Die gemäß § 21 Abs. 3 FVG erfolgende Anordnung der Teilnahme des Gemeindeprüfers an einer die Gewerbesteuer betreffenden Außenprüfung des Finanzamtes ist nicht aufgrund des Bestehens von Vertragsbeziehungen zwischen dem Steuerpflichtigen und der Gemeinde rechtswidrig.

Die berechtigten Interessen des Steuerpflichtigen in Bezug auf die Nichtoffenlegung von für die Vertragsbeziehungen relevanten Unterlagen und/oder Daten sind dadurch zu schützen, dass der Außenprüfer des Finanzamtes während der jeweiligen Außenprüfung darüber entscheidet, welche Informationen er an den Gemeindeprüfer weitergibt. Der Steuerpflichtige hat dem Außenprüfer im Rahmen seiner Informations- und Mitwirkungspflicht während der Außenprüfung Gegenstand und Umfang der Vertragsbeziehungen zur Gemeinde zu erläutern und die Unterlagen und/oder Daten im Einzelnen zu bezeichnen, die von der Offenbarung gegenüber dem Gemeindebediensteten ausgenommen werden sollen.
Entscheidet sich das Finanzamt trotz des Geheimhaltungsbegehrens des Steuerpflichtigen für eine Offenlegung, muss es dies in Form eines im Einzelnen begründeten Verwaltungsakts tun. Hiergegen kann sich der Steuerpflichtige im Wege des -auch einstweiligen- Rechtsschutzes wehren.
Gemäß § 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 FVG sind die Gemeinden hinsichtlich der Realsteuern (Gewerbe- und Grundsteuern: § 3 Abs. 2 AO, Art. 106 Abs. 6 Satz 1 GG), die von den Landesfinanzbehörden verwaltet werden, berechtigt, durch Gemeindebedienstete an Außenprüfungen teilzunehmen, die durch die Landesfinanzbehörden bei Steuerpflichtigen durchgeführt werden, die in der Gemeinde eine Betriebsstätte unterhalten oder Grundbesitz haben, wenn die Außenprüfungen im Gemeindebezirk erfolgen.
Für den Erlass eines Verwaltungsakts, der das Beteiligungsrecht der Gemeinde gegenüber der GmbH im Sinne einer Duldungspflicht regelt, ist das Finanzamt formell zuständig1. Das Finanzamt ist die für die Außenprüfung zuständige Landesfinanzbehörde (§ 2 Abs. 1 Nr. 4 FVG i.V.m. § 1, § 20, § 21 Nr. 1 Buchst. f der Verordnung über die Zuständigkeiten der Finanzämter in Nordrhein-Westfalen).
Dagegen verwirft der Bundesfinanzhof die Ansicht des Finanzgerichts Düsseldorf2, dass aufgrund des Bestehens von Vertragsbeziehungen zwischen Steuerpflichtigem und Gemeinde der Schutz des Steuergeheimnisses (§ 30 AO) bereits dem Erlass der Teilnahmeanordnung durch das Finanzamt entgegensteht und im vorliegenden Fall das Teilnahmerecht der Gemeinde gemäß § 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 FVG ausschließt:
Aus § 21 Abs. 3 FVG ergibt sich zwar eine das Steuergeheimnis (§ 30 AO) berührende Pflicht des Finanzamtes gegenüber der Gemeinde, die ihr zustehenden Informationen, soweit die Realsteuer betroffen ist, mitzuteilen3.
Die sich aus § 21 Abs. 3 FVG ergebende Mitteilungspflicht des Finanzamtes besteht aber nicht schrankenlos. Wie der Bundesfinanzhof im Urteil in BFHE 268, 112, BStBl II 2020, 436, Rz 31, m.w.N. ausgeführt hat, muss das Finanzamt dafür Sorge tragen, dass der Gemeinde nur solche Informationen mitgeteilt werden, die für den Gewerbeertrag i.S. des § 7 des Gewerbesteuergesetzes Bedeutung haben. Das heißt, dass eine Offenbarung nur bei realsteuerrelevanten Tatsachen in Betracht kommt. Insoweit kann (und muss) das Finanzamt jedoch erst während der Außenprüfung im Einzelnen prüfen, ob die Offenbarung bestimmter Informationen der Durchführung des Verfahrens „dient“ (§ 30 Abs. 4 Nr. 1 AO). Zudem hat die Offenbarung den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsprinzips zu genügen4.
Hierzu ist es erforderlich, dass der Steuerpflichtige während der jeweiligen Prüfung die Unterlagen und/oder Daten im Einzelnen bezeichnet, die seiner Ansicht nach schützenswert sind und von der Offenbarung gegenüber dem Gemeindebediensteten ausgenommen werden sollen. Zudem muss der Steuerpflichtige dem Außenprüfer des Finanzamtes auch Gegenstand und Umfang der Vertragsbeziehungen zur Gemeinde erläutern, um dem Finanzamt eine Beurteilung zu ermöglichen, ob und ggf. in welchem Umfang die betreffenden Unterlagen gegenüber dem Gemeindebediensteten offenzulegen oder schutzwürdig sind. Den Steuerpflichtigen trifft also auch insoweit eine Informations- und Mitwirkungspflicht (§ 200 Abs. 1 Satz 2 AO).
Entscheidet sich das Finanzamt trotz des Geheimhaltungsbegehrens des Steuerpflichtigen für eine Offenlegung, muss es dies in Form eines im Einzelnen begründeten Verwaltungsakts tun. Hiergegen kann sich der Steuerpflichtige im Wege des -auch einstweiligen- Rechtsschutzes wehren5.
Dies ist jedenfalls für den hier zu beurteilenden Fall des Bestehens von Vertragsbeziehungen ausreichend, um etwaige Geheimhaltungsinteressen des Steuerpflichtigen zu schützen.
Die Teilnahmeregelung (als Ergänzung zur Prüfungsanordnung) muss keine Maßnahmen bezeichnen, die abstrakt Konflikte über die Offenlegung vermeiden. Wie das Finanzgericht Düsseldorf und der IV. Senat des Bundesfinanzhofs in seiner Entscheidung vom 04.05.20176 hält es der hier entscheidende III. Senat für zweifelhaft, ob der Gefahr der Verwertung von (bereits erlangten) Prüfungserkenntnissen für eigene wirtschaftliche Interessen der Gemeinde mit Vorgaben zur institutionellen Trennung der Zuständigkeiten innerhalb der Gemeinde wirksam begegnet werden kann. Deshalb ist bereits auf der vorgelagerten Ebene der Offenlegung von Unterlagen und Daten zu prüfen, wie den berechtigten Interessen des Steuerpflichtigen genügt werden kann. Dies kann aber nur mit der auch vom IV. Bundesfinanzhof im Beschluss in BFH/NV 2017, 1009, Rz 18 für einen Fall der Konkurrenz-/Wettbewerbssituation befürworteten Berücksichtigung der Besonderheiten des konkreten Einzelfalls geschehen. Hierzu muss im jeweiligen Einzelfall während der Prüfung die Schutzwürdigkeit der Unterlagen und/oder Daten beurteilt werden.
Dies zugrunde gelegt, durfte das Finanzgericht Düsseldorf die Teilnahmeregelung nicht als rechtswidrig qualifizieren:
Aufgrund § 21 Abs. 3 FVG ist das Finanzamt gegenüber der Gemeinde grundsätzlich verpflichtet, dieser die ihr zustehenden realsteuerrelevanten Informationen mitzuteilen.
Entgegen der Auffassung des Finanzgerichts lässt sich aus dem Bestehen von Vertragsbeziehungen zwischen der GmbH und der Gemeinde und der daraus abgeleiteten abstrakten Gefahr einer Verletzung des Steuergeheimnisses kein Ausschluss des Teilnahmerechts der Gemeinde ableiten. Würde -wie das Finanzgericht meint- allein das Bestehen irgendwelcher Vertragsbeziehungen zwischen Steuerpflichtigem und Gemeinde für einen Ausschluss der Teilnahme ausreichen, wäre das Teilnahmerecht der Gemeinde entweder faktisch ausgehöhlt oder aber die Gemeinde müsste zur Wahrung ihres Teilnahmerechts vorsorglich Vertragsbeziehungen zu ihren Standortunternehmen vermeiden, was nicht im Interesse der betroffenen Unternehmen liegen dürfte.
Daher kommt eine Beschränkung des Teilnahmerechts nach den dargestellten Rechtsgrundsätzen erst in Betracht, wenn die GmbH während der Außenprüfung dem Prüfer konkret erläutert, welchen Gegenstand und Umfang die Vertragsbeziehungen zur Gemeinde haben und welche Unterlagen und/oder Daten sie im Hinblick auf diese Vertragsbeziehungen als schützenswert erachtet. Auf dieser Grundlage kann das Finanzamt die Unterlagen und/oder Daten der GmbH in qualitativer Weise auf ihre Vertragssensibilität prüfen. Eine rein quantitative Betrachtung -wie sie das Finanzgericht angestellt hat- würde entweder das Steuergeheimnis der GmbH oder das Teilnahme- und Informationsinteresse der Gemeinde unverhältnismäßig beschränken.
Somit hat das Finanzamt während der Prüfung zwischen dem Geheimhaltungsinteresse der GmbH und dem Offenlegungsinteresse der Gemeinde abzuwägen und eine Entscheidung zu treffen, welche Unterlagen und/oder Daten offenbart werden können. Hiergegen kann sich die GmbH dann erforderlichenfalls im konkreten Einzelfall durch die Einlegung von Rechtsbehelfen wehren.
Entgegen der Auffassung des Finanzgerichts Düsseldorf muss die Teilnahmeregelung -wie ausgeführt- mithin keine abstrakten Schutzmechanismen bezeichnen, die verhindern sollen, dass zur Kenntnis des Gemeindeprüfers gelangte sensible Daten innerhalb der Gemeindeverwaltung an mit den Vertragsbeziehungen befasste Bedienstete weitergeleitet werden. Solche Sicherungsmaßnahmen sind entbehrlich, da die GmbH während der Prüfung ihre für die Vertragsbeziehungen relevanten Geschäftsgeheimnisse auf die dargelegte Weise schützen kann.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 20. Oktober 2022 – III R 25/21
- BFH, Urteil vom 23.01.2020 – III R 9/18, BFHE 268, 112, BStBl II 2020, 436, Rz 19 ff. und 25[↩]
- FG Düsseldorf, Urteil vom 23.06.2021 – 7 K 656/18 AO, EFG 2021, 1964[↩]
- BFH, Urteil in BFHE 268, 112, BStBl II 2020, 436, Rz 30, m.w.N.[↩]
- BFH, Beschluss vom 07.07.2008 – II B 9/07, BFH/NV 2008, 1811; Alber in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 30 AO Rz 153; Härtwig, Finanz-Rundschau 2019, 871, 874[↩]
- vgl. etwa BFH, Beschluss vom 16.01.2013 – III S 38/11, BFH/NV 2013, 701[↩]
- BFH, Beschluss vom 04.05.2017 – IV B 10/17, BFH/NV 2017, 1009, Rz 19[↩]
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