Die nicht am Gesellschaftsvermögen einer Zebragesellschaft beteiligte Komplementärin – und die erweiterte Kürzung des Gewerbeertrags

Die Beteiligung einer GmbH als Komplementärin an einer grundbesitzverwaltenden, nicht gewerblich geprägten Kommanditgesellschaft (Zebragesellschaft) ist keine Verwaltung und Nutzung eines nach § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO zuzurechnenden eigenen Grundbesitzes und berechtigt nicht zur erweiterten Kürzung des Gewerbeertrags (§ 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG), wenn die GmbH am Vermögen der Zebragesellschaft nicht beteiligt ist. Die Komplementär-GmbH nutzt insofern fremden Grundbesitz.

Die nicht am Gesellschaftsvermögen einer Zebragesellschaft beteiligte Komplementärin – und die erweiterte Kürzung des Gewerbeertrags

Übernimmt eine GmbH, in deren Gesellschaftsvermögen sich neben Grundbesitz und gegebenenfalls Kapitalvermögen auch Beteiligungen an vermögensverwaltenden, nicht gewerblich geprägten Personengesellschaften befinden, ohne Vermögensbeteiligung, aber gegen Haftungsvergütung die Komplementärhaftung in einer KG, stellt jedenfalls die Nutzung des Absicherungspotentials ihres Beteiligungsvermögens eine für die erweiterte Kürzung schädliche Nebentätigkeit dar.

Kapitalgesellschaften – wie die Komplementär-GmbH – sind kraft ihrer Rechtsform gewerbesteuerpflichtig (§ 2 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 GewStG). Besteuerungsgrundlage für die Gewerbesteuer ist der Gewerbeertrag (§ 6 GewStG), d.h. der nach dem Einkommensteuergesetz (EStG) oder Körperschaftsteuergesetz ermittelte Gewinn, vermehrt und vermindert um die in § 8 und § 9 GewStG genannten Beträge (§ 7 GewStG). Gemäß § 9 Nr. 1 Satz 1 Halbsatz 1 GewStG wird die Summe des Gewinns und der Hinzurechnungen gemäß § 8 GewStG um 1, 2 % des Einheitswerts des zum Betriebsvermögen des Unternehmers gehörenden und nicht von der Grundsteuer befreiten Grundbesitzes gekürzt. Auf Antrag tritt gemäß § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG an Stelle der Kürzung nach Satz 1 bei Unternehmen, die ausschließlich eigenen Grundbesitz oder neben eigenem Grundbesitz eigenes Kapitalvermögen verwalten und nutzen oder daneben Wohnungsbauten betreuen oder bestimmte Immobilien errichten und veräußern, die Kürzung um den Teil des Gewerbeertrags, der auf die Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes entfällt.

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Eigener Grundbesitz wird i.S. des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG verwaltet und genutzt, wenn er zum Zweck der Fruchtziehung aus zu erhaltender Substanz eingesetzt wird. Dies kann durch Gebrauchsüberlassung in Gestalt der Vermietung oder Verpachtung1 oder durch eine land- und forstwirtschaftliche Bewirtschaftung2 erfolgen. Der eigene Grundbesitz kann auch durch die Nutzung des Absicherungspotentials für fremde Schuld (z.B. durch die Belastung eines eigenen Grundstücks mit einer Grundschuld oder einer Hypothek zur Absicherung eines von einem Dritten aufgenommenen Darlehns) gegen Entgelt eingesetzt werden3, jedenfalls sofern die Sicherheitengestellung für fremde Schuld die Grenze zur Gewerblichkeit nicht überschreitet4. Zur Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes können nach Auffassung des VIII. Senats des Bundesfinanzhofs im Urteil in BFHE 213, 5, BStBl II 2006, 434 unter bestimmten Voraussetzungen auch Bürgschaften und Schuldmitübernahmen zugunsten Dritter zählen, wenn diese ihre Werthaltigkeit nur aus Grundbesitz erfahren und sie nur aus Grundbesitz realisiert werden können4.

Im Beschluss des Großen Senats des Bundesfinanzhofs vom 25.09.20185 wurde auch die zur Entstehung einer sog. Zebragesellschaft führende Beteiligung einer nur wegen ihrer Rechtsform der Gewerbesteuer unterliegenden Gesellschaft an einer grundbesitzverwaltenden, nicht gewerblich geprägten Personengesellschaft als Form der Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes anerkannt; das BFH-Urteil vom 19.10.20106 ist damit insoweit überholt.

Ist eine nur wegen ihrer Rechtsform der Gewerbesteuer unterliegende GmbH an einer grundbesitzverwaltenden, nicht gewerblich geprägten KG jedoch -anders als im Fall des Beschlusses des Großen Senats des Bundesfinanzhofs in BFHE 263, 225, BStBl II 2019, 262- ohne Vermögensbeteiligung beteiligt und übernimmt sie als Komplementärin gegen Entgelt die volle Haftung, verwaltet und nutzt sie nicht nur eigenen Grundbesitz und daneben allenfalls eigenes Kapitalvermögen i.S. des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG.

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Ein Unternehmen, das einen Anteil an einer nicht gewerblich geprägten KG, OHG oder einer GbR hält, verwaltet und nutzt insoweit eigenen Grundbesitz i.S. des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG (nur) in dem Umfang, in dem ihm der im Eigentum einer derartigen Gesellschaft stehende Grundbesitz gemäß § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO steuerrechtlich als sein Betriebsvermögen zuzurechnen ist7. Ist einem Gesellschafter mangels Vermögensbeteiligung kein Bruchteil des Grundbesitzes der vermögensverwaltenden Personengesellschaft zuzurechnen, partizipiert er an der Verwaltung und Nutzung des gemäß § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO nur den anderen, nämlich den am Gesellschaftsvermögen beteiligten Gesellschaftern zuzurechnenden Grundbesitzes8. Beruht das Entgelt (z.B. ein Gewinnvorab) für die Übernahme der Komplementärstellung auf dem Gesellschaftsvertrag9, handelt es sich deshalb insoweit um einen Ertrag aus der Verwaltung und Nutzung fremden Grundbesitzes.

Wird das Entgelt aufgrund eines neben den Gesellschaftsvertrag tretenden schuldrechtlichen Vertrags gezahlt10 und die Haftung für fremde Schuld nicht auf bestimmte Vermögensgegenstände beschränkt (z.B. durch Bestellung einer Sicherungsgrundschuld an einem Grundstück zur Absicherung eines von einem Dritten aufgenommenen Kredits), sondern auf das gesamte Vermögen bezogen, wird das „Haftungsentgelt“ bzw. die „Avalgebühr“ nur dann durch die Nutzung des Absicherungspotentials des Grundbesitzes (und gegebenenfalls daneben des Kapitalvermögens) erzielt, wenn das Vermögen ausschließlich aus Grundbesitz (und daneben Kapitalvermögen) besteht. Ist das nicht der Fall, liegt keine für die erweiterte Kürzung gemäß § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG erforderliche ausschließliche Nutzung von Grundbesitz (und gegebenenfalls Kapitalvermögen) vor.

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Der Bundesfinanzhof geht insbesondere nicht davon aus, dass die Nutzung des Absicherungspotentials von Beteiligungsvermögen für fremde Schuld gemäß oder analog § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO eine Nutzung des Sicherungspotentials eigenen Grundbesitzes (und Kapitalvermögens) darstellt, wenn es sich um Beteiligungen an rein grundbesitzverwaltenden Personengesellschaften handelt. Regelmäßig verfügen solche Gesellschaften neben Grundbesitz und Kapitalvermögen auch über mit in die Haftungsmasse fallende andere Vermögensgegenstände, z.B. ein Firmenfahrzeug oder Büroausstattung. Aber selbst wenn in deren Gesellschaftsvermögen ausschließlich Grundbesitz (und daneben allenfalls Kapitalvermögen) enthalten wäre, scheidet eine Gleichstellung der Nutzung des Absicherungspotentials von solchem Beteiligungsvermögen mit der Nutzung des Sicherungspotentials des eigenen Grundbesitzes (und Kapitalvermögens) aus. Denn das gesellschaftsrechtlich gebundene Grund- und Kapitalvermögen ist nicht unmittelbar verwertbar. § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO ist eine steuerrechtliche Zurechnungsnorm. Sie bewirkt nicht auf der Ebene des Zivilrechts, dass Gläubiger eines Gesellschafters auf diesem anteilig zuzurechnende Einzelwirtschaftsgüter des Gesellschaftsvermögens zugreifen können. Eine Nutzung des Absicherungspotentials von „Grundbesitz“ liegt somit nicht vor, wenn Beteiligungen als Haftungsmasse zur Verfügung gestellt werden.

Liegt ein Verstoß gegen den Ausschließlichkeitsgrundsatz vor, weil durch eine bestimmte Tätigkeit nicht nur eigener Grundbesitz und daneben allenfalls eigenes Kapitalvermögen verwaltet und genutzt werden, führt dies regelmäßig zum Verlust der erweiterten Kürzung des Gewerbeertrags gemäß § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG. Eine derartige Nebentätigkeit ist jedoch ausnahmsweise unschädlich, wenn sie zwingend notwendiger Teil einer wirtschaftlich sinnvoll gestalteten eigenen Grundstücksverwaltung und -nutzung ist11 oder wenn es sich um eine der in § 9 Nr. 1 Sätze 2 und 3 GewStG ausdrücklich erlaubten Tätigkeiten handelt.

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Nach diesen Grundsätzen steht der Komplementär-GmbH in dem hier vom Bundesfinanzhof entschiedenen Streitfall die erweiterte Kürzung des Gewerbeertrags gemäß § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG nicht zu. Dies gilt unabhängig davon, ob die entgeltliche Haftung aufgrund des Gesellschaftsvertrags erfolgt ist, wie die Komplementär-GmbH vorträgt, oder ob ein die entgeltliche Haftungsübernahme betreffendes schuldrechtliches Vertragsverhältnis zwischen der Komplementär-GmbH und der KG bestand.

Folgt man dem Vortrag der Komplementär-GmbH, wonach sie die Haftungsvergütung nur aufgrund des Gesellschaftsvertrags erhalten habe, bezog sie das Entgelt nach den oben genannten Grundsätzen für die Verwaltung und Nutzung fremden Grundbesitzes. Denn gemäß § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO ist der Grundbesitz der KG nur denjenigen Gesellschaftern zuzurechnen, die am Betriebsvermögen beteiligt waren12. Da die Komplementär-GmbH am Vermögen der KG nicht beteiligt war, wurde das für die Übernahme der Komplementärstellung und der damit verbundenen Haftung gezahlte Entgelt aus dem für die Komplementär-GmbH fremden Grundbesitz erwirtschaftet.

Nimmt man dagegen an, dass das Entgelt für die Bereitstellung von Absicherungspotential aufgrund eines neben den Gesellschaftsvertrag tretenden schuldrechtlichen Vertrags bezogen wurde, so hätte es die Komplementär-GmbH nach den oben dargestellten Grundsätzen gleichfalls nicht ausschließlich aus der Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes und Kapitalvermögens erzielt. Denn sie nutzte für Haftungszwecke nicht nur ihr Grund- und Kapitalvermögen, sondern ihr gesamtes Vermögen einschließlich ihres Beteiligungsvermögens. Dies hält der Bundesfinanzhof, wie ausgeführt, für schädlich. Insoweit (und in weiteren Punkten) unterscheidet sich der Streitfall vom Fall des Bundesfinanzhofs, Urteils in BFHE 213, 5, BStBl II 2006, 434.

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In keiner der in Betracht kommenden Sachverhaltsalternativen lag im Streitfall eine begünstigungsunschädliche Nebentätigkeit vor. Das Finanzgericht hat festgestellt, dass die Haftungsübernahme kein zwingend notwendiger Teil einer wirtschaftlich sinnvoll gestalteten eigenen Grundstücksverwaltung und -nutzung11 war, weil die Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes der Komplementär-GmbH zu etwa gleichen Bedingungen auch ohne dieses Nebengeschäft hätte durchgeführt werden können. Soweit es um den Grundbesitz im Gesellschaftsvermögen der KG geht, scheidet eine eigene Grundbesitzverwaltung bereits deshalb aus, weil dieser der Komplementär-GmbH mangels Vermögensbeteiligung nicht (anteilig) zuzurechnen ist.

Weder eine entgeltliche Übernahme der Vollhaftung bei der KG aufgrund Gesellschaftsvertrags noch eine Übernahme der Haftung gegen Entgelt auf schuldrechtlicher Basis erfüllen einen der in § 9 Nr. 1 Sätze 2 und 3 GewStG ausdrücklich genannten Tatbestände einer erlaubten, für die erweiterte Kürzung unschädlichen Nebentätigkeit.

Dabei hat der Bundesfinanzhof dem Umstand keine Bedeutung beigemessen, dass die Komplementär-GmbH für die Haftungsübernahme nur eine vergleichsweise geringe Vergütung erhalten hat. Vom Ausschließlichkeitsgebot sind auch in Bagatellfällen keine Ausnahmen wegen Geringfügigkeit oder des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (Art.20 Abs. 3 des Grundgesetzes) geboten13.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 20. April 2023 – III R 53/20

  1. vgl. z.B. BFH, Urteile vom 22.10.2020 – IV R 4/19, BFHE 270, 529, BStBl II 2022, 87, Rz 19; und vom 14.07.2016 – IV R 34/13, BFHE 255, 12, BStBl II 2017, 175[]
  2. BFH, Urteil vom 13.08.1997 – I R 61/96, BFHE 184, 108, BStBl II 1998, 270, Rz 14[]
  3. vgl. BFH, Urteile vom 17.01.2006 – VIII R 60/02, BFHE 213, 5, BStBl II 2006, 434, Rz 23, und in BFHE 184, 108, BStBl II 1998, 270, Rz 14; Wendt in Finanz-Rundschau 2006, 554, 557[]
  4. BFH, Urteil in BFHE 213, 5, BStBl II 2006, 434, unter II. 1.c dd[][]
  5. BFH, Beschluss vom 25.09.2018 – GrS 2/16, BFHE 263, 225, BStBl II 2019, 262[]
  6. BFH, Urteil vom 19.10.2010 – I R 67/09, BFHE 232, 194, BStBl II 2011, 367[]
  7. BFH (GrS), Beschluss in BFHE 263, 225, BStBl II 2019, 262, Rz 74 f., 108 ff.; anders gemäß BFH, Urteil vom 27.06.2019 – IV R 44/16, BFHE 265, 371, BStBl II 2020, 24, Rz 18, bei der gewerblich geprägten Personengesellschaft, da § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO dann von § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 Halbsatz 1 EStG verdrängt wird[]
  8. vgl. BFH (GrS), Beschluss in BFHE 263, 225, BStBl II 2019, 262[]
  9. s. dazu BFH, Urteil vom 07.04.1987 – IX R 103/85, BFHE 150, 124, BStBl II 1987, 707, unter 1.b und 3.b[]
  10. s. dazu BFH, Urteil in BFHE 150, 124, BStBl II 1987, 707, unter 1.b und 3.a[]
  11. vgl. z.B. BFH, Urteil in BFHE 270, 529, BStBl II 2022, 87, Rz 23, m.w.N.[][]
  12. BFH (GrS), Beschluss in BFHE 263, 225, BStBl II 2019, 262, Rz 74 f., 108 ff.[]
  13. vgl. BFH, Urteile vom 29.06.2022 – III R 19/21, BFHE 277, 416, BStBl II 2023, 84; und vom 01.06.2022 – III R 3/21, DStR 2022, 2146, Rz 25 ff.[]
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