Überlassung von Hotelzimmern an Reiseveranstalter – und die gewerbesteuerrechtliche Hinzurechnung der Mietzinsen

Bei der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung wird für die Zuordnung eines gemieteten oder gepachteten Wirtschaftsguts zum Anlage- oder Umlaufvermögen das Eigentum des Mieters oder Pächters voraussetzungslos fingiert. Entsprechend ist auch die Dauer des fiktiv angenommenen Eigentums auf die tatsächliche Dauer des jeweiligen Miet- und Pachtverhältnisses zu begrenzen. Die Fiktion des Eigentums bedingt nicht die Annahme, dass die angemieteten oder gepachteten Wirtschaftsgüter nicht lediglich für einen vorübergehenden Zeitraum erworben sein können. Aus der Fiktion des Eigentums folgt damit nicht zwangsläufig die Fiktion von Anlagevermögen. Die auf Basis des fiktiv angenommenen Eigentums vorzunehmende Zuordnung des Wirtschaftsguts zum Anlagevermögen oder zum Umlaufvermögen muss den konkreten Geschäftsgegenstand des Unternehmens berücksichtigen und sich so weit wie möglich an den betrieblichen Verhältnissen des Steuerpflichtigen orientieren. Das Geschäftsmodell eines Reiseveranstalters erfordert typischerweise keine langfristige Nutzung der von den Hoteliers überlassenen beweglichen und unbeweglichen Wirtschaftsgüter, sondern eine zeitlich begrenzte Nutzung von Wirtschaftsgütern, deren Produkteigenschaften kurzfristig an sich wandelnde Markterfordernisse angepasst werden können.

Überlassung von Hotelzimmern an Reiseveranstalter – und die gewerbesteuerrechtliche Hinzurechnung der Mietzinsen

Entgelte, die ein Reiseveranstalter an Hoteliers für die Überlassung von Hotelzimmern bezahlt, unterliegen daher nicht der gewerbesteuerrechtlichen Hinzurechnung.

Dies hat der Bundesfinanzhof zu § 8 Nr. 1 Buchst. d und e GewStG in dem Fall einer Reiseveranstalterin entschieden. Nach diesen Vorschriften werden bei der Gewerbesteuer dem nach den Vorschriften des Einkommensteuer- oder Körperschaftsteuerrechts ermittelten Gewinn Miet- und Pachtzinsen, die zuvor gewinnmindernd berücksichtigt wurden, teilweise wieder hinzugerechnet, wenn die Wirtschaftsgüter dem Anlagevermögen des Betriebs des Steuerpflichtigen zuzurechnen sind.

In dem hier entschiedenen Fall organisierte die Reiseveranstalterin Pauschalreisen. Zu diesem Zweck schloss sie mit anderen Leistungsträgern im Inland und im europäischen Ausland Verträge über typische Reisevorleistungen, insbesondere Übernachtungen, Per-sonenbeförderungen, Verpflegungen, Betreuungen und Aktivitäten im Zielgebiet. Im Rahmen ihrer Gewerbesteuererklärung für 2008 nahm die Reiseveranstalterin zwar Hinzurechnungen für von ihr geleistete Miet- und Pachtzinsen vor, jedoch nur hinsichtlich der von ihr angemieteten Geschäftsräume. Die an die Hoteliers gezahlten Entgelte blieben bei den Hinzurechnungen unberücksichtigt. Das Finanzamt war nach Durchführung einer Betriebsprüfung dagegen der Auffassung, dass nicht insgesamt eine Hotelleistung „eingekauft“ werde, sondern ein Teil des an die Hoteliers bezahlten Entgeltes auf die „Anmietung“ von Hotelzimmern entfalle. Entsprechend erhöhte es den gewerblichen Gewinn um den gesetzlich vorgesehenen Teil dieser Mietzinsen.

Das Finanzgericht Münster entschied zunächst im Rahmen eines Zwischenurteils über verschiedene Rechtsfragen. Dabei gelangte es u.a. zu dem Ergebnis, dass in den von der Reiseveranstalterin an die Hoteliers gezahlten Entgelten Mietzinsen enthalten seien und der betreffende Anteil bei der Hinzurechnung zu berücksichtigen sei n((FG Münster, Urteil vom 04.02.2016 – 9 K 1472/13 G)). Dagegen sah der Bundesfinanzhof die Revision der Reiseveranstalterin als begründet an:

Die Hinzurechnung setze neben dem Vorliegen eines Miet- oder Pachtvertrages voraus, dass die gemieteten oder gepachteten Wirtschaftsgüter bei fiktiver Betrachtung Anlagevermögen des Steuerpflichtigen wären, wenn sie in seinem Eigentum stünden. Letzteres verneinte der Bundesfinanzhof, da bei einer nur kurzfristigen Überlassung der Hotelzimmer auch nur eine entsprechend kurzfristige Eigentümerstellung der Reiseveranstalterin zu unterstellen sei. Für die Zuordnung von Wirtschaftsgütern zum Anlage- oder dem Umlaufvermögen sei der konkrete Geschäftsgegenstand des Unternehmens zu berücksichtigen und -soweit wie möglich- auf die betrieblichen Verhältnisse des Steuerpflichtigen abzustellen.

Insofern sei entscheidend, dass das Geschäftsmodell eines Reiseveranstalters wie der Reiseveranstalterin typischerweise keine langfristige Nutzung der von den Hoteliers überlassenen Wirtschaftsgüter erfordere. Vielmehr diene die nur zeitlich begrenzte Nutzung der Wirtschaftsgüter dem Bedürfnis des Reiseveranstalters, sich ständig an dem Wandel unterliegende Markterfordernisse (wie z.B. veränderte Kundenwünsche oder veränderte Verhältnisse am Zielort der Reise) anpassen zu können.

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Nach § 8 Nr. 1 Buchst. d und Buchst. e GewStG in der im Erhebungszeitraum 2008 geltenden Fassung werden zur Ermittlung des Gewerbeertrages (§ 7 GewStG) dem Gewinn aus Gewerbebetrieb ein Viertel der Summe aus einem Fünftel der Miet- und Pachtzinsen (einschließlich Leasingraten) für die Benutzung von beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens, die im Eigentum eines anderen stehen und dreizehn Zwanzigstel der Miet- und Pachtzinsen (einschließlich Leasingraten) für die Benutzung der unbeweglichen Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die im Eigentum eines anderen stehen, hinzugerechnet. Der Tatbestand sieht keine Differenzierung nach dem Ort der Belegenheit der unbeweglichen Wirtschaftsgüter vor; die Regelung betrifft daher auch Nutzungsentgelte, die an Vermieter/Verpächter für eine Nutzungsüberlassung im Ausland gezahlt werden1.

Der Bundesfinanzhof kann offenlassen, ob das Finanzgericht zu Recht davon ausgegangen ist, dass die Reiseveranstalterin Mietzinsen i.S. des § 8 Nr. 1 Buchst. d und Buchst. e GewStG gezahlt hat. Denn soweit das Finanzgericht angenommen hat, dass die Verträge mietvertragliche Bestandteile enthalten, hat es jedenfalls rechtsfehlerhaft dahin erkannt, dass die Wirtschaftsgüter Anlagevermögen darstellen würden, wenn sie im Eigentum der Reiseveranstalterin stünden.

Der Begriff des Anlagevermögens ist nach allgemeinen ertragsteuerlichen Grundsätzen zu bestimmen. Anlagevermögen sind danach die Gegenstände, die dazu bestimmt sind, auf Dauer dem Betrieb zu dienen (§ 247 Abs. 2 des Handelsgesetzbuchs). Das sind die zum Gebrauch im Betrieb bestimmten Wirtschaftsgüter. Zum Umlaufvermögen gehören demgegenüber die zum Verbrauch oder sofortigen Verkauf bestimmten Wirtschaftsgüter2.

Für die Hinzurechnung nach § 8 GewStG ist darauf abzustellen, ob die Wirtschaftsgüter Anlagevermögen des Mieters oder Pächters wären, wenn sie in seinem Eigentum stünden3. Diese Fiktion ist auf den Zweck des § 8 Nr. 1 Buchst. d und e GewStG zurückzuführen, durch die Hinzurechnung i.S. einer Finanzierungsneutralität einen objektivierten Ertrag des Gewerbebetriebs zu ermitteln4. Dabei ist zwar das Eingreifen der Fiktion, dass der Steuerpflichtige der (wirtschaftliche) Eigentümer der Wirtschaftsgüter ist, nicht an das Vorliegen bestimmter Voraussetzungen geknüpft5. Die Frage, ob das fiktiv im Eigentum des Steuerpflichtigen stehende Wirtschaftsgut zu dessen Anlagevermögen gehören würde, orientiert sich aber maßgeblich an der Zweckbestimmung des Wirtschaftsguts in dem Betrieb, die einerseits subjektiv vom Willen des Steuerpflichtigen abhängt, sich andererseits aber an objektiven Merkmalen nachvollziehen lassen muss6. Gemeint ist, dass es sich bei dem überlassenen Wirtschaftsgut der Art nach um Anlagevermögen handelt, wobei es ausreicht, wenn das Wirtschaftsgut dazu gewidmet ist, auf Dauer eine Nutzung im Geschäftsbetrieb zu ermöglichen7. Insoweit spricht insbesondere die Verwendung des Wirtschaftsguts als Produktionsmittel für die Zuordnung zum Anlagevermögen, während der Einsatz als zu veräußerndes Produkt eine Zuordnung zum Umlaufvermögen nahe legt8.

Die Prüfung muss den Geschäftsgegenstand des Unternehmens berücksichtigen9 und sich so weit wie möglich an den betrieblichen Verhältnissen des Steuerpflichtigen orientieren10. Insbesondere darf die Fiktion nicht weiter reichen, als es die Vorstellung eines das Miet- oder Pachtverhältnis ersetzenden Eigentums gebietet11. Es ist zu fragen, ob der Geschäftszweck das dauerhafte Vorhandensein solcher Wirtschaftsgüter voraussetzt12. Hierfür ist -i.S. einer Kontrollfrage- darauf abzustellen, ob sich die betreffende Tätigkeit, das Eigentum des Steuerpflichtigen an dem Wirtschaftsgut unterstellt, wirtschaftlich sinnvoll nur ausüben lässt, wenn das Eigentum an den Wirtschaftsgütern langfristig erworben wird13.

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Ein Gegenstand kann zwar auch dann dem Anlagevermögen zuzuordnen sein, wenn er nur kurzfristig gemietet oder gepachtet wird; dies gilt selbst dann, wenn sich das Miet- oder Pachtverhältnis lediglich auf Tage oder Stunden erstreckt14. Insoweit darf für die Einordnung als Anlagevermögen die Zeitkomponente „dauernd“ nicht als reiner Zeitbegriff i.S. von „immer“ oder „für alle Zeiten“ verstanden werden15. Das setzt indessen voraus, dass der Steuerpflichtige derartige Wirtschaftsgüter ständig für den Gebrauch in seinem Betrieb benötigt. Dies hat der BFH etwa bejaht, wenn der Steuerpflichtige wiederholt gleichartige Container zur Weitervermietung11 oder gleichartige Bestuhlungen und Beschallungsanlagen zur eigenen Nutzung in Sälen und Stadien16 angemietet hat. Aber eine Zuordnung zum Anlagevermögen scheidet danach aus, wenn der Steuerpflichtige die angemieteten oder gepachteten Wirtschaftsgüter nicht ständig für den Gebrauch in seinem Betrieb hätte vorhalten müssen17 und sie deshalb nicht zu seinem dem Betrieb auf Dauer gewidmeten Betriebskapital gehören würden18.

Insoweit bedarf es entgegen einer Literaturansicht19 keiner weiteren Fiktion über die Art und Weise des Gebrauchs des Wirtschaftsguts. Vielmehr beantwortet sich die Frage, welchem betrieblichen Zweck das Wirtschaftsgut gewidmet ist, nach den tatsächlichen betrieblichen Verhältnissen des Steuerpflichtigen und unter Beachtung des tatsächlichen Geschäftsgegenstands des Unternehmens. Dabei kann die Annahme von Umlaufvermögen nicht deshalb ausgeschlossen werden, weil angemietete Wirtschaftsgüter -wegen der Pflicht zur Rückgabe an den Eigentümer (§ 546 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs)- nie tatsächlich zum Verbrauch oder zum Verkauf bestimmt sein können20. Denn die Art und Weise des Gebrauchs ist wegen des für die Dauer des Mietverhältnisses fingierten Eigentums gerade unter Außerachtlassung der Rückgabepflicht zu bestimmen. Führt diese Prüfung zu dem Ergebnis, dass das Wirtschaftsgut im Falle der (fiktiven) Eigentümerstellung des Steuerpflichtigen nicht dem Anlagevermögen zuzuordnen wäre, ergibt sich daraus zugleich, dass das Wirtschaftsgut zum Umlaufvermögen gehören würde. Dieses Resultat stellt sich nicht als zusätzliche, im Gesetz nicht angelegte Fiktion dar, sondern ist notwendige Konsequenz der vom Gesetz geforderten Zuordnungsentscheidung zwischen Anlage- und Umlaufvermögen. Würde man hingegen bereits jede kurzfristige anlass- oder auftragsbezogene Anmietung eines Wirtschaftsguts für die Annahme von Anlagevermögen ausreichen lassen, wäre das Tatbestandsmerkmal „Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens“ im Ergebnis inhaltsleer und überflüssig21.

Unter Zugrundelegung dieser Rechtsgrundsätze ist das Finanzgericht im Streitfall zu Unrecht davon ausgegangen, dass die genutzten Wirtschaftsgüter (insbesondere Hotelzimmer, Sportanlagen, Saunas und Swimmingpools) Anlagevermögen der Reiseveranstalterin wären, wenn sie in deren Eigentum stünden. Denn es hat den Geschäftsgegenstand des Unternehmens der Reiseveranstalterin nicht hinreichend berücksichtigt und sich nicht so weit wie möglich an den betrieblichen Verhältnissen der Reiseveranstalterin orientiert.

Nach den Feststellungen des Finanzgericht organisiert die Reiseveranstalterin Sportreisen in Form von Pauschalreisen und schließt zu diesem Zweck mit anderen Leistungsträgern im Inland und europäischen Ausland Verträge über typische Reisevorleistungen, insbesondere Übernachtungen, Personenbeförderungen, Verpflegungen, Betreuungen und Zielgebietsaktivitäten ab. Die Reiseveranstalterin vertreibt somit das Produkt „Pauschalreise“, das sich aus mehreren Einzelkomponenten zusammensetzen kann, wie der Beförderung zum Urlaubsort, der Beförderung am Urlaubsort, der Übernachtung, der Verpflegung, der Nutzung von Hoteleinrichtungen sowie den Dienstleitungen des Personals des Reiseveranstalters, des Hotelbetreibers und ggf. der Dritten (z.B. Anbieter von Ausflügen).

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Entgegen der Auffassung des Finanzgericht führt die voraussetzungslose Fiktion des Eigentums nicht dazu, dass die konkreten Verhältnisse in dem Betrieb -wie etwa die Dauer der in einem einzelnen mit einem Hotel geschlossen Vertrag vereinbarten Zimmerüberlassung- außer Betracht bleiben könnten. Da die Fiktion nicht weiter reichen darf, als es die Vorstellung eines das Miet- oder Pachtverhältnis ersetzenden Eigentums gebietet, ist auch die fiktiv angenommene Dauer des fiktiven Eigentums auf die Dauer des jeweiligen Miet- oder Pachtverhältnisses zu begrenzen. Insoweit kann der Auffassung des Finanzgericht, dass eine Einlassung auf die Fiktion des Eigentums gleichsam die Annahme bedinge, dass die Wirtschaftsgüter nicht für einen lediglich vorübergehenden Zeitraum erworben sein können, nicht gefolgt werden. Ebenso wenig kann der von den Vertretern der Finanzverwaltung in der mündlichen Verhandlung geäußerten Rechtsauffassung gefolgt werden, dass ein nur für wenige Tage im Jahr im fiktiven Eigentum des Steuerpflichtigen stehendes Wirtschaftsgut sozusagen ganzjährig weiterhin latent im Anlagevermögen „schlummert“. Eine solche kurzfristige fiktive Eigentümerstellung ist nicht dem Fall vergleichbar, dass sich ein Wirtschaftsgut tatsächlich ganzjährig im Betriebsvermögen befindet, aber nicht oder nur kurzfristig in Gebrauch ist (wie etwa ein Reservemotor oder eine Maschine zur Produktion von nur noch selten angeforderten Ersatzteilen)22. Eine solche kurzfristige fiktive Eigentümerstellung zwingt daher auch nicht dazu, dann stets Anlagevermögen an-zunehmen. Vielmehr ist eine nur vorübergehende Eigentümerstellung, wie sie etwa bei der Anschaffung weiterzuveräußernder Waren besteht, gerade typisch für die Fälle des Vorliegens von Umlaufvermögen. Die Auffassung des Finanzgericht und der Finanzverwaltung unterstellte hingegen mit der Fiktion des Eigentums zugleich dessen Dauerhaftigkeit. Damit wäre aber nicht nur die Eigentümerstellung, sondern -zu Unrecht- auch die Qualifikation „Anlagevermögen“ fingiert23. Im Ergebnis wäre dem Tatbestandsmerkmal „Anlagevermögen“ seine eigenständige Bedeutung genommen, obwohl es für die Abgrenzung zum Umlaufvermögen nicht auf die Eigentümerstellung des Steuerpflichtigen ankommt, sondern darauf, ob der Gegenstand auf Dauer dem Betrieb dienen soll.

Nach den betrieblichen Verhältnissen der Reiseveranstalterin ist das zeitlich begrenzte fiktive Eigentum an den Hotelzimmern und den Hoteleinrichtungen nicht dazu bestimmt, der dauerhaften Herstellung neuer Produkte zu dienen. Vielmehr fließt es als Teilprodukt in das Produktbündel „Pauschalreise“ ein und verbraucht sich mit deren Durchführung. Eine wirtschaftlich sinnvolle Ausübung der Tätigkeit des Reiseveranstalters erfordert auch nicht den langfristigen Erwerb des Eigentums an den Hotelzimmern und an den sonstigen Hoteleinrichtungen. Vielmehr versucht der Reiseveranstalter -ähnlich einem Händler- das Vorprodukt „Hotelzimmer und -einrichtungen“ möglichst nur in dem Umfang zu erwerben, in dem er einen Absatzmarkt für sein Produkt „Pauschalreise“ sieht. Anders als beim Hotelier, der die Hotelzimmer und -einrichtungen dazu verwendet, mit ihnen dauerhaft und langfristig möglichst viele Produkte (Übernachtungen, Verpflegungen, Veranstaltungen etc.) zu generieren und eine möglichst hohe Auslastung zu erreichen, orientiert sich der Reiseveranstalter im Regelfall nicht an der Auslastung des Hotels, sondern am geschätzten Bedarf seiner Kunden. Für einen Veranstalter von Sportreisen wäre ein langfristiger Erwerb des Eigentums wirtschaftlich nicht sinnvoll, da er auf sich verändernde Kundenwünsche (z.B. neue Trendziele, andere Modesportarten), die Rückmeldungen der Kunden bezüglich bereits durchgeführter Reisen und andere Rahmenbedingungen (z.B. politische, wirtschaftliche und klimatische Veränderungen im Zielland) reagieren und seine angebotenen Pauschalreisen möglichst schnell anpassen muss. Er versucht deshalb, sofern er nicht selbst in das Geschäftsfeld des Hoteliers eintritt, das Auslastungsrisiko weitestgehend beim Hotelier zu belassen. Deshalb beschränkt er sein Angebot in zeitlicher Hinsicht möglichst genau auf die jeweilige Saison für das Produkt (z.B. die Ski-, Tauch-, Wander-, Fahrradreise). Zudem versucht er, sein Produktportfolio durch das Angebot unterschiedlicher Hotels so vielfältig zu gestalten, dass er die Wünsche seiner Kunden möglichst umfassend abdecken kann. Insofern stellt sich auch der wiederholte kurzfristige Erwerb ähnlicher Wirtschaftsgüter nicht als Surrogat einer Entscheidung zur langfristigen Nutzung der Wirtschaftsgüter dar. Vielmehr spiegelt sich in der zeitlichen Begrenzung der Vertragsdauern und den -trotz der Ähnlichkeit der Wirtschaftsgüter (insbesondere Hotelzimmer)- bestehenden Unterschieden zwischen den einzelnen Produkten (Lage und Zusatzangebote des Hotels, Saison der jeweiligen Urlaubsdestination) gerade die unternehmerische Konzeption des Reiseveranstalters wider24.

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Nichts anderes ergibt sich aus dem vom Finanzgericht herangezogenen „Durchleitungsargument“. Zwar geht das Finanzgericht zu Recht davon aus, dass es dem Zweck der Hinzurechnungsvorschriften entsprechen kann, auch „durchgeleitete“ Wirtschaftsgüter zu erfassen. Aus dem vom Finanzgericht in Bezug genommenen BFH-Urteil in BFHE 246, 67, BStBl II 2015, 289 ergibt sich jedoch, dass sich diese Rechtsprechung auf einen Fall bezog, in dem der Geschäftszweck des Steuerpflichtigen in der dauerhaften Vermietung eigener und angemieteter Einzelhandelsimmobilien an Einzelhandelsunternehmen bestand, so dass die angemieteten Immobilien auch auf Dauer der betrieblichen Tätigkeit der dortigen Reiseveranstalterin dienten. Dagegen erweist sich die Durchleitung an sich nicht für maßgeblich hinsichtlich der Entscheidung über die Zuordnung eines Wirtschaftsguts zum Anlage- oder zum Umlaufvermögen. So ist es gerade für Handelsunternehmen typisch, dass sie dem Umlaufvermögen zuzuordnende Produkte vom Hersteller oder von einem anderen Handelsunternehmen zu Eigentum erwerben und an ihre eigenen Kunden durchleiten. Entsprechend hat der Bundesfinanzhof im Fall der Messe-Durchführungsgesellschaft trotz Festhaltens am Durchleitungsgedanken25, von einer Zuordnung zum Anlagevermögen abgesehen, weil die Reiseveranstalterin nach ihrem Geschäftszweck die an ihre Kunden durchgeleiteten Wirtschaftsgüter nicht ständig für den Gebrauch in ihrem Betrieb vorgehalten hätte.

Dieses Ergebnis steht im Einklang mit der Entscheidung des Bundesfinanzhofs zum Fall der Messe-Durchführungsgesellschaft26. Denn auch insoweit stellte der BFH maßgebend darauf ab, dass die Steuerpflichtige das Produkt „Ausstellungsfläche“ nicht ständig für den Gebrauch in ihrem Betrieb vorgehalten hätte, sondern es nur in dem Umfang und in der Ausgestaltung anmietete, in dem kundenseitiger Bedarf erkennbar wurde und die angemieteten Flächen wiederum den Kunden zur Nutzung angeboten werden konnten.

Die Auslegung des Bundesfinanzhofs entspricht weiter der Entscheidung des IV. Bundesfinanzhofs zum Fall des Konzertveranstalters27. Denn in diesem Fall bestand der Geschäftsgegenstand der Steuerpflichtigen darin, Konzerte zu veranstalten. Zu diesem Zweck war sie nach den Feststellungen der Vorinstanz auf die ständige Verfügbarkeit von Veranstaltungsimmobilien angewiesen. Die Immobilien dienten damit gleichsam als eines der Produktionsmittel zur dauerhaften Herstellung einer Vielzahl von Produkten „Konzertveranstaltung“28.

Die für den typischen Reiseveranstalter vorgenommene Abgrenzung zwischen Anlage- und Umlaufvermögen entspricht dem Grundgedanken der Hinzurechnungsvorschriften des § 8 Nr. 1 Buchst. d und e GewStG. Mit den durch das Unternehmensteuerreformgesetz 2008 ausgeweiteten Hinzurechnungstatbeständen knüpft der Gesetzgeber weiterhin an den sogenannten objektivierten Gewerbeertrag an, der insbesondere unabhängig von der Art und Weise des für die Kapitalausstattung des Betriebs zu entrichtenden Entgelts sein soll29. Im Hinblick auf Miet- und Pachtzinsen für bewegliche und unbewegliche Wirtschaftsgüter sollen die darin enthaltenen Finanzierungsanteile in pauschaler Form dem nach ertragsteuerrechtlichen Grundsätzen ermittelten Gewinn wieder hinzugerechnet werden30. Es soll nach dem Grundgedanken keinen Unterschied machen, ob das Unternehmen mit Eigenkapital oder Fremdkapital arbeitet31. Gesetzlicher Orientierungspunkt ist damit ein „typisiertes“ Unternehmen, das eigenkapitalfinanziert ist32.

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Insoweit vermag der Bundesfinanzhof -anders als das Finanzgericht- eine Finanzierungsfunktion der von der Reiseveranstalterin an die Hoteliers entrichteten Entgelte nicht zu erkennen. Das zeigt insbesondere der Vergleich zwischen dem Geschäftsmodell des Hoteliers und dem des Reiseveranstalters. Denn der Hotelier hält die Hotelzimmer und -einrichtungen dauerhaft bereit, um sie zur ständigen Erzeugung neuer Produkte zu gebrauchen. Somit macht es für seinen Gewinn einen Unterschied, ob er die Produkte aus einem in seinem Eigentum stehenden Hotel erzeugt und somit den Reinertrag zu versteuern hätte oder ob er die Produkte aus einem angemieteten Hotel generiert und somit nur einen um die Miete verminderten Ertrag zu versteuern hätte. Dagegen zahlt der Reiseveranstalter dem Hotelier das Entgelt nicht für das dauerhafte Bereitstellen der Hotelzimmer und -einrichtungen, sondern dafür, dass sie ihm kurzfristig zur Erfüllung der Verpflichtungen gegenüber seinen Kunden zur Verfügung gestellt werden33. Die Nutzung der Wirtschaftsgüter erschöpft sich daher mit der Durchführung der einzelnen Pauschalreise34. Entsprechend geht das Entgelt auch als Beschaffungskosten in dem dem Reisenden in Rechnung gestellten Reisepreis auf und dient nicht dem fortdauernden Vorhalten eines Anlageguts. So wird etwa der vom Reiseveranstalter dem Hotelier zu zahlende Hochsaisonzuschlag typischerweise an den Reisenden durchgereicht, verbraucht sich dadurch und kann somit nicht mehr dem weiteren Vorhalten eines Wirtschaftsguts Hotelzimmer für die Nebensaison dienen.

Auch aus dem Gesetzgebungsverfahren wird nicht erkennbar, dass mit dem Unternehmensteuerreformgesetz 2008 eine Ausweitung der Hinzurechnung auf die von Reiseveranstaltern in Anspruch genommenen Reisevorleistungen erfolgen sollte. Die Begründung zum Gesetzentwurf liefert keine Anhaltspunkte für eine derartige Absicht. Vielmehr heißt es dort, dass an der bisherigen Regelung festgehalten werden soll, nur für die gemieteten oder gepachteten Wirtschaftsgüter eine Hinzurechnung vorzunehmen, die -unterstellt, der Mieter oder Pächter wäre Eigentümer- bei ihm zu seinem Anlagevermögen gehören würden.

Nach diesen Grundsätzen sollten z.B. auch Verträge über kurzfristige Hotelnutzungen oder kurzfristige Kfz-Mietverträge zu beurteilen sein, mit der Folge, dass eine Hinzurechnung regelmäßig ausscheide30. Das genannte Beispiel interpretiert der Bundesfinanzhof zwar nicht dahin, dass damit auf Hotelnutzungen durch Reiseveranstalter abgezielt wurde. Vielmehr dürfte der Gesetzgeber wohl den allgemeinen Fall im Blick gehabt haben, dass der Steuerpflichtige ein Hotel z.B. für Geschäftsreisen kurzfristig nutzt35. Dennoch lässt sich diesen Beispielen der Wille des Gesetzgebers entnehmen, dass eine Zuordnung des Wirtschaftsguts zum Anlagevermögen nicht immer bereits aufgrund des fingierten Eigentums vorgezeichnet sein soll, sondern in bestimmten Fällen gerade aufgrund der Kurzfristigkeit der Nutzung ausscheiden kann.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 25. Juli 2019 – III R 22/16

  1. BFH, Urteil vom 25.10.2016 – – I R 57/15, BFHE 255, 280, Rz 11, m.w.N.[]
  2. BFH, Urteil vom 31.05.2001 – IV R 73/00, BFHE 195, 551, BStBl II 2001, 673, unter 1.a, m.w.N.[]
  3. BFH, Urteile vom 29.11.1972 – I R 178/70, BFHE 107, 468, BStBl II 1973, 148, unter 2.; vom 30.03.1994 – I R 123/93, BFHE 174, 554, BStBl II 1994, 810, unter II. 1.b; vom 04.06.2014 – I R 70/12, BFHE 246, 67, BStBl II 2015, 289, Rz 12[]
  4. BT-Drs. 16/4841, S. 78; BFH, Urteil in BFHE 255, 280, Rz 18[]
  5. BFH, Urteil vom 08.12.2016 – IV R 24/11, BFHE 256, 526, Rz 11 ff.[]
  6. wie z.B. der Art des Wirtschaftsguts, der Art und Dauer der Verwendung im Betrieb, der Art des Betriebs, ggf. auch der Art der Bilanzierung; s. BFH, Urteil in BFHE 256, 526, Rz 18; Mohr, Inkongruenzen bei der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung, 2016, S. 271; Kornwachs, Deutsches Steuerrecht -DStR- 2017, 1568, 1573[]
  7. Breinersdorfer, Der Betrieb -DB- 2014, 1762, 1763 f.[]
  8. BFH, Urteil vom 05.06.2008 – IV R 67/05, BFHE 222, 265, BStBl II 2008, 960, unter II. 1.b[]
  9. BFH, Urteil in BFHE 256, 526, Rz 19[]
  10. BFH, Urteil in BFHE 255, 280, Rz 21, m.w.N.[]
  11. BFH, Urteil in BFHE 107, 468, BStBl II 1973, 148, unter 2.[][]
  12. vgl. BFH, Urteil in BFHE 107, 468, BStBl II 1973, 148; BFH, Urteil in BFHE 256, 526, Rz 19[]
  13. vgl. BFH, Urteil in BFHE 107, 468, BStBl II 1973, 148, unter 2.[]
  14. vgl. BFH, Urteil in BFHE 174, 554, BStBl II 1994, 810, unter II. 1.c; BFH, Urteil in BFHE 256, 526, Rz 20, m.w.N.[]
  15. BFH, Urteil in BFHE 222, 265, BStBl II 2008, 960, unter II. 1.b, m.w.N.[]
  16. BFH, Urteil in BFHE 174, 554, BStBl II 1994, 810, unter 1.[]
  17. BFH, Urteil in BFHE 256, 526, Rz 26[]
  18. BFH, Urteil in BFHE 174, 554, BStBl II 1994, 810, unter II. 1.c[]
  19. Nöcker, Finanz-Rundschau -FR- 2018, 506, 508[]
  20. ebenso Schneider/Redeker, DB 2017, 2254, 2256[]
  21. ebenso Sarrazin, FR 2018, 176, 178[]
  22. s. hierzu etwa auch BFH, Urteil vom 22.04.1982 – V R 123/75[]
  23. s. hierzu auch Blümich/Hofmeister, § 8 GewStG Rz 215[]
  24. vgl. Roser, Institut Finanzen und Steuern e.V., Schrift Nr. 497/2014, S. 57 f.[]
  25. BFH, Urteil in BFHE 255, 280, Rz 20[]
  26. BFH, Urteil in BFHE 255, 280[]
  27. BFH, Urteil in BFHE 256, 526[]
  28. vgl. dazu auch Mohr, a.a.O., S. 295[]
  29. BT-Drs. 16/4841, S. 78; BFH, Urteil vom 26.04.2018 – III R 25/16, BFHE 261, 549, Rz 26[]
  30. BT-Drs. 16/4841, S. 80[][]
  31. BFH, Urteil vom 14.06.2018 – III R 35/15, BFHE 261, 558, BStBl II 2018, 662, Rz 18[]
  32. BFH, Urteil in BFHE 246, 67, BStBl II 2015, 289, Rz 13[]
  33. Klein, DStR 2014, 1321, 1324[]
  34. Mohr, a.a.O., S. 289, 295[]
  35. ebenso die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Stefan Schmidt, Markus Tressel, Dr. Danyal Bayaz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, BT-Drs.19/4136– Drucks 19/3875, S. 3, und Sarrazin, FR 2018, 176, 177[]
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Grundstückspacht - umsatzabhängige Pachtzahlungen und die gewerbesteuerliche Hinzurechnung

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