Nach einer Entscheidung des Finanzgerichts Düsseldorf besteht eine Gesetzeslücke, die es erlaubte, im Jahr 2000 die Anschaffungskosten von Aktien in voller Höhe als Betriebsausgaben abzusetzen, auch wenn im Jahr 2001 – nach Einführung des sogenannten Halbeinkünfteverfahrens – die Veräußerungserlöse nur zur Hälfte als Betriebseinnahmen versteuert wurden.

In dem vom Finanzgericht Düsseldorf entschiedenen Rechtsstreit streiten die Beteiligten darum, ob Anschaffungskosten für Aktien des Umlaufvermögens im Rahmen der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG in voller Höhe oder nur nach Maßgabe des § 3 c EStG aufwandswirksam werden. Im Streitfall war die gesonderte Feststellung der im Rahmen einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts erzielten Einkünfte streitig. Die Gesellschaft ermittelte ihren Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG. Sie erwarb im Kalenderjahr 2000 verschiedene Aktien ausländischer Aktiengesellschaften. Sie wandte hierfür Anschaffungskosten in Höhe von 148.472.684 DM (75.912.878 €) auf. Die Aktien wurden im Jahre 2001 von der Gesellschaft wieder veräußert. Die GbR erzielte 2001 Einnahmen von 133.832.375 DM. Die Gesellschaft behandelte die Anschaffungskosten der Aktien in der Überschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG in voller Höhe als Betriebsausgaben. Die Verkaufserlöse im Jahr 2001 erfasste und erklärte die Gesellschaft in Anwendung des Halbeinkünfteverfahrens nur zur Hälfte.
Das beklagte Finanzamt vertrat die Auffassung, die Anschaffungskosten für die Aktien seien nicht in voller Höhe als Betriebsausgaben abzugsfähig. Die Ausgaben im Jahr 2000 stünden in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang mit den dem Halbeinkünfteverfahren unterliegenden Betriebseinnahmen des Jahres 2001, so dass § 3c EStG in der alten, für den Veranlagungszeitraum 2000 gültigen Fassung (a.F.) auf die Betriebsausgaben des Jahres 2000 anzuwenden sei. Der 11. Senat folgte dem nicht und gab der Klage in vollem Umfang statt. Weder § 3c EStG a.F. noch § 3c Abs. 2 EStG n.F. stünden dem Abzug der Anschaffungskosten entgegen. Insbesondere komme aus verfassungsrechtlichen Gründen keine Rückwirkung des § 3a Abs. 2 EStG in Betracht.
Der Beklagte hat sich zu Unrecht auf § 3 c EStG a. F., d. h. in der Fassung des Steueränderungsgesetzes vom 18.07.1958 (Bundesgesetzblatt BGBl I 1958, 473) und vor der Neufassung durch das StSenkG vom 23.10 2000 (BGBl I 2000, 1433), als Grundlage für die nur hälftige Berücksichtigung der Anschaffungskosten der Kläger gestützt.
Dieser Argumentation des Finanzamtes wollten die Düsseldorfer Finanzrichter jedoch nicht folgen:
Es bestehen zwar grundsätzlich keine Bedenken dagegen, das in § 3 c EStG a. F. enthaltene Verbot des Abzugs von Ausgaben, die im Zusammenhang mit steuerfreien Einnahmen stehen, auch bei einer nur hälftigen Befreiung im Sinne eines hälftigen Abzugsverbotes anzuwenden. So war z. B. § 3 c Abs. 1 EStG auch schon vor der Neureglung in § 3 c Abs. 2 Satz 2 EStG durch das Gesetz zur Modernisierung der Rahmenbedingungen für Kapitalbeteiligungen vom 12.08.20081 auf Vergütungen im Sinne von § 3 Nr. 40 a („carried interest“) im Sinne eines Teilabzugsverbotes anwendbar2. Bei einer Anwendung von § 3 c EStG a. F. hätte der Beklagte diese Vorschrift dann aber in der Ausformung anwenden müssen, die § 3 c EStG a. F. durch die Rechtsprechung des BFH erfahren hat. Der BFH hat durch Urteil vom 29.05.1996 entschieden, dass für Schuldzinsen zur Finanzierung des Erwerbs von Schachtelbeteiligungen an ausländischen Kapitalgesellschaften kein Betriebsausgabenabzugsverbot bestehe, wenn keine steuerfreien Dividenden flössen. Ein Abzugsverbot bestehe nur, „soweit in dem selben Veranlagungszeitraum steuerfreie Dividenden zufließen“3. Diese Rechtsprechung führte zu einer das Abzugsverbot vermeidenden Ausschüttungspolitik (sogenanntes „ballooning“).
Nach der Einführung des Halbeinkünfteverfahrens ging man davon aus, dass diese Rechtsprechung des BFH zu Schachteldividenden für die Anwendung des § 3 c Abs. 1 EStG in der Fassung des StSenkG vom 23.10.20024 auf nach § 8 b KStG steuerfreie Dividenden fortgelte5. Diese Fortgeltung nahm auch die Finanzverwaltung und der Gesetzgeber an. So sollte nach der Koalitionsvereinbarung 2002 von SPD und Bündnis 90/Die Grünen vom 16.10.2002 das Abzugsverbot des § 3 c Abs. 1 EStG im Zusammenhang mit steuerfreien Einnahmen bei Kapitalgesellschaften ausgedehnt werden. Es sollten künftige Ausgaben nicht nur bis zur Höhe der steuerfreien Einnahmen steuerlich nicht berücksichtigt werden, sondern auch darüber hinausgehende Aufwendungen6. Diese Vereinbarung wurde im Referentenentwurf vom 31.10.2002 umgesetzt. Statt einer Ausweitung von § 3 c Abs. 1 EStG wurde dann allerdings durch das Protokollerklärungsgesetz7 die Regelung in § 8 b Abs. 3 und 5 KStG geschaffen8. Wenn aber § 3 c Abs. 1 EStG n. F. auf nach § 8 b KStG steuerfeie Dividenden nur anwendbar war, soweit in dem selben Veranlagungszeitraum steuerfreie Dividenden zuflossen, müsste auch § 3 c EStG a. F. entsprechend eingeschränkt zur Anwendung kommen, selbst wenn der Zusammenhang nicht zu steuerfreien Dividenden, sondern zu zur Hälfte steuerfreien Veräußerungserlösen anzunehmen wäre. Im Streitjahr 2000 aber sind der Klägerin keine steuerfreien oder zur Hälfte steuerfreien Einnahmen zugeflossen.
Das beklagte Finanzamt ist davon ausgegangen, die GbR habe die Betriebsausgaben im Jahr 2000 zunächst in voller Höhe abziehen dürfen. Da in 2001 aber steuerfreie Einnahmen entstanden seien, wirke dieser Zufluss von steuerfreien Einnahmen auch auf die Abziehbarkeit der Ausgaben zurück. Es liege ein rückwirkendes Ereignis im Sinne von § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO vor. Nach Auffassung des Beklagten ist nicht maßgebend, dass bei Entstehen und Abzug der Betriebsausgaben kein Zusammenhang zu steuerfreien Einnahmen bestand, da zu diesem Zeitpunkt das Halbeinkünfteverfahren noch nicht eingeführt war, sondern maßgebend, dass nach Einführung des Halbeinkünfteverfahrens die Betriebsausgaben mit steuerfreien Betriebseinnahmen im Zusammenhang stehen.
Wenn in dieser Weise eine nachträgliche Steuerbefreiung ein Abzugsverbot für frühere Ausgaben nach § 3 c EStG a. F. begründete, könnte dies allerdings nicht allein für Aufwendungen in Form von Anschaffungskosten angenommen werden, sondern müsste für jegliche Aufwendungen (z. B. auch Finanzierungszinsen) im Zusammenhang mit steuerfreien Einnahmen nach § 3 Nr. 40 EStG gelten.
Ein entsprechendes Abzugsverbot auf Grund nachträglich steuerfrei gewordener Einnahmen müsste auch bei anderen eingeführten Befreiungsvorschriften gelten. Es müssten bei Einführung einer Steuerbefreiungsvorschrift in erheblichem Umfang die Veranlagungen der Vorjahre korrigiert werden.
Umgekehrt müsste bei Abschaffung oder Einschränkung einer Steuerbefreiung aus einem Abzugsverbot ein Abzugsgebot werden. So müssten bei dem Übergang vom Halbeinkünfte- zum Teileinkünfteverfahren entsprechende Aufwendungen der Vorjahre von einem hälftigen in ein 40 %-iges Nichtabzugsverbot wechseln.
Vor allem aber müsste § 3 c EStG a. F., wenn er auf Ausgaben des Jahres 2000 im Sinne des beklagten Finanzamtes anwendbar wäre, auch auf Veranlagungszeiträume vor 2000 anwendbar sein. Auch bei Aktienkäufen z. B. im Jahr 1990 und einer entsprechenden Gewinnermittlung müsste eine Korrektur erfolgen. Die Einführung des Halbeinkünfteverfahrens hätte eine zeitlich unbegrenzte Rückwirkung in Form eines hälftigen Abzugsverbotes für bisher in voller Höhe abzugsfähige Aufwendungen zur Folge. Es käme insbesondere in den Fällen, in denen die Ausgaben höher sind als die Einnahmen, auch per Saldo rückwirkend zu einer Mehrbelastung.
Darüber hinaus steht einer Anwendung von § 3 c EStG a. F. die durch das StSenkG vom 23.10.20004 eingeführte Vorschrift des § 3 c Abs. 2 EStG und die hierzu ergangenen Anwendungsvorschriften als lex specialis entgegen9. Der Gesetzgeber hat in § 3 c Abs. 2 EStG n. F. bestimmt, wie Ausgaben im Zusammenhang mit den nach § 3 Nr. 40 EStG zur Hälfte steuerfreien Einnahmen zu behandeln sind, und in § 52 EStG in zeitlicher Hinsicht geregelt, für welche Ausgaben im Zusammenhang mit nach § 3 Nr. 40 EStG steuerfreien Einnahmen ein Teilabzugsverbot gelten soll. Diesen Vorschriften muss entnommen werden, ob für Ausgaben im Zusammenhang mit nach § 3 Nr. 40 EStG steuerfreien Einnahmen im Jahr 2000 ein Teilabzugsverbot besteht oder nicht
Finanzgericht Düsseldorf, Urteil vom 27. Oktober 2009 – 17 K 1039/08 F
- BGBl I 2008, 1672[↩]
- vgl. hierzu von Beckerath in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 3 Rdnr. B 40 a/62; § 3 c Rdnr. C 53[↩]
- BFH, Urteile vom 29.05.1996 – I R 21/95, BStBl II 1997, 63, 66, BFHE 180, 422; vom 29.05.1996 – I R 167/94, BStBl II 1997, 60, BFHE 180, 415[↩]
- BGBl I 2000, 1433[↩][↩]
- vgl. z. B. Utescher/Blaufus, DStR 2000, 1581, 1582; anderer Ansicht von Beckerath in Kirchhof, EStG, 1. Auflage, § 3 c Rdnr. 14[↩]
- vgl. von Beckerath in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 3 c Rdnr. A 95[↩]
- BGBl I 2003, 2840[↩]
- vgl. von Beckerath in Kirchof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 3 c Rdnr. A 96[↩]
- zu § 3 c Abs. 2 EStG als lex specialis vor allem für die Frage des zeitlichen Zusammenhangs: Grotherr, Betriebsberater BB 2000, 849, 856[↩]