Im Rahmen einer normspezifischen Auslegung der Begriffe „Überführung“ bzw. „Übertragung“ in § 9 Nr. 1 Satz 5 Nr. 2 GewStG sind die Wertungen des § 4 Abs. 2 Satz 3 UmwStG 2006 einzubeziehen. Liegen die Voraussetzungen des § 4 Abs. 2 Satz 3 UmwStG 2006 vor, ist für die Frage, wann der betreffende Grundbesitz i.S. des § 9 Nr. 1 Satz 5 Nr. 2 Halbsatz 2 GewStG in das Betriebsvermögen des aufdeckenden Gewerbebetriebs (als übernehmende Gesellschaft) „überführt“ oder „übertragen“ worden ist, auf den Zeitpunkt abzustellen, zu dem er in das Betriebsvermögen der übertragenden Gesellschaft gelangt ist.

In dem hier vom Bundesfinanzhof entschiedenen Rechtsstreit ist das Finanzgericht Köln erstinstanzlich zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass die Gesellschaft im Streitjahr die Voraussetzungen des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG erfüllt hat, also ein Unternehmen war, das ausschließlich eigenen Grundbesitz oder neben eigenem Grundbesitz eigenes Kapitalvermögen verwaltet und genutzt hat1.
Die ursprünglich als KG errichtete Gesellschaft ist in den gesetzlich zugelassenen zeitlichen Grenzen (§ 25 Satz 2 i.V.m. § 9 Satz 3 UmwStG 2006) rückwirkend auf den 31.12.2010, 24:00 Uhr in eine GmbH formgewechselt worden. Nach § 25 Satz 1 i.V.m. § 20 Abs. 5 UmwStG 2006 waren deshalb das Einkommen und das Vermögen des Einbringenden (hier: der KG) und der übernehmenden Gesellschaft (hier: der entstehenden GmbH) auf Antrag so zu ermitteln, als ob das eingebrachte Betriebsvermögen mit Ablauf des steuerlichen Übertragungsstichtags auf die Übernehmerin übergegangen wäre. Dies gilt, wie sich aus § 20 Abs. 5 Satz 2 UmwStG 2006 ergibt, grundsDamit waren der Gesellschaft, obwohl sie erst im Verlauf des Streitjahres entstanden ist, die Vermietungen der vormaligen KG bezogen auf den Grundbesitz in – X für die Zeit vom 01.01. bis einschließlich 14.03.2011 und bezogen auf den Grundbesitz in Y seit dem 11.03.2011 (jeweils Übergang bzw. Erwerb von Nutzen und Lasten) zuzurechnen. Die Gesellschaft erfüllt daher aufgrund der nach § 25 Satz 1 UmwStG 2006 entsprechend geltenden Fiktion des § 20 Abs. 5 UmwStG 2006 gleichermaßen qualitativ, quantitativ und auch zeitlich die Voraussetzung der ausschließlichen Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes, weil eine zeitliche „Lücke“, in der nur Kapitalvermögen verwaltet worden sein könnte, nicht besteht.
Nach § 9 Nr. 1 Satz 5 Nr. 2 GewStG gilt Satz 2 der Regelung nicht, soweit der Gewerbeertrag Gewinne aus der Aufdeckung stiller Reserven aus Grundbesitz enthält, der innerhalb von drei Jahren vor der Aufdeckung der stillen Reserven zu einem unter dem Teilwert liegenden Wert in das Betriebsvermögen des aufdeckenden Gewerbebetriebs überführt oder übertragen worden ist, und soweit diese Gewinne auf bis zur Überführung oder Übertragung entstandene stille Reserven entfallen. Das Finanzgericht ist im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, dass die Tatbestandsvoraussetzungen des § 9 Nr. 1 Satz 5 Nr. 2 GewStG im Streitfall nicht vorliegen, so dass der Satz 2 der Vorschrift zur Anwendung gelangt.
Der Gewerbeertrag der Gesellschaft enthält zunächst bezogen auf das Streitjahr einen Gewinn aus der veräußerungsbedingten Aufdeckung stiller Reserven aus Grundbesitz, da sie im Rahmen des vorgenommenen Formwechsels und bezogen auf das Grundstück in – X den Buchwert nach § 25 Satz 1 i.V.m. § 20 Abs. 2 Satz 2 UmwStG 2006 fortgeführt hatte, der unstreitig unter dem Teilwert lag.
Es fehlt allerdings unter den besonderen Umständen des Streitfalles daran, dass der betreffende Grundbesitz innerhalb von drei Jahren vor der Aufdeckung der stillen Reserven zu einem unter dem Teilwert liegenden Wert in das Betriebsvermögen des aufdeckenden Gewerbebetriebs „überführt“ oder „übertragen“ worden wäre.
Der Bundesfinanzhof folgt zunächst nicht der herrschenden Auffassung, wonach die genannten Begriffe sich am einkommensteuerrechtlichen Verständnis orientieren, einen Rechtsträgerwechsel mit Übergang des wirtschaftlichen Eigentums voraussetzen und der insoweit durch das UmwStG 2006 fingierte Vermögensübergang nur für Zwecke des Umwandlungssteuerrechts wirkt2.
Es ist zwar zutreffend, dass § 9 Nr. 1 Satz 5 Nr. 2 GewStG keine Beschränkung im Hinblick auf die Rechtsform der übernehmenden Gesellschaft enthält und damit auch eine Übertragung auf eine Kapitalgesellschaft erfasst3. Allerdings ist nicht erkennbar, warum sich die umwandlungssteuerrechtliche Rückwirkungsfiktion nach § 25 Satz 1 i.V.m. § 20 Abs. 5 UmwStG 2006 aufgrund der Regelung in § 25 Satz 2 UmwStG 2006 auf die Ermittlung der gewerbesteuerrechtlichen Bemessungsgrundlagen auswirken soll, während dies für den in § 25 Satz 1 UmwStG 2006 verankerten Rechtsgrundverweis4 auf die §§ 20 bis 23 UmwStG 2006 und die dort geregelte Fiktion einer Vermögensübertragung nicht gelten soll. Das Finanzgericht hat dazu zwar zutreffend darauf hingewiesen, dass es bei der genannten Übertragungsfiktion vorrangig darum geht, die steuerrechtlichen Folgen des Regimewechsels von der Personen- zur Kapitalgesellschaft abzubilden5. Daraus ergibt sich aber nicht, dass die Fiktion allein auf das UmwStG 2006 beschränkt wäre und nur für umwandlungssteuer(ordnungs)rechtliche Zwecke Geltung entfalten sollte.
Der Bundesfinanzhof hat insoweit für den Fall eines Formwechsels einer Personengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft nach § 25 UmwStG 1995 bereits entschieden, dass in diesem Fall nach der Regelungskonzeption des Umwandlungssteuergesetzes „aus steuerlicher Sicht“ -abweichend vom Handelsrecht- ein tauschähnlicher entgeltlicher Rechtsträgerwechsel stattfindet6. Dieser steuerliche Rechtsträgerwechsel ist dann aber auch insgesamt im Bereich derjenigen Steuern zu beachten, für die der in § 25 Satz 1 UmwStG 2006 geregelte Verweis gilt, also die Steuern vom Einkommen; und vom Vermögen7.
Die Gesellschaft kann sich aber auf § 4 Abs. 2 Satz 3 UmwStG 2006 berufen, der im Streitfall über die nach § 25 Satz 1 UmwStG 2006 entsprechend anwendbare Verweisung in § 23 Abs. 1 UmwStG 2006 anwendbar ist8. Im Rahmen einer normspezifischen Auslegung der Begriffe „Überführung“ bzw. „Übertragung“ in § 9 Nr. 1 Satz 5 Nr. 2 GewStG sind insoweit die Wertungen des § 4 Abs. 2 Satz 3 UmwStG 2006 einzubeziehen. Liegen die Voraussetzungen des § 4 Abs. 2 Satz 3 UmwStG 2006 vor, ist für die Frage, wann der betreffende Grundbesitz i.S. des § 9 Nr. 1 Satz 5 Nr. 2 Halbsatz 2 GewStG in das Betriebsvermögen des aufdeckenden Gewerbebetriebs (als übernehmende Gesellschaft) „überführt“ oder „übertragen“ worden ist, auf den Zeitpunkt abzustellen, zu dem er in das Betriebsvermögen der übertragenden Gesellschaft gelangt ist.
Nach § 4 Abs. 2 Satz 3 UmwStG 2006 ist in den Fällen, in denen die Dauer der Zugehörigkeit eines Wirtschaftsguts zum Betriebsvermögen für die Besteuerung bedeutsam ist, der Zeitraum seiner Zugehörigkeit zum Betriebsvermögen der übertragenden Körperschaft dem übernehmenden Rechtsträger anzurechnen. Bei ertragsteuerrechtlichen Vorschriften, die eine bestimmte Besitzdauer voraussetzen und daher an einen Zeitraum anknüpfen, zählt danach für durch Sacheinlage (§§ 20 Abs. 1, 25 Satz 1 UmwStG 2006) übernommene Wirtschaftsgüter die Zugehörigkeit des Sacheinlagegegenstands ab dem (rückbezogenen) Übertragungsstichtag zum Betriebsvermögen der Übernehmerin zuzüglich der Besitzdauer im Betriebsvermögen beim Einbringenden9. Diese sog. Besitzzeitanrechnung ist grundsätzlich auch für die Gewerbesteuer zu beachten10.
Das Finanzgericht Köln ist zutreffend davon ausgegangen, dass § 9 Nr. 1 Satz 5 Nr. 2 GewStG keine zeitpunktbezogene Regelung vorsieht11, sondern im Sinne einer Behaltefrist12 eine Regelung enthält, die auf die Dauer der Zugehörigkeit des Wirtschaftsguts zum Betriebsvermögen abstellt. Dies ergibt sich aus dem eindeutigen Normwortlaut, der sich auf Grundbesitz bezieht, der „innerhalb von drei Jahren“ überführt oder übertragen worden ist.ätzlich auch für die Ermittlung des Gewerbeertrags.
Dem Wortlaut des § 9 Nr. 1 Satz 5 Nr. 2 GewStG ist ein Ausschluss der Anwendung der §§ 25, 23 Abs. 1, 4 Abs. 2 Satz 3 UmwStG 2006 nicht zu entnehmen. Auch aus den Gesetzesmaterialien lässt sich nicht schließen, dass § 9 Nr. 1 Satz 5 Nr. 2 GewStG den Regelungen des UmwStG 2006 generell vorgehen sollte.
§ 9 Nr. 1 Satz 5 Nr. 2 GewStG ist als spezielle Missbrauchsverhinderungsvorschrift in das Gesetz eingefügt worden, um die Umgehung der Gewerbesteuerpflicht bei solchen Kapitalgesellschaften zu verhindern, die Grundstücke vor der Veräußerung in grundstücksverwaltende Personengesellschaften eingebracht hatten13.
Das Finanzgericht Köln hat insoweit zutreffend darauf hingewiesen, dass die Formulierung im Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens angepasst und auf die zu verhindernden Missbrauchskonstellationen hin verengt worden ist. Insoweit war in den Anhörungen die Auffassung vertreten worden, der zunächst vorgesehene Text14 erfasse nicht nur Steuergestaltungen, sondern versage die erweiterte Kürzung bei grundstücksverwaltenden Personengesellschaften darüber hinaus auch für die Veräußerung von langjährigem Grundbesitz. Dieser Einwand führte sodann zu der hier zu beurteilenden Gesetzesfassung, mit der (nur) die inkriminierten Gestaltungen „punktgenauer“ erfasst werden sollten15. Dem Gesetzgeber stand insoweit erkennbar die Vermeidung der Gewerbesteuerpflicht durch die Veräußerung von Einzelwirtschaftsgütern und unter Umgehung des § 6 Abs. 5 Satz 4 EStG vor Augen; den Materialien lässt sich kein Hinweis darauf entnehmen, dass auch Umwandlungen als inkriminierte Gestaltungen angesehen worden wären. Wörtlich heißt es, es sei „möglich, die erweiterte Kürzung durch die nach § 6 Abs. 5 EStG eingeräumte steuerneutrale Übertragung bzw. Überführung des Grundbesitzes in einen grundstücksverwaltenden Gewerbebetrieb mit alsbaldiger Veräußerung des Grundbesitzes durch den Gewerbebetrieb in Anspruch zu nehmen“ und es würden „diese Fallgestaltungen“ durch die vorgeschlagene „punktgenauere“ Formulierung verhindert. Diese Wertung hat der Bundesfinanzhof bei der Normauslegung zu berücksichtigen; es ist nicht seine Aufgabe, im Rahmen der Auslegung für einen (hinreichenden) verbleibenden Anwendungsbereich des § 9 Nr. 1 Satz 5 Nr. 2 GewStG in bestimmten Fallkonstellationen zu sorgen.
Belastbare Anhaltspunkte für eine teleologische Reduktion der §§ 25, 23 Abs. 1, 4 Abs. 2 Satz 3 UmwStG 2006 lassen sich den Materialien des UmwStG 2006 nicht entnehmen.
Die vormalige KG hatte das streitbefangene Grundstück bereits 2005 erworben, so dass im Zeitpunkt der Veräußerung in 2011 die in § 9 Nr. 1 Satz 5 Nr. 2 GewStG vorausgesetzte Besitzzeit von drei Jahren bei weitem überschritten war.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 27. Oktober 2021 – I R 39/19
- FG Köln, 11.07.2019 – 13 K 2469/17, EFG 2019, 1697[↩]
- so aber FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 14.02.2017 – 6 K 6283/15, EFG 2017, 744; Wagner in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann, GewStG, 2019, § 9 Nr. 1 Rz 136; Schnitter in Frotscher/Drüen, KStG/GewStG/UmwStG, § 9 GewStG Rz 94; Gosch in Brandis/Heuermann, § 9 GewStG Rz 111b; Roser in Lenski/Steinberg, Gewerbesteuergesetz, § 9 Nr. 1 Rz 217; Weiss, Die Unternehmensbesteuerung 2019, 708, 714; Korff/Erdem, FR 2019, 1000, 1002; a.A. Güroff in Glanegger/Güroff, GewStG, 9. Aufl., § 9 Nr. 1 Rz 35[↩]
- Dötsch/Pung, Der Betrieb 2005, 10, 14; Wagner, a.a.O.; Güroff, a.a.O.; Schnitter, a.a.O.; zweifelnd Roser in Lenski/Steinberg, a.a.O., § 9 Nr. 1 Rz 219[↩]
- BFH, Beschluss vom 08.06.2011 – I B 15/11, BFH/NV 2011, 1748[↩]
- Gosch, a.a.O.[↩]
- BFH, Urteile vom 19.10.2005 – I R 38/04, BFHE 211, 472, BStBl II 2006, 568; vom 25.11.2014 – I R 78/12, BFH/NV 2015, 523[↩]
- vgl. Rabback in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 3. Aufl., § 25 Rz 2; Schmitt in Schmitt/Hörtnagl, Umwandlungsgesetz, Umwandlungssteuergesetz, 9. Aufl., § 25 UmwStG Rz 4[↩]
- ebenso im Ergebnis Schnitter in Frotscher/Drüen, a.a.O, § 9 GewStG Rz 94; Gosch, a.a.O.; Güroff, a.a.O.; Meding/Müller, Neue Wirtschafts-Briefe 2019, 3048, 3049[↩]
- vgl. Ritzer in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, a.a.O., § 23 Rz 82 und 84; Patt in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 23 UmwStG Rz 104; Schmitt in Schmitt/Hörtnagl, a.a.O., § 23 UmwStG Rz 30a[↩]
- vgl. BFH, Urteil vom 16.04.2014 – I R 44/13, BFHE 245, 248, BStBl II 2015, 303[↩]
- zu § 9 Nr. 2a GewStG vgl. das BFH, Urteil in BFHE 245, 248, BStBl II 2015, 303[↩]
- vgl. BT-Drs. 15/4050, S. 59; Gosch in Brandis/Heuermann, § 9 GewStG Rz 110[↩]
- vgl. Güroff, a.a.O.; Schnitter in Frotscher/Drüen, a.a.O., § 9 GewStG Rz 93; Roser in Lenski/Steinberg, a.a.O., § 9 Nr. 1 Rz 216; Korff/Erdem, FR 2019, 1000, 1002[↩]
- vgl. BT-Drs. 15/3677, S. 13 und 38[↩]
- vgl. BT-Drs. 15/4050, S. 59[↩]
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