Der Antrag der Gemeinde auf Aussetzung (Aufhebung) der Vollziehung eines von ihr angefochtenen Zerlegungsbescheides ist nicht statthaft. Der Zerlegungsbescheid hat für die am Zerlegungsverfahren beteiligte Gemeinde keinen vollziehbaren Inhalt. Dies gilt auch dann, wenn die Gemeinde mit einer Gewerbesteuererstattung belastet wird. Das Verfahren nach § 69 FGO dient nicht dazu, das Gewerbesteueraufkommen zwischen den am Zerlegungsverfahren beteiligten Gemeinden vorläufig aufzuteilen.

Der AdV-Antrag der Gemeinde ist nicht statthaft. Die streitgegenständlichen Zerlegungsbescheide (vgl. § 188 AO) sind in Bezug auf die Gemeinde keine vollziehbaren Verwaltungsakte. Daher hat die Gemeinde keine Möglichkeit, durch Aussetzung oder Aufhebung der Vollziehung einstweiligen Rechtsschutz nach § 69 FGO wegen etwaiger materiell-rechtlicher Fehler der Zerlegungsbescheide zu erlangen.
Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Sätze 2 bis 6 FGO kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsakts ganz oder teilweise aussetzen. Die Aussetzung soll u.a. erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts bestehen (§ 69 Abs. 2 Satz 2 FGO). Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, kann das Gericht ganz oder teilweise die Aufhebung der Vollziehung, auch gegen Sicherheit, anordnen (§ 69 Abs. 3 Satz 3 FGO).
Soweit die Zerlegungsbescheide für die Jahre 2013 bis 2015 betroffen sind, ist das Rechtsschutzbegehren der Gemeinde darauf gerichtet, die an die B-KG geleisteten Gewerbesteuererstattungen erstattet zu erhalten. Dieses Begehren lässt sich jedoch nicht über die Aussetzung oder Aufhebung der Vollziehung der Zerlegungsbescheide erreichen.
Die Gemeinde hat die Gewerbesteuerbescheide 2013 bis 2015 (die Jahre positiver Messbetragsfestsetzungen) bereits an die (geänderten) Zerlegungsbescheide für 2013 bis 2015 vom 20.11.2019 angepasst und an die B-KG die hieraus resultierenden Gewerbesteuererstattungen (nebst Zinsen) geleistet. Auch wenn die Gemeinde im hier entschiedenen Fall wörtlich nur die Aufhebung des Beschlusses des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 16.07.20211 beantragt hat, kann ihr Begehren inhaltlich nur darauf gerichtet sein, die an die B-KG geleisteten Gewerbesteuererstattungen (ggf. nebst Zinsen) vorläufig wieder zu erhalten. Dieses Rechtsschutzziel ließe sich aber nur dann erreichen, wenn das Verfahren nach § 69 FGO (auch) dazu bestimmt wäre, den Erlass der an die geänderten Zerlegungsbescheide angepassten Gewerbesteuerbescheide 2013 bis 2015 wieder rückgängig zu machen (erste Möglichkeit) oder eine vorläufige Aufteilung des Gewerbesteueraufkommens zwischen den am Zerlegungsverfahren beteiligten Gemeinden herbeizuführen (zweite Möglichkeit).
Beides ist nicht der Fall.
Die erste Möglichkeit scheitert daran, dass die Zerlegungsbescheide -wie das Finanzgericht zutreffend ausgeführt hat- für die Gemeinde keinen vollziehbaren (vollstreckbaren) Inhalt haben2.
Der Antrag auf AdV ist nur statthaft, wenn ein Steuerverwaltungsakt angefochten ist, der vollzogen werden kann. Das ist bei solchen Bescheiden der Fall, die dem Steuerpflichtigen eine Leistungspflicht auferlegen oder die -wie bei Grundlagenbescheiden- Grundlage für eine Leistungspflicht sind. Es muss vom Steuerpflichtigen durch den Steuerverwaltungsakt etwas gefordert werden, was im Falle der Verweigerung im Wege von Vollziehungsmaßnahmen erzwungen werden könnte oder müsste3. Danach sind auch Grundlagenbescheide vollziehbar, wenn sie zu einer Leistungspflicht führen, die im Folgebescheid umgesetzt wird. Ergeht ein (erstmaliger oder geänderter) Zerlegungsbescheid, haben die am Zerlegungsverfahren beteiligten Gemeinden nach § 1 Abs. 2 Nr. 4, § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO4 entsprechend (geänderte) Gewerbesteuerbescheide zu erlassen5. Danach ist der Zerlegungsbescheid wegen seiner Umsetzung im (jeweiligen) Gewerbesteuerbescheid bei Streit über die Zerlegung -so wie hier- im Grundsatz ein vollziehbarer Verwaltungsakt6.
Die AdV des Zerlegungsbescheides würde aber nicht in die für die Gemeinde bestehende Umsetzungspflicht eingreifen.
Auch wenn sich nach den Ausführungen in dem Bundesfinanzhof, Beschluss in BFHE 181, 265, BStBl II 1997, 136 -worauf die Gemeinde hinweist- die Umsetzung eines Grundlagenbescheides (hier des Zerlegungsbescheides) in einen Folgebescheid (hier in den Gewerbesteuerbescheid) für die Gemeinde im weitesten Sinne als Vollziehung des Grundlagenbescheides darstellte, bliebe es jedoch -was der Bundesfinanzhof in dem zitierten Beschluss ebenfalls ausgeführt hat- bei der Pflicht der zuständigen Behörde (hier der Gemeinde), den Gewerbesteuerbescheid zu erlassen. Die Gemeinde ist infolge der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung (Art.20 Abs. 3 GG) zur Umsetzung des Zerlegungsbescheides verpflichtet (§ 1 Abs. 2 Nr. 4, § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO). Die AdV des Zerlegungsbescheides könnte -wie sich aus § 69 Abs. 2 Satz 5 FGO (vgl. auch § 1 Abs. 2 Nr. 6, § 361 Abs. 3 Satz 2 AO) ergibt- den Erlass des Gewerbesteuerbescheides nicht verhindern7, und zwar unabhängig davon, ob aus dem geänderten Gewerbesteuerbescheid Steuernachforderungen oder Steuererstattungen resultieren. Ebenso könnte durch die Aufhebung der Vollziehung des Zerlegungsbescheides nicht der Erlass eines geänderten Gewerbesteuerbescheides rückgängig gemacht werden8.
Die Aussetzung ebenso wie die Aufhebung der Vollziehung der Zerlegungsbescheide könnten allein bewirken, dass auch die Vollziehung der Gewerbesteuerbescheide auszusetzen oder aufzuheben ist (vgl. § 69 Abs. 2 Satz 4 FGO). Aber auch dies wäre für die Gemeinde nicht hilfreich, weil Gewerbesteuerbescheide, aus denen sich Erstattungsansprüche ergeben, nicht vollziehbar und damit nicht aussetzbar sind8.
Danach ist die sich aus der Bindungswirkung eines Grundlagenbescheides für Gemeinden (vgl. § 1 Abs. 2 Nr. 4, § 171 Abs. 10, § 182 Abs. 1 AO) ergebende verfahrensrechtliche Umsetzungs-/Anpassungspflicht nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO jedenfalls keine „Vollziehung“ i.S. des § 69 Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 FGO, die ausgesetzt oder aufgehoben werden könnte.
Ebenso dient das AdV-Verfahren nach § 69 FGO -wie das Finanzgericht ebenfalls zu Recht ausgeführt hat- nicht dazu, vorläufig das Gewerbesteueraufkommen zwischen den am Zerlegungsverfahren beteiligten Gemeinden aufzuteilen.
Die AdV wirkt mit Blick auf ihr Rechtsschutzziel nur zugunsten des Steuerpflichtigen, nicht auch zugunsten der den Steuerverwaltungsakt erlassenden Behörde.
Die AdV ist ein wesentlicher Bestandteil des in Art.19 Abs. 4 GG angelegten subjektiv-rechtlichen Grundrechtsschutzes9. Hierdurch soll zugunsten des Steuerpflichtigen soweit als möglich verhindert werden, dass durch die sofortige Vollziehung einer hoheitlichen Maßnahme Tatsachen geschaffen werden, die nicht mehr rückgängig gemacht werden können, wenn sich die Maßnahme bei späterer abschließender richterlicher Prüfung als rechtswidrig erweist10. Übertragen auf Zerlegungsbescheide bedeutet dies, dass der Steuerpflichtige bei Streit über die Zerlegung deren Aussetzung beantragen kann, soweit er wegen unterschiedlicher Hebesätze der am Zerlegungsverfahren beteiligten Gemeinden vorläufig eine höhere Gewerbesteuer als in der Gemeinde mit dem niedrigeren Hebesatz zahlen muss11. Hierauf beschränkt sich der vollziehbare Inhalt des Zerlegungsbescheides. Die den Steuerverwaltungsakt erlassende Behörde hat kein Recht, AdV zu beantragen, wenn eine Steuerfestsetzung herabgesetzt wird12. Danach kann es auch nicht Aufgabe des AdV-Verfahrens sein, das Gewerbesteueraufkommen zwischen den am Zerlegungsverfahren beteiligten Gemeinden (Steuergläubigern) vorläufig aufzuteilen.
Zudem käme eine (abweichende) -dem Rechtsschutzziel der Gemeinde entsprechende- vorläufige Aufteilung des Gewerbesteueraufkommens (unter Zuteilung hälftiger Anteile am Messbetrag) einer Änderung der Zerlegungsbescheide für 2013 bis 2015 gleich. Auch dies widerspräche dem Wesen des AdV-Verfahrens nach § 69 FGO. In diesem Verfahren kann nämlich nur die vorläufige „Nichtberücksichtigung“ von zu Lasten des Steuerpflichtigen vollziehbaren Verwaltungsakten, nicht aber die vorläufige Berücksichtigung noch nicht ergangener Verwaltungsakte begehrt werden13.
Danach sind auch die AdV-Anträge gegen die Zerlegungsbescheide 2012 und 2016 vom 20.11.2019 nicht statthaft. Die Gemeinde hat aus den vorstehend genannten Gründen keine Möglichkeit, durch Aussetzung oder Aufhebung der Vollziehung einstweiligen Rechtsschutz wegen materiell-rechtlicher Fehler von Zerlegungsbescheiden zu erlangen.
Abgesehen davon fehlt für diese Jahre auch das für einen AdV-Antrag erforderliche Rechtsschutzinteresse14. Denn die unstreitigen Messbetragsfestsetzungen für 2012 und 2016 in Höhe von jeweils 0 €, die ihrerseits als Grundlagenbescheide für die Zerlegungsbescheide bindend sind15, führen zu keinen Gewerbesteuerbelastungen. Im Übrigen ist es nicht Aufgabe des AdV-Verfahrens, einen bloßen Rechtsschein zu beseitigen.
Die fehlende Möglichkeit der Gemeinde, durch Aussetzung oder Aufhebung der Vollziehung einstweiligen Rechtsschutz nach § 69 FGO wegen materiell-rechtlicher Fehler von Zerlegungsbescheiden zu erlangen, verstößt nicht gegen Art.19 Abs. 4 GG.
Dies ergibt sich schon daraus, dass sich Gemeinden als kommunale Gebietskörperschaften nicht auf Art.19 Abs. 4 GG berufen können. Denn die Garantie effektiven Rechtsschutzes dient der Durchsetzung von Rechten natürlicher und juristischer Personen des Privatrechts und findet auf Gebietskörperschaften und deren Organe grundsätzlich keine Anwendung16.
Den Gemeinden garantiert allerdings Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG u.a. das Recht, Eingriffe in den Gewährleistungsbereich des Art. 28 Abs. 2 GG durch die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes überprüfen zu lassen17. Dabei gewährleistet Art. 28 Abs. 2 Satz 3 GG den Gemeinden das Recht zur eigenverantwortlichen Einnahmen- und Ausgabenwirtschaft im Rahmen eines gesetzlich geordneten Haushaltswesens. Eine Gemeinde kann sich jedoch nur dann gegen finanzielle Belastungen durch staatliches Handeln wenden, wenn sie eine nachhaltige, von ihr nicht mehr zu bewältigende und hinzunehmende Einengung ihrer Finanzspielräume darlegt und nachweist18. Dass ihre Finanzspielräume ohne die von ihr begehrte Möglichkeit, die der B-KG erstatteten Gewerbesteuerzahlungen vorläufig zurückfordern zu können, derart eingeengt sind, hat die Gemeinde weder dargelegt noch ist dies sonst ersichtlich, so dass dahinstehen kann, ob ein solcher Anspruch überhaupt im Finanzrechtsweg geltend gemacht werden könnte.
Bundesfinanzhof, Beschluss vom 20. Mai 2022 – IV B 50/21 (AdV)
- FG Baden-Württemberg, Beschluss vom 16.07.2021 – 1 – V 2974/20[↩]
- gleicher Ansicht Brandis in Tipke/Kruse, § 188 AO Rz 5; Schmieszek in Gosch, AO § 188 Rz 22[↩]
- BFH, Beschluss vom 28.11.1974 – V B 44/74, BFHE 114, 171, BStBl II 1975, 240[↩]
- für Baden-Württemberg i.V.m. § 9 Abs. 2 des Kommunalabgabengesetzes vom 17.03.2005, Gesetzblatt 2005, 206[↩]
- zum Zerlegungsbescheid als Grundlagenbescheid für den Gewerbesteuerbescheid z.B. BFH, Urteil vom 13.05.1993 – IV R 1/91, BFHE 172, 97, BStBl II 1993, 828[↩]
- BFH, Beschluss vom 25.04.1977 – IV S 3/77, BFHE 122, 18, BStBl II 1977, 612, unter 1.; FG München, Beschluss vom 24.05.2005 – 7 – V 1907/05; Gräber/Stapperfend, Finanzgerichtsordnung, 9. Aufl., § 69 Rz 122; Birkenfeld in Hübschmann/Hepp/Spitaler -HHSp-, § 69 FGO Rz 267[↩]
- vgl. auch VG Dresden, Urteil vom 29.06.2010 – 2 K 367/09; Boeker in HHSp, § 188 AO Rz 12a[↩]
- BFH, Beschluss in BFHE 181, 265, BStBl II 1997, 136[↩][↩]
- Birkenfeld in HHSp, § 69 FGO Rz 30[↩]
- z.B. BVerfG, Beschluss vom 19.10.1977 – 2 BvR 42/76, BVerfGE 46, 166, unter B.I. 1.[↩]
- BFH, Beschluss in BFHE 122, 18, BStBl II 1977, 612, unter 1.; Brandis in Tipke/Kruse, § 188 AO Rz 5[↩]
- vgl. Birkenfeld in HHSp, § 69 FGO Rz 32[↩]
- vgl. BFH, Beschluss in BFHE 114, 171, BStBl II 1975, 240[↩]
- BFH, Beschluss vom 23.01.1986 – VIII B 50/85, BFH/NV 1986, 357; Birkenfeld in HHSp, § 69 FGO Rz 450a[↩]
- vgl. dazu z.B. BFH, Urteil in BFHE 172, 97, BStBl II 1993, 828[↩]
- BVerfG, Urteil vom 19.09.2018 – 2 BvF 1/15, 2 BvF 2/15, BVerfGE 150, 1, Rz 216[↩]
- BVerfG, Urteil in BVerfGE 150, 1, Rz 216 f.; Schmidt-Aßmann in Dürig/Herzog/Scholz, Komm. z. GG, Art.19 Abs. 4 Rz 44a; Huber in von Mangoldt/Klein/Starck, GG, 7. Aufl., Art.19 Rz 387[↩]
- dazu ausführlich BVerwG, Urteil vom 15.06.2011 – 9 C 4/10, BVerwGE 140, 34, Rz 22[↩]