Ein Fernfahrer darf die Kosten für die Fahrten von der Wohnung zum LKW (LKW-Wechselplatz) in der tatsächlich angefallenen Höhe als Werbungskosten abziehen, bei Kraftfahrern im Fernverkehr erfüllen weder der LKW-Wechselplatz noch das Fahrzeug die Merkmale einer regelmäßigen Arbeitsstätte i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG. Ein im Ausland tätiger Fernfahrer, der in der Schlafkabine seines LKW übernachtet, kann nicht die Übernachtungspauschalen der Finanzverwaltung für Auslandsdienstreisen als Werbungskosten geltend machen kann, denn diese Pauschalen überschreiten die tatsächlich angefallenen Aufwendungen beträchtlich, so dass ihre Anwendung zu einer offensichtlich unzutreffenden Besteuerung führen würde. Abziehbar sind jedoch die tatsächlich angefallenen Aufwendungen. Liegen Einzelnachweise nicht vor, so ist ihre Höhe zu schätzen.

Im Streitfall hatte der Kläger arbeitstäglich Übernachtungskosten in Höhe von 5 € angesetzt. Dieser Betrag war nach Auffassung des Bundesfinanzhofs nicht zu beanstanden. Hinsichtlich der Kosten für die Fahrten zum LKW-Wechselplatz hatte das Finanzamt nur die Entfernungspauschale anerkannt, weil es davon ausging, es handle sich um Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG. Der Bundesfinanzhof hat dies anders beurteilt. Der LKW-Wechselplatz ist keine regelmäßige Arbeitsstätte, weil es sich nicht um eine betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers handelt und auch der LKW selbst ist keine regelmäßige Arbeitsstätte, weil das dafür erforderliche Merkmal einer ortsfesten Einrichtung nicht gegeben ist.
Bei der Ermittlung der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit sind als Werbungskosten i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG auch beruflich veranlasste Reisekosten abzuziehen. Hierzu zählen auch Aufwendungen für Übernachtungen [1].
Ein Ansatz der von der Finanzverwaltung in den einschlägigen Verwaltungsanweisungen festgelegten Pauschbeträge (H 40 des Lohnsteuer-Handbuchs „Übernachtungen im Ausland“) kommt nicht in Betracht. Die Pauschbeträge für Auslandsdienstreisen sind dann nicht der Besteuerung zugrunde zu legen, wenn sie zu einer offensichtlich unzutreffenden Steuerfestsetzung führen würden, weil die tatsächlich angefallenen Übernachtungskosten die Pauschbeträge in nicht unbeträchtlichem Umfang unterschreiten [2]. Dies ist nach den tatsächlichen Feststellungen der Fall.
Indes kann, so der Bundesfinanzhof weiter, nicht vollständig von einer Berücksichtigung von Aufwendungen für Übernachtungen abgesehen werden:
Führt der Ansatz von Übernachtungspauschalen – wie im Streitfall – zu einer unzutreffenden Besteuerung, so können die tatsächlich angefallenen Aufwendungen als Werbungskosten berücksichtigt werden [3]. Liegen Einzelnachweise nicht vor, ist zu schätzen [4]. Hierbei ist davon auszugehen, dass typischerweise bestimmte Kosten – hier für Dusche, Toilette, Reinigung der Schlafgelegenheit – entstehen. Der vom Kläger im Rahmen seiner eigenen Schätzung angesetzte Betrag erscheint in diesem Zusammenhang nicht überhöht.
Die rechtliche Würdigung des Sachverhalts durch das Finanzamt ist darüber hinaus fehlerhaft, soweit es die vom Kläger als Reisekosten geltend gemachten Aufwendungen als Fahrten zur Arbeitsstätte qualifiziert.
Regelmäßige Arbeitsstätte i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG ist nur der ortsgebundene Mittelpunkt der dauerhaft angelegten beruflichen Tätigkeit des Arbeitnehmers und damit der Ort, an dem der Arbeitnehmer seine aufgrund des Dienstverhältnisses geschuldete Leistung zu erbringen hat. Dies ist im Regelfall der Betrieb oder eine Betriebsstätte des Arbeitgebers, denen der Arbeitnehmer zugeordnet ist und die er nicht nur gelegentlich, sondern mit einer gewissen Nachhaltigkeit fortdauernd und immer wieder aufsucht [5].
Diese Voraussetzungen erfüllt der LKW-Wechselplatz nicht, da es sich hierbei nicht um eine betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers handelt. Auch der vom Kläger gefahrene LKW kommt nicht als regelmäßige Arbeitsstätte in Betracht, weil es an einer ortsfesten Einrichtung fehlt.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 28. März 2012 – VI R 48/11
- BFH, Urteil vom 11.05.1990 – VI R 140/86, BFHE 160, 546, BStBl II 1990, 777[↩]
- BFH, Urteil in BFHE 160, 546, BStBl II 1990, 777; BFH, Beschlüsse vom 09.05.2005 – VI B 3/05, BFH/NV 2005, 1550; vom 12.11.2009 – VI B 66/09, BFH/NV 2010, 884[↩]
- BFH, Urteil in BFHE 160, 546, BStBl II 1990, 777; BFH, Beschluss in BFH/NV 2005, 1550[↩]
- BFH, Beschluss in BFH/NV 2005, 1550[↩]
- BFH, Urteile vom 22.09.2010 – VI R 54/09, BFHE 231, 127, BStBl II 2011, 354; vom 19.01.2012 – VI R 23/11 und – VI R 36/11[↩]