Deutsche Grenzgänger, die in der Schweiz arbeiten, werden nach Art. 15a DBA-Schweiz1 im Ergebnis so behandelt wie Personen, die in Deutschland ansässig und tätig sind2. Der Vorbezug von einer Schweizer Pensionskasse ist kein Arbeitslohn3.

Der ausgezahlte Vorbezug zur Wohneigentumsförderung stellt vielmehr eine Altersrente dar, deren Besteuerung nach Art. 21 DBA-Schweiz ausschließlich Deutschland vorbehalten ist. Nach deutschem Recht gehört der Vorbezug als Leistung einer gesetzlichen Rentenversicherung zu den sonstigen Einkünften i.S. des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG.
Gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG gehören zu den in Satz 1 bezeichneten Einkünften auch Leibrenten und andere Leistungen, die aus den gesetzlichen Rentenversicherungen, den landwirtschaftlichen Alterskassen, den berufsständischen Versorgungseinrichtungen und aus Rentenversicherungen i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG erbracht werden, soweit sie jeweils der Besteuerung unterliegen.
Gegenstand der vorstehend genannten Renten und anderen Leistungen sind Zahlungen von gesetzlichen oder privaten Einrichtungen, bei denen die Beitragszahlungen dem Sonderausgabenabzug als Altersvorsorgeaufwendungen gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 EStG unterliegen. Der Gesetzgeber hat durch das AltEinkG mit Wirkung ab dem Jahr 2005 die nachgelagerte Besteuerung eingeführt und damit das Prinzip der intertemporalen Korrespondenz verwirklicht4. § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG erfasst mithin Renten, die auf steuerlich entlasteten Beiträgen beruhen.
Die Ertragsanteilsbesteuerung gilt demgegenüber für Renten, die durch den Einsatz von versteuertem Einkommen erworben wurden, die also nicht der abzugsbegünstigten Altersvorsorge zuzuordnen sind5.
§ 10 Abs. 1 Nr. 2 EStG und damit korrespondierend § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG erfassen auch Leistungen ausländischer gesetzlicher Rentenversicherungen. Dies folgt aus der Regelung des § 10 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. c EStG und ist jedenfalls im Ausgangspunkt unbestritten6.
Gesetzliche Rentenversicherung im vorgenannten Sinn ist auch die Schweizer Pensionskasse7.
Dem Wortlaut von § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a und § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG ist nicht zu entnehmen, welche Voraussetzung eine ausländische Versorgungseinrichtung erfüllen muss, damit sie als gesetzliche Rentenversicherung anzusehen ist.
Nach Ansicht des Bundesfinanzhofs ist entscheidend, ob bei rechtsvergleichender Betrachtung festgestellt werden kann, dass die ausländische Einrichtung nach ihrer Struktur und den von ihr im Versorgungsfall zu erbringenden Leistungen der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung entspricht. Dies folgt daraus, dass die Regelungen des AltEinkG über die Abziehbarkeit von Altersvorsorgeaufwendungen und die Steuerbarkeit der hierauf beruhenden Renten auf dem von der Sachverständigenkommission zur Neuordnung der steuerrechtlichen Behandlung von Altersvorsorgeaufwendungen und Altersbezügen8 entwickelten Drei-Schichten-Modell beruhen, dessen erste Schicht die Basisversorgung ist, die von den Beiträgen aus gesetzlichen Rentenversicherungen getragen wird. Hierbei hat sich die Kommission und ihr folgend der Gesetzgeber am Leitbild der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung orientiert. Unmaßgeblich ist, ob das ausländische Altersversorgungssystem die zu beurteilende Rentenversicherung der Basisversorgung zuordnet9.
Maßgebliche Strukturelemente der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung sind, dass zu erbringende Beitragszahlungen auf einer gesetzlichen Anordnung beruhen, die Versicherung für den betroffenen Personenkreis obligatorisch ist und die Leistungen als Leistungen öffentlich-rechtlicher Art zu erbringen sind10.
Die Schweizer Pensionskasse erfüllt diese Merkmale. Das von ihr auf die Swisscanto übergegangene Altersguthaben des Antragstellers beruht auf Beiträgen zu einer gesetzlichen Rentenversicherung.Die an die Schweizer Pensionskasse zu erbringenden Beitragszahlungen beruhen auf einer gesetzlichen Anordnung, so der Bundesfinanzhof. Nach Art. 10 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVG) besteht für einen in der Schweiz beschäftigten Arbeitnehmer die Verpflichtung, in eine Pensionskasse einzuzahlen, die kraft Gesetzes zu errichten ist (Art. 11 BVG). Auch der Arbeitgeber ist verpflichtet, die von der Pensionskasse festzulegenden Arbeitgeberbeiträge zu leisten (Art. 66 Abs. 1 BVG, Art. 113 Abs. 4 der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft –BV–). Ferner sind die aufgrund der Beitragszahlungen erworbenen Rentenansprüche grundsätzlich nicht vorzeitig verfügbar (Art. 39 Abs. 1 BVG). Die Pensionskasse hat den in der Schweizer Bundesverfassung normierten Auftrag, kollektiven Schutz beim Eintritt eines Versicherungsfalls (Alter, Tod oder Invalidität) zu gewähren (Art. 111, 112 BV). Sie ist daher Träger einer öffentlichen Aufgabe, die sie durch die im Versorgungsfall zur Verfügung gestellten Leistungen auch wahrnimmt.
Nicht entscheidend ist nach Ansicht des Bundesfinanzhofs, dass die Pensionskasse abweichend vom System der deutschen Rentenversicherung im Rahmen des Kapitaldeckungsverfahrens und nicht im Wege des Umlageverfahrens finanziert wird. Dass diesem Gesichtspunkt keine entscheidende Bedeutung zukommt, zeigt zum einen die Tatsache, dass auch die deutschen Versorgungswerke sich nach Maßgabe des Anwartschaftsdeckungs- oder des offenen Deckungsplanverfahrens, nicht aber im Umlageverfahren finanzieren11, und zum anderen § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG, der unter den dort genannten Voraussetzungen ausdrücklich Beitragszahlungen zum Aufbau einer eigenen kapitalgedeckten Altersversorgung begünstigt.
Maßgeblich ist stattdessen, dass die Rentenversicherungsansprüche nicht beleihbar, nicht vererblich, nicht veräußerbar, nicht übertragbar und nicht kapitalisierbar sind, also eine tatsächliche Verwendung für die Altersversorgung sichergestellt ist12.
Diese Voraussetzung ist bei der Schweizer Pensionskasse ungeachtet dessen gegeben, dass ein Arbeitnehmer wie hier der Antragsteller im Falle der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses über sein Guthaben teilweise zur Förderung des Wohneigentums verfügen kann. Denn diese Verwendung ist nach Schweizer Recht (Art. 30c BVG) eine besondere Form der Altersversorgung und mit den Regelungen der §§ 92a ff. EStG vergleichbar. Auch ist durch die Regelung in Art. 30d Abs. 1 BVG, wonach der bezogene Betrag im Falle der Veräußerung des Wohneigentums zurückzuzahlen ist, gewährleistet, dass der Betrag auch nicht über eine Veräußerung mittelbar frei verfügbar wird.
Der Umstand, dass der an den Antragsteller ausbezahlte Betrag als „Teil-Vorbezug“ geleistet wurde, steht der Erfassung nach § 22 EStG nicht entgegen. § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG erfasst nicht nur Leibrenten aus gesetzlichen Rentenversicherungen, sondern auch andere von diesen erbrachte Leistungen. Demgemäß kommt es auf die Form der Auszahlung nicht an. Auch einmalige, nicht wiederkehrend erbrachte Leistungen einer gesetzlichen Rentenversicherung unterliegen daher der Besteuerung nach § 22 EStG.
Sollte ein Schweizer Grenzgänger nachweisen, dass er Leistungen erhält, die auf Beiträgen der Jahre bis zum 31. Dezember 2004 beruhen, die in dieser Zeit zehn Jahre lang oberhalb der jeweils geltenden Beitragsbemessungsgrenze zur deutschen gesetzlichen Rentenversicherung gelegen haben, dann wären diese Bezüge prinzipiell gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb Satz 2 EStG mit dem Ertragsanteil zu besteuern; bei einer Einmalzahlung entfiele –mangels Ertragsanteils– die Besteuerung13. Einen solchen Nachweis hat der Antragsteller im Streitfall nicht erbracht.
Der bisherigen Auffassung der Finanzverwaltung, dass die Einmalzahlung aus der Schweizer Pensionskasse als Lebensversicherung zu behandeln sei und nur im Rahmen des § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG erfasst werden könne, ist nicht zu folgen. Der Auszahlung des Einmalbetrags aus der Schweizer Pensionskasse liegt nicht eine Lebensversicherung zugrunde, sondern eine Rentenzahlung14.
Nach § 3 Nr. 3 EStG i.d.F. des Streitjahres waren Kapitalabfindungen aufgrund der gesetzlichen Rentenversicherung und aufgrund der Beamten-(Pensions-)Gesetze steuerfrei. Erst durch § 3 Nr. 3 Buchst. a bis d EStG i.d.F. des Jahressteuergesetzes 2007 vom 13. Dezember 2006 (BGBl I 2006, 2878) wurde die Steuerfreiheit mit Wirkung ab dem Veranlagungszeitraum 2006 wegen der Umstellung auf die nachgelagerte Besteuerung auf bestimmte Einzelfälle begrenzt.
Gleichwohl kann die Beschwerde auch insoweit keinen Erfolg haben, als die alte Fassung des § 3 Nr. 3 EStG noch anwendbar ist. Nach § 3 Nr. 3 EStG steuerfrei sind Kapitalabfindungen aufgrund der gesetzlichen Rentenversicherung und aufgrund der Beamten- (Pensions-)Gesetze. Solche Kapitalabfindungen liegen nach Ansicht des angerufenen Senats nur vor, wenn die Abfindung zur Abgeltung eines Renten- oder Pensionsanspruchs geleistet wird. Dies ist hier nicht der Fall.
Der Antragsteller erhält auf Antrag einen Teil seines verzinsten Altersguthabens zur Förderung des Wohneigentums zum eigenen Bedarf gemäß Art. 30c BVG vorab ausbezahlt. Damit erhält er keinen Ersatz für den Fortfall eines Renten- oder Pensionsanspruchs, sondern die ihm zustehende Rente in lediglich veränderter Zahlungsweise, nämlich in kapitalisierter Form. Aufgrund des Vorbezugs wird gemäß Art. 30c Abs. 4 BVG der Anspruch auf Vorsorgeleistung lediglich gekürzt. Auch das Wohneigentum bildet ein Element der Freizügigkeits- oder Vorsorgeleistung; gemäß Art. 30d Abs. 1 BVG hat der Versicherte den bezogenen Betrag zurückzuzahlen, wenn er das Wohneigentum veräußert. Diese Regelungen zeigen, dass es sich bei der Einmalauszahlung an den Antragsteller um keine Rentenabfindung oder Beitragserstattung handelt.
Auch nach Schweizer Recht ist der Vorbezug gemäß Art. 83a BVG als Kapitalleistung aus Vorsorge steuerbar15.
Eine Begünstigung nach §§ 24, 34 EStG kommt nicht in Betracht. Der Wortlaut des § 34 Abs. 2 EStG ist nicht erfüllt. Abgesehen davon ist nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs eine Zusammenballung notwendig; das ist bei einer Teilauszahlung nicht der Fall16.
- Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen vom 05.09.1972, BGBl II 1972, 1021, BStBl I 1972, 518; dazu im Einzelnen Flick/Wassermeyer/Wingert/Kempermann, Doppelbesteuerungsabkommen Deutschland-Schweiz, Art. 15a Rz 2[↩]
- Miessl, IStR 2007, 883, 884[↩]
- zum Arbeitslohnbegriff vgl. z.B. BFH, Urteile vom 29.04.2009 – X R 31/08, BFH/NV 2009, 1625; und vom 07.05.2009 – VI R 37/08, BFHE 225, 106, BStBl II 2010, 135[↩]
- BFH, Urteil vom 26.11.2008 – X R 15/07, BFHE 223, 445, BStBl II 2009, 710[↩]
- z.B. private, nicht von § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG erfasste Rentenversicherungen; vgl. Schmidt/Weber-Grellet, EStG, 28. Aufl., § 22 Rz 70, 102[↩]
- Fischer in Kirchhof, EStG, 8. Aufl., § 10 Rz 13 und § 22 Rz 27; Kulosa in Herrmann/ Heuer/Raupach, § 10 EStG Rz 126; BMF, Schreiben vom 24.02.2005 – IV C 3 – S 2255 – 51/05, BStBl I 2005, 429, Tz 4[↩]
- Decker/Looser, NWB Fach 3, 14099, 14101; Rousek Folkers, Zeitschrift für Steuern und Recht 2007, 30; OFD Karlsruhe, Verfügung vom 03.09.2007 – S 2255 A – St 131, Tz. 1; a.A. jedenfalls im Rahmen von § 22 EStG Miessl, BB 2006, 1251; ders., IStR 2007, 883; Heitzler, NWB Fach 3, 14875[↩]
- BMF-Schriftenreihe Bd. 74[↩]
- a.A. Miessl, IStR 2007, 883, 885[↩]
- BSG, Urteil vom 18.12.2008 – B 11 AL 32/07 R, BSGE 102, 211, zu § 142 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB III[↩]
- BFH, Urteil in BFHE 223, 445, BStBl II 2009, 710[↩]
- Fischer in Kirchhof, a.a.O., § 10 Rz 12[↩]
- Miessl, BB 2006, 1251, 1253; Decker/Looser, NWB Fach 3, 14099, 14105[↩]
- so auch Decker/Looser, NWB Fach 3, 14099, 14102[↩]
- vgl. Gagax/ Gerber, Die Steuergesetze des Bundes, Ausgabe 2007, 419[↩]
- vgl. BFH, Urteil vom 25. August 2009 – IX R 11/09, BFHE 226, 265[↩]