Unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sind nach § 1 Abs. 1 Satz 1 EStG natürliche Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Einen Wohnsitz hat jemand dort, wo er eine Wohnung unter solchen Umständen innehat, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird (§ 8 AO).

Gemäß Art. X Abs. 1 Satz 1 des Abkommens zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrages über die Rechtsstellung ihrer Truppen vom 19.06.1951 ‑NATOTrStat- [1], umgesetzt durch das Gesetz zu dem Abkommen zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrages vom 19.06.1951 über die Rechtsstellung ihrer Truppen und zu den Zusatzvereinbarungen vom 03.08.1959 zu diesem Abkommen vom 18.08.1961 ‑Gesetz zum NATO-Truppenstatut und zu den Zusatzvereinbarungen- [2] gelten die Zeitabschnitte, in denen sich ein Mitglied einer Truppe oder eines zivilen Gefolges des Entsendestaates nur in dieser Eigenschaft in der Bundesrepublik aufhält, jedoch nicht als Zeiten des Aufenthalts oder Wohnsitzes i.S. des § 1 Abs. 1 Satz 1 EStG.
Entsprechend dem Wortlaut der Bestimmung greift diese Fiktion dann nicht ein, wenn sich eine Person auch aus anderen Gründen im Inland aufhält. Ein solcher Grund kann beispielsweise die Eheschließung mit einem in der Bundesrepublik wohnhaften und berufstätigen Ehepartner sein; zwingend ist dies allerdings nicht [3].
Für sog. technische Fachkräfte, deren Dienste eine Truppe benötigt und die im Bundesgebiet ausschließlich für diese Truppe als Berater in technischen Fragen oder zwecks Aufstellung, Bedienung oder Wartung von Ausrüstungsgegenständen arbeiten, ist in Art. 73 Satz 1 des Zusatzabkommens zu dem Abkommen zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrages über die Rechtsstellung ihrer Truppen hinsichtlich der in der Bundesrepublik Deutschland stationierten ausländischen Truppen vom 03.08.1959 ‑NATOTrStatZAbk- [4] geregelt, dass sie wie Mitglieder des zivilen Gefolges angesehen und behandelt werden sollen. Zwischen den Beteiligten ist wiederum zu Recht nicht streitig, dass der Kläger als technische Fachkraft in diesem Sinne zu qualifizieren ist.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs [5], von der abzugehen kein Anlass besteht, kommt die Fiktion des Art. – X Abs. 1 Satz 1 NATOTrStat bei einer technischen Fachkraft i.S. des Art. 73 NATOTrStatZAbk allerdings nur unter der Voraussetzung zur Anwendung, dass sich die betreffende Person nur in ihrer Eigenschaft als technische Fachkraft im Inland aufhält bzw. aufgehalten hat.
Wie der Bundesfinanzhof wiederholt geurteilt hat, hält sich eine technische Fachkraft immer dann „nur in dieser Eigenschaft“ i.S. von Art. – X Abs. 1 Satz 1 NATOTrStat im Inland auf, wenn nach den gesamten Lebensumständen erkennbar ist, dass die betreffende Person in dem maßgeblichen Zeitraum fest entschlossen ist, nach Beendigung ihres Dienstes in den Ausgangsstaat oder in ihren Heimatstaat zurückzukehren (sog. Rückkehrwille). Dass sie dies nach Ablauf ihrer Dienstzeit tatsächlich tut, schließt nicht aus, dass sie zunächst einen weiteren Verbleib im Inland in Betracht gezogen hat; denn die Rückkehr kann auf einem nachträglich gefassten Entschluss beruhen. In einem solchen Fall ist indessen der Inlandsaufenthalt nicht ausschließlich durch das Dienstverhältnis veranlasst. Maßgeblich sind die Lebensumstände aus der Sicht des jeweiligen Besteuerungszeitraums, nicht das spätere Verhalten des Betreffenden, das allenfalls als Indiz herangezogen werden kann. Die Beweislast trifft in diesem Punkt den Steuerpflichtigen. Die Beurteilung, ob im konkreten Einzelfall die technische Fachkraft in diesem Sinne einen Rückkehrwillen hatte, obliegt dem Finanzgericht als Tatgericht.
Ein Tatsachennachweis mittels Anscheinsbeweises setzt das Vorliegen eines „typischen Geschehensablaufs“ voraus [6]. Daran fehlt es im hier entschiedenen Fall: Es mag zwar im Ausgangspunkt nach allgemeiner Lebenserfahrung [7] noch davon ausgegangen werden können, dass der Angehörige eines fremden Staates, der dort geboren und sozialisiert wurde und sich ‑nicht von vornherein auf Dauer angelegt- zur Erbringung von Diensten ins Ausland begibt, typischerweise von dort wieder in seine Heimat zurückkehren wird. Doch wäre diese Vermutung schon dann erschüttert, wenn er etwa während seines Inlandsaufenthalts soziale Bindungen aufbaut (z.B. Verheiratung mit einer Inländerin), die ein Verbleiben im Inland ‑als der Heimat des Ehepartners- als ebenso wahrscheinlich erscheinen lassen wie die Rückkehr in seine Heimat.
Bereits dieses einfache Beispiel zeigt: Die tatsächliche Beurteilung der Rückkehrabsicht berührt Fragen der individuellen Lebensplanung und ‑gestaltung, die von einer Vielzahl subjektiver und objektiver, beeinflussbarer und nicht beeinflussbarer Faktoren bestimmt zu werden pflegen, die ständigem Wechsel im Zeitlauf unterworfen sind und die sich damit jeglicher typisierender Beantwortung von vornherein entziehen. Es gibt auch keine anerkannten Erfahrungssätze, wie die im Einzelfall zu treffende, multikausal beeinflusste individuelle Lebensentscheidung jeweils ausfällt.
Der Bundesfinanzhof sieht im Übrigen abweichend von der Revision keinen „Beweisnotstand“ in dem Sinne, dass der Nachweis des Rückkehrwillens in der Praxis kaum zu führen sei. Es lassen sich ohne Weiteres Fallkonstellationen denken, in denen die Rückkehrabsicht nachweisbar vorliegt. Dass der Kläger nach Auffassung des Finanzgericht in seinem speziellen Fall den Beweis nicht zu führen vermochte, mag schlicht daran liegen, dass der Rückkehrwille im Hinblick auf die zahlreich vorliegenden Indizien (Verheiratung mit einer Deutschen, Stiefvatereigenschaft, Hauserwerb der Ehefrau usw.) tatsächlich nicht gegeben war. Das Vorliegen einer (inneren) Tatsache, die objektiv nicht gegeben ist, kann ‑sieht man von prozessbetrügerischen Verhaltensweisen ab- auch nicht bewiesen werden. Mit einem Beweisnotstand hat das allerdings nichts zu tun.
Bundesfinanzhof, Beschluss vom 21. September 2015 – I R 72/14
- BGBl II 1961, 1190[↩]
- BGBl II 1961, 1183[↩]
- vgl. dazu BFH, Urteil vom 09.11.2005 – I R 47/04, BFHE 211, 500, BStBl II 2006, 374, m.w.N.[↩]
- BGBl II 1961, 1218[↩]
- BFH, Urteile in BFHE 211, 500, BStBl II 2006, 374; und vom 22.02.2006 – I R 17/05, nicht veröffentlicht; BFH, Beschlüsse vom 02.10.2008 – VI B 132/07, BFH/NV 2009, 21; vom 26.05.2010 – VIII B 272/09, BFH/NV 2010, 1819; BFH, Beschluss vom 18.09.2012 – I B 10/12, BFH/NV 2013, 27[↩]
- ausführlich dazu BFH, Urteil in BFHE 156, 66, BStBl II 1989, 534[↩]
- zur Relevanz dieses Gesichtspunkts BFH, Urteil in BFHE 156, 66, BStBl II 1989, 534[↩]
Bildnachweis:
- Mini-Bullterrier,Hund,: Pixabay