Der Bundesfinanzhof hat dem Gerichtshof der Europäischen Union eine Rechtsfrage zur Unionsrechtsmäßigkeit der Hinzurechnung von Dividenden aus Auslandsbeteiligungen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Ist Art. 56 Abs. 1 EG (jetzt Art. 63 Abs. 1 AEUV) dahin auszulegen, dass er der Vorschrift eines Mitgliedstaats entgegensteht, nach der bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer einer Körperschaft Dividenden, die aus Beteiligungen an ausländischen Kapitalgesellschaften in Höhe von weniger als 10 % (Streubesitzbeteiligungen) stammen, der Bemessungsgrundlage wieder hinzugerechnet werden, wenn und soweit diese Dividenden in einem vorangegangenen Ermittlungsschritt von der Bemessungsgrundlage abgezogen worden sind, während hinsichtlich solcher Dividenden, die aus Streubesitzbeteiligungen an Kapitalgesellschaften mit Sitz in dem betreffenden Mitgliedstaat stammen, bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer kein Abzug und folglich auch keine (Wieder-)Hinzurechnung der Dividenden stattfindet?
Hinzurechnung nach deutschem Recht
Besteuerungsgrundlage für die Gewerbesteuer ist nach nationalem (deutschem) Recht nach § 6 GewStG der Gewerbeertrag. Gewerbeertrag ist nach § 7 Satz 1 GewStG im Falle einer Körperschaft der nach den Vorschriften des Körperschaftsteuergesetzes zu ermittelnde Gewinn aus Gewerbebetrieb, der bei der Ermittlung des Einkommens für den dem Erhebungszeitraum entsprechenden Veranlagungszeitraum zu berücksichtigen ist (erster Ermittlungsschritt), vermehrt und vermindert um die in den §§ 8 und 9 GewStG bezeichneten Beträge (zweiter Ermittlungsschritt).
Bei der Ermittlung des nach den Vorschriften des Körperschaftsteuergesetzes zu ermittelnden Gewinns aus Gewerbebetrieb bleiben die der Gesellschafterin von den ausländischen Kapitalgesellschaften (unmittelbar oder mittelbar über die Beteiligungen an den Investmentfonds) im Jahr 2001 zugeflossenen Ausschüttungen in Höhe von 20 % außer Ansatz; sie werden folglich nur in Höhe von 80 % berücksichtigt.
Grundsätzlich blieben nach der für das hier maßgebliche Streitjahr 2001 geltenden Bestimmung des § 8b Abs. 1 Satz 1 KStG (in Verbindung mit § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG) u.a. Dividenden aus Beteiligungen an Kapitalgesellschaften bei der Ermittlung des Einkommens vollständig außer Ansatz. Mit dem Korb II-Gesetz vom 22.12.2003 wurde aber in § 8b Abs. 8 Satz 1 KStG i.d.F. des § 34 Abs. 7 Satz 8 Nr. 1 KStG n.F. mit Wirkung vom 01.01.2004 eine Sonderregelung für Lebens- und Krankenversicherungsunternehmen eingefügt, der zufolge für diese Unternehmen § 8b Abs. 1 KStG auf Dividenden aus Anteilen, die den Kapitalanlagen zuzurechnen sind, nicht anzuwenden ist. Zugleich wurde den betroffenen Unternehmen mit dem sog. Blockwahlrecht (§ 34 Abs. 7 Satz 8 Nr. 2 KStG n.F.) die Möglichkeit eingeräumt, Dividenden -der Höhe nach begrenzt auf 80 %- rückwirkend bereits für die Veranlagungszeiträume 2001 bis 2003 den Neuregelungen zu unterwerfen (§ 8b Abs. 8 Satz 1 KStG i.d.F. des § 34 Abs. 7 Satz 8 Nr. 2 Satz 2 KStG n.F.). Die Gesellschafterin hat von diesem Wahlrecht Gebrauch gemacht, sodass bei ihr für das Streitjahr § 8b Abs. 1 KStG auf Anteile, die ihren Kapitalanlagen zuzurechnen sind, mit der Maßgabe anzuwenden ist, dass die Dividenden bei der Ermittlung des Einkommens zu 20 % außer Ansatz bleiben.
Entsprechendes gilt für die der Gesellschafterin im Streitjahr zugeflossenen Ausschüttungen der Investmentfonds, soweit diese Fondsausschüttungen auf Ausschüttungen der ausländischen Kapitalgesellschaften an die Fonds beruhten. Gemäß § 40 Abs. 2 KAGG ist u.a. § 8b Abs. 1 KStG auf ausgeschüttete inländische und ausländische Einnahmen des Wertpapier-Sondervermögens im Sinne des § 38b Abs. 5 KAGG anzuwenden. Zu den -inländischen und ausländischen- Einnahmen des Wertpapier-Sondervermögens i.S. des § 38b Abs. 5 KAGG gehören insbesondere Dividenden von Kapitalgesellschaften1. Ist der Anteilsscheininhaber -wie die Gesellschafterin- eine Körperschaft, die das Lebens- oder Krankenversicherungsgeschäft betreibt und das sog. Blockwahlrecht nach § 34 Abs. 7 Satz 8 Nr. 2 KStG n.F. ausgeübt hat, so folgt aus dem in § 40 Abs. 2 KAGG enthaltenen Verweis auf § 8b Abs. 1 KStG, dass vom Wertpapier-Sondervermögen bezogene Dividenden, die in den Einnahmen i.S. des § 38b Abs. 5 KAGG enthalten sind, bei der Ermittlung des Einkommens des Versicherungsunternehmens im Jahr 2001 nach Maßgabe von § 8b Abs. 8 Satz 1 KStG i.d.F. des § 34 Abs. 7 Satz 8 Nr. 2 Satz 2 KStG n.F. zu erfassen sind. Soweit die im Streitfall in Rede stehenden Leistungen der Fonds an die Gesellschafterin auf den Ausschüttungen der ausländischen Gesellschaften an die Fonds beruhten, bleiben diese bei der Einkommensermittlung folglich zu 20 % unberücksichtigt.
Im Rahmen des zweiten Ermittlungsschritts zur Berechnung der Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer sind die im ersten Ermittlungsschritt außer Ansatz gebliebenen 20 % der Dividenden der ausländischen Kapitalgesellschaften wieder hinzuzurechnen. Nach § 8 Nr. 5 GewStG werden dem Gewinn aus Gewerbebetrieb (u.a.) die nach § 8b Abs. 1 KStG außer Ansatz bleibenden Gewinnanteile (Dividenden) wieder hinzugerechnet, soweit sie bei der Ermittlung des Gewinns abgesetzt worden sind. Die Hinzurechnung erfolgt nur, soweit nicht die Voraussetzungen des Schachtelprivilegs nach § 9 Nr. 2a oder 7 GewStG erfüllt sind, was bei den vorliegenden Streubesitzbeteiligungen von weniger als 10 % nicht der Fall ist. § 8 Nr. 5 GewStG ist nach der Anwendungsregel des § 36 Abs. 4 GewStG erstmals für den Erhebungszeitraum 2001 anzuwenden und erfasst mithin auch die vorliegenden Streubesitzdividenden, soweit diese nach § 8b Abs. 1 KStG außer Ansatz bleiben, d.h. in Höhe von 20 %. Im Ergebnis führt die Hinzurechnung dazu, dass die Dividenden in voller Höhe der Gewerbesteuer unterliegen.
Vereinbarkeit mit Unionsrecht?
Die Bestimmung des § 8b Abs. 1 KStG, die nach den vorstehenden Ausführungen im Zusammenwirken mit § 8b Abs. 8 KStG i.d.F. des § 34 Abs. 7 Satz 8 Nr. 2 Satz 2 KStG n.F. und über die Verweisung des § 7 Satz 1 GewStG dazu führt, dass im ersten Ermittlungsschritt die von den in Streubesitz stehenden ausländischen Kapitalgesellschaften an die Gesellschafterin gezahlten Dividenden in Höhe von 20 % zunächst nicht in die Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer eingehen, galt im Streitjahr im Ergebnis nur für Dividenden aus Auslandsbeteiligungen, jedoch (noch) nicht für ordentliche Ausschüttungen von Kapitalgesellschaften mit Sitz oder Ort der Geschäftsleitung in der Bundesrepublik Deutschland, die im Jahr 2001 abgeflossen sind.
Dies folgt aus der Anwendungsbestimmung des § 34 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 KStG, der zufolge § 8b KStG erstmals auf Bezüge anzuwenden ist, auf die bei der ausschüttenden Körperschaft das Körperschaftsteuergesetz i.d.F. des Gesetzes zur weiteren steuerlichen Förderung von Stiftungen vom 14.07.20002 nicht mehr anzuwenden ist. Bei offenen Gewinnausschüttungen inländischer Gesellschaften ist § 8b Abs. 1 KStG daher erstmals bei Abfließen der Ausschüttung im Jahr 2002 anzuwenden3. Für den Fall der Ausübung des sog. Blockwahlrechts ergibt sich nichts Anderes4.
Bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer einer Körperschaft sind Dividenden aus Inlandsbeteiligungen, die im Jahr 2001 abgeflossen sind, folglich bereits im ersten Ermittlungsschritt in voller Höhe anzusetzen. Mangels Anwendbarkeit des § 8b Abs. 1 KStG bleibt kein Teil der Dividende außer Ansatz. Für den zweiten Ermittlungsschritt führt dies dazu, dass dementsprechend auch keine (Wieder-)Hinzurechnung nach § 8 Nr. 5 GewStG stattfindet. Denn diese Bestimmung greift nur, wenn und soweit die Dividenden nach § 8b Abs. 1 KStG außer Ansatz bleiben. Im Ergebnis unterliegen im Jahr 2001 abgeflossene Dividenden aus Inlandsbeteiligungen somit ebenfalls in voller Höhe der Gewerbesteuer.
Der vorlegende Bundesfinanzhof hat in einem vergleichbaren Fall in dem Umstand, dass die Hinzurechnungsvorschrift des § 8 Nr. 5 GewStG auf Dividendeneinnahmen aus Auslandsbeteiligungen im Gegensatz zu Dividendeneinnahmen aus Inlandsbeteiligungen erstmals für den Erhebungszeitraum 2001 anzuwenden ist, eine Benachteiligung der Beteiligung an Auslandskapitalgesellschaften gesehen, die der unionsrechtlich verbürgten Freiheit des Kapitalverkehrs widerspricht3. Diese Beurteilung erscheint bei nochmaliger Prüfung zweifelhaft.
Keine Zweifel bestehen allerdings daran, dass der Anwendungsbereich der Kapitalverkehrsfreiheit nach Art. 56 Abs. 1 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft i.d.F. des Vertrags von Amsterdam zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union, der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften sowie einiger damit zusammenhängender Rechtsakte -EG-5, jetzt Art. 63 Abs. 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union i.d.F. des Vertrags von Lissabon zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union und des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft -AEUV-6, im Fall des § 8 Nr. 5 GewStG eröffnet ist. Da die Kapitalverkehrsfreiheit auch den Kapitalverkehr zwischen den Mitgliedstaaten und dritten Ländern schützt, gilt dies unabhängig davon, ob es sich bei den Auslandsgesellschaften, von denen die Gesellschafterin die Dividenden bezogen hat, um Gesellschaften mit Sitz in einem Mitgliedstaat der EU oder mit Sitz in einem Drittstaat gehandelt hat. Die Kapitalverkehrsfreiheit wird in diesem Fall nicht durch die Niederlassungsfreiheit (Art. 43 EG, jetzt Art. 49 AEUV) gesperrt7, weil sowohl die Anwendung des § 8 Nr. 5 GewStG als auch die Anwendung der von dieser Vorschrift in Bezug genommenen Regelung des § 8b Abs. 1 KStG nicht an bestimmte Mindestbeteiligungen anknüpfen, die es ermöglichen, einen sicheren Einfluss auf die Entscheidungen einer Gesellschaft auszuüben und deren Tätigkeiten zu bestimmen.
Fraglich ist aber, ob die für das Jahr 2001 angeordnete Hinzurechnung von Dividenden aus Auslandsbeteiligungen nach § 8 Nr. 5 GewStG zu einer Beschränkung des freien Kapitalverkehrs i.S. von Art. 56 Abs. 1 EG führt.
Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH gehören zu den Maßnahmen, die als Beschränkungen des Kapitalverkehrs verboten sind, solche, die geeignet sind, Gebietsfremde von Investitionen in einem Mitgliedstaat oder die dort Ansässigen von Investitionen in anderen Staaten abzuhalten8.
Dass die im Jahr 2001 faktisch auf Dividenden aus Auslandsbeteiligungen beschränkte Hinzurechnung nach § 8 Nr. 5 GewStG geeignet ist, gewerbesteuerpflichtige Anteilseigner von Investitionen in anderen Staaten abzuhalten, kann bezweifelt werden. § 8 Nr. 5 GewStG führt nicht dazu, dass Dividendeneinnahmen aus Auslandsbeteiligungen in Streubesitz steuerlich ungünstiger behandelt werden als Dividendeneinnahmen aus vergleichbaren Inlandsbeteiligungen. Die Dividendeneinnahmen aus Streubesitzbeteiligungen gehen vielmehr in beiden Fällen in gleicher Höhe -jeweils zu 100 %- in die Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer ein. Ohne die Hinzurechnung nach § 8 Nr. 5 GewStG würden die Dividendeneinnahmen aus Auslandsbeteiligungen in Streubesitz im Jahr 2001 bei der Gewerbesteuer günstiger behandelt werden als Dividendeneinnahmen aus Inlandsbeteiligungen. Denn nur im Fall der Auslandsbeteiligungen bleiben die Dividenden gemäß § 7 Satz 1 GewStG i.V.m. § 8b Abs. 1 KStG bereits im Jahr 2001 im ersten Ermittlungsschritt ganz oder teilweise außer Ansatz. Die Hinzurechnung nach § 8 Nr. 5 GewStG führt daher lediglich zu einer steuerlichen Gleichbehandlung von Inlands- und Auslandsinvestitionen, nicht aber zu einer steuerlichen Diskriminierung von Auslandsinvestitionen, da der Nachteil der Hinzurechnung nach § 8 Nr. 5 GewStG durch den Vorteil der vorgezogenen steuerlichen Freistellung der Auslandsdividenden aufgewogen wird. Dass die sich auf die Höhe der Steuer nicht auswirkenden Unterschiede in den einzelnen Ermittlungsschritten zur Berechnung der steuerlichen Bemessungsgrundlage geeignet sein könnten, gewerbesteuerpflichtige Anleger von Investitionen in Auslandsbeteiligungen abzuhalten, erscheint fernliegend.
Der Tatbestand einer Beschränkung des freien Kapitalverkehrs könnte möglicherweise auch mit der Begründung verneint werden, dass im Hinblick auf die Anwendung des § 8 Nr. 5 GewStG bei Dividenden aus Auslandsbeteiligungen in Streubesitz im Jahr 2001 keine objektiv vergleichbare Situation im Vergleich zu Dividendeneinnahmen aus Inlandsbeteiligungen bestanden hat9. Denn infolge der durch § 7 Satz 1 GewStG bewirkten Anwendbarkeit des § 8b Abs. 1 KStG sind nur Dividendeneinnahmen aus Auslandsbeteiligungen im ersten Ermittlungsschritt zur Berechnung der gewerbesteuerlichen Bemessungsgrundlage begünstigt, in dem die Dividenden ganz oder teilweise außer Ansatz geblieben sind. Bei Inlandsbeteiligungen gehen die Dividenden hingegen bereits im Rahmen des ersten Ermittlungsschritts in vollem Umfang in die Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer ein.
Nimmt man ungeachtet der vorstehenden Überlegungen an, dass die Hinzurechnung von Dividendeneinnahmen aus Streubesitzanteilen an ausländischen Kapitalgesellschaften nach Maßgabe von § 8 Nr. 5 GewStG den freien Kapitalverkehr beschränkt, so könnte diese Beschränkung durch die Notwendigkeit gerechtfertigt sein, die Kohärenz des Steuersystems sicherzustellen.
Nach der Rechtsprechung des EuGH kann ein auf diesen Rechtfertigungsgrund gestütztes Argument allerdings nur Erfolg haben, wenn ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem betreffenden steuerlichen Vorteil und dessen Ausgleich durch eine bestimmte steuerliche Belastung besteht10, wobei die Unmittelbarkeit dieses Zusammenhangs im Hinblick auf das mit der fraglichen Regelung verfolgte Ziel beurteilt werden muss11.
Die Regelung des § 8 Nr. 5 GewStG verfolgt offenkundig das Ziel, Dividendeneinnahmen aus Streubesitzbeteiligungen unabhängig von den körperschaftsteuerrechtlichen Privilegierungen des § 8b Abs. 1 KStG in vollem Umfang der Gewerbesteuer zu unterwerfen, wobei die Norm nicht zwischen Dividenden aus Auslandsbeteiligungen und solchen aus Inlandsbeteiligungen unterscheidet. Vor diesem Hintergrund erscheint es als kohärent, dass der Nachteil der Hinzurechnung nach § 8 Nr. 5 GewStG im zweiten Ermittlungsschritt bei solchen Auslandsbeteiligungen zur Anwendung kommt, für die der über § 7 Satz 1 GewStG auf den ersten Ermittlungsschritt zur Berechnung der gewerbesteuerlichen Bemessungsgrundlage durchschlagende Vorteil des § 8b Abs. 1 KStG eingreift.
Der „Vorteil“ des § 8b Abs. 1 KStG (i.V.m. § 7 Satz 1 GewStG) und der „Nachteil“ des § 8 Nr. 5 GewStG stehen aus jetziger Sicht des Bundesfinanzhofs -entgegen der Annahme im BFH-Urteil in BFHE 241, 185, BStBl II 2015, 349- in einem unmittelbaren Zusammenhang und in enger Wechselwirkung. Denn hinzuzurechnen sind nach § 8 Nr. 5 GewStG exakt „die nach … § 8b Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes außer Ansatz bleibenden … Bezüge“. Zur Hinzurechnung nach § 8 Nr. 5 GewStG kann es also nur kommen, wenn und soweit die Dividenden zuvor nach § 7 Satz 1 GewStG i.V.m. § 8b Abs. 1 KStG von der Bemessungsgrundlage abgezogen worden sind.
Das im vorliegenden Fall erstinstanzlich tätige Niedersächsische Finanzgericht12 hat die Wechselwirkung von „Vorteil“ und „Nachteil“ in der Konstellation des Streitfalls mit der Begründung verneint, § 8 Nr. 5 GewStG verfolge nicht den Zweck, den Vorteil der vorgezogenen Freistellung der Dividenden bei der Körperschaftsteuer 2001 durch einen gewerbesteuerlichen Nachteil infolge der Hinzurechnung der Dividenden bei der Gewerbesteuer 2001 ganz oder teilweise zu kompensieren. Es seien zudem Sachverhalte denkbar, in denen sich der durch § 8b Abs. 1 KStG bewirkte Vorteil der (vorgezogenen) steuerlichen Freistellung der Auslandsdividenden bei der Körperschaftsteuer 2001 betragsmäßig beim Anleger nicht auswirke. Bei dieser Argumentation verkennt das Finanzgericht jedoch, dass der durch die Hinzurechnung nach § 8 Nr. 5 GewStG ausgeglichene Vorteil nicht in der durch § 8b Abs. 1 KStG ausgelösten Verringerung der Bemessungsgrundlage der Körperschaftsteuer 2001 liegt. Der maßgebliche, durch die Hinzurechnung nach § 8 Nr. 5 GewStG ausgeglichene Vorteil ist vielmehr darin zu sehen, dass gemäß § 7 Satz 1 GewStG der Vorteil des § 8b Abs. 1 KStG auf die Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer 2001 durchschlägt. Sowohl „Vorteil“ (§ 7 Satz 1 GewStG i.V.m. § 8b Abs. 1 KStG) als auch „Nachteil“ (§ 8 Nr. 5 GewStG) betreffen die Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer des identischen Erhebungszeitraums und stehen in Wechselwirkung miteinander.
An der in seinem Urteil in BFHE 241, 185, BStBl II 2015, 349 vertretenen Auffassung, die im vorliegenden Fall gegebene Sachlage sei mit der Konstellation des EuGH, Urteils STEKO Industriemontage13 zu vergleichen, hält der Bundesfinanzhof nicht fest. Zwar hat der jenem EuGH, Urteil zugrunde liegende Sachverhalt ebenfalls die zeitlich auf das Jahr 2001 vorgezogene Anwendbarkeit des § 8b KStG auf Beteiligungserträge aus ausländischen Kapitalgesellschaftsanteilen zum Gegenstand. In Bezug auf die unionsrechtliche Beurteilung unterscheidet sich der vorliegende Sachverhalt jedoch in wesentlichen Punkten von jenem, der dem EuGH, Urteil zugrunde liegt.
In dem die Körperschaftsteuer betreffenden Fall des EuGH, Urteils „STEKO Industriemontage“13 hatte eine GmbH in der Bilanz zum 31.12.2001 eine Teilwertabschreibung auf in ihrem Anlagevermögen befindliche ausländische Streubesitz-Aktien vorgenommen. Weil es sich um ausländische Anteile gehandelt hat, war die Regelung des § 8b Abs. 3 KStG, der zufolge Gewinnminderungen im Zusammenhang mit Kapitalgesellschaftsanteilen bei der Ermittlung des Einkommens nicht berücksichtigt werden dürfen, bereits für den Veranlagungszeitraum 2001 anwendbar, sodass das Finanzamt den Abschreibungsbetrag dem Gewinn außerbilanziell hinzugerechnet hatte. Hätte es sich um inländische Anteile gehandelt, wäre die Teilwertabschreibung hingegen im Jahr 2001 auch steuerrechtlich noch anzuerkennen gewesen und hätte die Bemessungsgrundlage der Körperschaftsteuer gemindert. Die ausländischen Beteiligungen unterlagen damit im Jahr 2001 einer höheren Körperschaftsteuer als entsprechende Beteiligungen an inländischen Gesellschaften. Hierin hat der EuGH einen Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit gesehen14, der nicht durch den Rechtfertigungsgrund der Kohärenz des Steuersystems gerechtfertigt sei15.
Von dieser Situation unterscheidet sich die Konstellation der im Jahr 2001 nur für Auslandsbeteiligungen aus Streubesitz möglichen gewerbesteuerlichen Hinzurechnung nach § 8 Nr. 5 GewStG vor allem darin, dass es im Ergebnis nicht zu einer steuerlichen Schlechterstellung der Auslandssachverhalte kommt. Denn nach § 8 Nr. 5 GewStG wird in Auslandssachverhalten exakt nur derjenige Betrag wieder zur Bemessungsgrundlage hinzugerechnet, der im vorangegangenen Ermittlungsschritt nach § 7 Satz 1 GewStG i.V.m. § 8b Abs. 1 KStG -ebenfalls nur in Auslandssachverhalten- in Abzug gebracht worden ist. Wie oben beschrieben, gehen die Dividenden aus inländischen und ausländischen Streubesitzbeteiligungen im Erhebungszeitraum 2001 im gleichen Umfang -nämlich jeweils zu 100 %- in die Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer ein. Es besteht lediglich ein Unterschied in der Berechnungsweise, der schwerlich als materielle Benachteiligung des Auslandssachverhalts angesehen werden kann.
Verhältnis zum nationalen Verfassungsrecht
Der Umstand, dass jenseits der zur Vorabentscheidung durch den Gerichtshof der Europäischen Union gestellten unionsrechtlichen Frage ein Verstoß des § 8 Nr. 5 GewStG gegen den rechtsstaatlichen Vertrauensschutzgrundsatz in Betracht kommt, soweit von der Hinzurechnung auch vor dem 12.12.2001 vorgenommene Ausschüttungen umfasst sind16, hindert das Vorabentscheidungsersuchen nicht. Vielmehr erscheint es sachgerecht, zunächst die unionsrechtliche Problematik zu klären, bevor gegebenenfalls eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Verfassungsmäßigkeit des § 8 Nr. 5 GewStG in der vorliegenden Konstellation einzuholen ist.
Bundesfinanzhof, Beschluss vom 23. November 2021 – I R 5/18
- BFH, Urteil vom 11.08.2021 – I R 38/19, BFH/NV 2022, 334[↩]
- BGBl I 2000, 1034, BStBl I 2000, 1192[↩]
- BFH, Urteil in BFHE 241, 185, BStBl II 2015, 349[↩][↩]
- vgl. Mützler, Der Betrieb 2007, 1894, 1896[↩]
- ABl.EG 1997, Nr. C 340, 1[↩]
- ABl.EU 2008, Nr. C 115, 47[↩]
- vgl. zur Abgrenzung u.a. EuGH, Urteil Test Claimants in the FII Group Litigation vom 13.11.2012 – C-35/11, EU:C:2012:707, Randziffer -Rz- 90 ff., Internationales Steuerrecht -IStR- 2012, 924[↩]
- vgl. u.a. EuGH, Urteil X vom 26.02.2019 – C-135/17, EU:C:2019:136, IStR 2019, 347[↩]
- zum Merkmal der Vergleichbarkeit der Situationen im Zusammenhang mit der Kapitalverkehrsfreiheit u.a. EuGH, Urteil Grünewald vom 24.02.2015 – C-559/13, EU:C:2015:109, BStBl II 2015, 1071[↩]
- vgl. EuGH, Urteil STEKO Industriemontage vom 22.01.2009 – C-377/07, EU:C:2009:29, BStBl II 2011, 95[↩]
- EuGH, Urteil Santander Asset Management SGIIC u.a. vom 10.05.2012 – C-338/11 bis – C-347/11, EU:C:2012:286, IStR 2012, 432[↩]
- Nds. FG, Urteil vom 25.01.2018 – 6 K 145/16, EFG 2018, 1041[↩]
- EU:C:2009:29, BStBl II 2011, 95[↩][↩]
- EuGH, Urteil STEKO Industriemontage, EU:C:2009:29, BStBl II 2011, 95, Rz 26 ff.[↩]
- EuGH, ebenda, Rz 52 ff.[↩]
- vgl. BVerfG, Beschluss in BVerfGE 132, 302, BStBl II 2012, 932[↩]