Wird ein zu eigenen Wohnzwecken genutztes Reihenhaus innerhalb der zehnjährigen Haltefrist veräußert, ist der Veräußerungsgewinn insoweit nicht gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG von der Besteuerung ausgenommen, als er auf tageweise an Dritte vermietete Räume entfällt. Eine räumliche oder zeitliche Bagatellgrenze für eine unschädliche Nutzungsüberlassung an Dritte besteht nicht. Aufteilungsmaßstab für die Ermittlung des steuerbaren Anteils am Veräußerungsgewinn ist das Verhältnis der Wohnflächen zueinander.

Nach § 22 Nr. 2 EStG zählen zu den sonstigen Einkünften (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 EStG) auch Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften i.S. des § 23 EStG. Dazu gehören gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG Veräußerungsgeschäfte bei Grundstücken und Rechten, die den Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke unterliegen (z.B. Erbbaurecht, Mineralgewinnungsrecht), bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als zehn Jahre beträgt. Ausgenommen sind Wirtschaftsgüter, die im Zeitraum zwischen Anschaffung oder Fertigstellung und Veräußerung ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken (1. Alternative) oder im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren zu eigenen Wohnzwecken (2. Alternative) genutzt wurden (§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG).
Das Tatbestandsmerkmal der „Nutzung zu eigenen Wohnzwecken“ setzt in beiden Alternativen des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG voraus, dass eine Immobilie zum Bewohnen geeignet ist; und vom Steuerpflichtigen auch bewohnt wird.
Der Bundesfinanzhof hat den Ausdruck der „Nutzung zu eigenen Wohnzwecken“ in der dem Dualismus der Einkunftsarten wieder Geltung verschaffenden Ausnahmeregelung des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG -entsprechend deren Zweck, die Besteuerung eines Veräußerungsgewinns bei Aufgabe eines Wohnsitzes zu vermeiden1- stets sehr weit gefasst2 und eigenständig ausgelegt. Ausreichend ist, dass der Steuerpflichtige das Gebäude zumindest auch selbst bewohnt; unschädlich ist, wenn er es gemeinsam mit seinen Familienangehörigen oder einem Dritten bewohnt3. Eine Nutzung zu „eigenen Wohnzwecken“ liegt hingegen nicht vor, wenn der Steuerpflichtige die Wohnung entgeltlich oder unentgeltlich an einen Dritten überlässt, ohne sie zugleich selbst zu bewohnen4.
Ein Gebäude wird auch dann zu eigenen Wohnzwecken i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG genutzt, wenn es der Steuerpflichtige nur zeitweilig bewohnt, sofern es ihm in der übrigen Zeit als Wohnung zur Verfügung steht. Erfasst sind daher auch Zweitwohnungen, nicht zur Vermietung bestimmte Ferienwohnungen und Wohnungen, die im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung genutzt werden5. Ist deren Nutzung auf Dauer angelegt, kommt es nicht darauf an, ob der Steuerpflichtige noch eine (oder mehrere) weitere Wohnung(en) hat und wie oft er sich darin aufhält6. Auch eine geringfügige Nutzung zu eigenen Wohnzwecken reicht dann aus. Danach wird auch ein häusliches Arbeitszimmer zu eigenen Wohnzwecken genutzt7.
Nach diesen Grundsätzen schließt die vorübergehende Vermietung einzelner Zimmer einer Wohnung (hier: an Messegäste) die „Nutzung zu eigenen Wohnzwecken“ aus, soweit der Mieter die vermieteten Räume unter Ausschluss des Vermieters nutzt. Die Nutzung zu eigenen Wohnzwecken ist einerseits von der eigenen Nutzung zu anderen als Wohnzwecken und andererseits von der Nutzung zu fremden Wohnzwecken (wie der Fremdvermietung eines Zimmers) abzugrenzen8. Erstere schließt die Nutzung zu eigenen Wohnzwecken nicht notwendig aus (Arbeitszimmer); letztere hingegen schon. Mit der vertraglichen Verpflichtung, die Räume dem Mieter zur ausschließlichen Nutzung vorübergehend zu überlassen, begibt sich der Vermieter der Möglichkeit, die Räume (auch) selbst zu nutzen. Findet die Vermietung wie vereinbart statt, schließt dies eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken insoweit aus. Eine räumliche oder zeitliche Bagatellgrenze für eine unschädliche Vermietung an Dritte ist dem Gesetz nicht zu entnehmen9.
Die vorübergehende Nutzung einzelner Räume durch fremde Dritte schließt die Anwendung von § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 1. Alternative EStG aber nicht insgesamt aus. Das Kriterium der Ausschließlichkeit bezieht sich auf die zeitlich durchgängige, nicht auf die räumliche Nutzung des Wirtschaftsguts10. Hat der Steuerpflichtige einzelne Zimmer seiner Wohnung (vorübergehend) Fremden zur ausschließlichen Nutzung überlassen, die Wohnung aber im Übrigen durchgängig zu eigenen Wohnzwecken genutzt, ist die Tatbestandsausnahme nur teilweise zu versagen. Das ergibt die Auslegung der Vorschrift unter besonderer Berücksichtigung der Gesetzesbegründung. Danach entspricht es dem Willen des Gesetzgebers, dass sich -etwa im Falle der Fremdvermietung eines Zimmers in der Wohnung- die Nutzung zu eigenen Wohnzwecken nicht auf das gesamte Objekt erstrecken muss11. Der Tatbestand eines privaten Veräußerungsgeschäfts ist danach nicht erfüllt, soweit die Wohnung im Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung ausschließlich, d.h. zeitlich durchgängig, zu eigenen Wohnzwecken genutzt worden ist. Nur soweit das nicht der Fall war (vorübergehend fremdvermieteter Teil), liegt ein steuerbares privates Veräußerungsgeschäft vor. Eine solche Auslegung entspricht dem Normzweck, die nicht gerechtfertigte Besteuerung eines Veräußerungsgewinns bei Aufgabe eines Wohnsitzes soweit wie möglich zu vermeiden12.
Maßstab für die Ermittlung des anteilig steuerbaren Veräußerungsgewinns ist das Verhältnis der Wohnflächen zueinander (durchgängig zu eigenen Wohnzwecken genutzte Wohnfläche zu vorübergehend zu fremden Wohnzwecken überlassener Wohnfläche). In diesem Zusammenhang ist auf die Wohn- und nicht auf die Nutzflächen abzustellen, weil die Norm die Nutzung zu eigenen Wohnzwecken privilegiert.
Das im vorliegenden Fall erstinstanzlich tätige Niedersächsische Finanzgericht ist teilweise von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen13. Sein Urteil kann daher keinen Bestand haben. Das Finanzgericht hat den Veräußerungsgewinn trotz der tageweise Vermietung der Räume im Dachgeschoss nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG rechtsfehlerhaft insgesamt von der Besteuerung ausgenommen: Unstreitig haben die Hauseigentümer mit dem Verkauf des Reihenhauses im Grundsatz den Tatbestand des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 EStG verwirklicht. Im Ausgangspunkt zu Recht hat das Finanzgericht auch die Tatbestandsausnahme des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG bejaht. Soweit die Mieter jedoch die vorübergehend überlassenen Wohnräume unter Ausschluss des Vermieters genutzt haben, ist das Merkmal der „Nutzung zu eigenen Wohnzwecken“ nicht erfüllt. Unschädlich ist hingegen die Überlassung von Bad und Flur zur Mitbenutzung durch die Mieter; denn dies schließt die Nutzung zu eigenen Wohnzwecken und die Anwendung von § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG nicht aus. Für ein in die häusliche Sphäre des Steuerpflichtigen eingebundenes Badezimmer und den Flur verbleibt auch bei deren Vermietung zur Mitnutzung eine jedenfalls geringfügige Nutzung zu eigenen Wohnzwecken14. Die Sache war für den Bundesfinanzhof jedoch noch nicht spruchreif. Die tatsächlichen Feststellungen des Finanzgericht reichen nicht aus, um den steuerpflichtigen Teil des Veräußerungsgewinns ermitteln zu können. Dazu wird das Finanzgericht den Anteil der zur Alleinnutzung überlassenen Wohnfläche (zwei Räume im Dachgeschoss) ermitteln und zur Gesamtwohnfläche ins Verhältnis setzen.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 19. Juli 2022 – IX R 20/21
- BT-Drs. 14/265, S. 181[↩]
- BFH, Urteil vom 18.01.2006 – IX R 18/03, BFH/NV 2006, 936, unter II. 1.b[↩]
- vgl. BFH, Urteile in BFH/NV 2006, 936, unter II. 1.a; vom 25.05.2011 – IX R 48/10, BFHE 234, 72, BStBl II 2011, 868, Rz 12; vom 27.06.2017 – IX R 37/16, BFHE 258, 490, BStBl II 2017, 1192, Rz 12; vom 21.05.2019 – IX R 6/18, BFH/NV 2019, 1227, Rz 16; vom 03.09.2019 – IX R 8/18, BFHE 266, 173, BStBl II 2020, 122, Rz 22; – IX R 10/19, BFHE 266, 507, BStBl II 2020, 310, Rz 10; vom 01.03.2021 – IX R 27/19, BFHE 272, 393, BStBl II 2021, 680, Rz 14; vom 26.10.2021 – IX R 5/21, BFHE 275, 36, BStBl II 2022, 403, Rz 14; vgl. auch Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 05.10.2000, BStBl I 2000, 1383, Rz 22[↩]
- BFH, Urteile in BFHE 258, 490, BStBl II 2017, 1192, Rz 12, und in BFHE 272, 393, BStBl II 2021, 680, Rz 14[↩]
- BFH, Urteil in BFHE 266, 173, BStBl II 2020, 122, Rz 22, m.w.N.[↩]
- BFH, Urteil in BFHE 258, 490, BStBl II 2017, 1192, Rz 13[↩]
- BFH, Urteil in BFHE 272, 393, BStBl II 2021, 680, Rz 16[↩]
- vgl. BFH, Urteil in BFHE 272, 393, BStBl II 2021, 680, Rz 20 f.[↩]
- vgl. Wackerbeck, EFG 2022, 115, 116, zur fehlenden zeitlichen Bagatellgrenze; BeckOK EStG/Trossen, 13. Ed. [01.07.2022], EStG § 23 Rz 194: auch kurzzeitige Fremdnutzung schädlich[↩]
- BFH, Urteil in BFHE 272, 393, BStBl II 2021, 680, Rz 19, m.w.N.[↩]
- BT-Drs. 14/23, S. 180, und BT-Drs. 14/265, S. 181: „soweit“[↩]
- vgl. BT-Drs. 14/23, S. 180 und 14/265, S. 181; s. Wackerbeck, EFG 2022, 115, 116; Brandis/Heuermann/Ratschow, § 23 EStG Rz 54[↩]
- Nds. FG, Urteil vom 27.05.2021 – 10 K 198/20[↩]
- vgl. BFH, Urteil in BFHE 272, 393, BStBl II 2021, 680, Rz 18, zum häuslichen Arbeitszimmer[↩]