Studienkosten als Werbungskosten – und das erhaltene Stipendium

Zur Bestreitung des allgemeinen Lebensunterhalts erhaltene Stipendiumszahlungen mindern nicht die Werbungskosten für eine Zweitausbildung.

Studienkosten als Werbungskosten – und das erhaltene Stipendium

In dem hier vom Finanzgericht Köln entschiedenen Fall erhielt der Student für seine Zweitausbildung monatlich 750 € Aufstiegsstipendium aus Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF). Den Jahresbetrag zog das Finanzamt von den erklärten Studienkosten ab, die der Student als „vorweggenommene“ Werbungskosten bei der Einkommensteuer geltend gemacht hatte.

Mit seiner hiergegen erhobenen Klage hatte der Student überwiegend Erfolg. Das Finanzgericht Finanzgericht Köln reduzierte die Anrechnung des Stipendiums um 70%. Die Stipendiumsleistungen würden nämlich sowohl für die Kosten der allgemeinen Lebensführung als auch zur Bestreitung von Bildungsaufwendungen gezahlt. Nur soweit Bildungsaufwendungen ausgeglichen würden, lägen keine Werbungskosten vor. Das Finanzgericht ermittelte die nicht anzurechnenden Beträge anhand der allgemeinen Lebenshaltungskosten eines Studenten.

Der Student hat trotz der Einkommensteuerfestsetzung 2014 von 0 € ein Rechtsschutzbedürfnis gemäß § 40 Abs. 2 FGO hinsichtlich der Änderung der Besteuerungsgrundlagen. Denn im Ergebnis begehrt er die erstmalige Feststellung eines Verlustvortrag auf den 31.12.2014 nach § 10d Abs. 4 Satz 1 EStG, der grundsätzlich gemäß § 10d Abs. 4 Satz 4 EStG von den Besteuerungsgrundlagen im Einkommensteuerbescheid 2014 abhängt, wie sie der Besteuerung zugrunde gelegt worden sind.

Mit der Regelung des § 10d Abs. 4 Satz 4 EStG i.d.F. des JStG 2010 wird eine inhaltliche Bindung des Verlustfeststellungsbescheids an den Einkommensteuerbescheid erreicht, obwohl der Einkommensteuerbescheid kein Grundlagenbescheid ist1. Daraus folgt, dass der erstmalige Erlass eines Feststellungsbescheids über den verbleibenden Verlustvortrag ebenso wie die Änderung der Verlustfeststellung von der Reichweite der verfahrensrechtlichen Änderungsmöglichkeit der Steuerfestsetzung -d.h. gemäß §§ 164 f., §§ 172 ff. AO- im Verlustentstehungsjahr abhängig ist2. Um sich die Möglichkeit der Verlustfeststellung zu erhalten, musste der Student mithin gegen den Einkommensteuerbescheid 2014 Einspruch einlegen und nachfolgend die vorliegende Klage erheben.

Weiterlesen:
Mütterrente – und ihre Besteuerung

Hieran ändert auch die Vorschrift des § 10d Abs. 4 Satz 5 EStG nichts, wonach die Besteuerungsgrundlagen insoweit von Satz 4 abweichend berücksichtigt werden dürfen, wie die Aufhebung, Änderung oder Berichtigung der Steuerbescheide ausschließlich mangels Auswirkung auf die Höhe der festzusetzenden Steuer unterbleibt. Denn auch in diesem Fall muss der Steuerpflichtige die Steuerfestsetzung verfahrensrechtlich offen halten. Denn würde die Steuerfestsetzung in Bestandskraft erwachsen, würde die Änderung der Steuerfestsetzung nicht mehr ausschließlich wegen fehlender Auswirkung auf die Höhe der festzusetzenden Steuer unterbleiben, sondern auch aufgrund der Änderungssperre durch die formelle Bestandskraft.

Ist der Steuerpflichtige mithin verpflichtet, zur erstmaligen Verlustfeststellung einen auf 0 € lautenden Einkommensteuerbescheid anzufechten, so sind in diesem Verfahren auch die unzutreffend angesetzten Besteuerungsgrundlagen zu ändern. Denn die Änderung hat Tatbestandswirkung für die nachfolgende Verlustfeststellung. Diese ergibt sich aus dem Verweis in § 10d Abs. 4 Satz 4 HS 2 EStG auf die §§ 171 Abs. 10 AO und § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO. Hiernach ist die Finanzverwaltung verpflichtet, bei entsprechender Änderung der Besteuerungsgrundlagen einen Verlustfeststellungsbescheid zu erlassen.

Der Student hat Anspruch auf Anerkennung seiner Bildungsaufwendungen als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit, soweit die Stipendiumsleistungen nicht zum Ausgleich dieser Kosten gezahlt wurden.

Die Bildungsaufwendungen des Studenten sind grundsätzlich nach § 9 Abs. 1 EStG als (vorweggenommene) Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit (§ 19 EStG) zu berücksichtigen. Diese sind beruflich veranlasst, da sie auf die Erzielung entsprechender Einnahmen gerichtet sind3. Auch steht § 9 Abs. 6 EStG dem Abzug nicht entgegen, da der Student bereits eine Ausbildung als Veranstaltungskaufmann abgeschlossenen hatte und damit das Studium der Betriebswirtschaftslehre für ihn eine Zweitausbildung ist. Die Vorschrift schließt jedoch den Werbungskostenabzug nur für ein Erststudium aus, dass zugleich eine Erstausbildung vermittelt.

Weiterlesen:
Unterhaltshöchstbetrag - und seine Berechnung bei gleichgestellten Personen

Die geltend gemachten Bildungsaufwendungen sind jedoch um 30% der Stipendiumszahlungen zu kürzen.

Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG kommt ein Werbungskostenabzug nur in Betracht, soweit dem Studenten Aufwendungen entstanden sind. Diese müssen zu einer wirtschaftlichen Belastung führen4. Soweit dem Studenten die anlässlich seines Studiums angefallenen Kosten durch das Stipendium erstattet worden sind, hat er im Ergebnis keine Aufwendungen getragen, da er durch die Ausgaben wirtschaftlich nicht belastet war5. Es ist insoweit keine Minderung der Leistungsfähigkeit des Studenten eingetreten.

Die Anrechnung der Stipendiumsleistungen führt auch nicht zu einer Ungleichbehandlung gegenüber Unterhaltszahlungen der Eltern an ihr studierendes Kind, selbst wenn diese als sog. „Zwangsunterhalt“ gezahlt werden. Denn beide Sachverhalte sind nicht vergleichbar. Die Unterhaltspflicht der Eltern, insbesondere für den vorliegend ähnlichen „Ausbildungsunterhalt“ ergibt sich aus den §§ 1601, 1610 Abs. 2 BGB. Sie stellt mithin eine gesetzliche Verpflichtung (gesetzliches Schuldverhältnis) der Eltern dar, die den gesamten Lebensbedarf des Kindes einschließlich der Kosten einer angemessenen Ausbildung umfasst. Bei Unterhaltszahlungen steht es dem Kind grundsätzlich frei, welche Ausbildung es anstrebt und damit, wofür es das Geld verwendet6. Anders liegt der Fall jedoch bei diesem Stipendium, das aufgrund eines privatrechtlichen Vertrages sowie der in Bezug genommenen Förderrichtlinie des BMBF gezahlt wird. Hier erfolgt die Zahlung für eine konkrete Bildungsmaßnahme, und die zivilrechtliche Vereinbarung enthält Pflichten, die der Stipendiat gegenüber der Stipendiengeberin zu erfüllen hat. Die Stipendiumsleistungen weisen mithin eine wesentlich größere Nähe zur konkreten Bildungsmaßnahme auf als Unterhaltszahlungen der Eltern im Rahmen der Ausbildung des Kindes.

Weiterlesen:
Das volljährige geistig behinderte Person als Pflegekind

Eine Anrechnung kann jedoch nur insoweit erfolgen, als die Stipendiumsleistungen zum Ausgleich der Bildungsaufwendungen an den Studenten gezahlt wurden. Denn nur hinsichtlich diesen Betrages liegt keine wirtschaftliche Belastung des Studenten vor7. Nach der Vereinbarung über das Aufstiegsstipendium vom 04.08.2014 sowie der entsprechenden Förderrichtlinie des BMBF Tz. 5.1.1 erhält die Stipendiatin oder der Stipendiat im Vollzeitstudium eine Pauschale in Höhe von 670 € und ein Büchergeld in Höhe von 80 € im Monat. Ziel der Förderung ist es, beruflich Begabten zusätzliche Perspektiven durch ein Studium zu eröffnen, die Durchlässigkeit zwischen beruflicher und akademischer Ausbildung zu erhöhen und mit Blick auf den drohenden Fachkräftemangel zusätzliche Potentiale für die Gesellschaft zu erschließen. Es soll mithin für beruflich Tätige ein Anreiz geschaffen werden, eine akademische Laufbahn einzuschlagen. Finanziell bedeutet die Aufnahme eines Studiums für den Stipendiaten den Verlust der geregelten Einnahmequelle im bisherigen Beschäftigungsverhältnis sowie die höhere finanzielle Belastung durch die Bildungsaufwendungen. Diese finanziellen Einbußen bzw. Mehrbelastungen will das Begabtenstipendium ausgleichen. Damit entfallen die Stipendiumsleistungen nach dem Förderungszweck sowohl auf den Einnahmeausfall als auch auf die zusätzlichen Bildungsaufwendungen. Grundlage für eine Aufteilung sind insoweit die allgemeinen Lebenshaltungskosten eines Studenten, der sich in einer vergleichbaren Lebenssituation wie der Student befindet. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung haben sich die Beteiligten auf Grundlage der vom Deutschen Studentenwerk in Auftrag gegebenen Studie zur „Ermittlung der Lebenshaltungskosten von Studierenden“ des FIBS – Forschungsinstituts für Bildungs- und Sozialökonomie – darauf verständigt, dass 30% der Ausgaben eines Studierenden bei Berücksichtigung einer doppelten Haushaltsführung auf ausbildungsspezifische Kosten entfallen. Das Finanzgericht geht davon aus, dass die Stipendiumsleistungen, auch soweit sie i.H. von 80 € als „Büchergeld“ bezeichnet sind, zur Tragung des gesamten Lebensbedarfs des Stipendiaten gewährt werden. Denn auch dieser Betrag wird als Pauschale gewährt, ohne dass entsprechende Aufwendungen vorliegen müssen. Eine Differenzierung nach den einzelnen Beträgen hat mithin nicht zu erfolgen. Damit sind die Bildungsaufwendungen um die für 9 Monate gewährten Stipendiumsleistungen (670 € + 80 €) = 6.750 € x 30% in Höhe von 2.025 € zu kürzen.

Weiterlesen:
Arbeitslosengeld nach Immatrikulation

Das Finanzgericht kann es offen lassen, ob die Kürzung der Werbungskosten auch auf § 3c Abs. 1 EStG gestützt werden kann8. Denn auch hier käme nur eine Kürzung der Aufwendungen um 30% der Stipendiumsleistungen in Betracht. Nur insoweit stünden nämlich die Werbungskosten in einen unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit evtl. steuerfreien Einnahmen.

Das Urteil des Finanzgerichts Köln ist rechtskräftig. Das Finanzamt hat zwar die Revision zum Bundesfinanzhof zugelassen, diese wurde von den Beteiligten jedoch nicht eingelegt.

Finanzgericht Köln, Urteil vom 15. November 2018 – 1 K 1246/16

  1. BFH, Urteile vom 13.01.2015 – IX R 22/14, BFHE 248, 530, BStBl II 2015, 829, Rz 15; vom 12.07.2016 – IX R 31/15, BFHE 255, 1, BStBl II 2018, 699, juris Rz. 17[]
  2. BFH?Urteil vom 16.05.2018 – XI R 50/17, BFHE 261, 342, BStBl II 2018, 752, juris Rz. 21 m.w.N.[]
  3. vgl. BFH, Urteil vom 04.11.2002 – VI R 120/01, BFHE 201, 156, BStBl II 2003, 403[]
  4. vgl. BFH, Urteil vom 19.04.2012 – VI R 25/10, BFHE 237, 444, BStBl II 2013, 699; Thürmer in Blümich, EStG, 132. Erg.Lfg 2016, § 9 Rn. 103[]
  5. vgl. FG Köln Urteil vom 20.02.2003 – 10 K 3534/99, EFG 2003, 989; im Ergebnis bestätigt durch BFH, Urteil vom 04.11.2003 – VI R 28/03, BFH/NV 2004, 928; FG Köln Urteil vom 20.05.2016 12 K 562/13, EFG 2016, 1605; Thürmer in Blümich, EStG, 132. Erg.Lfg 2016, § 9 Rn. 171[]
  6. vgl. Brudermüller in Palandt, BGB, 77. Auflage 2018, § 1610, Rdnr.20[]
  7. vgl. für die Anrechnung von BAföG: FG Münster, Urteil vom 24.01.2018 – 7 K 1007/17 E, F; FG Baden-Württemberg, Urteil vom 18.02.2005 – 9 K 211/04, EFG 2005, 860, im Ergebnis bestätigt durch BFH, Urteil vom 20.07.2006 – VI R 26/05, BFHE 214, 370, BStBl II 2006, 764[]
  8. so bspw. BFH, Urteil vom 09.11.1976 – VI R 139/74, BFHE 120, 491, BStBl II 1977, 207[]
Weiterlesen:
Pensionsrückstellung und Beihilfeverpflichtung

Bildnachweis: