Verpflegungsmehraufwand eines Lokomotiv-Rangierführers

Bei einem Lokomotiv-Rangierführers stellt das firmeneigenes Schienennetz eine großräumige Arbeitsstätte bzw. einen Tätigkeitsmittelpunkt dar. Ihm stehen daher keine Werbungskosten in Form von Verpflegungsmehraufwendungen zu.

Verpflegungsmehraufwand eines Lokomotiv-Rangierführers

Nach § 9 Abs. 5 EStG i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 EStG wird ein erwerbsbedingter Mehraufwand für Verpflegung typisierend in Form gestaffelter Pauschbeträge und lediglich unter der Voraussetzung steuerlich berücksichtigt, dass der Arbeitnehmer sich aus beruflichen Gründen auf einer Auswärtstätigkeit befunden hat1. Danach ist eine Auswärtstätigkeit dadurch gekennzeichnet, dass der Arbeitnehmer entweder vorübergehend von seiner Wohnung und dem ortsgebundenen Mittelpunkt seiner dauerhaft angelegten beruflichen Tätigkeit (Tätigkeitsmittelpunkt) entfernt beruflich tätig wird (Satz 2 der genannten Vorschrift) oder dass der Arbeitnehmer typischerweise nur an ständig wechselnden Tätigkeitsstätten oder auf einem Fahrzeug eingesetzt wird und damit über einen dauerhaft angelegten ortsgebundenen Bezugspunkt seiner beruflichen Tätigkeit nicht verfügt (Satz 3 der genannten Vorschrift). Auf die konkrete Verpflegungssituation kommt es dabei ebenso wenig an, wie darauf, ob dem Arbeitnehmer überhaupt ein Mehraufwand bei seiner Verpflegung entstanden ist2.

Tätigkeitsmittelpunkt i.S. des § 9 Abs. 5 EStG i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 2 EStG und (regelmäßige) Arbeitsstätte i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG ist die dauerhafte betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers, der der Arbeitnehmer zugeordnet ist und die er nachhaltig, fortdauernd und immer wieder aufsucht. Das ist regelmäßig der Betrieb, Zweigbetrieb oder eine Betriebsstätte des Arbeitgebers3, nicht jedoch die Tätigkeitsstätte in einer betrieblichen Einrichtung des Kunden des Arbeitgebers4.

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Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, dass ein größeres, räumlich geschlossenes Gebiet als regelmäßige Arbeitsstätte i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG (und damit beim Verpflegungsmehraufwand als Tätigkeitsmittelpunkt i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 2 EStG) in Betracht kommt, wenn es sich um ein zusammenhängendes Gelände des Arbeitgebers handelt, auf dem der Arbeitnehmer auf Dauer und mit einer gewissen Nachhaltigkeit tätig wird5. Unter diesen Voraussetzungen kann auch ein Werksgelände oder ein Waldgebiet eine großräumige (regelmäßige) Arbeitsstätte bzw. einen Tätigkeitsmittelpunkt darstellen6.

Nach ständiger Bundesfinanzhofsrechtsprechung kommen nur ortsfeste betriebliche Einrichtungen des Arbeitgebers als regelmäßige Arbeitsstätte in Betracht7. Im Streitfall ist das Schienennetz der X, das sich zum Großteil auf dem Werksgelände der Y befindet, nach den Maßstäben des BFH-Urteils in BFHE 226, 59, BStBl II 2010, 564 als -wenngleich großräumige- regelmäßige Arbeitsstätte i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG anzusehen.

Bei dem Schienennetz der – X handelt es sich um eine dauerhafte, betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers des Lokomotiv-Rangierführers, die nach ihren infrastrukturellen Gegebenheiten mit einem Betriebssitz oder einer sonstigen betrieblichen Einrichtung vergleichbar ist8. Im Streitfall kann dahinstehen, ob die – X auch zivilrechtliche Eigentümerin des Schienennetzes war, da eine betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers eine solche Rechtsposition nicht voraussetzt. Entscheidend ist vielmehr die tatsächliche Sachherrschaft des Arbeitgebers9. Da nach den bindenden Feststellungen des Finanzgericht der Lokomotiv-Rangierführer mit der firmeneigenen Eisenbahn („Werksbahn“) das firmeneigene Schienennetz seines Arbeitgebers, der X, befuhr, ist davon auszugehen, dass die – X eine solche tatsächliche Sachherrschaft innehatte.

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Die konkrete flächenmäßige Ausdehnung des firmeneigenen Schienennetzes steht der Annahme einer regelmäßigen Arbeitsstätte bzw. eines Tätigkeitsmittelpunktes nicht entgegen. Das firmeneigene Schienennetz der – X erstreckt sich im Streitfall zwar über mehrere Stadtteile. Es handelt sich aber um ein räumlich geschlossenes bzw. zusammenhängendes Gelände10. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass sich auf dem geographischen Gebiet, auf dem das Schienennetz verlegt ist, auch öffentliche Straßen befinden.

Dieser betrieblichen Einrichtung war der Lokomotiv-Rangierführer auch zugeordnet. Nach den Feststellungen des Finanzgericht erbrachte er dort täglich seine Arbeitsleistung, indem er die Rangierfahrten mit der firmeneigenen Eisenbahn („Werksbahn“) auf diesem Schienennetz begann, durchführte und beendete. Ein nachhaltiges, fortdauerndes und sich wiederholendes Tätigwerden auf einer betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers ist daher zu bejahen.

Da der Lokomotiv-Rangierführer an einer regelmäßigen Arbeitsstätte bzw. einem Tätigkeitsmittelpunkt eingesetzt war, liegt keine „Fahrtätigkeit“ bzw. auch keine „Einsatzwechseltätigkeit“ i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 3 EStG i.V.m. § 9 Abs. 5 EStG vor10.

Dieser Beurteilung stehen auch die arbeitstäglichen Fahrten zu der Fremdfirma Z nicht entgegen. Denn auch diese Fahrten unternahm der Lokomotiv-Rangierführer nach den den Bundesfinanzhof bindenden tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz (§ 118 Abs. 2 FGO) mit der firmeneigenen Eisenbahn („Werksbahn“) auf dem firmeneigenen Schienennetz und damit auf dem Werksgelände seines Arbeitgebers, der X. Eine Auswärtstätigkeit liegt deshalb auch insoweit nicht vor.

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Bundesfinanzhof, Urteil vom 10. März 2015 – VI R 87/13

  1. BFH, Urteile vom 18.06.2009 – VI R 61/06, BFHE 226, 59, BStBl II 2010, 564; und vom 11.05.2005 – VI R 16/04, BFHE 209, 518, BStBl II 2005, 789, unter II. 2. a und b[]
  2. BFH, Urteil vom 19.01.2012 – VI R 23/11, BFHE 236, 351, BStBl II 2012, 472, m.w.N.[]
  3. vgl. zuletzt BFH, Urteil vom 26.02.2014 – VI R 68/12, BFH/NV 2014, 1029, m.w.N.; Schmidt/Loschelder, EStG, 33. Aufl., § 9 Rz 116, m.w.N.[]
  4. BFH, Urteile vom 10.07.2008 – VI R 21/07, BFHE 222, 391, BStBl II 2009, 818; vom 09.07.2009 – VI R 21/08, BFHE 225, 449, BStBl II 2009, 822; und vom 17.06.2010 – VI R 35/08, BFHE 230, 147, BStBl II 2010, 852[]
  5. vgl. BFH, Urteil in BFHE 226, 59, BStBl II 2010, 564, m.w.N.[]
  6. vgl. BFH, Urteil in BFHE 226, 59, BStBl II 2010, 564, bzgl. des Gewinnungsreviers eines Kaliwerks; vgl. auch Schmidt/Loschelder, a.a.O., § 9 Rz 117, m.w.N.[]
  7. vgl. zuletzt BFH, Urteil in BFH/NV 2014, 1029, m.w.N.; Schmidt/Loschelder, a.a.O., § 9 Rz 116, m.w.N.[]
  8. vgl. BFH, Urteile vom 17.06.2010 – VI R 20/09, BFHE 230, 533, BStBl II 2012, 32, und in BFHE 226, 59, BStBl II 2010, 564[]
  9. vgl. BFH, Urteile in BFHE 226, 59, BStBl II 2010, 564; in BFHE 225, 449, BStBl II 2009, 822; vom 13.06.2012 – VI R 47/11, BFHE 238, 53, BStBl II 2013, 169; vom 06.02.2014 – VI R 34/13, BFH/NV 2014, 691; vgl. Bergkemper in Herrmann/Heuer/Raupach, § 9 EStG Rz 545[]
  10. vgl. BFH, Urteil in BFHE 226, 59, BStBl II 2010, 564[][]
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