Aufwendungen des am Familienwohnsitz lebenden Ehegatten für Besuchsreisen zur Wohnung des anderenorts beruftstätigen Ehegatten sind zumindest dann nicht als Werbungskosten bei der Einkommensteuer abziehbar sind, wenn die Besuchsreisen privat veranlasst waren.

In dem hier vom Bundesfinanzhof entschiedenen Fall lebten die Ehegatten (Kläger) gemeinsam in der Stadt X. Die Klägerin war in der Stadt Y als Angestellte tätig und führte dort einen weiteren Haushalt. An den Wochenenden reiste die Klägerin in der Regel nach X. Jedoch besuchte der Kläger die Klägerin auch mehrfach in Y, und zwar nicht etwa wegen einer beruflichen Verhinderung der Klägerin, sondern aufgrund privater Entscheidungen der Ehegatten. Das Finanzamt erkannte die Mehraufwendungen für die doppelte Haushaltsführung im Wesentlichen an. Allerdings ließ es die Reisekosten des Klägers für Besuche in Y nicht zum Werbungskostenabzug zu.
Auf für den Bundesfinanzhof stellten diese Reisekosten des Klägers für Besuche in Y keine Werbungskosten dar: Weder handele es sich um eine Familienheimfahrt im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG, noch seien es sonstige Werbungskosten nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG. Denn den Besuchsreisen des Klägers lagen private Motive zu Grunde, daher waren die Reisen nicht beruflich veranlasst gewesen.
Auch Art. 6 GG erfordert nach Auffassung des bundesfinanzhfos kein anderes Ergebnis, die Regelungen des EStG zu Familienheimfahrten seien verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
Tritt der den doppelten Haushalt führende Ehegatte die wöchentliche Familienheimfahrt aus privaten Gründen nicht an, sind die Aufwendungen für die stattdessen durchgeführte Besuchsfahrt des anderen Ehegatten zum Beschäftigungsort keine Werbungskosten.
Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs sind Werbungskosten sämtliche Aufwendungen, die durch den Beruf des Steuerpflichtigen veranlasst sind1. Eine solche Veranlassung liegt vor, wenn ein objektiver Zusammenhang mit dem Beruf besteht und wenn die Aufwendungen subjektiv zur Förderung des Berufs getätigt werden2. Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG gehören zu den Werbungskosten auch notwendige Mehraufwendungen, die einem Arbeitnehmer wegen einer aus beruflichem Anlass begründeten doppelten Haushaltsführung entstehen, und zwar unabhängig davon, aus welchen Gründen die doppelte Haushaltsführung beibehalten wird. Aufwendungen für die Wege vom Beschäftigungsort zum Ort des eigenen Hausstandes und zurück (Familienheimfahrten) können jeweils nur für eine Familienheimfahrt wöchentlich abgezogen werden (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 3 EStG).
Nach diesen Grundsätzen ist davon auszugehen, dass der Klägerin keine Werbungskosten durch die Besuche ihres Ehemannes in Y entstanden sind. Die Reisen des Klägers sind keine Familienheimfahrten im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 3 EStG. Der Wortlaut der Norm erfasst nicht den Fall der Besuchsreise des Klägers vom Familienwohnsitz an den Beschäftigungsort der Klägerin.
Die Aufwendungen des Klägers für Reisen nach Y sind auch keine Werbungskosten im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG. Denn sie sind nicht beruflich veranlasst. Das Finanzgericht G hat festgestellt, dass die Klägerin die Familienheimfahrten aus privaten Gründen nicht angetreten hat. An diese Feststellungen ist der Bundesfinanzhof gebunden (§ 118 Abs. 2 FGO). Aufgrund dessen kann der Bundesfinanzhof dahinstehen lassen, ob dann, wenn der den zweiten Haushalt führende Ehegatte aus beruflichen Gründen die wöchentliche Familienheimfahrt nicht antreten kann, die Fahrtkosten des Besuchenden beruflich veranlasste Aufwendungen des Besuchten sind3.
Etwas anders gebietet auch nicht der Schutz der Ehe aus Art. 6 GG. Danach hat der Gesetzgeber Regelungen zu unterlassen, die geeignet sind, in die freie Entscheidung der Ehegatten über ihre Aufgabenverteilung in der Ehe einzugreifen4. Art. 6 GG erfordert, Aufwendungen im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung bei der Bemessung der finanziellen Leistungsfähigkeit zu berücksichtigen, soweit es sich dabei um notwendigen Mehraufwand beiderseits berufstätiger Ehegatten handelt, der dadurch entsteht, dass ein gemeinsamer Wohnsitz an dem Beschäftigungsort des einen Ehegatten besteht und daneben ein weiterer Wohnsitz wegen der Berufstätigkeit des anderen Ehegatten unterhalten wird5. Der Gesetzgeber darf daher notwendigem Mehraufwand nicht wegen einer privaten Mitveranlassung den Abzug versagen. Anders als reine private Aufwendungen sind derartige, durch die Berufstätigkeit des Ehegatten veranlasste Aufwendungen für die Eheleute nicht frei disponibel6.
Der Gesetzgeber hat dem Schutz der Ehe mit der bestehenden Regelung ausreichend Rechnung getragen. Seine Entscheidung, dass nur die Fahrten vom Beschäftigungsort zum Lebensmittelpunkt (Familienheimfahrten) Werbungskosten sind, verletzt nicht Art. 6 GG. Denn es ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden, wenn § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 3 EStG nur die Fahrten zu diesem Lebensmittelpunkt, dem gemeinsamen Familienwohnsitz, als den beiderseits berufstätigen Ehegatten notwendig entstanden beurteilt. Eine Reise an den Beschäftigungsort des Ehegatten ist ungeachtet der doppelten Haushaltsführung eine private Wochenendreise.
Bundesfinanzhof, Beschluss vom 2. Februar 2011 – VI R 15/10
- z.B. BFH, Urteil vom 23.03.2001 – VI R 175/99, BFHE 195, 225, BStBl II 2001, 585, m.w.N.[↩]
- BFH, Urteil vom 17.12.2002 – VI R 137/01, BFHE 201, 211, BStBl II 2003, 407, m.w.N.[↩]
- vgl. bishe BFH, Urteile vom 28.01.1983 – VI R 136/79, BFHE 137, 496, BStBl II 1983, 313; vom 03.11.1965 – VI 14/65 U, BFHE 84, 207, BStBl III 1966, 75; vom 21.08.1974 – VI R 201/72, BFHE 113, 444, BStBl II 1975, 64[↩]
- BVerfG, Beschluss vom 10.01.1984 – 1 BvL 5/83, BVerfGE 66, 84[↩]
- BVerfG, Beschluss vom 04.12.2002 – 2 BvR 1735/00, BVerfGE 107, 27, BStBl II 2003, 534[↩]
- BVerfG, Beschluss in BVerfGE 107, 27, BStBl II 2003, 534[↩]