Verluste aus Stillhaltegeschäften

Gegen die nur eingeschränkte Berücksichtigungsfähigkeit von Verlusten aus Stillhaltegeschäften gemäß § 22 Nr. 3 Sätze 3 und 4 EStG bestehen für den Bundesfinanzhof keine verfassungsrechtlichen Bedenken.

Verluste aus Stillhaltegeschäften

Einkünfte aus Leistungen sind nach der ständigen Rechtsprechung des BFH Entgelte, die der Stillhalter als Entschädigung für die Bindung und die Risiken, die er durch das Begeben des Optionsrechts eingeht, unabhängig vom Zustandekommen des Basisgeschäfts allein für das Stillhalten erhält1.

Der BFH trennt zwischen Eröffnungs, Basis- und Gegengeschäft. Deshalb bilden das die Prämie auslösende Begeben einer Option und das nachfolgende Geschäft (z.B. Glattstellung) kein einheitliches Termingeschäft. Der Optionsgeber erhält die Prämie als Gegenleistung für eine wirtschaftlich und rechtlich selbständige Leistung, nämlich für eine vertraglich eingegangene Bindung und das damit verbundene Risiko, in Anspruch genommen zu werden. Er behält sie auch dann, wenn er aus der Option nicht in Anspruch genommen wird und ein Basisgeschäft nicht durchführen muss.

Wenngleich jedoch das Glattstellungsgeschäft vom Eröffnungsgeschäft zu trennen ist, zahlt der Steuerpflichtige die Prämien im Rahmen einer Glattstellung aber vor allem, um damit seine Einnahmen aus dem Stillhaltergeschäft zu sichern. Das auslösende Moment für die Ausgaben ist dem steuerbaren Bereich zuzuordnen, weil der Steuerpflichtige das Risiko, das er als Stillhalter eingegangen ist und das darin liegt, Vermögenseinbußen durch ein Ausführungsgeschäft zu erleiden, durch ein Glattstellungsgeschäft vermindern will. Deshalb handelt es sich bei den in einem Glattstellungsgeschäft gezahlten Prämien um Erwerbsaufwendungen bei den Einkünften des § 22 Nr. 3 EStG.

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Der Bundesfinanzhof lehnt ine Verrechnung des insgesamt aus Stillhaltergeschäften i.S. des § 22 Nr. 3 EStG erzielten Verlusts mit den anderen positiven Einkünften wegen der Verlustausgleichsbeschränkung des § 22 Nr. 3 Satz 3 EStG ab.Gegen diese Verlustausgleichsbeschränkung bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken2.

Der Bundesfinanzhof hat schon in seinem Urteil vom 01.06.2004 – IX R 35/013 die systematische und strukturelle Verknüpfung der Verlustausgleichsbeschränkungen in § 22 Nr. 3 Satz 3 EStG und in § 23 Abs. 3 Satz 8 EStG hervorgehoben. Überdies ist der Gesetzgeber nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts in BVerfGE 99, 88 befugt, die Unschärfe des § 22 Nr. 3 EStG typisierend -wie de lege lata geschehen- durch eine Begrenzung der Verlustverrechnung auszugleichen4.

Dem objektiven Nettoprinzip ist -unabhängig von der Frage seiner verfassungsrechtlichen Verankerung- dadurch hinreichend Rechnung getragen, dass negative Einkünfte gemäß § 22 Nr. 3 EStG überhaupt verrechnet werden können5, wenn auch beschränkt auf diese Einkunftsart.

Der Bundesfinanzhof hält an seiner in den Urteilen in BFHE 219, 81, BStBl II 2008, 26 und in BFH/NV 2014, 1025 ff. zum Ausdruck gekommenen Rechtsprechung fest6.

Der Einwand, § 22 Nr. 3 Sätze 3, 4 EStG lasse unter Verstoß gegen das subjektive Nettoprinzip echte -mit dem Entzug von Liquidität verbundene- negative Einkünfte einstweilen unberücksichtigt, die höher seien als die positiven Einkünfte aus anderen Einkunftsarten, vermag unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 Abs. 1 GG allenfalls die Notwendigkeit eines uneingeschränkten vertikalen Verlustausgleichs zwischen sich in ihrer Struktur entsprechenden Einkunftsarten zu begründen7. Hieraus ergibt sich aber nicht die Notwendigkeit einer Gleichbehandlung mit Verlusten aus Leistungen nach § 22 Nr. 3 EStG, weil deren Besonderheiten -wie ausgeführt- nach Maßgabe des Art. 3 Abs. 1 GG eine von den anderen Einkunftsarten abweichende Sonderregelung für den Verlustausgleich rechtfertigen. Soweit sich der Kläger auf das subjektive Nettoprinzip beruft, wäre dem im Billigkeitswege Rechnung zu tragen. So hat das BVerfG eine Verfassungspflicht zum Billigkeitserlass festgestellt, wenn die Anwendung eines nicht zu beanstandenden Gesetzes in Einzelfällen zu einem „ungewollten Überhang“ führt8. Die Erhebung einer durch das Zusammenwirken verschiedener Regelungen entstandenen Einkommensteuerschuld, der in Wirklichkeit keinerlei Zuwachs an Leistungskraft zugrunde liegt, verstößt gegen das für das gesamte Steuerrecht geltende Übermaßverbot und gegen das besonders das Einkommensteuerrecht beherrschende Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit9. Dem ist durch einen in diesem Verfahren nicht gegenständlichen und daher nicht zu entscheidenden Billigkeitserlass zu begegnen.

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Bundesfinanzhof, Urteil vom 10. Februar 2015 – IX R 8/14

  1. ständige Rechtsprechung, zuletzt BFH, Urteil vom 11.02.2014 – IX R 46/12, BFH/NV 2014, 1025 Rz 19 ff., m.w.N.[]
  2. vgl. BFH, Urteil in BFH/NV 2014, 1025 ff. zu 32 ff., m.w.N.[]
  3. BFHE 206, 273, BStBl II 2005, 26[]
  4. so auch die BFH, Urteile in BFHE 206, 273, BStBl II 2005, 26, unter II. 2.b; und vom 18.09.2007 – IX R 42/05, BFHE 219, 81, BStBl II 2008, 26[]
  5. vgl. auch BFH, Urteile in BFHE 215, 202, BStBl II 2007, 259; vom 07.11.2006 – IX R 45/04, BFH/NV 2007, 1473[]
  6. zur Bedeutung der Rechtskontinuität vgl. BFH, Urteil vom 31.07.2002 – X R 39/01, BFH/NV 2002, 1575; Beschluss des Großen Bundesfinanzhofs des BFH vom 25.06.1984 – GrS 4/82, BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751; BFH, Beschluss vom 24.04.2012 – IX B 154/10, BFHE 236, 557, BStBl II 2012, 454[]
  7. vgl. BFH, Urteil in BFHE 215, 202, BStBl II 2007, 259 zu § 23 Nr. 3 Satz 8 EStG, sowie BFH, Beschlüsse vom 06.03.2003 – XI B 76/02, BFHE 202, 147, BStBl II 2003, 523, und – XI B 7/02, BFHE 202, 141, BStBl II 2003, 516, zur Mindestbesteuerung nach § 2 Abs. 3 EStG in der bis 31.12 2003 geltenden Fassung; Lang/Englisch, Steuer und Wirtschaft 2005, 3; Karrenbrock, Der Betrieb 2004, 559; Kohlhaas, Deutsches Steuerrecht -DStR- 2002, 1250; Korezkij, DStR 2005, 1111; Offerhaus, Brennpunkte des Steuerrechts, Festschrift für Wolfgang Jakob, 2001, 187[]
  8. vgl. z.B. BVerfG, Beschlüsse vom 05.04.1978 1 BvR 117/73, BVerfGE 48, 102, BStBl II 1978, 441, dort unter C.II. 3.; vom 10.11.1998 2 BvR 1852/97, 2 BvR 1853/97, BVerfGE 99, 273, BStBl II 1999, 194[]
  9. vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 22.02.1984 1 BvL 10/80, BVerfGE 66, 214, BStBl II 1984, 357, dort unter C.I. 2.; und vom 25.09.1992 2 BvL 5/91, 8/91 und 14/91, BVerfGE 87, 153, BStBl II 1993, 413; BFH, Urteil vom 26.10.1994 – X R 104/92, BFHE 176, 3, BStBl II 1995, 297[]
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