Gewerbesteuermessbescheide – und die Klagebefugnis der Gemeinden

Gegen Gewerbesteuermessbescheide steht den Gemeinden grundsätzlich keine Klagebefugnis zu.

Gewerbesteuermessbescheide – und die Klagebefugnis der Gemeinden

Die Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Gemeinde in ihrer Eigenschaft als Gewerbesteuerberechtigte nach § 40 Abs. 3 FGO befugt ist, wegen der Festsetzung eines Gewerbesteuermessbetrags Klage zu erheben, ist in der Rechtsprechung des BFH geklärt. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob eine Gemeinde befugt ist, auch gegen die gesonderte Feststellung vortragsfähiger Gewerbeverluste Klage zu erheben, denn für eine solche Klage gelten jedenfalls keine geringeren Anforderungen als für Klagen gegen Gewerbesteuermessbescheide.

Gemeinden als Träger von Hoheitsrechten haben nach heutiger Rechtslage keine allgemeine Rechtsmittelbefugnis gegen Bescheide der Finanzämter mehr1. Vielmehr entspricht es ständiger Rechtsprechung des BFH, dass den Gemeinden gegen Grundsteuer- und Gewerbesteuermessbescheide der FÄ ein Klagerecht grundsätzlich nicht zusteht2. Nur ausnahmsweise kann sich eine Klagebefugnis der Gemeinde aus § 40 Abs. 3 FGO ergeben3. Für eine Gemeinde in ihrer Eigenschaft als -wie im Streitfall- Gewerbesteuerberechtigte bedeutet dies, dass sie nur dann ausnahmsweise befugt ist, wegen der Festsetzung eines Gewerbesteuermessbetrages Klage zu erheben, wenn die Voraussetzungen des § 40 Abs. 3 FGO erfüllt sind4. Nach § 40 Abs. 3 FGO können Gemeinden als Abgabenberechtigte wegen der von den FÄ festgesetzten oder festzusetzenden Gewerbesteuermessbeträge Klage erheben, wenn das betreffende Finanzamt als Landesfinanzbehörde die Gewerbesteuer ganz oder teilweise für die Gemeinde verwaltet und das Land die Gewerbesteuer ganz oder teilweise unmittelbar oder mittelbar schulden würde5. Mittelbar i.S. des § 40 Abs. 3 FGO schuldet ein Land eine Abgabe, wenn es öffentlich-rechtlich verpflichtet ist, die Abgabenschuld eines Dritten zu erfüllen6. Mit dieser Rechtsprechung sind die Fragen der Auslegung und Anwendung des § 40 Abs. 3 FGO einfachrechtlich hinreichend geklärt.

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Eine Fortentwicklung dieser Rechtsgrundsätze ist auch unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht geboten.

Die hier von der Gemeinde geltend gemachte Beeinträchtigung des Schutzbereichs der kommunalen Finanzhoheit (Art. 28 Abs. 2 Satz 3 GG) kann nur angenommen werden, wenn eine nachhaltige, von der Gemeinde nicht mehr zu bewältigende und hinzunehmende Einengung ihrer Finanzspielräume vorliegt7. Ungeachtet der Frage, ob dieser Ausnahmefall in Folge der streitbefangenen Bescheide eingetreten ist, bedürfte es für einen derartigen Fall jedenfalls keiner verfassungskonformen Auslegung des § 40 Abs. 3 FGO dahingehend, dass die von der Vorschrift den Gemeinden eingeräumte eingeschränkte Klagebefugnis im finanzgerichtlichen Verfahren über den Wortlaut der Vorschrift hinaus zu erweitern wäre. Auch wenn eine Gemeinde grundsätzlich weder im Wege des Folgenbeseitigungsanspruchs noch nach den Grundsätzen über die sinngemäße Anwendung des vertraglichen Schuldrechts auf öffentlich-rechtliche Sonderbeziehungen vom Land als Träger der Finanzverwaltung Ersatz des Gewerbesteuerausfalls verlangen kann, der ihr durch Fehler der zuständigen Landesfinanzbehörde bei der Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrages entstanden ist, kommt ein solcher Anspruch ausnahmsweise in Betracht, wenn eine unwirksame oder zu niedrige Festsetzung der Steuermessbeträge und der damit verbundene Steuerausfall zur Folge hat, dass die nach Art. 28 Abs. 2 Satz 3 GG garantierte Finanzhoheit der betroffenen Gemeinde verletzt wird8. Dieser Anspruch wäre im Verwaltungsrechtsweg geltend zu machen und erfordert keine erweiterte Klagebefugnis bereits gegen Gewerbesteuermessbescheide, die möglicherweise im wirtschaftlichen Ergebnis der finanziellen Eigenverantwortung der betroffenen Gemeinde die Grundlage entziehen.

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Abs. 6 GG schützt nicht etwaige Steueransprüche der Gemeinden, sondern garantiert ihnen lediglich die Zuweisung des tatsächlich angefallenen Ertrags. Demzufolge kann auch aus Art. 106 Abs. 6 GG kein Recht der Gemeinden auf Erlass bestimmter Steuermessbescheide9 oder auf Ausgleich des durch Fehler im Steuermessbetragsverfahren verursachten Steuerausfalls hergeleitet werden10. Deshalb bedarf es auch insoweit keiner Fortentwicklung der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu § 40 Abs. 3 FGO.

Ebenso ist geklärt, dass den Gemeinden auch aus Art. 108 Abs. 4 Satz 2 GG kein Recht auf Erlass bestimmter Steuermessbescheide zukommt11. Auch insoweit ist deshalb keine Erweiterung der Klagebefugnis der Gemeinden in verfassungskonformer Auslegung des § 40 Abs. 3 FGO geboten.

Die Rechtsfrage, ob § 40 Abs. 3 FGO eine abschließende Regelung für Klagen einer Gemeinde enthält oder ob daneben noch eine Klagebefugnis aus § 40 Abs. 2 FGO bestehen kann, ist danach nicht entscheidungserheblich, weil auch nach dem auf § 40 Abs. 2 FGO gestützten Urteil des Bundesfinanzhofs12 eine Klagebefugnis nicht besteht.

Bundesfinanzhof, Beschluss vom 21. Juni 2017 – IV B 8/16

  1. näher zur Historie BFH, Beschluss vom 22.11.1955 – I B 43/55 U, BFHE 62, 115, BStBl III 1956, 44; BVerwG, Urteil vom 27.01.1995 – 8 C 30/92, BVerwGE 97, 357, BStBl II 1995, 522, unter 1.c, dort auch zu den als Ersatz für den Wegfall der früheren Rechtsmittelbefugnis geschaffenen Mitwirkungsrechten der Gemeinden[]
  2. BFH, Urteil vom 30.01.1976 – III R 60/74, BFHE 118, 285, BStBl II 1976, 426, unter 1., m.w.N.[]
  3. zur Entstehung der Norm BFH, Urteil in BFHE 118, 285, BStBl II 1976, 426, unter 1.[]
  4. BFH, Beschluss vom 17.10.2001 – I B 6/01, BFHE 196, 205, BStBl II 2002, 91, unter II.A.01., m.w.N.[]
  5. BFH, Beschluss in BFHE 196, 205, BStBl II 2002, 91, unter II.A.1.[]
  6. BFH, Beschluss in BFHE 196, 205, BStBl II 2002, 91, unter II.A.3.b[]
  7. BVerwG, Urteil vom 15.06.2011 9 C 4/10, BVerwGE 140, 34, unter 2.a bb, m.w.N.[]
  8. näher BVerwG, Urteil in BVerwGE 140, 34, unter 2.a bb[]
  9. BFH, Urteil in BFHE 118, 285, BStBl II 1976, 426, unter 2.b[]
  10. BVerwG, Urteil in BVerwGE 140, 34, unter 2.a cc[]
  11. BFH, Urteil in BFHE 118, 285, BStBl II 1976, 426, unter 2.a; BVerwG, Urteil in BVerwGE 140, 34, unter 2.a aa[]
  12. BFH, Urteil vom 21.10.1970 – I R 81, 82, 92-94/68, BFHE 100, 295, BStBl II 1971, 30[]
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