Versorgungsrenten sind nur dann als Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 1a Satz 2 Buchst. c EStG 2013 (jetzt: § 10 Abs. 1a Nr. 2 Satz 2 Buchst. c EStG) abziehbar, wenn der Übergeber nach der Übertragung der Anteile an einer GmbH nicht mehr Geschäftsführer der Gesellschaft ist.

Als Sonderausgaben abziehbar sind nach § 10 Abs. 1 Nr. 1a Satz 2 Buchst. c EStG 2013 (heute § 10 Abs. 1a Nr. 2 Satz 2 Buchst. c EStG) Versorgungsleistungen in Zusammenhang mit der Übertragung eines mindestens 50 % betragenden Anteils an einer GmbH, wenn der Übergeber als Geschäftsführer tätig war und der Übernehmer diese Tätigkeit nach der Übertragung übernimmt.
Im hier vom Bundesfinanzhof entschiedenen Streitfall hat V zwar seinen 100 %-igen Anteil an der GmbH auf den Vermögensübernehmer, seinen Sohn, übertragen. Auch war V vor der Vermögensübertragung Geschäftsführer der GmbH und der Vermögensübernehmer wurde danach deren alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer. V blieb jedoch nach § 5 des Überlassungsvertrags weiterhin Geschäftsführer. Zudem berechtigte ihn seine Abberufung als Geschäftsführer zum Widerruf der Anteilsübertragung. Deshalb liegen die Voraussetzungen für einen Sonderausgabenabzug nach § 10 Abs. 1 Nr. 1a Satz 2 Buchst. c EStG 2013 nicht vor.
Voraussetzung für eine nach § 10 Abs. 1 Nr. 1a Satz 2 Buchst. c EStG 2013 begünstigte Anteilsübertragung ist u.a., dass der Übergeber seine Geschäftsführertätigkeit insgesamt aufgibt1. Daran fehlt es im Streitfall.
Das in § 10 Abs. 1 Nr. 1a Satz 2 Buchst. c EStG 2013 verwendete Wort „übernehmen“ bedeutet nach Duden „als Nachfolger in Besitz nehmen oder weiterführen“. Diese Definition spricht für die Auslegung der Finanzverwaltung im BMF, Schreiben in BStBl I 2010, 227 und für die Meinung in der Literatur, wonach der Übergeber nach der Anteilsübertragung seine Geschäftsführertätigkeit insgesamt aufgeben muss. Bestätigt wird diese Auslegung des Begriffs „übernehmen“ auch durch seine Verwendung im allgemeinen Sprachgebrauch. Wird ein Wirtschaftsunternehmen durch ein anderes übernommen, ist das Unternehmen nach der Übernahme in den Händen des Übernehmers; darauf folgt zugleich, dass es nicht mehr in den Händen des ursprünglichen Eigentümers, des „Übergebers“, ist.
Schließlich wird auch in verschiedenen Gesetzen das Wort „Übernahme“ in Zusammenhang mit Schulden in dem Sinne gebraucht, dass der neue Schuldner an die Stelle des bisherigen Schuldners tritt, also nicht zusätzlich zum bisherigen Schuldner für die Verbindlichkeiten einzustehen hat (so z.B. § 41 Abs. 2 AktG sowie §§ 415, 416 BGB). Der bisher Handelnde (Schuldner) soll von der Verbindlichkeit befreit werden2.
Eine teleologische Extension des Gesetzeswortlauts kommt angesichts der Gesetzeshistorie und aufgrund des Sinns und Zwecks des Gesetzes nicht in Betracht.
Nach den Materialien zum JStG 2008 sollte das Rechtsinstitut der Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen auf seinen Kernbereich zurückgeführt werden. Im Regierungsentwurf war zunächst die Übertragung von Anteilen an Kapitalgesellschaften nicht begünstigt. Die Gesellschafter seien nicht betrieblich tätig. Der Gesellschafter gebe mit der Übertragung lediglich eine Kapitaleinkunftsquelle, aber keine betriebliche Tätigkeit auf3. Erst auf Anregung des Bundesrats wurde die Übertragung von kleinen und mittelständischen Familienunternehmen in der Rechtsform der GmbH durch einen die Gesellschaft beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer im Rahmen der Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen ebenfalls steuerlich begünstigt4. Die Übertragung von Anteilen an (auch kleinen) Aktiengesellschaften erfasst § 10 Abs. 1 Nr. 1a Satz 2 Buchst. c EStG 2013 (heute § 10 Abs. 1a Nr. 2 Satz 2 Buchst. c EStG) hingegen nicht.
Der Wille des Gesetzgebers, mit der Neuregelung der Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen nur die Aufgabe betrieblicher Tätigkeiten, nicht aber die Übertragung reiner Kapitaleinkunftsquellen zu begünstigen, gilt auch für die Übertragung von Anteilen an Kapitalgesellschaften. Allein diese und nicht der Gesellschafter ist betrieblich tätig. Nur wenn der Gesellschafter einer GmbH zugleich deren Geschäftsführer ist, übt er eine einem Einzelunternehmer oder einem Mitunternehmer an einer Personengesellschaft vergleichbare „betriebliche“ Tätigkeit aus. Diese gibt er aber nur dann auf, wenn er nach der Übertragung der Anteile an der GmbH nicht mehr Geschäftsführer der Gesellschaft ist. Bleibt er hingegen Geschäftsführer, überträgt er ausschließlich eine Kapitaleinkunftsquelle, deren Überlassung nach dem Willen des Gesetzgebers gerade nicht begünstigt werden sollte. § 10 Abs. 1 Nr. 1a Satz 2 Buchst. c EStG 2013 (heute § 10 Abs. 1a Nr. 2 Satz 2 Buchst. c EStG) kann deshalb nicht über seinen Wortlaut hinaus ausgelegt werden.
Auch Sinn und Zweck der Vorschrift gebieten eine wortlautgetreue Auslegung. Nur wenn der Vermögensübergeber nach der Übertragung von GmbH-Anteilen nicht mehr Geschäftsführer der Gesellschaft ist, gibt er die einem Einzelunternehmer oder einem Mitunternehmer an einer Personengesellschaft vergleichbare „gewerbliche“ Tätigkeit auf. Wäre -wie die Vermögensübernehmer meinen- die Übertragung von GmbH-Anteilen auch dann nach § 10 Abs. 1 Nr. 1a Satz 2 Buchst. c EStG 2013 (heute § 10 Abs. 1a Nr. 2 Satz 2 Buchst. c EStG) begünstigt, wenn der Übergeber weiterhin Geschäftsführer der Gesellschaft bliebe, würde das Rechtsinstitut der Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen gegen den ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers insoweit nicht auf seinen Kernbereich zurückgeführt.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 20. März 2017 – X R 35/16
- so auch Kulosa in Herrmann/Heuer/Raupach, § 10 EStG Rz 91; Blümich/Hutter, § 10 EStG Rz 98; Lindberg in Frotscher, EStG, Freiburg 2011, § 10 Rz 171m; Schmidt/Heinicke, EStG, 36. Aufl., § 10 Rz 143; Stöcker in Bordewin/Brandt, § 10 EStG Rz 626; Bauschatz in Festschrift für Spiegelberger, 3, VI. 2. und VII. 4.; a.A. Bauschatz in Korn, § 10 EStG Rz 230.03.20, am Ende[↩]
- Drygala in: Schmidt, K./Lutter, AktG, 3. Aufl.2015, § 41 Rz 33, m.w.N.[↩]
- vgl. BT-Drs. 16/6290, 53[↩]
- BT-Drs. 16/7036, 11[↩]