Straßenverbindung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 4 EStG ist diejenige Verbindung, die von Kraftfahrzeugen mit bauartbestimmter Höchstgeschwindigkeit von mehr als 60 km/h befahren werden kann. Für die Entfernungspauschale ist die kürzeste Straßenverbindung auch dann maßgeblich, wenn diese mautpflichtig ist oder mit dem vom Arbeitnehmer tatsächlich verwendeten Verkehrsmittel straßenverkehrsrechtlich nicht benutzt werden darf.

Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG können Aufwendungen des Arbeitnehmers für Wege zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit abgezogen werden. Zur Abgeltung dieser Aufwendungen ist nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 2 EStG für jeden Arbeitstag, an dem der Arbeitnehmer die Arbeitsstätte aufsucht, eine Entfernungspauschale für jeden vollen Kilometer zwischen Wohnung und Arbeitsstätte von 0,30 EUR anzusetzen.
Für die Entfernungspauschale ist die kürzeste Straßenverbindung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte maßgebend; eine andere als die kürzeste Straßenverbindung kann zugrunde gelegt werden, wenn diese offensichtlich verkehrsgünstiger ist; und vom Arbeitnehmer regelmäßig für Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte benutzt wird (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 4 EStG). Insoweit sind die kürzeste und die vom Arbeitnehmer regelmäßig für Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte benutzte Straßenverbindung zu vergleichen 1.
Als "Straßenverbindung" i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 4 EStG ist die kürzeste Strecke zwischen Wohnung und Arbeitsstätte auf öffentlichen Straßen i.S. des § 2 des Straßenverkehrsgesetzes, die dem allgemeinen Kraftfahrzeugverkehr dienen, zugrunde zu legen. Dies gilt auch dann, wenn diese über eine Bundesstraße führt, die gemäß § 18 der Straßenverkehrsordnung nur von Fahrzeugen befahren werden darf, deren durch die Bauart bestimmte Höchstgeschwindigkeit mehr als 60 km/h beträgt. Denn die "kürzeste Straßenverbindung" ist unabhängig vom tatsächlich benutzten Verkehrsmittel für alle Fahrzeuge einheitlich zu bestimmen.
Für diese Auslegung spricht zunächst der Wortlaut des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Sätze 2 und 4 EStG, die allein auf die "Entfernung" und die "kürzeste Straßenverbindung" zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte des Arbeitnehmers abstellen, unabhängig davon, welches Verkehrsmittel benutzt wird. Hätte der Gesetzgeber gewollt, dass für die Bestimmung der Entfernung diejenige Straßenverbindung zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte maßgebend ist, die nach dem vom Arbeitnehmer gewählten Verkehrsmittel die kürzeste ist, hätte er dies so ins Gesetz aufgenommen.
Auch die Gesetzesmaterialien zeigen, dass der Gesetzgeber die "kürzeste Straßenverbindung" für alle Verkehrsmittel einheitlich bestimmen wollte. Denn danach soll es unerheblich sein, ob die tatsächliche Kilometerentfernung bei Benutzung eines Fahrrads oder eines öffentlichen Verkehrsmittels geringer oder größer als die kürzeste Straßenverbindung ist. Die einmal festgestellte Entfernung für die Verbindung zwischen einer bestimmten Wohnung und Arbeitsstätte sei damit grundsätzlich unabhängig von einem Wechsel des Verkehrsmittels 2. Ist aber die konkret mit einem Fahrrad oder einem öffentlichen Verkehrsmittel zurückgelegte Entfernung ohne Bedeutung und hat der Wechsel des Verkehrsmittels keinen Einfluss auf die festgestellte Entfernung i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 4 EStG, kann es auch nicht darauf ankommen, ob der Steuerpflichtige wegen des von ihm benutzten Verkehrsmittels nicht die kürzeste Straßenverbindung zu seiner Arbeitsstätte fahren kann, sondern einen Umweg nehmen muss. Andernfalls würde das gesetzgeberische Ziel verfehlt, eine verkehrsmittelunabhängige Entfernungspauschale zu schaffen.
Diese Auslegung entspricht schließlich auch dem Vereinfachungsgedanken, der jeglicher Pauschalierung ‑so auch derjenigen des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG 3- innewohnt. Würde man den Begriff der "Straßenverbindung" zwischen Wohnung und Arbeitsstätte von dem im Einzelnen vom Steuerpflichtigen benutzten Verkehrsmittel abhängig machen, so hätte dies umfangreiche Ermittlungen der Finanzbehörde und ggf. der Finanzgerichte zur Folge, und zwar nicht nur betreffend die "kürzeste Straßenverbindung", sondern auch hinsichtlich der nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 4 2. Halbsatz EStG im Einzelfall zu berücksichtigenden "offensichtlich verkehrsgünstigeren" Straßenverbindung. Legt man demgegenüber verkehrsmittelunabhängig die kürzeste Straßenverbindung zugrunde, so bleibt der Vereinfachungsgedanke der Norm erhalten.
Eine andere als die kürzeste Straßenverbindung ist auch nicht allein deshalb "offensichtlich verkehrsgünstiger", weil die kürzeste Straßenverbindung nicht mit dem vom Steuerpflichtigen gewählten Verkehrsmittel befahren werden darf. Vielmehr müssen die allgemeinen Voraussetzungen erfüllt sein, unter denen eine Straßenverbindung als "offensichtlich verkehrsgünstiger" anzusehen ist.
Die von dem Arbeitnehmer tatsächlich benutzte Straßenverbindung ist dann verkehrsgünstiger als die kürzeste Straßenverbindung, wenn mit ihrer Benutzung eine Zeitersparnis oder sonstige Vorteile aufgrund von Streckenführung, Schaltung von Ampeln o.Ä. verbunden sind 4.
Für die Beurteilung der Verkehrsgünstigkeit der anderen Straßenverbindung ist insbesondere unerheblich, dass bei der Benutzung der kürzesten Strecke Straßenbenutzungsgebühren anfallen.
Denn ausweislich des Wortlauts der hier streitbefangenen Norm ist nur auf die Verkehrsgünstigkeit als solche abzustellen. Dies umfasst lediglich die Prüfung der Vorteilhaftigkeit einer Strecke mit Blick auf den Ablauf des Straßenverkehrs, ohne dass hierbei finanzielle Aspekte zu berücksichtigen sind. Hinzu kommt, dass die Entfernungspauschale unabhängig von den tatsächlich entstandenen Kosten gelten soll 5, weshalb deren Höhe nicht mittelbar durch die Wahl gebührenfreier Straßenverbindungen beeinflusst werden kann.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 24. September 2013 – VI R 20/13
- BFH, Urteil vom 16.11.2011 – VI R 46/10, BFHE 236, 57, BStBl II 2012, 470[↩]
- BT-Drs. 14/4242, S. 6; BT-Drs. 14/4435, S. 9[↩]
- vgl. Gesetzentwurf vom 10.10.2000, BT-Drs. 14/4242, S. 6 "Zu Buchstabe b"; vgl. BFH, Urteil in BFHE 236, 57, BStBl II 2012, 470; BFH, Beschluss vom 11.09.2003 – VI B 101/03, BFHE 203, 166, BStBl II 2003, 893[↩]
- z.B. BFH, Urteil vom 16.11.2011 – VI R 19/11, BFHE 236, 65, BStBl II 2012, 520[↩]
- vgl. BFH, Urteil vom 18.04.2003 – VI R 29/12, BFHE 240, 570, BStBl II 2013, 735, m.w.N.[↩]