Gewerbesteuermessbescheid – und der Rechtsschutz gegen die Angabe der hebeberechtigten Gemeinde

Mit der Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags wird zwar unter anderem über die persönliche und sachliche Steuerpflicht entschieden (§ 184 Abs. 1 Satz 2 AO), nicht aber über die Frage der Steuerberechtigung (Hebeberechtigung). Das gilt im Grundsatz selbst dann, wenn in einem Gewerbesteuermessbescheid eine Gemeinde namentlich als hebeberechtigt bezeichnet wird.

Gewerbesteuermessbescheid – und der Rechtsschutz gegen die Angabe der hebeberechtigten Gemeinde

Der Steuerpflichtige ist dadurch nicht rechtsschutzlos gestellt. Die Verwaltungsgerichte haben im Verfahren gegen den Gewerbesteuerbescheid die Bestimmung des Steuergläubigers, also der hebeberechtigten Gemeinde, zu prüfen, wenn diese nicht Gegenstand eines Zuteilungs- oder Zerlegungsverfahrens war1.

Dem Adressaten der Gewerbesteuermessbescheide fehlt mithin für die Klage, die auf die Aufhebung der Gewerbesteuermessbescheide als hebeberechtigt namentlich bezeichneten Gemeinden, hilfsweise auch auf die Aufhebung dieser Bescheide gerichtet ist, die Klagebefugnis; die Klage ist daher unzulässig.

Eine Klage ist nach § 40 Abs. 2 FGO nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts oder einer anderen Leistung in seinen Rechten verletzt zu sein. Aus § 157 Abs. 2 AO ergibt sich, dass die Rechtsverletzung durch einen Steuerverwaltungsakt aufgrund seines Entscheidungssatzes zu beurteilen ist, soweit keine gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen erfolgt. Aus der Begründung oder unselbständigen Besteuerungsgrundlagen des Verwaltungsakts ist dies grundsätzlich nicht abzuleiten2. Auch ein in einem Steuerbescheid enthaltener bloßer Hinweis ohne Regelungswirkung begründet danach grundsätzlich keine Beschwer.

Danach war die auf Aufhebung der angegriffenen geänderten Gewerbesteuermessbescheide für die Erhebungszeiträume 2004, 2005 sowie 2008 bis 2011 und auf Änderung der in den geänderten Gewerbesteuermessbescheiden für die Erhebungszeiträume 2006 und 2007 als hebeberechtigt bezeichneten Gemeinden, hilfsweise auch auf Aufhebung dieser Bescheide gerichtete Klage mangels Klagebefugnis unzulässig. Dabei kann dahinstehen, ob auch für die Erhebungszeiträume 2005 und 2008 bis 2011, in denen gegenüber den vorangegangenen Gewerbesteuermessbescheiden lediglich die Bezeichnung der hebeberechtigten Gemeinde geändert wurde, überhaupt angreifbare Verwaltungsakte vorliegen. Denn bei der Bezeichnung der hebeberechtigten Gemeinde in einem Gewerbesteuermessbescheid handelt es sich um einen bloßen Hinweis der Finanzbehörde ohne Regelungswirkung, durch den der Steuerpflichtige nicht beschwert ist.

Mit der Festsetzung des Steuermessbetrags wird zwar unter anderem über die persönliche und sachliche Steuerpflicht entschieden (§ 184 Abs. 1 Satz 2 AO), nicht aber auch über die Frage der Steuerberechtigung (Hebeberechtigung). Hierfür sieht die AO mit dem Zerlegungs- und dem Zuteilungsverfahren in den §§ 185 ff., 190 AO vielmehr gesonderte Verfahren vor, in denen für die daran Beteiligten verbindlich entschieden wird, welchem Steuerberechtigten und gegebenenfalls in welchem Umfang der in einem Gewerbesteuermessbescheid festgesetzte Gewerbesteuermessbetrag zuzuteilen ist. Beteiligte in diesen Verfahren sind neben dem Steuerpflichtigen die Steuerberechtigten, denen ein Anteil an dem Steuermessbetrag zugeteilt worden ist oder die einen Anteil beanspruchen (§ 186 AO), und damit diejenigen, die durch die Bestimmung des Steuerberechtigten rechtlich betroffen werden. Durch die Bereitstellung dieser Verfahren hat der Gesetzgeber Instrumente zur Lösung des Konflikts über die Steuerberechtigung einer Gemeinde bereitgestellt. Nachdem sowohl die Gemeinden als (potentielle) Steuerberechtigte als auch der Steuerpflichtige gemäß § 186 AO an dem Zuteilungs- beziehungsweise Zerlegungsverfahren beteiligt sind, bieten diese speziellen Verfahren auch ein ausreichendes Forum zur Klärung der konkreten materiellen Steuerberechtigung einer Kommune und ihrer daran lediglich anknüpfenden Erhebungskompetenz für die Gewerbesteuer3. Die Frage der Steuerberechtigung einer Gemeinde und damit auch deren Hebeberechtigung ist daher nach der Regelungstechnik der AO nicht Regelungsgegenstand eines Gewerbesteuermessbescheids.

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Das gilt nach Ansicht des Bundesfinanzhofs selbst dann, wenn in einem Gewerbesteuermessbescheid eine Gemeinde namentlich als hebeberechtigt bezeichnet wird. Denn die Frage der Steuerberechtigung betrifft wegen der daran anknüpfenden Hebeberechtigung nicht allein die Rechte des Steuerpflichtigen, sondern vor allem auch die der steuerberechtigten Gemeinde. Deshalb muss der Inhalt eines Gewerbesteuermessbescheids auch dieser mitgeteilt werden, um sie in die Lage zu versetzen, ihre Steuerberechtigung durch Erlass eines Gewerbesteuerbescheids umzusetzen. Die bloße namentliche Bezeichnung der hebeberechtigten Gemeinde in dem allein an den Steuerpflichtigen gerichteten Gewerbesteuermessbescheid ist dazu nicht geeignet. Dies ist auch für den Steuerpflichtigen als Adressat des Gewerbesteuermessbescheids erkennbar. Sie dient letztlich nur dazu, den Steuerpflichtigen darüber zu informieren, an wen die Mitteilung nach § 184 Abs. 3 AO, die ebenfalls keinen eigenständigen Verwaltungsakt darstellt4, erfolgt. Hält er eine andere Gemeinde für hebeberechtigt, kann er nach § 190 Satz 1 AO den Erlass eines entsprechenden Zuteilungsbescheids beantragen.

Dies steht nicht im Widerspruch zur verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung zur Regelung der Hebeberechtigung5. Soweit das BVerwG im vorgenannten Beschluss im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren von einer Regelung der Hebeberechtigung im Messbescheid ausgegangen ist, betraf dies eine besondere Fallkonstellation: Im dortigen Streitfall hatte das Finanzamt im Gewerbesteuermessbescheid die Hebeberechtigung der beklagten Gemeinde bestimmt. Nach Ansicht des BVerwG bringe der dort im Gewerbesteuermessbescheid enthaltene Hinweis, die Gewerbesteuer sei „nur an die im Gewerbesteuerbescheid bezeichnete Stelle zu zahlen“, vor dem Hintergrund der „gegebenen besonderen Umstände(n)“ mit hinreichender Deutlichkeit zum Ausdruck, dass die beklagte Gemeinde hebeberechtigt sei. In Übereinstimmung damit geht auch der Bundesfinanzhof davon aus, dass die Bestimmung der hebeberechtigten Gemeinde (nur) „regelmäßig“ nicht Bestandteil des Gewerbesteuermessbescheids sei6. Im Streitfall fehlt es jedoch an einer derartigen Bestimmung der Hebeberechtigung in den angefochtenen Gewerbesteuermessbescheiden. Zudem hat das Finanzgericht keine besonderen Umstände festgestellt, insbesondere nicht die gleichzeitige Bekanntgabe der Gewerbesteuermess- und der Gewerbesteuerbescheide durch die Gemeinden. Vor diesem Hintergrund kann dahinstehen, ob die (jüngere) verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung die Rechtsprechungsänderung durch den Bundesfinanzhof7 bereits berücksichtigen konnte.

Dementsprechend ist der Gewerbesteuermessbescheid zwar hinsichtlich des Steuermessbetrags, des maßgebenden Erhebungszeitraums und der Person des Steuerschuldners Grundlagenbescheid für einen Zerlegungs- oder Zuteilungsbescheid, nicht aber auch in Bezug auf die Bestimmung des Steuerberechtigten8.

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Der Kläger wird dadurch indes nicht rechtsschutzlos gestellt. Zwar haben die Gemeinden einen Gewerbesteuerbescheid nebst Zinsbescheid erlassen. Ob diese Gemeinden aber zum Erlass von Gewerbesteuerbescheiden berechtigt waren, kann der Kläger im Verwaltungsrechtsweg klären lassen. Das gilt selbst dann, wenn kein Zerlegungs- oder Zuteilungsbescheid nach § 188, § 190 AO vorliegt und ein solcher auch nicht mehr ergehen kann.

Ist ein Gewerbesteuermessbetrag zu zerlegen, da er nach Ansicht der den Gewerbesteuermessbescheid erlassenden Finanzbehörde zwischen mehreren Gemeinden aufzuteilen ist, hat die Finanzbehörde von Amts wegen ein Zerlegungsverfahren einzuleiten, an dem neben den ihrer Ansicht nach steuerberechtigten Gemeinden auch der Steuerpflichtige zu beteiligen ist (§ 188, § 186 AO) und an dessen Ende der Erlass eines Zerlegungsbescheids steht, der den Beteiligten bekanntzugeben ist, soweit sie betroffen sind (§ 188 Abs. 1 AO). Gegen diesen Bescheid steht den am Zerlegungsverfahren Beteiligten, also auch dem Steuerpflichtigen, der Rechtsweg offen (Einspruch und Klage zum Finanzgericht). Im Zerlegungsverfahren wird zwischen den daran Beteiligten abschließend darüber entschieden, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe einer Gemeinde ein Anteil an dem Steuermessbetrag zusteht. Der Zerlegungsbescheid ist hinsichtlich der Steuerberechtigung damit Grundlagenbescheid für den Gewerbesteuerbescheid. Ungeachtet einer Mitteilung der Finanzbehörde kann danach eine Gemeinde einen Gewerbesteuerbescheid nur hinsichtlich des Anteils erlassen, der ihr durch den Zerlegungsbescheid zugeteilt wurde. Nicht die Mitteilung des Finanzamts berechtigt die Gemeinde in diesem Fall zum Erlass des Gewerbesteuerbescheids, sondern nur der sie insoweit bindende Zerlegungsbescheid.

Einwendungen gegen Regelungen in einem Grundlagenbescheid können zwar nicht mit Erfolg mit Rechtsbehelfen gegen den Folgebescheid geltend gemacht werden (vgl. § 351 Abs. 2 AO, der nach § 1 Abs. 2 Nr. 7 AO für die Gewerbesteuer gilt, soweit ihre Verwaltung den Gemeinden übertragen worden ist; § 42 FGO). Im Verfahren gegen den Folgebescheid kann der Steuerpflichtige aber geltend machen, dass kein wirksamer Grundlagenbescheid für den angegriffenen Folgebescheid vorliegt. In einem Verfahren gegen den Gewerbesteuerbescheid muss das Verwaltungsgericht daher prüfen, ob ein wirksamer Zerlegungsbescheid vorliegt, der der den Gewerbesteuerbescheid erlassenden Gemeinde den darin zugrunde gelegten Gewerbesteuermessbetrag zuteilt. Fehlt ein solcher Bescheid, muss es den Gewerbesteuerbescheid aufheben.

Ist ein Gewerbesteuermessbetrag nicht zu zerlegen, weil er nach Ansicht der den Gewerbesteuermessbescheid erlassenden Finanzbehörde in voller Höhe einem Steuerberechtigten zuzuteilen ist, und ist für diese Finanzbehörde auch nicht ersichtlich, dass Streit darüber besteht, welchem Steuerberechtigten der Steuermessbetrag zusteht, unterbleibt zwar zunächst der Erlass eines Bescheids, in dem über die Steuerberechtigung der von der Finanzbehörde als hebeberechtigt angesehenen Gemeinde verbindlich entschieden wird. Vielmehr ist diese Gemeinde zunächst aufgrund einer entsprechenden Mitteilung der Finanzbehörde nach § 184 Abs. 3 AO für den Erlass eines Gewerbesteuerbescheids zuständig.

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Auch in diesem Fall ist der Steuerpflichtige allerdings nicht rechtsschutzlos gestellt. Hält er eine andere Gemeinde für steuerberechtigt, kann er nach § 190 AO einen Antrag auf Erlass eines Zuteilungsbescheids stellen. In dem sich anschließenden Zuteilungsverfahren wird sodann durch Zuteilungsbescheid verbindlich darüber entschieden, welche Gemeinde steuerberechtigt ist. Auch gegen diesen Bescheid stehen unter anderem dem Steuerpflichtigen die Rechtsbehelfe des Einspruchs und der Klage (zum Finanzgericht) offen. Selbst wenn danach eine Gemeinde zunächst aufgrund einer Mitteilung der Finanzbehörde nach § 184 Abs. 3 AO einen Gewerbesteuerbescheid erlassen hat, wird ihre Steuerberechtigung nicht durch diese Mitteilung, sondern erst im anschließenden Zuteilungsverfahren geklärt. Der in diesem Verfahren ergangene Zuteilungsbescheid stellt insoweit hinsichtlich der Steuerberechtigung den Grundlagenbescheid für den Gewerbesteuerbescheid dar. Nur die Gemeinde, die im Zuteilungsbescheid als Steuerberechtigte bezeichnet wird, ist zum Erlass eines Gewerbesteuerbescheids berechtigt. Eine darin nicht als steuerberechtigt genannte Gemeinde muss daher einen bereits erlassenen Gewerbesteuerbescheid unabhängig davon aufheben, ob die Finanzbehörde ihr den Inhalt des Gewerbesteuermessbescheids zuvor nach § 184 Abs. 3 AO mitgeteilt hatte (vgl. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 1 Abs. 2 Nr. 4 AO). Kommt die Gemeinde dieser Verpflichtung nicht nach, steht dem Steuerpflichtigen insoweit der Weg zu den Verwaltungsgerichten offen.

Ausreichenden Rechtsschutz vor den Verwaltungsgerichten erhält ein Steuerpflichtiger gegen einen seiner Ansicht nach von einer nicht hebeberechtigten Gemeinde erlassenen Gewerbesteuerbescheid aber auch dann, wenn ein Grundlagenbescheid in Form eines Zuteilungs- oder Zerlegungsbescheids nicht vorliegt und ein solcher Bescheid auch nicht mehr ergehen kann, etwa weil die sogenannte Zerlegungs- beziehungsweise Zuteilungssperre des § 189 Satz 3 AO greift.

Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ist die Bestimmung der hebeberechtigten Gemeinde -wie ausgeführt- regelmäßig nicht Bestandteil des Gewerbesteuermessbescheids. Als materiell-rechtliche Voraussetzung ist sie vielmehr eigenständig beim Erlass des Gewerbesteuerbescheids zu prüfen. Anders verhält es sich nur, wenn ein Zuteilungs- oder Zerlegungsbescheid nach § 190 beziehungsweise § 188 AO vorliegt9. Fehlt ein solcher Bescheid und kann er auch nicht mehr ergehen, erlangt der Steuerpflichtige Rechtsschutz, indem er den Gewerbesteuerbescheid anficht und die fehlende Hebeberechtigung der den Bescheid erlassenden Kommune rügt.

Daran ändert sich grundsätzlich nichts, wenn der Gewerbesteuerbescheid der Kommune -wie im Streitfall- auf einem geänderten Gewerbesteuermessbescheid beruht, in dem das Finanzamt die hebeberechtigte Gemeinde „ausgetauscht“ hat. Es kann dahinstehen, ob in einem solchen Fall überhaupt ein angreifbarer Verwaltungsakt vorliegt und ob sich ein derartiger Bescheid als rechtmäßig darstellt10. Rechtsschutz erlangt der Steuerpflichtige jedenfalls nicht durch Anfechtung des Gewerbesteuermessbescheids, vielmehr muss er sich auch dann gegen den Gewerbesteuerbescheid der Kommune wenden. Die Rechtswidrigkeit oder Fehlerhaftigkeit einer Maßnahme der Verwaltung kann nicht generell, sondern nur unter den einschränkenden Voraussetzungen des § 40 Abs. 2 FGO geltend gemacht werden11.

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Damit stellt sich der Rechtsschutz im Hinblick auf die Bestimmung der hebeberechtigten Gemeinde im Verfahren zur Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags beziehungsweise der Gewerbesteuer im Ergebnis wie folgt dar: Erlässt das Finanzamt einen Zerlegungs- oder Zuteilungsbescheid, wird darin die Frage der Hebeberechtigung verbindlich geklärt. Der Steuerpflichtige kann die Bescheide mit Einspruch und (finanzgerichtlicher) Klage anfechten. Die Regelung im Zerlegungs- oder Zuteilungsbescheid entfaltet Bindungswirkung für den Gewerbesteuerbescheid. Wird hingegen kein Zerlegungs- oder Zuteilungsverfahren durchgeführt, wird die in der Mitteilung nach § 184 Abs. 3 AO genannte Kommune regelmäßig den Gewerbesteuerbescheid erlassen. Im Rahmen der Anfechtung dieses Bescheids kann der Steuerpflichtige dann geltend machen, nicht die den Bescheid erlassende Kommune, sondern eine andere sei hebeberechtigt. Danach haben die Verwaltungsgerichte im Verfahren gegen den Gewerbesteuerbescheid die Bestimmung des Steuergläubigers, also der hebeberechtigten Gemeinde, zu prüfen, wenn diese nicht Gegenstand eines Zuteilungs- oder Zerlegungsverfahrens war12. Die Rechtsprechung des BVerwG steht dem nicht entgegen.

Zwar hat dies zur Konsequenz, dass das Finanzamt (und nachfolgend das Finanzgericht) über die Frage der Hebeberechtigung nur dann entscheiden kann, wenn ein Zuteilungs- oder Zerlegungsverfahren durchgeführt wird; anderenfalls wird die hebeberechtigte Gemeinde im Gewerbesteuerbescheid der Kommune bestimmt (und gegebenenfalls nachfolgend durch das Verwaltungsgericht überprüft). Diese (etwaige) Zuständigkeits- und Rechtswegspaltung ist jedoch angesichts der dargestellten Systematik des (zweistufigen) Verfahrens der Gewerbesteuererhebung und der beschriebenen Kompetenzverteilung, die eine Zusammenarbeit zwischen den kommunalen und den staatlichen Behörden erfordert13, hinzunehmen14. Wollte der Gesetzgeber die Sachnähe der Finanzbehörde nutzen und ihr die verbindliche Bestimmung der hebeberechtigten Gemeinde in jedem Fall zuweisen, wäre eine entsprechende gesetzliche Regelung erforderlich.

Der Kläger wendet in diesem Zusammenhang ohne Erfolg ein, § 174 AO erlaube in Fällen wie dem vorliegenden -sollte es zu einer verwaltungsgerichtlichen Bestätigung der Hebeberechtigung der beklagten Gemeinde kommen- nicht die Aufhebung des von der nicht hebeberechtigten Gemeinde erlassenen Gewerbesteuerbescheids, so dass es zu einer Doppelbelastung mit Gewerbesteuer kommen könne.

Hat eine Gemeinde auf der Grundlage der Mitteilung der Finanzbehörde nach § 184 Abs. 3 AO einen Gewerbesteuerbescheid erlassen und wird später -außerhalb der Frist des § 190 Satz 2 i.V.m. § 189 Satz 3 AO- ein weiterer Gewerbesteuerbescheid für denselben Erhebungszeitraum von einer anderen Gemeinde erlassen, kann der Steuerpflichtige letzteren Bescheid vor dem Verwaltungsgericht anfechten und die fehlende Hebeberechtigung rügen. Das Verwaltungsgericht hat dann die Möglichkeit, die zuerst genannte Gemeinde nach § 65 der Verwaltungsgerichtsordnung zum Klageverfahren beizuladen, um die Rechtskraft der auch ihre Rechte berührenden gerichtlichen Entscheidung auf diese Gemeinde zu erstrecken.

Stellt das Verwaltungsgericht die Hebeberechtigung der beklagten Gemeinde fest, wird die (beigeladene) andere Gemeinde ihren Gewerbesteuerbescheid auf Antrag des Steuerpflichtigen nach § 174 Abs. 1 i.V.m. § 1 Abs. 2 Nr. 4 AO aufheben müssen. Dies hat die Vorinstanz zu Recht angenommen. Die Norm ermöglicht die (antragsgemäße) Aufhebung des fehlerhaften Steuerbescheids, wenn ein bestimmter Sachverhalt in mehreren Steuerbescheiden zuungunsten eines (oder mehrerer) Steuerpflichtigen berücksichtigt worden ist, obwohl er nur einmal hätte berücksichtigt werden dürfen. Ein derartiger positiver Widerstreit kann auch in den Fällen der sogenannten Zuständigkeitskollision vorliegen, wenn gegenüber einem Steuerpflichtigen wegen eines bestimmten Sachverhalts von mehreren Finanzbehörden eine Rechtsfolge bestimmt wird. Dies betrifft etwa die Veranlagung eines Steuerpflichtigen zur Einkommensteuer für den nämlichen Veranlagungszeitraum durch verschiedene Finanzämter15.

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Entsprechendes gilt für Gewerbesteuerbescheide, die verschiedene -vermeintlich hebeberechtigte- Gemeinden für denselben Gewerbebetrieb und denselben Erhebungszeitraum erlassen. Dass beide Gemeinden um die Hebeberechtigung streiten und eigene wirtschaftliche Interessen verfolgen sowie an dem die Gewerbesteuerfestsetzung betreffenden Klageverfahren beteiligt sind, steht dem nicht entgegen. Entgegen der Ansicht des Klägers scheitert die Anwendung des § 174 Abs. 1 AO auch nicht am Vorliegen eines „bestimmten Sachverhalts“. Dieses Tatbestandsmerkmal, verstanden als der einzelne Lebensvorgang, an den das Gesetz steuerliche Folgen knüpft16, liegt in dem Betreiben eines stehenden Gewerbebetriebs im Inland (Steuergegenstand, § 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG). Hingegen kommt es auf das Unterhalten von (Geschäftsleitungs-)Betriebsstätten zur Ausübung des stehenden Gewerbes in verschiedenen Gemeinden (§ 4 Abs. 1 Satz 2 GewStG) in diesem Zusammenhang nicht an.

Ausgehend von den dargestellten Rechtsgrundsätzen hätte das Finanzgericht die Klage bereits mangels Klagebefugnis (§ 40 Abs. 2 FGO) als unzulässig abweisen müssen; damit kann dahinstehen, ob die Klage, soweit sie die Erhebungszeiträume 2010 und 2011 betrifft, auch schon mangels Beschwer unzulässig war, weil der Hebesatz der Gemeinde Z in diesen Jahren niedriger war als der der Gemeinde X17. Die Sache ist entscheidungsreif. Hat das Finanzgericht durch klageabweisendes Sachurteil entschieden, obwohl es die Klage durch Prozessurteil hätte abweisen müssen, ist das Urteil nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs nicht aufzuheben, sondern die Revision mit der Maßgabe als unbegründet zurückzuweisen, dass die Klage unzulässig ist18.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 11. Mai 2023 – IV R 3/19

  1. Bestätigung von BFH, Urteil vom 19.11.2003 – I R 88/02, BFHE 204, 283, BStBl II 2004, 751 und BFH, Beschluss vom 09.01.2013 – IV B 64/11[]
  2. z.B. BFH, Urteil vom 28.05.2020 – IV R 4/17, BFHE 269, 149, BStBl II 2020, 710, Rz 18[]
  3. vgl. auch BayVGH, Beschluss vom 25.04.2005 – 4 CE 05.690 Rz 19, wenngleich als Argument für eine ausschließliche Zuständigkeit der Finanzämter für die verbindliche Feststellung der hebeberechtigten Gemeinde[]
  4. BFH, Urteil vom 25.11.2015 – I R 85/13, BFHE 252, 217, BStBl II 2016, 479, Rz 18[]
  5. BVerwG, Beschluss vom 30.12.1997 – 8 B 161/97, Buchholz 401.0 § 184 AO Nr. 2; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 25.11.2003 – 6 A 11239/03, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht – Rechtsprechungs-Report 2004, 372; jeweils noch unter Bezugnahme auf BFH, Urteil vom 14.11.1984 – I R 151/80, BFHE 142, 544, BStBl II 1985, 607; wohl auch BayVGH, Beschluss vom 25.04.2005 – 4 CE 05.690 Rz 19[]
  6. BFH, Urteil vom 19.11.2003 – I R 88/02, BFHE 204, 283, BStBl II 2004, 751, unter II. 4.b[]
  7. vgl. Urteil in BFHE 204, 283, BStBl II 2004, 751, unter II. 4.; Beschluss vom 09.01.2013 – IV B 64/11, Rz 3[]
  8. z.B. BFH, Urteile vom 20.04.1999 – VIII R 13/97, BFHE 188, 536, BStBl II 1999, 542, unter II.A.03.b bb; vom 28.06.2000 – I R 84/98, BFHE 192, 222, BStBl II 2001, 3, unter II.A.02.b; BFH, Beschluss vom 09.01.2013 – IV B 64/11, Rz 4; Klein/Ratschow, AO, 16. Aufl., § 184 Rz 6; Saathoff in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann, GewStG, 2. Aufl., § 4 Rz 19 und § 16 Rz 13; anderer Ansicht Brandis/Heuermann/Gosch, § 16 GewStG Rz 35; Beutel in Lenski/Steinberg, Gewerbesteuergesetz, § 16 Rz 67[]
  9. BFH, Urteile in BFHE 188, 536, BStBl II 1999, 542, unter II.A.03.b bb; in BFHE 204, 283, BStBl II 2004, 751, unter II. 4.b; BFH, Beschluss vom 09.01.2013 – IV B 64/11, Rz 3[]
  10. vgl. dazu FG München, Urteil vom 30.01.2023 – 7 K 2200/18, Rz 41, Revision anhängig unter – III R 6/23[]
  11. BFH, Urteil in BFHE 252, 217, BStBl II 2016, 479, Rz 20, zur Mitteilung nach § 184 Abs. 3 AO[]
  12. BFH, Beschluss vom 09.01.2013 – IV B 64/11, Rz 3, unter Bezugnahme auf BFH, Urteil in BFHE 204, 283, BStBl II 2004, 751, unter II. 4.b; Frotscher in Schwarz/Pahlke/Keß, AO, § 184 Rz 10, 17, 20; Pahlke in Schwarz/Pahlke/Keß, AO, § 190 Rz 1; Klein/Ratschow, AO, 16. Aufl., § 184 Rz 6; Brandis/Heuermann/Gosch, § 4 GewStG Rz 12; de Hesselle in Lenski/Steinberg, Gewerbesteuergesetz, § 14 Rz 24; Hidien in Lippross/Seibel, Basiskommentar Steuerrecht, Stand 136. Lfg. 02.2023 § 4 GewStG Rz 32; Boeker in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 184 AO Rz 35[]
  13. BFH, Urteil in BFHE 252, 217, BStBl II 2016, 479, Rz 18[]
  14. anders wohl BayVGH, Beschluss vom 25.04.2005 – 4 CE 05.690 Rz 19[]
  15. Loose in Tipke/Kruse, § 174 AO Rz 3, 17; Frotscher in Schwarz/Pahlke/Keß, AO, § 174 Rz 23[]
  16. z.B. BFH, Urteil vom 19.08.2015 – X R 50/13, BFHE 251, 389, BStBl II 2017, 15, Rz 20[]
  17. vgl. BFH, Urteil in BFHE 204, 283, BStBl II 2004, 751, unter II. 4.b, am Ende[]
  18. z.B. BFH, Urteil vom 23.01.2020 – IV R 48/16, Rz 37[]
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