Die Besteuerung der privaten Veräußerungs- und Stillhaltergeschäfte verstößt nach Ansicht des Bundesfinanzhofs nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG und nicht gegen das objektive oder subjektive Nettoprinzip.

Private Veräußerungsgeschäfte (§ 22 Nr. 2 EStG) sind gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 (bzw. Nr. 1 Buchst. b im Streitjahr 1996) EStG Veräußerungsgeschäfte von Wirtschaftsgütern, insbesondere bei Wertpapieren, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als ein Jahr (bzw. sechs Monate im Jahr 1996) beträgt. Zu den Wirtschaftsgütern, die Gegenstand eines Spekulationsgeschäfts sein können, zählen auch Optionen [1]. Werden ‑wie im hier vom Bundesfinanzhof entschiedenen Streitfall- die erworbenen Optionsrechte durch Gegengeschäfte innerhalb der Veräußerungsfrist glattgestellt, verwirklicht sich in Höhe der Differenz zwischen der bei Abschluss des Eröffnungsgeschäfts gezahlten und der bei Abschluss des Gegengeschäfts vereinnahmten Optionsprämien der Steuertatbestand des § 22 Nr. 2 i.V.m. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b EStG im Streitjahr 1996 bzw. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG in den Jahren ab 1999.
Einkünfte aus Leistungen sind nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs u.a. Entgelte, die der Stillhalter als Entschädigung für die Bindung und die Risiken, die er durch das Begeben des Optionsrechts eingeht und unabhängig vom Zustandekommen des Basisgeschäfts allein für das Stillhalten erhält [2].
Der BFH trennt zwischen Eröffnungs, Basis- und Gegengeschäft [3]. Deshalb bilden das die Prämie auslösende Begeben einer Option und das nachfolgende Geschäft (z.B. Glattstellung oder Basisgeschäft) kein einheitliches Termingeschäft. Der Optionsgeber erhält die Prämie als Gegenleistung für eine wirtschaftlich und rechtlich selbständige Leistung, nämlich für seine vertraglich eingegangene Bindung und das damit verbundene Risiko, in Anspruch genommen zu werden. Er behält sie auch dann, wenn er aus der Option nicht in Anspruch genommen wird und ein Basisgeschäft nicht durchführen muss [4].
An dieser Auffassung hält der Bundesfinanzhof ‑wie er bereits im Urteil in BFHE 217, 566, BStBl II 2007, 608, m.w.N. entschieden hat- auch für die Rechtslage nach Einführung des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG fest [5]: Die Stillhalterprämie ist nicht zusammen mit den anderen Optionsgeschäften einheitlich § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG zuzuordnen, da die Tatbestandsmerkmale dieser Vorschrift nicht erfüllt sind. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG betrifft lediglich Optionen, die der Berechtigte erwirbt, nicht aber solche, die er einräumt [6].
Die Besteuerung der privaten Veräußerungs- und Stillhaltergeschäfte verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG, gegen das objektive oder subjektive Nettoprinzip [7]. Vielmehr ist ihr Ergebnis (kein Abzug der durch das private Veräußerungsgeschäft erlittenen Verluste bei den Einkünften aus § 22 Nr. 3 EStG) die folgerichtige Ausprägung der Systematik des § 22 Nr. 2 und 3 EStG. Das Stillhalten ist eine wirtschaftlich und rechtlich selbständige Leistung, die losgelöst von dem nachfolgenden Effektengeschäft und damit auch unabhängig davon zu beurteilen ist, ob es zu einer Abnahme oder Lieferung von Basiswerten oder von vornherein lediglich zu einem Ausgleich in Geld kommt [8].
Damit hält der Bundesfinanzhof an seiner in den Urteilen in BFHE 206, 418, BStBl II 2004, 995 und in BFHE 211, 330, BStBl II 2006, 178 zum Ausdruck gekommenen Rechtsprechung fest [9].
Bundesfinanzhof, Urteil vom 12. Juli 2016 – IX R 11/14
- vgl. BFH, Urteile vom 24.07.1996 – X R 139/93, BFH/NV 1997, 105; vom 24.06.2003 – IX R 2/02, BFHE 202, 351, BStBl II 2003, 752; und vom 11.02.2014 – IX R 10/12, BFH/NV 2014, 1020[↩]
- vgl. z.B. BFH, Urteile vom 29.06.2004 – IX R 26/03, BFHE 206, 418, BStBl II 2004, 995; in BFH/NV 2014, 1020[↩]
- so BFH, Urteile in BFHE 202, 351, BStBl II 2003, 752; vom 18.12 2002 – I R 17/02, BFHE 201, 234, BStBl II 2004, 126; und vom 17.04.2007 – IX R 40/06, BFHE 217, 566, BStBl II 2007, 608[↩]
- s. auch BFH, Urteil vom 28.11.1990 – X R 197/87, BFHE 163, 175, BStBl II 1991, 300, und in BFH/NV 2014, 1020[↩]
- so auch BMF, Schreiben vom 27.11.2001, BStBl I 2001, 986 ff., Rz 24 und 27[↩]
- vgl. BFH, Urteil in BFHE 217, 566, BStBl II 2007, 608; Heuermann, Der Betrieb 2004, 1848, 1852; siehe zur weiteren Begründung BFH, Urteil in BFH/NV 2014, 1020[↩]
- vgl. auch BFH, Urteile vom 29.11.2005 – IX R 49/04, BFHE 211, 330, BStBl II 2006, 178; in BFHE 215, 202, BStBl II 2007, 259; BVerfG, Beschluss vom 10.01.2008 2 BvR 294/06, BFH/NV 2008, Beilage 2, 161 ‑Nichtannahmebeschluss-; BFH, Beschluss vom 19.12 2007 – IX B 219/07, BFHE 219, 353, BStBl II 2008, 382; BFH, Urteile vom 19.08.2008 – IX R 71/07, BFHE 222, 484, BStBl II 2009, 13; in BFH/NV 2014, 1020; BVerfG, Beschluss vom 28.09.2015 2 BvR 1109/14[↩]
- vgl. BFH, Urteile in BFHE 201, 234, BStBl II 2004, 126, unter II. 2.a; in BFH/NV 2014, 1020[↩]
- zu den Gründen vgl. BFH, Urteil in BFH/NV 2014, 1020[↩]