Eine Zweitausbildung setzt den Abschluss der ersten Ausbildung voraus. Vor diesem Abschluss – etwa bei parallel betriebenen Ausbildungen – kann einkommensteuerlich keine Zweitausbildung vorliegen.

Nach §§ 9 Abs. 6 i.V.m. 12 Nr. 5 EStG (in der Fassung des Beitreibungsrichtlinie-Umsetzungsgesetzes vom 7. Dezember 20111) dürfen Aufwendungen eines Steuerpflichtigen für seine erstmalige Berufsausbildung oder für sein Erststudium, das zugleich eine Erstausbildung vermittelt, nicht als Werbungskosten abgezogen werden, soweit diese nicht im Rahmen eines Dienstverhältnisses stattfinden.
Der steuerrechtliche Begriff der Berufsausbildung wird im Gesetz nicht definiert. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ist unter Berufsausbildung die Ausbildung zu einem künftigen Beruf zu verstehen. In Berufsausbildung befindet sich, wer sein Berufsziel noch nicht erreicht hat, sich aber ernstlich darauf vorbereitet. Der Vorbereitung auf ein Berufsziel dienen alle Maßnahmen, bei denen es sich um den Erwerb von Kenntnissen, Fähigkeiten und Erfahrungen handelt, die als Grundlage für die Ausübung des angestrebten Berufs geeignet sind2. Damit muss die Ausbildung berufsbezogen sein und eine Voraussetzung für eine geplante Berufsausbildung darstellen3. Gegenbegriff zur Berufsausbildung ist die Allgemeinbildung, die keine notwendige Voraussetzung für eine geplante Berufsausübung darstellt4.
Nach Auffassung des Bundesfinanzhofs – der sich das Finanzgericht Köln anschließt – liegt eine Berufsausbildung im Sinne des Steuerrechts nicht nur vor, wenn der Steuerpflichtige im dualen System oder innerbetrieblich Berufsbildungsmaßnahmen durchläuft. Ebenso wenig setzt der steuerrechtliche Begriff der Berufsausbildung ein Berufsausbildungsverhältnis nach dem Berufsbildungsgesetz und eine Ausbildungsdauer von mindestens zwei Jahren voraus. Maßgeblich ist vielmehr, ob die Ausbildung den Steuerpflichtigen befähigt, aus der angestrebten Tätigkeit Einkünfte zu erzielen2.
Dem entsprechend ist nach der gesetzlichen Neuregelung ein Erststudium ein Studium, welches zugleich eine erstmalige Berufsausbildung vermittelt5. Ziel des Studium muss es sein, den Studenten auf ein berufliches Tätigkeitsfeld vorzubereiten und ihm dafür die erforderlichen Fachkenntnisse, Fähigkeiten und Methoden zu vermitteln (vgl. § 7 HRG).
Die Berufsbezogenheit des Betriebswirtschaftsstudiums des Klägers mit dem Schwerpunkt Verkehrswissenschaft ist offensichtlich, da ihn das Studium dazu befähigte, einen betriebswirtschaftlich orientierten Beruf bevorzugt in einem Luftverkehrsunternehmen auszuüben. So dient das Studium der Betriebswirtschaft ausdrücklich dem Zweck, die fachlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Methoden zu vermitteln, die der Studierende unter Berücksichtigung der Anforderungen der Berufswelt benötigt (§ 14 Abs. 1 Satz 2 PrO BWL 2005).
In den bislang vom Bundesfinanzhof entschiedenen Fälle war die erste Berufsausbildung bzw. das Erststudium stets abgeschlossen6. Der Bundesfinanzhof konnte in seinem Urteil vom 18. Juni 2009 die Frage, ob ein nicht abgeschlossenes Studium die Voraussetzungen eines „Erststudiums“ erfülle, offen lassen, da die Klägerin zuvor eine Ausbildung zur Buchhändlerin abgeschlossen hatte. Das Niedersächsische Finanzgericht erkannte in seinem Urteil vom 3. November 2011 ein Erststudium der Klägerin in Weißrussland nicht an, welches dort ohne Abschlussprüfung geblieben war7. Ebenso qualifizierte das Finanzgericht Münster ein Medizinstudium des Klägers als Erststudium, nachdem dieser die Beamtenanwärterprüfung endgültig nicht bestanden hatte8. Auch die Finanzverwaltung fordert den berufsqualifizierenden Abschluss der ersten Berufsausbildung bzw. des Erststudiums9.
Im hier vom Finanzgericht Köln entschiedenen Streitfall liegt die Besonderheit darin, dass der Kläger zwar zu Beginn seiner weiteren Ausbildung zum Verkehrsflugzeugführer das vorangegangene Studium noch nicht durch die Diplomprüfung abgeschlossen hatte, der erfolgreiche Abschluss allerdings später tatsächlich eintrat. Der Kläger hat somit äußerst erfolgreich in kürzester Zeit zwei Berufsausbildungen abgeschlossen. Sein im Laufe des Betriebswirtschaftsstudiums entwickeltes Interesse am Thema Luftverkehr hat er in der Folge durch eine komprimierte Ausbildung zum Verkehrsflugzeugführer konkretisiert, so dass er nach Abschluss dieser Ausbildung als Pilot bei E angestellt wurde und bis heute daraus Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erzielt.
Allerdings begann der Kläger seine weitere Ausbildung zum Verkehrsflugzeugführer bereits vor dem förmlichen Abschluss seines Betriebswirtschaftsstudiums. Nach eigenen Angaben in seiner Einkommensteuererklärung ist der Kläger in 2007 noch an 80 Tagen zur Universität gefahren, also etwa 1 bis 2 Tage pro Woche. Von der Wahrheit dieser Angaben ausgehend, sieht das Finanzgericht darin ein Indiz, dass der Kläger bis zum Abschluss der Diplomprüfung im Studienbetrieb involviert war.
Den Vortrag des Klägers, vor dem Beginn der Ausbildung zum Piloten sämtliche Diplomprüfungen erbracht, seine Diplomarbeit erstellt und eingereicht und lediglich auf die Anerkennung der Studienleistungen während des Auslandssemesters und Korrektur der Diplomarbeit gewartet zu haben, als wahr unterstellt, führt dieser zu keiner anderen Beurteilung. Für die Abgrenzung zwischen erster Berufsausbildung bzw. Erststudium und zweiter Berufsausbildung im Rahmen des § 12 Nr. 5 EStG kommt es entscheidend auf den berufsqualifizierenden Abschluss der ersten Berufsausbildung bzw. des Erststudiums an. Entgegen der Ansicht des Klägers handelt es sich bei dem Abschluss des Betriebswirtschaftsstudiums durch die Diplomprüfung nicht lediglich um einen rein formalen Akt, sondern vielmehr um einen konstitutiven Vorgang. Die PrO BWL 2005 regelt, dass erst die Diplomprüfung den berufsqualifizierenden Abschluss des Studium bildet (§ 14 Abs. 1 Satz 1 PrO BWL 2005). Denn durch die Diplomprüfung soll festgestellt werden, ob der Student die für den Übergang in den Beruf notwendigen gründlichen Fachkenntnisse erworben hat, die Zusammenhänge der Prüfungsgebiete überblickt und die Fähigkeit besitzt, die Erkenntnisse und Methoden der Prüfungsfächer in selbständiger wissenschaftlicher Arbeit anzuwenden (§ 14 Abs. 2 PrO BWL 2005). Daher besteht die Diplomprüfung aus der Diplomarbeit und diversen Prüfungsleistungen aus den einzelnen Prüfungsfächern (§ 16 PrO BWL 2005). Erst nach erfolgreichem Bestehen der Prüfungen ist der Kläger befähigt, einen entsprechenden Beruf auszuüben und seiner Qualifikation gemäß entlohnt zu werden. Dabei ist der erfolgreiche Abschluss der Diplomprüfung kein Automatismus, denn die Diplomarbeit muss zunächst zumindest mit der Note „ausreichend“ bewertet werden, ebenso wie die Prüfungsleistungen in den Hauptseminaren, § 19 Abs. 1 PrO BWL 2005.
Der Bundesfinanzhof hat im Zusammenhang mit der Gewährung von Kindergeld unter den Voraussetzungen des § 32 Abs. 4 Nr. 2a EStG entschieden, dass ein Universitätsstudium regelmäßig erst in dem Zeitpunkt beendet ist, in dem eine nach dem einschlägigen Prüfungsrecht zur Feststellung des Studienerfolgs vorgesehene Prüfungsentscheidung ergangen ist. Demgemäß zählt sowohl die Vorbereitung auf die abschließende Diplomprüfung wie auch die Teilnahme an dieser Prüfung zur Berufsausbildung, sofern das Kind seine Ausbildung im Einzelfall ernsthaft und nachhaltig betreibt10. Erst die Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses schließt die Hochschulausbildung ab11. Im Hinblick auf die Einheitlichkeit der Rechtsordnung hält es das Finanzgericht für konsequent, diese Auslegung zur Beendigung eines Universitätsstudiums auch auf die Abgrenzung zwischen Erst- und Zweitausbildung i.S.d. § 12 Nr. 5 EStG n.F. zu übertragen.
Eine parallel zur ersten Berufsausbildung absolvierte weitere Ausbildung (z.B. zwei parallele Studiengänge, eine Berufsausbildung mit eingegliedertem Studium) stellt in der Gesamtschau einen Teil dieser dar. Der Wortlaut der Norm lässt hingegen eine zeitliche Abfolge zwischen den verschiedenen Ausbildungen erkennen. Die numerische Bezeichnung als erstmalige Berufsausbildung bzw. Erststudium – dem eine weitere Ausbildung folgt – setzt eine Beendigung der ersten Berufsausbildung bzw. des Studiums voraus. Auch der Gesetzgeber hatte eine solche zeitliche Abfolge vor Augen, in dem er in der Gesetzesbegründung ausführte, dass sich die gesetzliche Neuordnung an dem grundsätzlichen Ansatz des Bundesfinanzhofs orientiere, Aufwendungen für Bildungsmaßnahmen, die beruflich veranlasst sind und nach der ersten Berufsausbildung bzw. dem Erststudium stattfinden, zum Betriebsausgaben/Werbungskostenabzug zuzulassen. Dies sei der gesellschaftlichen Situation geschuldet, dass Bürger aus eigenem Antrieb einen Arbeitsplatzwechsel oder Berufswechsel vollzögen12. Dem liegt die Vorstellung zu Grunde, dass der Steuerpflichtige mit der ersten Ausbildung bzw. dem Studium in der Lage war, einen Beruf auszuüben, der später durch einen anderen Beruf ersetzt bzw. konkretisiert werden soll.
Da es im Streitfall an einem berufsqualifizierenden Abschluss des Studiums vor dem Beginn der weiteren Ausbildung zum Verkehrsflugzeugführer fehlt, können die streitigen Werbungskosten nicht anerkannt werden. Der Kläger hat beide Ausbildungen parallel absolviert, da die gesamte Berufsausbildung zum Verkehrsflugzeugführer bereits vor der letzten Diplomprüfung, somit während des Erststudiums, erfolgte.
Finanzgericht Köln, Urteil vom 22. Mai 2012 – 15 K 3413/09
- BGBl. – I 2011, 2592[↩]
- vgl. zuletzt BFH, Urteil vom 27.10.2011 – VI R 52/10, DStR 2011, 2454 unter II.03.a. m.w.N.[↩][↩]
- so Loschelder in: Schmidt, EStG, 31. Aufl.2012, § 12 Rn. 58, ebenso Urteil des Finanzgericht Köln vom 12.12.2011 7 K 3147/08, EFG 2012, 506 unter 4.b.[↩]
- vgl. BFH, Urteil vom 15.03.2007 – VI R 14/04, BStBl II 2007, 814 für den Erwerb von Deutschkenntnissen für in Deutschland lebende Ausländer[↩]
- Grundsatzentscheidung zu § 12 Nr. 5 EStG a.F.: BFH, Urteil vom 18.06.2009 – VI R 14/07, BStBl II 2010, 816 unter II.2.d.[↩]
- s. BFH, Urteile vom 18.06.2009 – VI R 14/07, BStBl II 2010, 816 – Ausbildung zur Buchhändlerin ; vom 18.06.2009 – VI R 79/06, juris – Ausbildung zum staatlich geprüften Wirtschaftsassistenten ; vom 27.10.2011 – VI R 52/10, BFH/NV 2012, 323 – Ausbildung zum Rettungssanitäter ; s. auch Urteil des Finanzgericht Köln vom 12.12.2001 7 K 3147/08, EFG 2012, 506 – Ausbildung zur Flugbegleiterin , Rev. – VI R 6/12[↩]
- Nds. FG, Urteil vom 03.11.2011 – 11 K 467/09, EFG 2012, 305, m. Anm. Korte, Rev. – VIII R 49/11[↩]
- FG Münster, Urteil vom 09.11.2011 – 2 K 862/09 F, EFG 2012, 504, Rev. – VI R 61/11[↩]
- vgl. BMF, Schreiben vom 22.09.2010 – IV C 4S 2227/07/10002:002, 2010/0416045, BStBl. I 2010, 721 Rz. 4, 6 u. 13[↩]
- vgl. BFH, Urteil vom 14.12.2004 – VIII R 44/04, BFH/NV 2005, 1039 unter II.1.a.[↩]
- so auch FG Düsseldorf, Urteil vom 07.05.1999 – 18 K 6966/98 Kg, DStRE 2000, 239[↩]
- zu § 12 Nr. 5 EStG a.F.: BT-Drs. 15/3339, S. 10[↩]