Studiengebühren für den Besuch einer (privaten) Hochschule sind nach einem aktuellen Urteil des Bundesfinanzhofs nicht als außergewöhnliche Belastung bei der Einkommensteuer abziehbar.

Entstehen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands, können die Aufwendungen als sogenannte außergewöhnliche Belastungen gemäß § 33 Abs. 1 EStG von der Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer abgezogen werden, soweit eine vom Gesetz festgelegte Zumutbarkeitsgrenze überschritten wird . Darüber hinaus kann zur Abgeltung des Sonderbedarfs für ein in Berufsausbildung befindliches und auswärtig untergebrachtes volljähriges Kind ein Freibetrag in Höhe von 924 Euro je Kalenderjahr abgezogen werden, § 33a Abs. 2 EStG.
In dem jetzt vom Bundesfinanzhof entschiedenen Streitfall hatten die Eltern für das Studium ihres 22-jährigen Sohnes an einer privaten Hochschule Studiengebühren in Höhe von 7.080 € entrichtet, die sie in ihrer Einkommensteuererklärung als außergewöhnliche Belastungen geltend machten. Das Finanzamt ließ den Abzug der Aufwendungen nicht zu, gewährte jedoch wegen der auswärtigen Unterbringung des Sohnes den Sonderbedarfsfreibetrag nach § 33a Abs. 2 Satz 1 EStG.
Der Einspruch hiergegen blieb ebenso erfolglos wie die Klage hiergegen vor dem Finanzgericht Bremen1. Und auch die Revision blieb jetzt vor dem Bundesfinanzhof ohne Erfolg, der Bundesfinanzhof hat die Studiengebühren weder nach § 33a Abs. 2 EStG noch nach § 33 EStG als außergewöhnliche Belastung anerkannt.
Kein Sonderbedarfsfreibetrag nach § 33a Abs. 2 EStG
Dabei hat der Bundesfinanzhof zunächst geprüft, ob Studiengebühren von dem in § 33a Abs. 2 EStG normierten Sonderbedarfsfreibetrag erfasst und damit abgegolten werden. Eine solch weitgehende Abgeltungswirkung wird jedoch jedenfalls für Veranlagungszeiträume ab 2002 verneint, weil damals der frühere Ausbildungsfreibetrag zu einem Sonderbedarfsfreibetrag für auswärtige Unterbringung abgeschmolzen worden sei.
Nach § 33a Abs. 2 Satz 1 EStG kann ein Steuerpflichtiger zur Abgeltung des Sonderbedarfs eines sich in Berufsausbildung befindenden, auswärtig untergebrachten, volljährigen Kindes einen Freibetrag in Höhe von 924 € je Kalenderjahr vom Gesamtbetrag der Einkünfte abziehen. Zusätzliche – im Streitfall vorliegende – Voraussetzung ist, dass für dieses Kind ein Anspruch auf einen Freibetrag nach § 32 Abs. 6 EStG oder auf Kindergeld besteht.
Mit § 33a Abs. 2 Satz 1 EStG ist der durch die auswärtige Unterbringung des Kindes entstandene Sonderbedarf abgegolten2. Wegen der in § 33a Abs. 2 Satz 1 EStG ausdrücklich angeordneten Abgeltungswirkung und der in § 33a Abs. 5 EStG geregelten Sperrwirkung können jedenfalls über den Freibetrag hinausgehende Mehraufwendungen für eine auswärtige Unterbringung des Kindes von den Eltern weder nach § 33a Abs. 2 EStG noch als außergewöhnliche Belastungen nach § 33 EStG abgezogen werden3.
Eine weitergehende Abgeltungswirkung vermag § 33a Abs. 2 EStG i.V.m. § 33a Abs. 5 EStG jedoch nicht zu entfalten. Durch das Zweite Gesetz zur Familienförderung4 ist § 33a Abs. 2 EStG neu gefasst worden. Seither dient die Vorschrift, in der bis einschließlich Veranlagungszeitraum 2001 ein Ausbildungsfreibetrag für den Ausbildungsbedarf von Kindern geregelt war, nur noch dem Sonderbedarf des auswärtig untergebrachten Kindes in Berufsausbildung5. Den allgemeinen Ausbildungsbedarf des volljährigen Kindes gilt die Vorschrift beginnend mit dem Veranlagungszeitraum 2002 nicht länger ab.
Keine außergewöhnliche Belastung nach § 33 EStG
Trotz der Verneinung eines Sonderbedarfs nach § 33a EStG hat der BFH die geltend gemachten Studiengebühren auch nicht als außergewöhnliche Belastungen gemäß § 33 EStG zum Abzug zugelassen. Nach Auffassung des Bundesfinanzhofs handelt es sich bei derartigen Aufwendungen nicht um außergewöhnlichen, sondern um üblichen Ausbildungsbedarf und zwar selbst dann, wenn die Aufwendungen im Einzelfall außergewöhnlich hoch und für die Eltern unvermeidbar seien. Der übliche Ausbildungsbedarf werde aber in erster Linie durch Kindergeld und Kinderfreibetrag abgegolten. Damit sei eine Berücksichtigung von zusätzlichen Kosten für den Unterhalt und die Ausbildung eines Kindes gemäß § 33 EStG grundsätzlich ausgeschlossen.
Eltern können mithin Aufwendungen für die Berufsausbildung ihrer Kinder nicht nach § 33 EStG in Abzug bringen. Ausbildungsunterhalt i.S. von § 1610 BGB –zu dem wie im Streitfall auch Studiengebühren gehören können6– ist kein atypischer Unterhaltsaufwand. Von § 33 EStG werden jedoch nur solche Unterhaltskosten erfasst, die einem über den üblichen Lebensunterhalt hinausgehenden besonderen und damit außergewöhnlichen Bedarf, beispielsweise einem krankheitsbedingten Ausbildungsmehrbedarf7, dienen8. Typische (übliche) Unterhaltsaufwendungen sind dagegen lediglich nach § 33a Abs. 1 EStG –dessen Voraussetzungen hier nicht vorliegen– abziehbar9.
Hat der Steuerpflichtige ausbildungsbedingte Mehraufwendungen, die keine Krankheitskosten sind, wird er in erster Linie durch den Kinderfreibetrag bzw. das Kindergeld sowie seit dem Veranlagungszeitraum 2002 den Sonderbedarfsfreibetrag (bis Veranlagungszeitraum 2001 durch den Ausbildungsfreibetrag) steuerlich entlastet. Die typisierenden und pauschalierenden besonderen Regelungen im Rahmen des Familienleistungsausgleichs und des § 33a Abs. 2 EStG gelten alle durch den Unterhalt und die Ausbildung verursachten Belastungen ab und schließen damit eine Berücksichtigung von zusätzlichen Kosten für den Unterhalt und die Ausbildung eines Kindes gemäß § 33 EStG grundsätzlich aus10. Dies gilt selbst dann, wenn die Aufwendungen im Einzelfall außergewöhnlich hoch sind und zwangsläufig entstehen11.
Keine verfassungsrechtlich gebotene Abzugsmöglichkeit
Den dagegen vorgebrachten verfassungsrechtlichen Bedenken ist der Bundesfinanzhof ebenfalls nicht gefolgt. Insbesondere liegt nach Ansicht des BFH kein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG und das daraus folgende Gebot horizontaler Steuergerechtigkeit vor.
Mit dem Zweiten Gesetz zur Familienförderung hat der Gesetzgeber den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zum Familienleistungsausgleich12 umgesetzt und den Familienleistungsausgleich zum 1. Januar 2002 neu gestaltet. Seither wird der Erziehungsbedarf des Kindes unabhängig vom Familienstand bei allen Eltern, die einen Kinderfreibetrag oder ein Kindergeld erhalten, berücksichtigt. Hierzu hat der Gesetzgeber in § 32 Abs. 6 EStG neben dem Kinderfreibetrag in Höhe von 3.648 € einen zusätzlichen (einheitlichen) Freibetrag für Betreuung und Erziehung oder Ausbildung in Höhe von 2.160 € geschaffen (§ 32 Abs. 6 Satz 1 2. Halbsatz EStG). Damit hat er dem Umstand Rechnung getragen, dass sich die Bedarfsansprüche eines Kindes im Laufe dessen Berücksichtigungszeitraums verändern und der zunächst überwiegende Betreuungsbedarf im Laufe der Zeit durch den Erziehungsbedarf und für ältere Kinder durch den Ausbildungsbedarf überlagert bzw. abgelöst wird.
Bei Kindern in Ausbildung dient der Freibetrag für Betreuung und Erziehung oder Ausbildung der Abdeckung des allgemeinen Ausbildungsbedarfs13, zu dem der Bundesfinanzhof auch den Ausbildungsunterhalt i.S. von § 1610 BGB und damit gegebenenfalls auch Studiengebühren zählt. Da sich der Gesetzgeber bei der Quantifizierung dieses einheitlichen Freibetrags an der Höhe des bisherigen höchstmöglichen Ausbildungsfreibetrags (§ 33a Abs. 2 EStG a.F.) orientiert hat14, ist dadurch die bei den Eltern entstehende Minderung der finanziellen Leistungsfähigkeit durch ein Kind in Ausbildung in genügender Höhe berücksichtigt15. Eine weitergehende steuerliche Berücksichtigung des allgemeinen Ausbildungsbedarfs außerhalb des Familienleistungsausgleichs ist damit –jedenfalls im Streitjahr– nicht erforderlich16.
Schließlich entscheidet der Gesetzgeber über die Verschonung der privaten Einkommensverwendung für Ausbildungskosten in erweiterter Gestaltungsfreiheit17. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass Unterhaltsleistungen, die einem Kind eine berufliche Ausbildung mit einer auswärtigen Unterbringung ermöglichen sollen, nicht zum (Familien-)Existenzminimum gehören, weil sie nicht der Existenzsicherung im engeren Sinn, d.h. der Gewährleistung eines menschenwürdigen Daseins, dienen18.
Das bedeutet allerdings nicht, dass die steuerliche Berücksichtigung solcher Belastungen vollständig in das Ermessen des Gesetzgebers gestellt wäre. Die Eltern können sich ihnen nicht beliebig entziehen, wie das bei anderen privaten Aufwendungen in der Regel der Fall ist. Im Gegenteil sind Eltern schon nach dem Unterhaltsrecht des Bürgerlichen Gesetzbuchs weitgehend dazu verpflichtet, ihren Kindern zumindest eine Berufsausbildung zu finanzieren, und außerdem bestehen insoweit sittliche Verpflichtungen, wie sie gerade auch im Einkommensteuerrecht als Steuerminderungsgrund anerkannt werden (vgl. etwa § 33 EStG). Hinzu kommt, dass der Wert der Investition mindestens ebenso der Allgemeinheit zugute kommt, in deren Interesse es liegt, dass möglichst viele ihrer Mitglieder eine qualifizierte Ausbildung erhalten. Aus diesem Grunde ist der Staat von Verfassungs wegen verpflichtet, einen gewissen Anteil der Ausbildungskosten entweder unmittelbar zu übernehmen oder ihn doch wenigstens bei der Besteuerung der Eltern als Minderung ihrer Leistungsfähigkeit anzuerkennen. Die Entscheidung darüber, in welchem Umfang das zu geschehen hat, liegt jedoch grundsätzlich beim Gesetzgeber. Es kann offenbleiben, bis zu welcher Untergrenze er sich dabei bewegen kann, ohne Verfassungsrecht zu verletzen. Wählt er den Weg der einkommensteuerlichen Absetzbarkeit von Aufwendungen bei auswärtiger Unterbringung, so unterschreitet er diese Grenze jedenfalls noch nicht, wenn er die Absetzbarkeit auf die Hälfte der üblicherweise anfallenden Kosten begrenzt. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass der Staat die Ausbildung durch die Bereitstellung des öffentlichen Bildungswesens bereits fördert19. Die Frage, ob § 33a Abs. 2 EStG den Sonderbedarf –zu dem Studiengebühren ohnehin nicht zu zählen sind–, der aus einer auswärtigen Unterbringung erwächst, realitätsgerecht abbildet, stellt sich damit nicht.
Eine isolierte Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit des § 33a Abs. 2 EStG scheidet deshalb aus20. Denn § 33a Abs. 2 EStG ist vielmehr als zusätzliche Ausbildungskomponente im Familienleistungsausgleich zu beurteilen, die jedenfalls im hier zu beurteilenden Streitjahr 2004 verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt.
Studiengebühren für den Besuch einer (privaten) Hochschule sind weder nach § 33a Abs. 2 EStG noch nach § 33 EStG als außergewöhnliche Belastung abziehbar. Das Abzugsverbot begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Vielmehr hat der Gesetzgeber dem Ausbildungsbedarf von Kindern in § 32 Abs. 6 Satz 1 2. Halbsatz EStG und § 33a Abs. 2 EStG –jedenfalls im Streitjahr– ausreichend Rechnung getragen.
§ 33a Abs. 2 EStG ist eine zusätzliche Ausbildungskomponente im Familienleistungsausgleich. Eine isolierte Betrachtung der Verfassungsmäßigkeit dieser Vorschrift scheidet damit aus.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 17. Dezember 2009 – VI R 63/08
- FG Bremen, Urteil vom 16.07.2008 – 4 K 205/06 (4), EFG 2009, 128[↩]
- Görke in Frotscher, EStG, 6. Aufl., Freiburg 1998 ff., § 33a Rz 87; Pust in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, § 33a Rz 282[↩]
- Blümich/Heger, § 33a EStG Rz 296; Pust in Littmann/Bitz/Pust, a.a.O., § 33a Rz 282[↩]
- BGBl I 2001, 2074, BStBl I 2001, 533[↩]
- Pust in Littmann/Bitz/Pust, a.a.O., § 33a Rz 281[↩]
- vgl. OLG Koblenz, Urteil vom 23.12.2008 – 11 UF 519/08, NJW-RR Zivilrecht, 2009, 1153[↩]
- BFH, Beschluss vom 22.12.2004 – III B 169/03, BFH/NV 2005, 699[↩]
- Hufeld, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 33a Rz B 1; Kanzler in Herrmann/Heuer/Raupach, § 33a EStG Rz 189[↩]
- vgl. BFH, Urteil vom 19.06.2008 – III R 57/05, BFHE 222, 338, BStBl II 2009, 365[↩]
- vgl. Hufeld, in: Kirchhof/Söhn/ Mellinghoff, EStG, § 33a Rz C 1; Blümich/Heger, § 33 EStG Rz 142; Görke in Frotscher, a.a.O., § 33 Rz 48; Schmidt/ Loschelder, EStG, 28. Aufl., § 33 Rz 3[↩]
- BFH, Beschluss in BFH/NV 2005, 699[↩]
- BVerfG, Beschluss vom 10.11.1998 – 2 BvR 1057/91, 2 BvR 1226/91 und 2 BvR 980/91, BVerfGE 99, 216[↩]
- Jachmann, in: Kirchhof/Söhn/ Mellinghoff, EStG, § 32 Rz A 91[↩]
- BT-Drs. 14/6160, 13[↩]
- Jachmann, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 32 Rz A 91[↩]
- vgl. Jachmann, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 32 Rz A 91; Kanzler, Finanz-Rundschau 2001, 921, 938[↩]
- Hufeld, in: Kirchhof/Söhn/ Mellinghoff, EStG, § 33a Rz A 102, m.w.N[↩]
- vgl. BVerfG, Beschluss vom 12.01.2006 – 2 BvR 660/05, HFR 2006, 506, m.w.N.[↩]
- BVerfG, Beschluss vom 26.01.1994 – 1 BvL 12/86, BVerfGE 89, 346[↩]
- Hufeld, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 33a Rz C 2; Sächsisches FG, Urteil vom 15.11.2007 – 4 K 17/05, EFG 2009, 836; FG RLP, Urteil vom 21.06.2007 – 4 K 2094/03, EFG 2008, 955; Schmidt/Loschelder, a.a.O., § 33a Rz 54; vgl. auch Blümich/Heger, § 33a EStG Rz 48[↩]