Nach § 8 AO hat jemand einen Wohnsitz dort, wo er eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird. Ob diese Voraussetzungen gegeben sind, ist nach den objektiven Umständen zu beurteilen. Melderechtliche Angaben sind unerheblich.

Ein Umstand, der auf die Beibehaltung und Benutzung der Wohnung schließen lässt, ist die voraussichtliche Nutzungsdauer. Als Anhaltspunkt für die Beibehaltung und Nutzung ist regelmäßig auf die Sechsmonatsfrist des § 9 Satz 2 AO zurückzugreifen, da in dieser Frist zum Ausdruck kommt, ab welcher Zeitdauer ein Aufenthalt nicht mehr nur vorübergehend ist. Dies ist auch für § 8 AO maßgebend, weil eine nur vorübergehende Nutzung einer Wohnung keinen Wohnsitz begründet [1].
Bei von vornherein auf mehr als ein Jahr angelegten Auslandsaufenthalten reichen kurzzeitige Besuche und sonstige kurzfristige Aufenthalte zu Urlaubs‑, Berufs- oder familiären Zwecken, die nicht einem Aufenthalt mit Wohncharakter gleichkommen und daher nicht „zwischenzeitliches Wohnen“ in der bisherigen Wohnung bedeuten, nicht für die Annahme aus, der Inlandswohnsitz werde aufrechterhalten. Denn nicht nur die objektiven Wohnverhältnisse müssen die Möglichkeit eines längeren Wohnens bieten. Insbesondere darf die Anwesenheit im Inland nicht nur Besuchscharakter haben [2]. Die Beurteilung, ob objektiv erkennbare Umstände auf eine Beibehaltung und Nutzung der Wohnung schließen lassen, liegt weitgehend auf tatsächlichem Gebiet. Insoweit ist der BFH als Revisionsgericht gemäß § 118 Abs. 2 FGO an die vom Finanzgericht festgestellten Tatsachen und deren Würdigung durch das Finanzgericht gebunden. Er kann die Schlussfolgerungen des Finanzgericht nur auf Verstöße gegen die Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze hin überprüfen [3].
Bereits aus dem Gesetz ergibt sich, dass eine unbeschränkte Einkommensteuerpflicht nach § 1 Abs. 2 EStG nur bei deutschen Staatsangehörigen in Betracht kommt, die im Inland weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben und zu einer inländischen juristischen Person des öffentlichen Rechts in einem Dienstverhältnis stehen und Arbeitslohn aus einer inländischen öffentlichen Kasse beziehen. Ein Dienstverhältnis ist dabei anzunehmen, wenn der Angestellte (Beschäftigte) dem Arbeitgeber (öffentliche Körperschaft, Unternehmer, Haushaltsvorstand) seine Arbeitskraft schuldet (vgl. § 1 Abs. 2 LSTDV), d.h. wenn die tätige Person unter der Leitung des Arbeitgebers steht oder im geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers dessen Weisungen zu folgen verpflichtet ist.
Ebenso geklärt ist, dass eine Lehrkraft nicht gemäß § 1 Abs. 2 EStG unbeschränkt steuerpflichtig ist, wenn sich aus dem Gesamtbild der Verhältnisse ergibt, dass sie unter Fortfall ihrer Dienstbezüge vom inländischen Arbeitgeber beurlaubt und von einem ausländischen Schulträger angestellt ist, um an einer Schule im Ausland zu unterrichten [4].
Schließlich ist auch geklärt, dass eine Kindergeldberechtigung nach § 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG nur in Betracht kommt, wenn der Anspruchsteller aufgrund eines entsprechenden Antrags vom zuständigen Finanzamt nach § 1 Abs. 3 EStG als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt wurde [5]. Die Tatsache allein, dass im Einkommensteuerbescheid von einer unbeschränkten Steuerpflicht ausgegangen wurde, besagt nicht notwendigerweise, dass es sich um eine Behandlung nach § 1 Abs. 3 EStG gehandelt hat. Vielmehr kann einem solchen Bescheid z.B. auch eine –für die Familienkasse nicht bindende– unzutreffende Bejahung der Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 EStG zugrunde liegen.
Der Nachweis, dass das Finanzamt den Anspruchsteller nach § 1 Abs. 3 EStG behandelt hat, kann insbesondere dadurch geführt werden, dass sich dies unmittelbar aus dem Wortlaut oder Inhalt des Steuerbescheids selbst ergibt. Ist dies nicht der Fall, kommt es darauf an, ob der Anspruchsteller dem ihm gegenüber ergangenen Einkommensteuerbescheid nach den ihm im Laufe des Veranlagungsverfahrens bekannt gewordenen Umständen den Erklärungsgehalt beimessen konnte, dass es sich um eine Behandlung nach § 1 Abs. 3 EStG handelte.
Bundesfinanzhof, Beschluss vom 19. September 2013 – III B 53/13
- BFH, Urteil vom 22.08.2007 – III R 89/06, BFH/NV 2008, 351[↩]
- BFH, Urteil vom 23.11.2000 – VI R 107/99, BFHE 193, 558, BStBl II 2001, 294[↩]
- BFH, Urteil in BFH/NV 2008, 351[↩]
- BFH, Urteil vom 02.03.1988 – I R 96/84, BFHE 153, 215, BStBl II 1988, 768[↩]
- BFH, Urteil vom 24.05.2012 – III R 14/10, BFHE 237, 239, BStBl II 2012, 897[↩]