Vercharterung von Handelsschiffen – und die gewerbesteuerliche Kürzung bei Weitervercharterung

Die Weitervercharterung von Handelsschiffen führt beim Zweitvercharterer nur dann zur Fiktion einer ausländischen Betriebsstätte i.S. des § 9 Nr. 3 Satz 2 GewStG 2002, wenn dieser die Schiffe selbst ausgerüstet hat.

Vercharterung von Handelsschiffen – und die gewerbesteuerliche Kürzung bei Weitervercharterung

Nach § 9 Nr. 3 Satz 1 GewStG 2002 ist die Summe des Gewinns und der Hinzurechnungen um den Teil des Gewerbeertrags eines inländischen Unternehmens zu kürzen, der auf eine nicht im Inland belegene Betriebsstätte entfällt. Gemäß § 9 Nr. 3 Satz 2 GewStG 2002 gelten bei Unternehmen, die ausschließlich den Betrieb von eigenen oder gecharterten Handelsschiffen im internationalen Verkehr zum Gegenstand haben, 80 v.H. des Gewerbeertrags als auf eine nicht im Inland belegene Betriebsstätte entfallend. § 9 Nr. 3 Satz 5 GewStG 2002 verweist auf die entsprechende Anwendung von § 5a Abs. 2 Satz 2 EStG 2002/2009, nach dem u.a. zum Betrieb von Handelsschiffen im internationalen Verkehr auch ihre Vercharterung gehört, wenn die Handelsschiffe vom Vercharterer ausgerüstet worden sind.

Als ausgerüstet ist ein Schiff anzusehen, wenn es betriebsbereit, insbesondere i.S. des § 557 Abs. 1 HGB mit einer Mannschaft versehen ist und deswegen zu Transportleistungen im internationalen Verkehr eingesetzt werden kann1. Nicht erfasst ist hingegen das reine Überlassen eines Schiffes durch den Schiffseigner, wie es einem Schiffsmietvertrag i.S. des § 553 Abs. 1 HGB -dem sog. Bareboat Charter- zu Grunde liegt2.

Anders als es das Finanzgericht Hamburg annimmt3, führt im Falle der Weitervercharterung gecharterter Handelsschiffe die Vercharterung durch den Zweitvercharterer nur dann zur Fiktion einer ausländischen Betriebsstätte, wenn -woran es im Streitfall fehlt- die Schiffe vom Zweitvercharterer selbst ausgerüstet worden sind4.

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So schließt schon der Wortlaut des § 5a Abs. 2 Satz 2 EStG 2002/2009 die Weitervercharterung bereits ausgerüsteter Schiffe aus seinem Anwendungsbereich aus. Das Erfordernis, dass die Handelsschiffe vom Vercharterer ausgerüstet worden sein müssen, kann sich -schon aufgrund des bestimmten Artikels- nur auf jenen Vercharterer beziehen, dessen auf die Vercharterung entfallender Gewerbeertrag in dem betreffenden Besteuerungsverfahren in Rede steht. Hätte auch eine Ausrüstung durch den Erstvercharterer für eine Kürzung des Gewerbeertrags des Weitervercharterers ausreichen sollen, hätte dies ausdrücklich in den Anwendungsbereich einbezogen werden müssen.

Zudem ergibt sich aus § 2a Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 Buchst. b EStG 2002/2009, dass der Gesetzgeber sprachlich durchaus zwischen der Überlassung eines ausgerüsteten Schiffes durch den Vercharterer und dessen Weitervercharterung durch den Charterer auf der einen Seite sowie einer Bareboat Charter und der Ausrüstung durch den Charterer selbst auf der anderen Seite unterscheidet. Danach unterfallen negative Einkünfte aus der entgeltlichen Überlassung von Schiffen der beschränkten Verlustverrechnung, es sei denn, es handelt sich um Handelsschiffe, die von einem Vercharterer ausgerüstet (Doppelbuchst. aa) oder an im Inland (EStG 2002) bzw. in einem anderen als in einem Drittstaat (EStG 2009) ansässige Ausrüster (Doppelbuchst. bb) überlassen worden sind. Ähnliches gilt für § 32b Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 EStG 2009 (dort Buchst. a und Buchst. b).

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Wird dagegen -ohne den Fall der ausgerüsteten Überlassung gesondert einzubeziehen- im Rahmen des § 5a Abs. 2 Satz 2 EStG 2002/2009 lediglich auf das Ausrüsten durch den Vercharterer abgestellt, lässt dies den Schluss zu, dass sich dessen Anwendungsbereich auf vom Charterer in eigener Verantwortung ausgerüstete Schiffe beschränkt.

Das Urteil des IV. Senats des BFH in BFHE 159, 446, BStBl II 1990, 433, dem zufolge der (durch Art. 6 Nr. 2 des Seeschiffahrtsanpassungsgesetzes5 aufgehobene) vormalige tarifliche Begünstigungstatbestand des § 34c Abs. 4 Satz 3 EStG a.F. auch die Weitervercharterung eines bereits vom Erstvercharterer ausgerüsteten Schiffes umfasst hat, nötigt den Bundesfinanzhof nicht nach § 11 Abs. 3 Satz 1 FGO zu einer Divergenzanfrage an den IV. Senat. Das folgt schon daraus, dass der Geschäftsverteilungsplan des BFH für Streitfragen im Rahmen des § 34c EStG nunmehr die Alleinzuständigkeit des I. Senats vorsieht6. Zudem ist die nunmehr durch § 9 Nr. 3 Satz 5 GewStG 2002 in Bezug genommene Norm des § 5a Abs. 2 Satz 2 EStG 2002/2009 weder ihrem Wortlaut nach noch hinsichtlich ihrer systematischen Verortung mit der Tarifvorschrift des § 34c Abs. 4 Satz 3 EStG a.F. identisch7.

Schließlich unterscheidet sich der Streitfall von jenem des IV. Senats dadurch, dass er die Auslegung des § 9 Nr. 3 GewStG 2002 betrifft, der lediglich im Rahmen einer Verweisung die Regelung des § 5a Abs. 2 Satz 2 EStG 2002/2009 zur Vercharterung für entsprechend anwendbar erklärt. In diesem Rahmen ist aber der Zusammenhang zu § 9 Nr. 3 Satz 1 GewStG 2002 zu berücksichtigen, nach dem der Teil des Gewerbeertrages der Kürzung unterfällt, der auf eine nicht im Inland belegene Betriebsstätte entfällt. Zwar stellen fahrende Schiffe keine feste Geschäftseinrichtung oder Anlage i.S. der Betriebsstättendefinition des § 12 Satz 1 der Abgabenordnung dar8, die für die Tatbestandsmäßigkeit von § 9 Nr. 3 Satz 1 GewStG 2002 allein maßgebend ist9. Entscheidet sich jedoch der Gesetzgeber bei dem auf den Betrieb von Handelsschiffen im internationalen Verkehr entfallenden Gewerbeertrag für eine Verortung im Rahmen der Kürzungsvorschriften durch ausländische Betriebsstätten und verwendet er dabei die Regelungstechnik der Betriebsstättenfiktion, ist die Auslegung -vorbehaltlich des Fehlens der festen Beziehung zur Erdoberfläche- im Lichte des Betriebsstättenbegriffs vorzunehmen.

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Dieser erfordert eine Geschäftseinrichtung, die von einer gewissen Dauer ist und über die der Steuerpflichtige eine nicht nur vorübergehende Verfügungsmacht hat10. Zugleich muss die Geschäftseinrichtung der Tätigkeit des Unternehmens unmittelbar dienen; erforderlich ist, dass eine eigene unternehmerische Tätigkeit ausgeübt wird11. An einer solchen Tätigkeit fehlt es, wenn die Geschäftseinrichtung einem anderen Unternehmer für dessen geschäftliche Tätigkeit überlassen wird und an dem betreffenden Ort keine eigenen betrieblichen Handlungen vorgenommen werden12.

Nach diesen Maßstäben kann im Fall der Vercharterung nur dann von einer eigenen unternehmerischen Tätigkeit ausgegangen werden, wenn das Handelsschiff selbst auf eigene Rechnung und eigenes Risiko ausgerüstet wurde. Bei der Zweitvercharterung eines bereits ausgerüsteten, insbesondere mit einer Mannschaft versehenen Schiffes fehlt es an einem Bezug der unternehmerischen Tätigkeit zu der Geschäftseinrichtung in Form des Schiffes. Sie ähnelt der Betriebsverpachtung, die für sich genommen ebenfalls keine Betriebsstätte begründet13.

Damit kann hier dahinstehen, ob die Betriebsstättenfiktion des § 9 Nr. 3 Satz 2 ff. GewStG 2002 eine Beihilfe i.S. des Art. 107 Abs. 1 AEUV darstellt und ob einer Kürzung des Gewinns das Durchführungsverbot des Art. 108 Abs. 3 Satz 2 AEUV entgegen steht.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 22. Dezember 2015 – I R 40/15

  1. BFH, Urteil vom 07.12 1989 – IV R 86/88, BFHE 159, 446, BStBl II 1990, 433; vgl. auch BFH, Urteil vom 14.11.1985 – IV R 170/83, BFHE 145, 67, BStBl II 1986, 60[]
  2. BFH, Urteil vom 05.08.1976 – IV R 12/73, BFHE 119, 473, BStBl II 1976, 710[]
  3. FG Hamburg, Urteil vom 07.05.2015 – 6 K 220/14[]
  4. anders Roser in Lenski/Steinberg, Gewerbesteuergesetz, § 9 Nr. 3 Rz 28; s. für § 5a Abs. 2 Satz 2 EStG 2002/2009 Hennrichs/Kuntschik in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 5a Rz C 23; Blümich/Hofmeister, § 5a EStG Rz 38, 42; Dahm in Lademann, EStG, § 5a EStG Rz 73; Tormöhlen in Korn, § 5a EStG Rz 29; vgl. auch Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 12.06.2002, BStBl I 2002, 614, dort Rz 10[]
  5. vom 09.09.1998, BGBl I 1998, 2860, BStBl I 1998, 1158[]
  6. vgl. bezogen auf 2015 in BStBl II 2015, 96, dort unter A. I. Senat Nr. 3 Buchst. d[]
  7. s. insoweit auch Niedersächsisches FG, Urteil vom 18.11.2010 – 1 K 3/09[]
  8. BFH, Urteil vom 13.02.1974 – I R 218/71, BFHE 111, 416[]
  9. vgl. z.B. Blümich/Gosch, § 9 GewStG Rz 218; Ham/Rätzer, Deutsches Steuerrecht 2015, 2650; Kahlenberg, Internationale Steuer-Rundschau 2015, 380; Lüdicke, Internationales Steuerrecht 2015, 770; Becker/Loose, Die Unternehmensbesteuerung 2015, 520; anders FG Köln, Urteil vom 07.05.2015 – 10 K 73/13, EFG 2015, 1558[]
  10. BFH, Urteile vom 03.02.1993 – I R 80-81/91, BFHE 170, 263, BStBl II 1993, 462; vom 04.06.2008 – I R 30/07, BFHE 222, 14, BStBl II 2008, 922, m.w.N.[]
  11. BFH, Urteil vom 10.02.1988 – VIII R 159/84, BFHE 153, 188, BStBl II 1988, 653[]
  12. BFH, Urteil vom 13.06.2006 – I R 84/05, BFHE 214, 178, BStBl II 2007, 94; vgl. auch BFH, Urteil vom 02.03.1990 – III R 24/85, BFHE 160, 367, BStBl II 1990, 756[]
  13. BFH, Urteil vom 12.04.1978 – I R 136/77, BFHE 125, 157, BStBl II 1978, 494; s. auch für die Verpachtung von unbeweglichem Vermögen BFH, Urteile in BFHE 153, 188, BStBl II 1988, 653; vom 04.07.2012 – II R 38/10, BFHE 238, 216, BStBl II 2012, 782[]
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