7. Es verkennt jedoch, dass Rechtsfolge des § 108 Abs. 3 AO die Verlängerung der (Festsetzungs-)Frist ist8. Zur Wahrung einer nach § 108 Abs. 3 AO „verlängerten“ Frist reicht es aus, dass die Handlung bis 24 Uhr des Tages des Fristablaufs vorgenommen worden ist9.
Nach § 171 Abs. 3 AO läuft eine Festsetzungsfrist, soweit vor ihrem Ablauf ein Antrag auf Steuerfestsetzung oder auf Aufhebung oder Änderung einer Steuerfestsetzung gestellt wird, nicht vor der unanfechtbaren Entscheidung über diesen Antrag ab.
Als „Antrag“ i.S. des § 171 Abs. 3 AO sind nur solche Willensbekundungen zu verstehen, die ein Tätigwerden der Finanzbehörden außerhalb des in Folge der Amtsmaxime ohnehin gebotenen Verwaltungshandelns auslösen sollen. Die Abgabe gesetzlich vorgeschriebener Steuererklärungen gehört zur allgemeinen Mitwirkungspflicht des Steuerpflichtigen und ist kein Antrag, selbst wenn die Veranlagung zu einer Steuererstattung führt10. Dagegen ist die Abgabe einer Einkommensteuererklärung nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 Satz 2 EStG ein Antrag i.S. des § 171 Abs. 3 AO11. Denn liegen die Voraussetzungen des § 46 Abs. 2 Nr. 1 bis Nr. 7 EStG für eine Veranlagung von Amts wegen nicht vor, sind die Finanzbehörden aufgrund der Abgeltungswirkung des Lohnsteuerabzugs (§ 46 Abs. 4 Satz 1 EStG) an der Steuerfestsetzung gehindert. In einem solchen Fall ist der Steuerpflichtige nicht verpflichtet (§ 25 Abs. 3 EStG i.V.m. § 56 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung), sondern lediglich berechtigt, eine Steuererklärung einzureichen12.
„Gestellt“ ist ein Antrag, wenn er bei der zuständigen Behörde eingeht. Für den Zugang des Antrages gelten die bürgerlich-rechtlichen Regelungen über den Zugang empfangsbedürftiger Willenserklärungen entsprechend. Eine empfangsbedürftige Willenserklärung ist nach § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB in dem Zeitpunkt zugegangen, in dem die zuständige Behörde zu den behördenüblichen Zeiten die Möglichkeit der Kenntnisnahme vom Inhalt des Schriftstückes erhalten konnte13.
Nach diesen Grundsätzen steht der Veranlagung des Arbeitnehmers gemäß § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG im Streitfall der Eintritt der Festsetzungsverjährung nicht entgegen. Denn der Arbeitnehmer hat den Antrag auf Veranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 Satz 2 EStG durch Abgabe seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr vor Ablauf der Festsetzungsfrist beim Finanzamt eingereicht.
Die Festsetzungsfrist für die Einkommensteuer beträgt nach § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO vier Jahre. Sie beginnt mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist (§ 170 Abs. 1 AO). Die Einkommensteuer für 2007 verjährte demnach mit Ablauf des Jahres 2011.
Im Streitfall fiel das Ende der Festsetzungsfrist auf einen Sonnabend. In einem solchen Fall endet die Festsetzungsfrist nicht mit Ablauf des 31.12, sondern nach § 108 Abs. 3 AO erst mit Ablauf des nächsten Werktages und hier damit am 2.01.2012. Folglich ist der Arbeitnehmer für 2007 zur Einkommensteuer zu veranlagen. Denn nach den bindenden Feststellungen des Finanzgericht ist die Einkommensteuererklärung 2007 beim Finanzamt am 2.01.2012 eingereicht worden.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 20. Januar 2016 – VI R 14/15
- ThürFG, Urteil vom 17.12.2014 – 4 K 402/12[↩]
- Palandt/Ellenberger, Bürgerliches Gesetzbuch, 75. Aufl., § 193 Rz 1[↩]
- BFH, Urteil vom 14.10.1993 – IX R 68/98, BFHE 203, 26, BStBl II 2003, 898; Klein/Rätke, AO, 12. Aufl., § 108 Rz 6; Brandis in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 108 AO Rz 19; Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler -HHSp-, § 108 AO Rz 123; a.A. Müller in Beermann/Gosch, AO § 108 Rz 54[↩]
- RG, Urteil vom 08.06.1928 – III 426/27, RGZ 120, 355, 356, 362[↩]
- vgl. BFH, Urteil vom 05.03.1986 – II R 5/84, BFHE 146, 27, BStBl II 1986, 462[↩]
- FG Düsseldorf, Urteil vom 08.05.2008 14 K 2450/07 Kg, EFG 2008, 1685, Rz 20; BGH, Urteil vom 06.12 2007 – III ZR 146/07, NJW-RR 2008, 459, zur entsprechenden Anwendbarkeit von § 193 BGB auf Verjährungsfristen, sowie MünchKomm-BGB/Grothe, 7. Aufl., § 193 Rz 8; Staudinger/Repgen, BGB, 2014, § 193 Rz 13[↩]
- Kruse in Tipke/Kruse, a.a.O., § 171 AO Rz 10, m.w.N.[↩]
- s. Staudinger/Repgen, a.a.O.[↩]
- Klein/Rätke, AO, 12. Aufl., § 108 Rz 6; Brandis in Tipke/Kruse, a.a.O., § 108 AO Rz 19[↩]
- ständige Rechtsprechung, z.B. BFH, Urteil vom 28.08.2014 – V R 8/14, BFHE 247, 21, BStBl II 2015, 3, m.w.N.[↩]
- Banniza in HHSp, § 171 AO Rz 25; Paetsch in Beermann/Gosch, AO § 171 Rz 27[↩]
- BFH, Urteil vom 14.04.2011 – VI R 53/10, BFHE 233, 311, BStBl II 2011, 746[↩]
- vgl. BFH, Beschluss vom 03.04.2002 – IX B 151/01, BFH/NV 2002, 900; BFH, Urteil vom 20.12 2006 – X R 38/05, BFHE 216, 297, BStBl II 2007, 823, m.w.N.[↩]