Kapitalzahlungen, die aufgrund eines Urteils des Familiengerichts an den früheren Ehegatten zur Abwendung des öffentlicht-rechtlichen Versorgungsausgleichs geleistet werden, stellen nach einem Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vorweggenommene Werbungskosten bei den Einkünften im Sinne des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa EStG dar.

Werbungskosten sind nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Sie sind bei der Einkunftsart abzuziehen, bei der sie erwachsen sind (§ 9 Abs. 1 Satz 2 EStG). Dies gilt auch dann, wenn die mit dem Aufwand zusammenhängenden Einnahmen noch nicht erzielt werden, jedoch ein ausreichend bestimmter Zusammenhang der Aufwendungen mit den künftigen Einnahmen besteht1.
Diese Voraussetzung ist im hier vom Niedersächsischen Finanzgericht entschiedenen Streitfall erfüllt. Da der Kläger in der Ehezeit höhere Anwartschaften auf eine nach § 1587a BGB a.F. auszugleichende Versorgung als seine Ehefrau erworben hatte, war er dieser gegenüber ausgleichspflichtig (§ 1587a Abs. 1 Satz 1 BGB a.F.). Zur Durchführung des Ausgleichs hätte das Familiengericht an sich Rentenanwartschaften in Höhe der Hälfte des Wertunterschieds auf die ausgleichsberechtigte Ehefrau übertragen müssen (sog. öffentlich-rechtlicher Versorgungsausgleich gemäß § 1587b Abs. 1 Satz 1 BGB a.F.). Diese Übertragung hätte zu einer entsprechenden Minderung der Rentenanwartschaften des Klägers geführt (§ 76 Abs. 1 SGB VI). Die aufgrund von § 1587b Abs. 4 BGB a.F. getroffene Anordnung des Familiengerichts, den öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich auszuschließen und den Kläger statt dessen zur Einzahlung eines Kapitalbetrags in eine von seiner Ehefrau abzuschließende private Rentenversicherung zu verpflichten, hatte zur Folge, dass diese Minderung unterblieb. Damit ist der für den Werbungskostenabzug erforderliche Zusammenhang der Zahlung mit künftigen Einnahmen des Klägers im Sinne des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa EStG gegeben2.
Dieser Beurteilung steht nicht entgegen, dass nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs3 Zahlungen, die ein Steuerpflichtiger für den Ausschluss eines schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs (§§ 1587f. ff BGB a.F.) leistet, nicht als Werbungskosten bei den ausgleichspflichtigen Einkünften abziehbar sind. Dies beruht auf der Erwägung, dass einem Steuerpflichtigen die von ihm erzielten Einkünfte auch dann in voller Höhe zuzurechnen sind, wenn er sie im Rahmen des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs wirtschaftlich mit dem geschiedenen Ehegatten teilen muss3. Hat die Durchführung des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs aber keine Minderung der steuerbaren Einkünfte des Ausgleichsverpflichteten zur Folge, kann eine für seinen Ausschluss geleistete Zahlung auch nicht der Erhaltung künftiger Einnahmen dienen. Im Streitfall war der Kläger seiner geschiedenen Ehefrau jedoch zu keinem Zeitpunkt zum schuldrechtlichen Versorgungsausgleich verpflichtet. Nach der familiengerichtlichen Anordnung stellt die von dem Kläger geleistete Zahlung vielmehr unmittelbar den Ausgleich für den Ausschluss des öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleichs dar, der zu einer Minderung seiner künftigen Einnahmen im Sinne des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa EStG geführt hätte.
Nach § 11 Abs. 2 Satz 1 EStG wirkt sich die von dem Kläger zur Erhaltung seiner Rentenanwartschaft geleistete Zahlung bereits im Abflussjahr in voller Höhe aus.
In der Vergangenheit hat der Bundesfinanzhof Aufwendungen zur Begründung einer Renten-anwartschaft zwar als Anschaffungskosten im Sinne des § 255 Abs. 1 des Handelsgesetzbuchs beurteilt, die jedenfalls nicht schon bei Zahlung steuerrechtlich berücksichtigt werden könnten4. Diese Rechtsprechung bezieht sich aber auf Renten, die in einen Zins- und Tilgungsanteil aufzuteilen sind, weil nur der in den laufenden Bezügen enthaltene Ertrag des Rentenrechts steuerbar ist (vgl. § 22 Nr. 1 Satz 3 Satz 1 Buchstabe a Doppelbuchstabe bb Satz 1 EStG). Für Renten aus den gesetzlichen Rentenversicherungen im Sinne des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa EStG kommt eine solche Aufteilung ab dem Veranlagungszeitraum 2005 jedoch nicht mehr in Betracht, weil mit dem Alterseinkünftegesetz5 der schrittweise Übergang zum System der nachgelagerten Besteuerung vollzogen wird, bei dem die Rentenbeiträge in voller Höhe als Vorsorgeaufwendungen abgezogen und die Rentenzahlungen in voller Höhe als sonstige Einkünfte erfasst werden. Damit sind Zahlungen, die an die gesetzlichen Rentenversicherungen zur Begründung von Rentenanwartschaften geleistet werden, ihrer Rechtsnatur nach Erwerbsaufwendungen6. Für Zahlungen, die wie im Streitfall der Erhaltung früher begründeter Rentenanwartschaften dienen, kann nichts anderes gelten.
Dass Beiträge zu den gesetzlichen Rentenversicherungen gleichwohl nicht als vorab ent-standene Werbungskosten bei den sonstigen Einkünften abgezogen werden können, beruht allein darauf, dass der Gesetzgeber die Altersvorsorgeaufwendungen durch § 10 Abs. 1 Nr. 2 EStG mit konstitutiver Wirkung den Sonderausgaben zugeordnet und damit eine Sonderregelung getroffen hat, die der in § 10 Abs. 1 Satz 1 EStG generell angeordneten Subsidiarität des Sonderausgabenabzugs gegenüber dem Werbungskostenabzug vorgeht7. Die von dem Kläger an seine geschiedene Ehefrau geleistete Zahlung fällt tatbestandsmäßig aber nicht unter § 10 Abs. 1 Nr. 2 EStG, so dass der Werbungskostenabzug nicht durch diese Vorschrift ausgeschlossen wird.
Auch der Umstand, dass der Kläger die künftigen Rentenzahlungen noch nicht in voller Höhe, sondern bei einem Rentenbeginn nach Erreichen der Regelaltersgrenze im Jahr 2025 (§ 235 Abs. 2 SGB VI) anfänglich nur zu 85%8 wird versteuern müssen, steht dem vollen Werbungskostenabzug nicht entgegen. Zwar dürfen nach § 3c Abs. 1 EStG Ausgaben nicht als Betriebsausgaben oder Werbungskosten abgezogen werden, soweit sie in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang mit steuerfreien Einnahmen stehen. Das anteilige Abzugsverbot bezieht sich aber nur auf Ausgaben im Zusammenhang mit Einnahmen, die unter eine Einkunftsart im Sinne des § 2 Abs. 1 EStG fallen und durch besondere Vorschrift von der Einkommensteuer befreit sind9. Renten aus den gesetzlichen Rentenversicherungen gehören nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa Satz 1 EStG aber nur insoweit zu den sonstigen Einkünften, als sie jeweils der Besteuerung unterliegen. Dieser Anteil ergibt sich für das Jahr des Rentenbeginns aus der Tabelle zu § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa Satz 3 EStG. Der danach nicht der Besteuerung unterliegende Anteil der Rente ist daher nicht steuerfrei, sondern von vornherein nicht steuerbar. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa Satz 4 EStG den Unterschiedsbetrag zwischen dem Jahresbetrag der Rente und dem der Besteuerung unterliegenden Anteil der Rente als „steuerfreien Teil der Rente“ bezeichnet. Angesichts der eindeutigen Fassung des Satzes 1 lässt sich daraus nicht der Schluss ziehen, dass es sich bei diesem Teil der Rente um steuerfreie Einnahmen im Sinne des § 3c Abs. 1 EStG handelt. Die Definition des steuerfreien Teils der Rente dient lediglich dazu, den nicht zu den Einkünften im Sinne des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa Satz 1 EStG gehörenden Teilbetrag der Rente grundsätzlich nach den Verhältnissen im Jahr des Rentenbeginns (§ 22 Nr. 1 Satz 3 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa Sätze 5 bis 7 EStG) betragsmäßig zu fixieren.
Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 16.02.2011 – 4 K 169/10
- BFH, Beschluss des Großen Senats vom 04.07.1990 GrS 1/89, BStBl. II 1990, 830; BFH, Urteile vom 11.01.2005 IX R 15/03, BStBl. II 2005, 477; und in BStBl. II 2006, 446[↩]
- ebenso bereits BFH, Urteil in BStBl. II 2006, 446 für eine von dem Ausgleichspflichtigen auf Grund einer Vereinbarung nach § 1587o BGB a.F. geleistete Zahlung zur Abwendung der Kürzung der Versorgungsbezüge im Sinne des § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG[↩]
- BFH, Urteil in BFH/NV 2010, 1807[↩][↩]
- BFH, Urteile vom 29.07.1986 – IX R 206/84, BStBl. II 1986, 747; vom 05.05.1993 – X R 128/90, BStBl. II 1993, 867[↩]
- vom 05.07.2004, BGBl. I S. 1427[↩]
- BFH, Urteil vom 09.12. 2009 X R 28/07, BStBl. II 2010, 348[↩]
- BFH, Urteil in BStBl. II 2010[↩]
- Tabelle zu § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa Satz 3 EStG[↩]
- BFH, Urteile vom 23.11.2000 – VI R 93/98, BStBl. II 2001, 199; vom 07.09. 2005 – I R 118/04, BFH/NV 2006, 152; vom 07.12. 2005 – I R 34/05, BFH/NV 2006, 1068[↩]