Weder die erstmalige Berufsausbildung i.S. des § 12 Nr. 5 EStG noch die i.S. des § 9 Abs. 6 EStG setzen ein Berufsausbildungsverhältnis nach dem Berufsbildungsgesetz oder eine bestimmte Ausbildungsdauer voraus1.

Werbungskosten i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG sind Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Sie liegen vor, wenn sie durch den Beruf oder durch die Erzielung steuerpflichtiger Einnahmen veranlasst sind. Das ist der Fall, wenn ein objektiver Zusammenhang mit dem Beruf besteht und die Aufwendungen subjektiv zur Förderung des Berufs getätigt werden. Erzielt der Steuerpflichtige gegenwärtig noch keine Einnahmen, sind die Aufwendungen als vorab entstandene Werbungskosten abziehbar, wenn sie in einem hinreichend konkreten, objektiv feststellbaren Veranlassungszusammenhang mit späteren Einnahmen stehen; das kann grundsätzlich auch bei berufsbezogenen Bildungsmaßnahmen der Fall sein.
§ 9 EStG vor der Fassung des Beitreibungsrichtlinie-Umsetzungsgesetzes (–BeitrRLUmsG–) vom 7. Dezember 20112 hatte keine Sonderregelung zu Berufsausbildungskosten enthalten. Deshalb blieb für den Abzug von Berufsausbildungskosten als Werbungskosten entscheidend, ob die Aufwendungen einen hinreichend konkreten Veranlassungszusammenhang zur nachfolgenden auf die Erzielung von Einkünften gerichteten Berufstätigkeit aufweisen3.
§ 9 Abs. 6 EStG in der Fassung des BeitrRLUmsG bestimmt, dass Aufwendungen des Steuerpflichtigen für seine erstmalige Berufsausbildung oder für ein Erststudium, das zugleich eine Erstausbildung vermittelt, keine Werbungskosten sind, wenn diese Berufsausbildung oder dieses Erststudium nicht im Rahmen eines Dienstverhältnisses stattfindet. Entsprechendes regelt § 4 Abs. 9 EStG i.d.F. des BeitrRLUmsG für Betriebsausgaben. Nach § 52 Abs. 23d Satz 5 sowie § 52 Abs. 12 Satz 11 EStG i.d.F. des BeitrRLUmsG sind § 9 Abs. 6 sowie § 4 Abs. 9 EStG i.d.F. des BeitrRLUmsG für Veranlagungszeiträume ab 2004 anzuwenden.
Der Werbungskostenabzug ist gegenüber dem Abzug von Aufwendungen als Sonderausgaben vorrangig. Denn Aufwendungen des Steuerpflichtigen für seine Berufsausbildung sind nur dann Sonderausgaben, „wenn sie weder Betriebsausgaben noch Werbungskosten sind“. Das ist ein allgemeiner, für alle Sonderausgaben durch den Einleitungssatz zu § 10 Abs. 1 EStG normierter Grundsatz4. Dieser Einleitungssatz blieb auch durch das Beitreibungsrichtlinie-Umsetzungsgesetz unverändert. § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG steht deshalb dem Abzug der Berufsbildungskosten als Werbungskosten nach wie vor nicht entgegen.
Im Streitfall ist der Werbungskostenabzug weder durch § 9 Abs. 6 EStG noch durch § 12 Nr. 5 EStG, jeweils i.d.F. des BeitrRLUmsG, ausgeschlossen. Die mit dem Beitreibungsrichtlinie-Umsetzungsgesetz eingeführten Abzugsbeschränkungen stehen dem Abzug nicht entgegen, weil es sich bei der Ausbildung der Klägerin zur Verkehrsflugzeugführerin nicht um eine erstmalige Berufsausbildung i.S. der §§ 9 Abs. 6, 12 Nr. 5 EStG i.d.F. des BeitrRLUmsG handelt. Demgemäß sind die in der Höhe nicht streitigen Werbungskosten zu berücksichtigen sind und der bisher vom Finanzamt berücksichtigte Sonderausgabenabzug nach § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG in Höhe von 4.000 EUR ausscheidet.
Der Bundesfinanzhof hatte bereits5 zu dem im Gesetz nicht näher beschriebenen steuerrechtlichen Begriff der Berufsausbildung entschieden. An dieser Rechtsprechung hält der BFH fest. Berufsausbildung ist danach die Ausbildung zu einem künftigen Beruf. In Berufsausbildung befindet sich, wer sein Berufsziel noch nicht erreicht hat, sich aber ernstlich darauf vorbereitet. Der Vorbereitung auf ein Berufsziel dienen alle Maßnahmen, bei denen es sich um den Erwerb von Kenntnissen, Fähigkeiten und Erfahrungen handelt, die als Grundlage für die Ausübung des angestrebten Berufs geeignet sind. Gegenbegriff zur Berufsausbildung ist die Allgemeinbildung, die keine notwendige Voraussetzung für eine geplante Berufsausübung darstellt. Deshalb liegt eine Berufsausbildung im Sinne des Steuerrechts nicht nur vor, wenn der Steuerpflichtige im dualen System oder innerbetrieblich Berufsbildungsmaßnahmen durchläuft. Es ist auch kein Berufsausbildungsverhältnis nach dem Berufsbildungsgesetz oder eine Ausbildungsdauer von mindestens zwei Jahren erforderlich. Maßgeblich ist vielmehr, ob die Ausbildung den Steuerpflichtigen befähigt, aus der angestrebten Tätigkeit Einkünfte zu erzielen.
Nach Maßgabe dieser vorgenannten Rechtsgrundsätze hat die Klägerin mit ihrer Ausbildung zur Flugbegleiterin eine Berufsausbildung i.S. der §§ 9 Abs. 5, 12 Nr. 5 EStG i.d.F. des BeitrRLUmsG absolviert. Der Beruf des Flugbegleiters kann regelmäßig als Vollerwerbstätigkeit ausgeübt werden und befähigt zur Erzielung von Einkünften. Die Ausbildung der Klägerin war planmäßig ausgestaltet, an dem Ausbildungsziel des Flugbegleiters und der dazu erforderlichen Qualifikation ausgerichtet und schloss sogar mit einer firmeninternen Prüfung ab. Das Finanzgericht hat dazu festgestellt, dass die Klägerin im Rahmen ihrer sechsmonatigen Ausbildung diverse Schulungsmaßnahmen zu durchlaufen hatte. Dabei wurden sowohl theoretische als auch praktische Inhalte in Bezug auf die Tätigkeit als Flugbegleiterin umfassend vermittelt. Die Schulung umfasste danach sowohl das Sicherheitstraining für Notfallsituationen als auch die typische Arbeit im Servicebereich; die so erworbenen Kenntnisse und Qualifikationen wurden während der Ausbildung immer wieder überprüft. Die vom Finanzgericht auf Grundlage dieser Feststellungen getroffene Würdigung, dass die Klägerin berufsbezogen –nämlich im Hinblick auf ihre Tätigkeit als Flugbegleiterin– ausgebildet wurde, ist deshalb revisionsrechtlich in keiner Weise zu beanstanden.
Angesichts dessen kann für den Streitfall die Frage dahinstehen, ob die §§ 9 Abs. 6, 12 Nr. 5 EStG inhaltlich insbesondere mit Blick auf das objektive Nettoprinzip sowie hinsichtlich des für sie geltenden zeitlichen Anwendungsbereichs i.d.F. des BeitrRLUmsG, beschlossen durch Gesetz vom 07.12.2011, aber anwendbar ab dem Veranlagungszeitraum 2004, verfassungsrechtlichen Anforderungen genügten.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 28. Februar 2013 – VI R 6/12
- Fortführung der BFH-Rechtsprechung, vgl. BFH, Urteil vom 27.10.2011 – VI R 52/10, BFHE 235, 444, BStBl II 2012, 825[↩]
- BGBl I 2011, 2592[↩]
- vgl. BFH, Urteile vom 27.10.2011 – VI R 52/10, BFHE 235, 444, BStBl II 2012, 825; vom 28.07.2011 – VI R 38/10, BFHE 234, 279, BStBl II 2012, 561; jeweils m.w.N.[↩]
- BFH, Urteil in BFHE 234, 279, BStBl II 2012, 561[↩]
- BFH, Urteil in BFHE 235, 444, BStBl II 2012, 825, m.w.N.[↩]