Beim echten Factoring erfolgt keine Hinzurechnung wegen einer Dauerschuld nach § 8 Nr. 1 GewStG (a.F.).

Dem Factoring von Forderungen liegen zwei unterschiedliche Rechtsverhältnisse zu Grunde. Einerseits entsteht ein Rechtsverhältnis aus Warenlieferungen oder Dienstleistungen zwischen dem sog. Anschlusskunden (Verkäufer oder Dienstleister) und dessen Kunden (Debitoren). Aus diesem Rechtsverhältnis resultiert eine Forderung des Anschlusskunden gegenüber dem Debitor (Debitorenforderung). Andererseits kommt das Factoringgeschäft hinzu, bei dem regelmäßig ein Rahmenvertrag zwischen dem Factor und dem Anschlusskunden als umfassende Dauerrechtsbeziehung geschlossen wird. In diesem verpflichtet sich der Anschlusskunde, grundsätzlich alle (noch nicht fälligen) Debitorenforderungen aus seinen Geschäftsbeziehungen dem Factor anzubieten, während sich der Factor verpflichtet, die im Factoringvertrag bestimmten Forderungen zu erwerben, was sodann durch die jeweils konkreten Andienungsverträge geschieht1.
Zivilrechtlich wird dabei zwischen echtem und unechtem Factoring unterschieden. Beide Ausgestaltungen haben grundsätzlich den Finanzierungsaspekt als gemeinsamen Nenner, also die Liquidierung der Außenstände des Anschlusskunden2. Während das unechte Factoring zivilrechtlich den Kreditgeschäften zuzuordnen ist, wird das echte Factoring als Forderungskauf i.S. der §§ 433, 453 BGB qualifiziert3.
Echtes Factoring liegt vor, wenn der Factor die Debitorenforderung seines Anschlusskunden endgültig ankauft, er also das Risiko der Zahlungsunfähigkeit der Debitoren (Delkredere) übernimmt, während dieser den Gegenwert, den der Factor für die angekauften Forderungen zahlt, endgültig –ohne die Möglichkeit der Rückbelastung– behalten darf4. Zivilrechtlich verliert der Anschlusskunde seine Debitorenforderung und erhält eine neu entstandene Kaufpreisforderung. Wirtschaftlich betrachtet stellt sich dieser Vorgang aus Sicht des Anschlusskunden als Schuldnerwechsel dar. Sein Vermögen wird dadurch nicht mit einer Verbindlichkeit (Schuld) belastet.
Echtes Factoring begründet keine Dauerschuld i.S. des § 8 Nr. 1 GewStG a.F.
Nach § 8 Nr. 1 Alternative 2 GewStG a.F. werden bei der Ermittlung des Gewerbeertrags dem Gewinn (u.a.) die Hälfte der Entgelte für Schulden wieder hinzugerechnet, die der nicht nur vorübergehenden Verstärkung des Betriebskapitals dienen, soweit sie bei der Ermittlung des Gewinns abgesetzt worden sind. Schuld i.S. des § 8 Nr. 1 GewStG a.F. ist eine Belastung des Vermögens, die als betrieblich veranlasste Verpflichtung gegenüber einem anderen rechtlich entstanden oder wirtschaftlich verursacht ist5.
Aus dem echten Factoring ergibt sich keine „Schuld“ im Sinne dieser Norm.
Die Abgrenzung zwischen Forderung und Schuld ist im jeweiligen Einzelfall aufgrund einer Gesamtbetrachtung der vertraglichen Bestimmungen vorzunehmen. Zur Forfaitierung von Forderungen, die in den hier maßgeblichen Punkten mit dem Factoring übereinstimmt6, hat die Rechtsprechung im Wesentlichen auf das Bonitätsrisiko des Abtretenden abgestellt. Von einem Kauf ist auszugehen, wenn das Risiko der wirtschaftlichen Verwertbarkeit der Forderungen (Bonitätsrisiko) auf den Erwerber übergeht, insoweit also keine Möglichkeit des Regresses besteht7.
Infolge der Einordnung des echten Factorings als Forderungskauf fehlt es bei einem solchen Vertragsverhältnis grundsätzlich an einer Schuld i.S. des § 8 Nr. 1 GewStG a.F.8. Eine durch den Factoringvertrag begründete Schuld kommt nur dann in Betracht, wenn sich das Factoringgeschäft –aufgrund seiner vertraglichen Ausgestaltung– im Ergebnis als Kreditgewährung darstellt9. So verhält es sich beim unechten Factoring.
Diese Auslegung folgt auch aus dem Sinn und Zweck der Hinzurechnungsnorm. Die Hinzurechnung der Entgelte für Schulden ist Ausfluss des Objektsteuercharakters der Gewerbesteuer. Es soll der Gewerbebetrieb als solcher und nicht dessen Inhaber besteuert werden. Dementsprechend soll die Ertragskraft des Gewerbebetriebs ermittelt und der Ertrag des im Betrieb arbeitenden Kapitals in vollem Umfang der Besteuerung nach dem Gewerbeertrag unterworfen werden, ohne Rücksicht darauf, ob die Kapitalausstattung des Betriebs mit Eigen- oder Fremdkapital finanziert wurde. Durch die Hinzurechnung der Entgelte für Schulden soll die Fremdkapitalfinanzierung der Eigenkapitalfinanzierung gleichgestellt werden10. Beim echten Factoring wird das Betriebskapital nicht verstärkt. Insbesondere werden dem Betrieb keine (neuen Fremd-)Mittel zugeführt. Vielmehr stellt sich das echte Factoring als Aktivtausch dar, bei dem es schon nicht zu einer Erhöhung des Betriebsvermögens kommt.
Auch die Inanspruchnahme von Vorschüssen begründet keine Dauerschuld i.S. des § 8 Nr. 1 GewStG a.F. Werden im Rahmen eines echten Factorings vor Fälligkeit der Kaufpreise für die abgetretenen Forderungen vertragsgemäß Vorschüsse an den Anschlusskunden geleistet, stellt sich der Factoringvertrag dadurch weder insgesamt als Kreditgeschäft dar noch lässt die Vorschusszahlung einen Rückschluss auf ein separates Kreditgeschäft zu. Diese zivilrechtliche Wertung ist im Rahmen des § 8 Nr. 1 GewStG a.F. maßgeblich und wird durch die Neufassung der Norm gestützt.
Das echte Factoring wird nicht dadurch zum Kreditgeschäft, dass der Anschlusskunde Vorschüsse in Anspruch nehmen darf. Vorschussleistungen sind für echtes Factoring zwar nicht zwingend, aber typisch11. Dadurch kommt der dem Factoringgeschäft innewohnende Finanzierungszweck zum Ausdruck. Vorschussleistungen des Factors nehmen dem echten Factoring daher nicht den Charakter als Forderungskauf.
Das Tatbestandsmerkmal „Schuld“ i.S. des § 8 Nr. 1 GewStG a.F. knüpft an dieses zivilrechtliche Verständnis an. Bei Vorliegen eines echten Factorings ist der Vorschuss grundsätzlich eine Leistung auf den Kaufpreis, so dass kein Raum für die Annahme eines separat begründeten Schuldverhältnisses verbleibt12.
Die gesetzliche Neuregelung des § 8 Nr. 1 Buchst. a Satz 2 GewStG in der für den Erhebungszeitraum 2008 erstmals geltenden Fassung des Art. 3 Nr. 1 Buchst. a des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 vom 14.08.200713 bestätigt diese Auslegung des § 8 Nr. 1 GewStG a.F. Denn danach werden ausdrücklich auch Vorteile im Zusammenhang mit der Erfüllung von Forderungen aus Lieferungen und Leistungen vor Fälligkeit als Entgelte für Schulden fingiert. Die Fiktion verdeutlicht, dass derartige Vorteile, zu denen auch der Finanzierungsaufwand des Anschlusskunden im Rahmen des echten Factoring gehört, –auch nach Ansicht des Gesetzgebers– andernfalls (ohne die Fiktion) nicht von den Entgelten für Schulden i.S. des § 8 Nr. 1 GewStG erfasst werden.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 6. Juni 2013 – IV R 28/10
- MünchKomm-BGB/Roth, 6. Aufl., § 398 Rz 164 ff.[↩]
- vgl. BFH, Urteil vom 11.10.2012 – IV R 32/10, BFHE 239, 248, BStBl II 2013, 538, unter B.II.2.c cc (2) (c), m.w.N.[↩]
- BGH, Urteil vom 15.04.1987 – VIII ZR 97/86, BGHZ 100, 353, unter II.1.b, m.w.N.[↩]
- endgültige Finanzierung der Debitorenforderung; vgl. BFH, Urteile in BFHE 239, 248, BStBl II 2013, 538, unter B.II.2.c cc (2) (c) (aa); vom 04.09.2003 – V R 34/99, BFHE 203, 209, BStBl II 2004, 667, unter II.2.a und b[↩]
- vgl. BFH, Urteil vom 29.03.2007 – IV R 55/05, BFHE 217, 103, BStBl II 2007, 655, unter II.3.b, m.w.N.[↩]
- vgl. Hinz, DStR 1994, 1749[↩]
- vgl. BFH, Urteile vom 08.11.2000 – I R 37/99, BFHE 193, 416, BStBl II 2001, 722, unter II.1.; vom 26.08.2010 – I R 17/09, BFHE 231, 210, unter II.2.[↩]
- so auch: Papperitz, DStR 1993, 1841, 1842; von Westphalen in Röhricht/von Westphalen, Handelsgesetzbuch, 3. Aufl., Besondere Handelsverträge, Factoring, Rz 7; offengelassen: Köster in Lenski/Steinberg, Gewerbesteuergesetz, § 8 Nr. 1 Buchst. a Rz 168; Blümich/Hofmeister, § 8 GewStG Rz 450 –Factoring–[↩]
- Güroff in Glanegger/Güroff, GewStG, 7. Aufl., § 8 Nr. 1a Rz 77; Batzer/Lickteig, Die steuerliche Betriebsprüfung 2000, 137, 141[↩]
- Köster in Lenski/Steinberg, a.a.O., § 8 Nr. 1 Buchst. a Rz 24[↩]
- BGH, Urteil vom 19.09.1977 – VIII ZR 169/76, BGHZ 69, 254, unter II.4.b cc; von Westphalen in Röhricht/von Westphalen, a.a.O., Besondere Handelsverträge, Factoring, Rz 3 und Rz 11[↩]
- vgl. zur Forfaitierung BFH, Urteil in BFHE 193, 416, BStBl II 2001, 722, unter II.1.[↩]
- BGBl – I 2007, 1912, BStBl I 2007, 630[↩]