Begnügt sich ein Ehegatte mit der Zuwendung von laufenden Zahlungen unter Verzicht auf Pflichtteils- oder ähnliche Ansprüche (Zugewinnausgleich), ist im Regelfall von einer Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen i.S. von § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG auszugehen, sofern das den Vermögensübernehmern/Erben überlassene Vermögen ausreichend ertragfähig ist und die Parteien ihren Verpflichtungen wie vereinbart oder durch Vermächtnis bestimmt nachkommen.

Als Sonderausgaben abziehbar sind nach der im Streitfall anzuwendenden Vorschrift des § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG1 die auf besonderen Verpflichtungsgründen beruhenden Renten und dauernden Lasten, die nicht mit Einkünften in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, die bei der Veranlagung außer Betracht bleiben. Hierzu hat die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs u.a. die folgenden Grundsätze entwickelt:
- Neben Leistungen, die anlässlich einer Betriebs- oder Vermögensübergabe im Wege der vorweggenommenen Erbfolge vorbehalten worden sind, sind auch Versorgungsleistungen als Sonderausgaben abziehbar, die ihren Entstehungsgrund in einer letztwilligen Verfügung (z.B. in einem Vermächtnis) haben, sofern „z.B. der überlebende Ehegatte oder ein erbberechtigter Abkömmling“ des Testators statt seines gesetzlichen Erbteils aus übergeordneten Gründen der Erhaltung des Familienvermögens lediglich Versorgungsleistungen aus dem ihm an sich zustehenden Vermögen erhält und es sich bei den Zahlungen nicht um eine Verrentung des Erbteils handelt2.
- Der Empfänger der Versorgungsleistungen muss zum sog. Generationennachfolge-Verbund gehören3.
- Es muss Vermögen übertragen werden, das ausreichende Erträge abwirft, um die vom Übernehmer zu erbringenden Versorgungsleistungen abzudecken4.
- Die Parteien müssen den im Versorgungsvertrag eingegangenen Verpflichtungen auch tatsächlich nachkommen; die Leistungen müssen wie vereinbart erbracht werden5.
Der Bundesfinanzhof geht davon aus, dass die Stiefmutter des Klägers zum Generationennachfolge-Verbund gehört und deshalb Empfängerin von Versorgungsleistungen i.S. von § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG sein kann. Dem steht nicht entgegen, dass die Stiefmutter den Pflichtteilsverzicht im notariellen Ehe- und Erbvertrag vom 18.01.1991 und damit vor ihrer Eheschließung mit – V erklärt hat. Der zeitliche und sachliche Zusammenhang mit der Eheschließung besteht. Der Ehe- und Erbvertrag wurde ca. einen Monat vor der Heirat für den Fall ihrer Eheschließung geschlossen und Pflichtteilsansprüche, auf die sowohl die Stiefmutter als auch der Vater verzichtet haben, entstanden erst mit der Eheschließung. Dass der Vater seine spätere Ehefrau nach seinem Tod trotz ihres Erbverzichts versorgt wissen wollte, ergibt sich aus der Tatsache, dass er ihr bereits im Ehe- und Erbvertrag Nießbrauchvermächtnisse ausgesetzt hat. Er wollte ihre Versorgung sicherstellen und sie nicht -wie unter Geschwistern üblich- gleichstellen oder ihren später entstehenden gesetzlichen Erbanspruch verrenten.
Aus dem BFH-Urteil in BFHE 219, 160, BStBl II 2008, 123 ergibt sich nichts Gegenteiliges. Zwar findet sich in dieser Entscheidung die Passage, dass bei der Beurteilung der Frage, ob ein Begünstigter dem Generationennachfolge-Verbund angehört, nicht allein auf den Zeitpunkt der Vereinbarung, sondern in erster Linie auf den Zeitpunkt der Übergabe bzw. des Eintritts des Erbfalls abzustellen ist. Bezogen hat sich diese Aussage jedoch auf den Umstand, dass der spätere Erblasser der Begünstigten -wie im Streitfall- das Vermächtnis zu einem Zeitpunkt ausgesetzt hat, in dem sie noch nicht verheiratet waren und die Begünstigte folglich noch nicht dem Generationennachfolge-Verbund angehört hat. Dass der Bundesfinanzhof der Auffassung war, bei einer vermächtnisweisen Zuwendung einer Versorgungsrente müssten im Zeitpunkt des Erbfalls noch Pflichtteils- oder Zugewinnausgleichsansprüche bestehen, kann dieser Entscheidung nicht entnommen werden. Aus dem Umstand, dass sich aus dem Tatbestand der Entscheidung nicht ergibt, ob die Begünstigte -zu welchem Zeitpunkt auch immer; im Erbvertrag oder später- auf Pflichtteils- oder Zugewinnausgleichsansprüche verzichtet hat, ergibt sich vielmehr, dass dies für den Bundesfinanzhof nicht von entscheidender Bedeutung war.
Aus der Entscheidung in BFHE 219, 160, BStBl II 2008, 123 lässt sich vielmehr Folgendes entnehmen:
- Der Anerkennung einer Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen steht nicht entgegen, dass der spätere Erblasser Versorgungsleistungen zu einem Zeitpunkt vermächtnisweise aussetzt, zu dem sein (späterer) Ehepartner weder Pflichtteils- noch Zugewinnausgleichsansprüche hat.
- Entscheidend ist nicht, ob der/die Begünstigte einer Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen -zu welchem Zeitpunkt auch immer- auf seine/ihre Pflichtteils- und/oder Zugewinnausgleichansprüche verzichtet. Von Bedeutung ist nur, dass er/sie weder Pflichtteils- noch Zugewinnausgleichsansprüche geltend macht, sondern sich mit der vermächtnisweisen Zuwendung von Versorgungsleistungen begnügt.
Kurz zusammengefasst kann aus dem Urteil in BFHE 219, 160, BStBl II 2008, 123 gefolgert werden:
Begnügt sich ein Ehegatte mit der Zuwendung von laufenden Zahlungen anstelle von Pflichtteils- oder ähnlichen Ansprüchen -Zugewinnausgleich- (gleichgültig ob im Wege der vorweggenommenen Erbfolge oder durch Vermächtnis), ist im Regelfall von einer Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen i.S. von § 10 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG auszugehen, sofern das den Vermögensübernehmern/Erben überlassene Vermögen ausreichend ertragfähig ist und die Parteien ihren Verpflichtungen wie vereinbart oder durch Vermächtnis bestimmt nachkommen.
Unschädlich für die Anerkennung der Zahlungen des Klägers an M als Versorgungsleistungen ist, dass M nach dem Ehe- und Erbvertrag vom 18.01.1991 lediglich den Nießbrauch am Grundstück A und ein unentgeltliches Wohnungsrecht an Haus B bis zum Ablauf eines Jahres nach dem Tod des Vaters des Klägers erhalten sollte und erst 1999 -neben dem lebenslangen Nießbrauchsrecht an Haus B- eine monatliche Rente vereinbart worden ist.
Durch die Rechtsprechung ist anerkannt, dass ein Nießbrauch, den sich der Übergeber eines Vermögens vorbehalten hatte, durch eine private Versorgungsrente abgelöst werden kann, sofern die vereinbarten Versorgungsleistungen aus den Nettoerträgen des überlassenen Grundstücks bestritten werden können bzw. die erzielbaren Nettoerträge nur geringfügig überschreiten6.
Dieser und vergleichbaren Entscheidungen lagen Fälle zugrunde, in denen Grundvermögen unter Vorbehalt des Nießbrauchs zugunsten des Übergebers bzw. seines Ehegatten bereits auf die nachfolgende Generation übertragen worden ist. Im Streitfall hat Vater der Stiefmutter die Rente testamentarisch ausgesetzt und damit zu einem Zeitpunkt, in dem der Nießbrauch zu deren Gunsten noch nicht begründet war.
Erkennt die höchstrichterliche Rechtsprechung die Ablösung eines begründeten Nießbrauchs gegen Versorgungsleistungen steuerlich an, muss sie auch Änderungen des ausgesetzten Vermächtnisses durch den Erblasser (z.B. Versorgungsleistungen anstelle eines Nießbrauchsrechts; zusätzliche Rente neben eines Nießbrauchs) im Rahmen der Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen steuerlich anerkennen, sofern die Erträge des dem Verpflichteten übertragenen Vermögens zur Deckung des gesamten Vermächtnisses ausreichen.
Nach der Rechtsprechung führen Versorgungsleistungen nur dann zum Sonderausgabenabzug, wenn Vermögen im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge oder im Erbfall auf den Verpflichteten übergeht, dessen Erträge die Zahlungen an den Begünstigten decken. Möglicherweise können hierbei die Beweiserleichterungen bei Unternehmensübertragungen7 von Bedeutung sein.
Zu klären ist zudem, ob der Sohn als Erbe die Verpflichtung aus dem Vermächtnis zugunsten der Stiefmutter wie von Vater bestimmt, erfüllt hat8.
Ohne Bedeutung für den Sonderausgabenabzug der Versorgungsleistungen des Sohnes an die Stiefmutter nach § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG ist -anders als das Finanzamt offensichtlich annimmt-, ob auch der zweite Sohn das Vermächtnis zugunsten der Stiefmutter wie vereinbart erfüllt hat. Selbst wenn sich der zweite durch das Vermächtnis Verpflichtete vertragswidrig verhalten haben sollte, kann dies nicht zu Lasten des ersten Sohnes gehen.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 25. Februar 2014 – X R 34/11
- § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG in der Fassung des Jahressteuergesetzes 2008, BGBl I 2007, 3150, ist grundsätzlich nur auf Versorgungsleistungen anzuwenden, die auf nach dem 31.12 2007 vereinbarten Vermögensübertragungen beruhen, vgl. § 52 Abs. 23g EStG[↩]
- BFH, Urteil vom 17.12 2003 – X R 2/01, BFH/NV 2004, 1086[↩]
- vgl. z.B. BFH, Urteil vom 07.03.2006 – X R 12/05, BFHE 212, 507, BStBl II 2006, 797[↩]
- BFH, Beschluss vom 12.05.2003 – GrS 1/00, BFHE 202, 464, BStBl II 2004, 95, unter C.II. 6.; BFH, Urteil vom 31.05.2005 – X R 26/04, BFH/NV 2005, 1789[↩]
- BFH, Urteil vom 15.09.2010 – X R 13/09, BFHE 231, 116, BStBl II 2011, 641[↩]
- z.B. BFH, Urteil vom 16.06.2004 – X R 50/01, BFHE 207, 114, BStBl II 2005, 130[↩]
- vgl. BFH, Beschluss des Großen Senats in BFHE 202, 464, BStBl II 2004, 95[↩]
- s. hierzu BFH, Urteile vom 15.09.2010 – X R 16/08, BFH/NV 2011, 33; – X R 10/09, BFH/NV 2011, 581; – X R 13/09, BFHE 231, 116, BStBl II 2011, 641; – X R 16/09, BFH/NV 2011, 428, und – X R 31/09, BFH/NV 2011, 583[↩]