Verzicht auf ein Wohnungsrecht – und die Ausgleichszahlung als Werbungskosten

Ein für die Annahme vorab entstandener Werbungskosten erforderlicher, ausreichend bestimmter wirtschaftlicher Zusammenhang mit künftigen Einkünften aus Vermietung und Verpachtung ist anzunehmen, wenn der Berechtigte eines mit einem dinglich gesicherten Wohnungsrecht belasteten Erbbaurechts dem Wohnungsberechtigten ein Entgelt dafür zahlt, dass dieser der Löschung seines Wohnungsrechts zustimmt und das Gebäude räumt und es so erreicht, das Wohngebäude zu vermieten und Einkünfte daraus zu erzielen1.

Verzicht auf ein Wohnungsrecht – und die Ausgleichszahlung als Werbungskosten

Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG sind Werbungskosten Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung von Einnahmen. Sie sind nach § 9 Abs. 1 Satz 2 EStG bei der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung abzuziehen, wenn sie bei ihr erwachsen, und das heißt, durch sie veranlasst sind. Fallen Aufwendungen mit der beabsichtigten Vermietung eines noch zu renovierenden Wohngrundstücks an, bevor mit dem Aufwand zusammenhängende Einnahmen erzielt werden, können sie als vorab entstandene Werbungskosten berücksichtigt werden, wenn ein ausreichend bestimmter wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen den Aufwendungen und der Einkunftsart besteht, in deren Rahmen der Abzug begehrt wird2.

Derartige -vorab entstandene- Aufwendungen sind dann nicht als Werbungskosten sofort abziehbar, wenn es sich um Anschaffungskosten handelt. In diesem Fall sind sie nur im Rahmen der AfA zu berücksichtigen (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 i.V.m. § 7 EStG). Welche Aufwendungen zu den Anschaffungskosten zählen, bestimmt sich auch für Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nach § 255 Abs. 1 HGB. Anschaffungskosten sind danach diejenigen Aufwendungen, die geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben und ihn in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen3.

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Die (ältere) höchstrichterliche Rechtsprechung ist beispielsweise dann von einem Anschaffungsvorgang ausgegangen, wenn der Eigentümer eines Grundstücks ein daran bestehendes dingliches oder vermächtnishalber eingeräumtes Wohnungsrecht ablöst, um die insoweit bestehende Beschränkung seiner Eigentümerbefugnis (§ 903 BGB) zu beseitigen4.

Einen ausreichend bestimmten wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen den -ursprünglich zur Beseitigung bestehender Beschränkungen der Eigentümerbefugnis getätigten- Aufwendungen und einer später verwirklichten Einkunftsart hat die Rechtsprechung in den genannten Urteilen selbst dann nicht anerkannt, wenn der Steuerpflichtige in der Folge den Tatbestand des § 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG a.F. -etwa durch Erzielung von Erbbauzinsen aus einem später abgeschlossenen Erbbaurechtsvertrag5- oder den des § 21 Abs. 2  1. Alternative EStG a.F. -durch Selbstnutzung der Wohnung im eigenen Haus (sog. Nutzungswertbesteuerung, vgl. BFH, Urteil in BFHE 166, 263, BStBl II 1992, 381)- verwirklicht hatte. Dem lag die Überlegung zugrunde, dass bei einer doppelten Veranlassung -einerseits durch die beabsichtigte Beseitigung einer Beschränkung der Eigentümerbefugnis als auch andererseits durch die beabsichtigte zukünftige Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung- der erstgenannte Zusammenhang „entscheidend“ sei6.

Demgegenüber hat der Bundesfinanzhof in seiner jüngeren Rechtsprechung Aufwendungen des Grundstückseigentümers zur Ablösung dinglicher oder schuldrechtlicher Nutzungsrechte Dritter zu den sofort abziehbaren Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung gerechnet, wenn sie dem Abschluss eines neuen Nutzungsüberlassungsvertrages und mithin der (künftigen) Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung dienten7. Der Bundesfinanzhof ging in diesem Zusammenhang davon aus, dass die Grundstücksnutzung nach der Ablösung des Nutzungsrechts den wirtschaftlichen Zusammenhang der Ablöseaufwendungen mit der beabsichtigten Einkunftserzielung begründe und dieser den dinglichen Bezug überlagere8.

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Als maßgeblich für die Anerkennung vorab entstandener Werbungskosten hat es der Bundesfinanzhof in den genannten Fällen angesehen, dass sowohl vor als auch nach dem Anfall von Aufwendungen zur Ablösung bestehender Nutzungsrechte eine Nutzungsüberlassung durch den Eigentümer stattfand, und zwar vorher zu wirtschaftlich ungünstigeren Bedingungen9. Vor diesem Hintergrund hatte der Bundesfinanzhof in seiner Entscheidung in BFH/NV 2011, 1480 Aufwendungen für die Aufhebung eines Erbbaurechts als vorab entstandene Werbungskosten des Steuerpflichtigen anerkannt, da der Steuerpflichtige die Aufwendungen getätigt hatte, um ein mit einem höheren Erbbauzins verbundenes neues Erbbaurecht zu bestellen. In seiner Entscheidung in BFH/NV 2013, 914 hatte der Bundesfinanzhof Zahlungen des Steuerpflichtigen für den (schuldrechtlichen) Verzicht eines Angehörigen auf die Ausübung eines (unentgeltlichen) Wohnungsrechts als vorab entstandene Werbungskosten anerkannt, da der Steuerpflichtige die aufgrund des Verzichts freigewordene Wohnung nunmehr vermieten konnte und damit die bisher gewährte unentgeltliche Nutzungsüberlassung durch eine entgeltliche ersetzte.

Nach diesen Rechtsprechungsgrundsätzen besteht in dem hier vom Bundesfinanzhof entschiedenen Streitfall ein ausreichend bestimmter wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen den geltend gemachten Aufwendungen des Eigentümers und seinen -seit dem 01.05.2018 erzielten- Einkünften aus Vermietung und Verpachtung; sie sind daher als vorab entstandene Werbungskosten (§ 9 Abs. 1 Satz 1, § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG) zu berücksichtigen.

Der Eigentümer hat das maßgebliche Erbbaurecht an dem Grundstück in – X -teilweise unentgeltlich im Wege der Gesamtrechtsnachfolge und teilweise durch entgeltliche Erbteilsübertragung- erworben; im Zeitpunkt des Erwerbs war das Erbbaurecht mit einem dinglich gesicherten Wohnrecht zugunsten der A belastet. In der Gewährung des Wohnungsrechts liegt eine unentgeltliche Nutzungsüberlassung seitens des Eigentümers10. Diese unentgeltliche Überlassung hat der Eigentümer durch eine entgeltliche Nutzungsüberlassung ersetzt. Hierzu war er in der Lage, weil die Doppelhaushälfte durch den Verzicht der A freigeworden war und nunmehr an Dritte vermietet werden konnte. Der hierdurch entstandene Aufwand steht in einem ausreichend bestimmten wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem aus der Vermietung erzielten Einnahmen und ist mithin als (vorab entstandene) Werbungskosten zu berücksichtigen. Denn die Grundstücksnutzung nach Ablösung des Wohnungsrechts stellt den Zusammenhang der insoweit getätigten Aufwendungen mit den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung her; sie überlagert den dinglichen Bezug. Ohne Bedeutung ist es in diesem Zusammenhang, dass der Verzicht auf das Wohnungsrecht nicht nur schuldrechtlich vereinbart wurde11, sondern das dingliche Recht zudem im Erbbaugrundbuch gelöscht wurde.

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Das Niedersächsische Finanzgericht ist in der Vorinstanz12 von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen; ihre Entscheidung, wonach der Eigentümer die Ausgleichsentschädigung für das gelöschte Wohnungsrecht und die in diesem Zusammenhang angefallenen Beurkundungskosten nicht als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend machen könne, kann daher keinen Bestand haben.

Die Sache war für den Bundesfinanzhof spruchreif. Über die Höhe des vom Eigentümer getragenen Aufwands besteht kein Streit. Mithin sind im Ausgangspunkt von den Einkünften des Eigentümers aus Vermietung und Verpachtung weitere (vorab entstandene) Werbungskosten in Gestalt der Ausgleichsentschädigung (40.000 €) sowie der Notarkosten für die Beurkundung des Verzichts auf das Wohnungsrecht (3.591,89 €) abzuziehen. Zu saldieren ist die im Einkommensteuerbescheid wegen derselben Aufwendungen (zu Unrecht) erhöhte AfA von 291 €. Danach ergeben sich weitere Werbungskosten von 43.301 €. Der Antrag des Eigentümers war dementsprechend auszulegen. Die Berechnung der Einkommensteuer wird dem Finanzamt übertragen (§ 100 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 121 Satz 1 FGO). Zu beachten ist dabei, dass es einer gesonderten Korrektur der AfA nicht mehr bedarf, weil die (zu Unrecht gewährte) erhöhte AfA bereits von der Summe der eigentlich zustehenden weiteren Werbungskosten abgezogen worden ist.

Der hier entscheidende IX. Senat des Bundesfinanzhofs weicht mit dieser Entscheidung nicht vom Urteil des IV. Senats13 ab.

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Der IV. Senat ging in jener Entscheidung davon aus, dass Aufwendungen im Zusammenhang mit der Löschung einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit, welche zugunsten der Gemeinde bestellt war, der Sicherung von Vorgaben der öffentlichen Bauleitplanung diente und die Nutzbarkeit eines Grundstücks einschränkte, zu nachträglichen Anschaffungskosten für das Grundstück führen. Soweit der IV. Senat zu dem Schluss kam, dass eine Überlagerung des ursprünglichen Veranlassungszusammenhangs (Beseitigung einer Nutzungseinschränkung des Grundstücks durch die beschränkte persönliche Dienstbarkeit) in jenem Streitfall durch einen neuen Veranlassungszusammenhang (Erzielung von Einkünften aus einem neu bestellten Erbbaurecht) nicht vorliege, weil es der Grundstückseigentümerin nicht auf eine wirtschaftlich verbesserte, dem Grunde nach aber identische Nutzung (Austausch eines Nutzungsüberlassungsverhältnisses durch ein wirtschaftlich „optimiertes“ Nutzungsüberlassungsverhältnis), sondern auf eine andere Nutzung (für Zwecke des Einzelhandels) angekommen sei, ist jener Sachverhalt schon nicht mit dem vorliegenden Streitfall vergleichbar. Aber auch die vom IV. Senat getroffene Grundaussage zur steuerrechtlichen Einordnung von Aufwendungen zur Beseitigung von öffentlich-rechtlichen, dinglich gesicherten Nutzungseinschränkungen eines Grundstücks berührt die Entscheidung des Bundesfinanzhofs im vorliegenden Streitfall nicht; hiervon geht im Übrigen auch der IV. Senat in seiner Urteilsbegründung aus14.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 20. September 2022 – IX R 9/21

  1. Anschluss an BFH, Urteile vom 26.01.2011 – IX R 24/10, BFH/NV 2011, 1480; und vom 11.12.2012 – IX R 28/12, BFH/NV 2013, 914[]
  2. ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH, Urteile vom 12.05.2009 – IX R 18/08, BFH/NV 2009, 1627, unter II. 1.; vom 11.12.2012 – IX R 14/12, BFHE 239, 453, BStBl II 2013, 279, Rz 10; vom 09.05.2017 – IX R 24/16, BFHE 257, 429, BStBl II 2018, 168, Rz 14[]
  3. BFH, Urteil in BFH/NV 2011, 1480, Rz 8, m.w.N.[]
  4. vgl. BFH, Urteile vom 21.07.1992 – IX R 14/89, BFHE 169, 313, BStBl II 1993, 484, zur Ablösung eines aufgrund Vermächtnisses eingeräumten Wohnrechts, um das Wohnobjekt künftig selbst zu nutzen; vom 15.12.1992 – IX R 323/87, BFHE 169, 386, BStBl II 1993, 488, zur Ablösung eines dinglichen Wohnrechts, um Unstimmigkeiten mit dem Wohnberechtigten zu beenden und die Nutzungsmöglichkeiten eines Hausgrundstückes zu erweitern; BFH, Urteil vom 28.11.1991 – XI R 2/87, BFHE 166, 263, BStBl II 1992, 381, zur Erbauseinandersetzung durch Einräumung eines Wohnrechts, anschließender Ablösung des Wohnrechts und nachfolgender Selbstnutzung der Wohnung; s.a. BFH, Urteil vom 21.12.1982 – VIII R 215/78, BFHE 138, 44, BStBl II 1983, 410, zu Zahlungen für die Aufhebung eines Erbbaurechts, um ein gegen den Erbbauberechtigten gerichtetes Zwangsversteigerungsverfahren abzuwenden[]
  5. vgl. BFH, Urteil in BFHE 138, 44, BStBl II 1983, 410[]
  6. so BFH, Urteil in BFHE 169, 386, BStBl II 1993, 488, unter 3.a[]
  7. BFH, Urteile in BFH/NV 2011, 1480, zum Erbbaurecht, und in BFH/NV 2013, 914, zum Wohnungsrecht[]
  8. allgemein zum Überlagerungsgedanken s. BFH, Urteil vom 14.12.2004 – IX R 34/03, BFHE 208, 232, BStBl II 2005, 343, unter II. 1.b[]
  9. insoweit zutreffend: BFH, Urteil vom 07.06.2018 – IV R 37/15, BFH/NV 2018, 1082[]
  10. BFH, Urteil vom 17.12.2003 – IX R 60/98, BFHE 204, 485, BStBl II 2004, 646, unter II. 2.d aa[]
  11. vgl. BFH, Urteil in BFH/NV 2013, 914, Rz 12[]
  12. Nds. FG, Urteil vom 02.07.2020 – 2 K 228/19[]
  13. in BFH/NV 2018, 1082[]
  14. BFH, Urteil in BFH/NV 2018, 1082, Rz 34[]
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