Erstattungszinsen nach § 233a AO sind steuerbare Einnahmen aus Kapitalvermögen. § 52a Abs. 8 Satz 2 EStG i.d.F. des JStG 2010, nach dem die materielle Norm (§ 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 EStG i.d.F. des JStG 2010) auch rückwirkend auf noch nicht bestandskräftige Steuerfestsetzungen anzuwenden ist, verstößt nach Ansicht des Bundesfinanzhofs nicht gegen Verfassungsrecht.

Erstattungszinsen nach § 233a AO sind steuerbare Erträge aus Kapitalforderungen i.S. von § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 EStG i.d.F. des JStG 2010. § 12 Nr. 3 EStG steht dem nicht entgegen. Dies hat der Bundesfinanzhof bereits mit Urteil vom 12.11.2013 [1] ausgesprochen. Den seither erfolgten Äußerungen in der Fachliteratur zu dieser Entscheidung [2] sind für den Bundesfinanzhof keine zusätzlichen Gesichtspunkte zu entnehmen, die einer weitergehenden rechtlichen Erörterung bedürften.
Auch die hiergegen geäußerten verfassungsrechtlichen Einwendungen greifen nach Ansicht des Bundesfinanzhofs nicht durch.
Die Regelung des zeitlichen Anwendungsbereichs des § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 EStG i.d.F. des JStG 2010 verstößt nicht gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot.
§ 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 EStG i.d.F. des JStG 2010 ist nach § 52a Abs. 8 Satz 2 EStG i.d.F. des JStG 2010 in „allen Fällen anzuwenden, in denen die Steuer noch nicht bestandskräftig festgesetzt ist“. Damit ist das Gesetz rückwirkend auch auf den Streitfall anwendbar.
Der Anwendungsbestimmung (§ 52a Abs. 8 Satz 2 EStG i.d.F. des JStG 2010) ist in der Rechtsprechung und von Stimmen der Literatur eine unzulässige echte Rückwirkung beigemessen worden [3].
Indes erweist sich die angeordnete Rückwirkung als verfassungsrechtlich zulässig. Zwar sind Gesetze mit echter Rückwirkung, die die Rechtsfolge eines der Vergangenheit zugehörigen Verhaltens nachträglich belastend ändern, im Hinblick auf die Verlässlichkeit der Rechtsordnung als Grundbedingung freiheitlicher Verfassungen grundsätzlich unzulässig [4]. Jedoch sind in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Fallgruppen anerkannt, in denen das rechtsstaatliche Rückwirkungsverbot durchbrochen ist. So tritt das Rückwirkungsverbot, das seinen Grund im Vertrauensschutz hat, namentlich dann zurück, wenn sich kein schutzwürdiges Vertrauen auf den Bestand des geltenden Rechts bilden konnte [5].
So verhält es sich im Streitfall. Mit der Regelung in § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 EStG i.d.F. des JStG 2010, die Erstattungszinsen dem steuerbaren Bereich zuweist, hat der Gesetzgeber die Rechtslage auch mit Wirkung für die Vergangenheit so geregelt, wie sie bis zum Ergehen des BFH-Urteils in BFHE 230, 109, BStBl II 2011, 503 der gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung [6] und der Praxis der Finanzverwaltung [7] entsprach [8].
Vor der Rechtsprechungsänderung durch das BFH-Urteil in BFHE 230, 109, BStBl II 2011, 503 konnte deshalb kein schutzwürdiges Vertrauen der Kläger auf die Nichtsteuerbarkeit der Erstattungszinsen entstehen, zumal der Zufluss der streitbefangenen Zinsen bei den Klägern bereits mehrere Jahre zurücklag.
Ein Vertrauenstatbestand hätte sich deshalb allenfalls seit der Veröffentlichung des die Rechtsprechung ändernden BFH-Urteils in BFHE 230, 109, BStBl II 2011, 503 entwickeln können. Jedoch fehlt es angesichts der Vorgeschichte sowie des relativ kurzen Zeitraums zwischen der Veröffentlichung dieses Urteils (durch den Bundesfinanzhof und auf der Rechtslupe jeweils am 8. September 2010) und dem Inkrafttreten des JStG 2010 (am 14. Dezember 2010) jedenfalls an der Schutzwürdigkeit eines Vertrauens in den Fortbestand der Rechtsprechungsänderung, zumal in diese Zwischenzeit keine hierauf bezogenen schutzwürdigen Vermögensdispositionen der Kläger fielen.
Die Beurteilung, dass die Anwendungsvorschrift des § 52a Abs. 8 Satz 2 EStG i.d.F. des JStG 2010 nicht gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot verstößt, liegt bereits der BFH, Entscheidung in BFHE 243, 506, BStBl II 2014, 168 zugrunde.
Sie steht auch im Einklang mit dem danach ergangenen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 17.12.2013 [9]. Nach dieser Entscheidung findet das Rückwirkungsverbot im Grundsatz des Vertrauensschutzes nicht nur seinen Grund, sondern auch seine Grenze. Es gilt nicht, soweit sich kein Vertrauen auf den Bestand des geltenden Rechts bilden konnte. Dementsprechend hat das BVerfG auf frühere Rechtsprechung verwiesen, mit der es das Vertrauen in ein geändertes Verständnis der alten Rechtslage, das durch eine Rechtsprechungsänderung in Abweichung von der bis dahin in Rechtspraxis und Rechtsprechung gefestigten Rechtsauffassung herbeigeführt worden war, als von vornherein nicht gerechtfertigt angesehen hat [10]. Ferner hat das Bundesverfassungsgericht zur Änderung einer gefestigten Rechtspraxis durch das Bundesverwaltungsgericht festgestellt, dass sich „ein hinreichend gefestigtes und damit schutzwürdiges Vertrauen“ in ein Verständnis der Rechtslage im Sinne des Bundesverwaltungsgerichts „unter den gegebenen Umständen“ nicht habe entwickeln können [11].
Die Entscheidung des Streitfalls entspricht in den Beurteilungsgrundsätzen und im Ergebnis dieser Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 24. Juni 2014 – VIII R 29/12
- BFH, Urteil vom 12.11.2013 – VIII R 36/10, BFHE 243, 506, BStBl II 2014, 168, Rz 15 bis 19[↩]
- vgl. zustimmend Steinhauff, Der Ertragsteuerberater 2014, 91; derselbe in jurisPR-SteuerR 13/2014, Anm. 3; kritisch in Bezug auf das als „asymmetrisch“ empfundene Ergebnis: Behrens, Betriebs-Berater 2014, 996[↩]
- vgl. insoweit BFH, Urteil in BFHE 243, 506, BStBl II 2014, 168, unter II. 2. der Entscheidungsgründe, Rz 28[↩]
- vgl. BVerfG, Beschluss vom 03.12 1997 2 BvR 882/97, BVerfGE 97, 67, 78; BVerfG, Urteil vom 23.11.1999 1 BvF 1/94, BVerfGE 101, 239, 263; Nichtannahmebeschluss des BVerfG vom 15.10.2008 1 BvR 1138/06, BFH/NV 2009, 110[↩]
- vgl. BVerfG, Urteil in BVerfGE 101, 239, 263; Nichtannahmebeschluss des BVerfG in BFH/NV 2009, 110[↩]
- vgl. BFH, Urteile vom 18.02.1975 – VIII R 104/70, BFHE 115, 216, BStBl II 1975, 568; vom 08.04.1986 – VIII R 260/82, BFHE 146, 408, BStBl II 1986, 557; vom 08.11.2005 – VIII R 105/03, BFH/NV 2006, 527, m.w.N.; BFH, Beschlüsse vom 14.04.1992 – VIII B 114/91, BFH/NV 1993, 165; vom 30.06.2009 – VIII B 8/09, BFH/NV 2009, 1977[↩]
- BMF, Schreiben vom 05.10.2000 – IV C 1 ‑S 2252- 231/00, BStBl I 2000, 1508; weitere Nachweise in BFH, Urteil in BFH/NV 2006, 527[↩]
- vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss in BFH/NV 2009, 110[↩]
- BVerfG, Beschluss vom 17.12.2013 – 1 BvL 5/08, BGBl I 2014, 255, HFR 2014, 359[↩]
- BVerfG, Beschluss vom 21.07.2010 – 1 BvR 2530/05, BVerfGE 126, 369[↩]
- BVerfG, Beschluss vom 02.05.2012 – 2 BvL 5/10, BVerfGE 131, 20[↩]
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