Die Kürzung gilt nur für die Seeschifffahrt. Binnenschifffahrtsunternehmen können die Begünstigung des § 9 Nr. 3 Satz 2 bis 5 GewStG 20021 nicht in Anspruch nehmen.

Den Tatbestand des § 9 Nr. 3 Satz 2 bis 5 GewStG 2002 erfüllen nur Handelsschiffe im internationalen Verkehr. Unter dieses Tatbestandsmerkmal fällt nur der Betrieb von Seeschiffen und nicht auch der Betrieb von Binnenschiffen2.
Bei isolierter Betrachtung und rein vom Wortsinn her ließen sich zwar unter den Begriff „Handelsschiffe“3 durchaus auch Binnenschiffe fassen. Unter Berücksichtigung der Gesetzesgeschichte und dem aus den Gesetzesmaterialien zu Willen des Gesetzgebers ist die Bezeichnung „Handelsschiffe im internationalen Verkehr“ jedoch durch ein auf Seeschiffe beschränktes Verständnis vorgeprägt, das auch für § 9 Nr. 3 Satz 2 bis 5 GewStG 2002 maßgeblich sein muss.
Im Einkommensteuergesetz wurde die Bezeichnung „Handelsschiffe im internationalen Verkehr“ bereits in den seit 1958 geltenden Fassungen der Tarifvorschrift des § 34c Abs. 4 EStG verwendet, die gemäß § 19a des Körperschaftsteuergesetzes 1958 ff. auch im Bereich der Körperschaftsteuer Anwendung fand. Obwohl jene Vorschrift zunächst noch keine dahingehende Definition enthielt, wurde sie vom Bundesfinanzhof dahin gedeutet, dass von ihr nur Einkünfte aus der internationalen Seeschifffahrt begünstigt werden sollten, die durch den Einsatz von Seeschiffen erzielt worden sind4. Zwar hatte der Bundesfinanzhof in jenem Urteil nur darüber zu entscheiden, ob auch der Veräußerungsgewinn aus dem Verkauf eines Seeschiffs tariflich begünstigt ist – und nicht über die Frage, ob auch der Betrieb anderer Schiffe als Seeschiffe privilegiert ist. Gleichwohl ist der Entscheidung zu entnehmen, dass der Bundesfinanzhof seinerzeit den Begriff der Handelsschiffe im internationalen Verkehr ausschließlich auf die Seeschifffahrt bezogen hat.
Die Neufassung des § 34c Abs. 4 EStG 1974 durch das Zweite Steueränderungsgesetz 1973 vom 18.07.19745 enthielt sodann in Satz 2 eine Legaldefinition, der zufolge Handelsschiffe im internationalen Verkehr betrieben werden, wenn eigene oder gecharterte Handelsschiffe (neben weiteren Voraussetzungen) in einem inländischen Seeschifffahrtsregister eingetragen sind und die Flagge der Bundesrepublik Deutschland führen. Die Beschränkung auf die Seeschifffahrt ist dadurch mithin in der Legaldefinition verankert worden.
Mit dem zuvor erwähnten Zweiten Steueränderungsgesetz 1973 ist zugleich im Gewerbesteuergesetz durch § 11 Abs. 4 und § 13 Abs. 3 GewStG 1974 eine hälftige Ermäßigung der Steuermesszahlen für den Gewerbeertrag und für das Gewerbekapital für diejenigen Unternehmen festgelegt worden, die den Betrieb von „Handelsschiffen im internationalen Verkehr“ zum Gegenstand haben. Diese Ermäßigung der Gewerbesteuer sollte für dieselben Unternehmen gelten, für die nach § 34c Abs. 4 EStG 1974 die Einkommensteuer zu ermäßigen war; der vom Gesetzgeber verfolgte Zweck der Ermäßigung der Gewerbesteuer war derselbe wie bei der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer6. Daher hat der BFH die in § 34c Abs. 4 Satz 2 EStG 1974 vorgesehene Beschränkung des Tatbestands auf Handelsschiffe, die in einem inländischen Seeschiffsregister eingetragen sind und die Flagge der Bundesrepublik Deutschland führen, auf § 11 Abs. 4 und § 13 Abs. 3 GewStG 1974 übertragen7, obwohl in deren Tatbeständen eine solche Beschränkung (noch) nicht ausdrücklich verankert war.
Auch in jenen Entscheidungen des Bundesfinanzhofs war zwar nicht Streitgegenstand, ob auch der Betrieb anderer Schiffe als Seeschiffe von der Begünstigung erfasst ist; es ging vielmehr darum, ob auch der Betrieb von im Ausland registrierten (See-)Schiffen bzw. der Betrieb von im Inland registrierten Schiffen zum Zwecke der Verbrennung von Chemikalien auf offener See begünstigt ist. Gleichwohl ist festzuhalten, dass der BFH die -im Bereich des § 34c Abs. 4 EStG 1974 mittlerweile durch Legaldefinition implementierte- Beschränkung des Begriffs der Handelsschiffe im internationalen Verkehr auf Seeschiffe ohne Weiteres auf die gewerbesteuerlichen Begünstigungsregeln übertragen hat.
Mit der Neufassung der § 11 Abs. 4 und § 13 Abs. 3 GewStG 1974 durch das Einführungsgesetz zum Körperschaftsteuerreformgesetz vom 06.09.19768 wurde die Beschränkung auf die Seeschifffahrt sodann auch in diesen Normen tatbestandsmäßig verankert. Denn danach sollte die Ermäßigung der Steuermesszahlen nach dem Gewerbeertrag und dem Gewerbekapital bei Unternehmen gelten, „soweit sie den Betrieb von Schiffen der in § 34c Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes bezeichneten Art zum Gegenstand haben“.
Die gewerbesteuerrechtlichen Vorschriften über die Ermäßigung der Steuermesszahlen für den Gewerbeertrag und für das Gewerbekapital für den Betrieb von Handelsschiffen im internationalen Verkehr (inzwischen § 11 Abs. 3 Nr. 2 und § 13 Abs. 3 GewStG 1991) wurden mit dem Gesetz zur Entlastung der Familien und zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für Investitionen und Arbeitsplätze (Steueränderungsgesetz 1992) vom 25.02.19929 mit Wirkung ab dem Erhebungszeitraum 1993 ersatzlos aufgehoben.
Mit dem Jahressteuergesetz 1997 wurde die streitbefangene Kürzungsregelung des § 9 Nr. 3 Satz 2 bis 5 GewStG 1991 n.F./1999/2002 geschaffen, mit der wiederum „Handelsschiffe im internationalen Verkehr“ begünstigt werden sollen. Die Bestimmung enthält -anders als die vormaligen § 11 Abs. 3 Nr. 2 und § 13 Abs. 3 GewStG 1991- in Satz 4 eine im Grundsatz eigenständige Definition dieses Tatbestandsmerkmals, die sich von derjenigen des seinerzeit noch geltenden § 34c Abs. 4 Satz 2 EStG 1990/1997 bzw. dem späteren § 5a Abs. 2 Satz 1 EStG 1997 n.F./2002 dadurch unterscheidet, dass die Eintragung der Handelsschiffe in einem inländischen Seeschiffsregister bzw. die Führung der Flagge der Bundesrepublik Deutschland nicht vorausgesetzt wird. Lediglich in Bezug auf die Einbeziehung der Vercharterung von Handelsschiffen verweist § 9 Nr. 3 Satz 5 GewStG 1991 n.F./1999/2002 auf die Regelungen in § 34c Abs. 4 Satz 3 EStG 1990/1997 bzw. § 5a Abs. 2 Satz 2 EStG 1997 n.F./2002.
Aus den aufgezeigten Fassungsunterschieden ist zwar zu folgern, dass die Kürzungsvorschrift des § 9 Nr. 3 Satz 2 bis 5 GewStG 1991 n.F./1999/2002 nicht nur für den Betrieb und die Vercharterung von in inländischen Schiffsregistern registrierten, sondern auch für den Betrieb und die Vercharterung unter ausländischer Flagge fahrender Handelsschiffe gilt10.
Das bedeutet jedoch nicht zugleich, dass sich die Definitionen der „Handelsschiffe im internationalen Verkehr“ auch darin unterscheiden, dass § 9 Nr. 3 Satz 2 bis 5 GewStG 1991 n.F./1999/2002 -anders als § 34c Abs. 4 Satz 2 EStG 1990/1997 bzw. § 5a Abs. 2 Satz 1 EStG 1997 n.F./2002 und die vormaligen § 11 Abs. 3 Nr. 2 und § 13 Abs. 3 GewStG 1991- nicht nur für die Seeschifffahrt, sondern auch für andere Schifffahrtszweige, mithin auch für die Binnenschifffahrt, gilt. Vielmehr handelt es sich bei allen genannten Begünstigungsvorschriften um solche ausschließlich zugunsten der inländischen Seeschifffahrtsunternehmen.
Für § 9 Nr. 3 Satz 2 bis 5 GewStG 1991 n.F./1999/2002 ergibt sich der diesbezügliche (eindeutige) Wille des Gesetzgebers aus den Gesetzesmaterialien. Die Begünstigung wurde als Ausgleich für den vorgesehenen Wegfall der Sonderabschreibungen auf Handelsschiffe eingeführt und basiert auf einem Vorschlag des Finanzausschusses des Deutschen Bundestags. In der Begründung heißt es, der Vorschlag solle dazu dienen, „bei im Inland ansässigen Seeschiffahrtsunternehmen den im Ausland erwirtschafteten Gewerbeertrag von der Gewerbeertragsteuer zu befreien. Damit wird eine nach Auffassung der Ausschußmehrheit systemwidrige Belastung inländischer Seeschiffahrtsunternehmen beseitigt“11. Die damalige Gruppe der PDS im Deutschen Bundestag hat die Regelung gerade mit der Begründung abgelehnt, es müsse auch eine entsprechende Regelung für die Binnenschifffahrt überlegt werden, weil diese ebenfalls häufig im grenzüberschreitenden Verkehr tätig sei12.
Der sonach klar zu Wille des Gesetzgebers ist im Rahmen der Auslegung des § 9 Nr. 3 Satz 2 bis 5 GewStG 1991 n.F./1999/2002 zu berücksichtigen. Dem stehen die vom Finanzgericht und von der Klägerin herangezogenen Grundsätze, nach denen Gesetze nicht gegen ihren Wortlaut ausgelegt werden dürfen und der Wille eines am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Organs nur berücksichtigt werden darf, wenn er einen objektivierten Niederschlag im Gesetz gefunden hat13, nicht entgegen. Denn angesichts des dargelegten, über Jahrzehnte tradierten, auf die Seeschifffahrt bezogenen Verständnisses des in verschiedenen Gesetzen und Gesetzesfassungen verwendeten Begriffs der „Handelsschiffe im internationalen Verkehr“ widerspricht eine dahingehende Auslegung auch des § 9 Nr. 3 Satz 2 bis 5 GewStG 1991 n.F./1999/2002 nicht dem Gesetzeswortlaut, sondern ist eine mit dem dadurch vorgeprägten Wortsinn zu vereinbarende Auslegungsvariante14.
Auch weitere Argumente führen nicht zu einem abweichenden Auslegungsergebnis.
Der Umstand, dass im Rahmen der Definition des Betriebs von Handelsschiffen im internationalen Verkehr durch § 5a Abs. 2 Satz 1 EStG 1997 n.F./2002 erstmals ausdrücklich von „eigene(n) oder gecharterte(n) Seeschiffe(n)“ die Rede ist, während § 9 Nr. 3 Satz 4 GewStG 1991 n.F./1999/2002 -wie auch der vormalige § 34c Abs. 4 Satz 2 EStG i.d.F. seit dem Zweiten Steueränderungsgesetz 1973- noch den Ausdruck „Handelsschiffe“ verwendet, ist für die Auslegung von § 9 Nr. 3 Satz 4 GewStG 1991 n.F./1999/2002 nicht maßgeblich. Denn die Tonnagebesteuerung nach § 5a EStG 1997 n.F. wurde mit dem Seeschiffahrtsanpassungsgesetz vom 09.09.1998 erst ca. zwei Jahre nach Schaffung des § 9 Nr. 3 Satz 2 bis 5 GewStG 1991 n.F. eingeführt. Es kann daher nicht angenommen werden, dass der Gesetzgeber sich mit der Definition in § 9 Nr. 3 Satz 4 GewStG 1991 n.F. bewusst von der einkommensteuerrechtlichen Definition hat absetzen wollen, um den Anwendungsbereich der gewerbesteuerlichen Kürzungsregeln über den Bereich der Seeschifffahrtsunternehmen hinaus auszudehnen.
Der Gesetzeszweck des § 9 Nr. 3 Satz 2 bis 5 GewStG 2002 erfordert nicht zwingend die Einbeziehung der Binnenschifffahrtsbetriebe in den Anwendungsbereich der gewerbesteuerlichen Kürzung. Allerdings soll die Regelung nach der oben zitierten Gesetzesbegründung dazu dienen, eine „systemwidrige Belastung“ inländischer Seeschifffahrtsbetriebe zu beseitigen11. Es handelt sich demzufolge in den Augen des Gesetzgebers nicht -wie bei § 34c Abs. 4 EStG 1990/1997 sowie § 11 Abs. 3 Nr. 2 und § 13 Abs. 3 GewStG 1991- um einen reinen Subventionstatbestand, sondern es wird damit -jedenfalls nach offizieller Lesart- auch ein den strukturellen Inlandsbezug der Gewerbesteuer betreffendes rechtssystematisches Anliegen verfolgt15, welches in ähnlicher Weise auch zur Rechtfertigung einer gewerbesteuerlichen Kürzung im Zusammenhang mit der grenzüberschreitenden Binnenschifffahrt verwendet werden könnte.
Gleichwohl hat die Vorschrift -zumindest auch- die Funktion einer steuerlichen Förder- oder Lenkungsnorm. Denn die vorgebliche Systemwidrigkeit der Einbeziehung durch Betätigungen im Ausland erzielter Erträge -die aber keiner ausländischen Betriebsstätte zugeordnet werden können- in die Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer würde auch bei weitest denkbarer Auslegung des § 9 Nr. 3 Satz 2 bis 5 GewStG 2002 auf den gesamten Bereich der gewerblichen Schifffahrt nur für diesen bestimmten Unternehmenssektor beseitigt, nicht aber für alle anderen Unternehmenszweige außerhalb des Schifffahrtsbereichs, bei denen ebenfalls vergleichbare Konstellationen auftreten können. Von daher lässt sich nicht sagen, dass der Gesetzgeber mit § 9 Nr. 3 Satz 2 bis 5 GewStG 1991 n.F./1999/2002 die vorgebliche Systemwidrigkeit von Grund auf hat beseitigen wollen und somit zwingend auch die grenzüberschreitende Binnenschifffahrt in den Kreis der von der Kürzung Begünstigten aufzunehmen ist.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 10. August 2016 – I R 60/14
- i.d.F. des JStG 2007[↩]
- ebenso Güroff in Glanegger/Güroff, GewStG, 8. Aufl., § 9 Nr. 3 Rz 6a; Schnitter in Frotscher/Drüen, a.a.O., § 9 GewStG Rz 168; Blümich/Gosch, § 9 GewStG Rz 223; tendenziell auch Roser in Lenski/Steinberg, Gewerbesteuergesetz, § 9 Nr. 3 Rz 23[↩]
- i.S. von einem in der gewerblichen Schifffahrt eingesetzten Schiff[↩]
- BFH, Urteil vom 21.12 1965 – IV 157/65 U, BFHE 84, 255, BStBl III 1966, 93[↩]
- BGBl I 1974, 1489, BStBl I 1974, 521[↩]
- BFH, Urteil vom 27.10.1977 – IV R 85/76, BFHE 123, 568, BStBl II 1978, 113, unter Verweis auf BT-Drs. 7/1871, S. 5; BFH, Beschluss vom 28.03.1984 – I S 17/83, BFHE 141, 24, BStBl II 1984, 566[↩]
- BFH, Urteil in BFHE 123, 568, BStBl II 1978, 113; BFH, Beschluss in BFHE 141, 24, BStBl II 1984, 566[↩]
- BGBl I 1976, 2641, BStBl I 1976, 476[↩]
- BGBl I 1992, 297, BStBl I 1992, 146[↩]
- vgl. Blümich/Gosch, § 9 GewStG Rz 226; Schnitter in Frotscher/Drüen, a.a.O., § 9 GewStG Rz 166[↩]
- BT-Drs. 13/5952, S. 35[↩][↩]
- BT-Drs. 13/5952, S. 35 f.[↩]
- vgl. z.B. BVerfG, Beschluss vom 16.01.1980 – 1 BvR 249/79, BVerfGE 53, 135; BFH, Urteil vom 22.12 2010 – I R 110/09, BFHE 232, 415, BStBl II 2014, 119; BFH, Urteil vom 14.11.1972 – VIII R 22/68, BFHE 108, 65, BStBl II 1973, 182[↩]
- vgl. auch BFH, Beschluss vom 27.07.2015 – GrS 1/14, BFHE 251, 408, BStBl II 2016, 265, Rz 68 zur Vorprägung des Tatbestandsmerkmals „Arbeitszimmer“ in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG 2002 durch die vorangegangene Rechtsprechung[↩]
- vgl. dazu auch BFH, Urteile vom 26.09.2013 – IV R 45/11, BFHE 243, 367, BStBl II 2015, 296; und vom 26.06.2014 – IV R 10/11, BFHE 246, 76, BStBl II 2015, 300[↩]