Verschmelzung – und der Verlust des Beteiligungsaufwands

Befindet sich die Beteiligung an der übertragenden GmbH im Betriebsvermögen des übernehmenden Alleingesellschafters, der als Einzelgewerbetreibender seinen Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelt, ist es nicht möglich, den Beteiligungsaufwand vor dem steuerlichen Übertragungsstichtag der Verschmelzung mit der Begründung als Betriebsausgabe abzuziehen, der Aufwand sei infolge aufgelaufener Verluste der GmbH bereits vor diesem Zeitpunkt endgültig verloren gewesen. Ein Betriebsausgabenabzug scheidet auch dann aus, wenn der Beteiligungsaufwand infolge der Verschmelzung nach § 4 Abs. 6 UmwStG 2002 unberücksichtigt bleibt. Das uneingeschränkte Verlustabzugsverbot des § 4 Abs. 6 UmwStG 2002 ist mit dem GG vereinbar.

Verschmelzung – und der Verlust des Beteiligungsaufwands

Im Rahmen einer Einnahmen-Überschuss-Rechnung ist eine Teilwertabschreibung auf die GmbH-Beteiligung nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG nicht zulässig. Der Beteiligungsaufwand ist im Rahmen der Einnahmenüberschussrechnung auch nicht unter dem Gesichtspunkt eines endgültigen Verlusts der Beteiligung als Betriebsausgabe zu berücksichtigen. Zudem ist es nicht möglich, den Wortlaut des § 4 Abs. 6 UmwStG 2002 (= UmwStG 1995 i.d.F. des Steuersenkungsgesetzes vom 23.10.2000 -StSenkG 2001/2002-1) teleologisch dahingehend einzuschränken, dass der Übernahmeverlust zu berücksichtigen ist, soweit er auf einer nicht zulässigen Teilwertabschreibung beruht.

Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs können zwar Missbrauchsbekämpfungsvorschriften, die -gemessen an ihrer Zielrichtung- nicht präzise und deshalb auslegungsbedürftig sind, in ihrem Anwendungsbereich teleologisch reduziert werden2.

Eine solche Vorgehensweise ist nach Auffassung des Bundesfinanzhofs – unabhängig davon, ob § 4 Abs. 6 UmwStG 2002 überhaupt eine typisierende Missbrauchsbekämpfungsvorschrift ist – aber schon deshalb nicht möglich, weil keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Gesetzgeber das Verlustabzugsverbot im Tatbestand oder in der Rechtsfolge versehentlich zu weit gefasst hat. Insbesondere enthalten weder die Entstehungsgeschichte noch die Gesetzesmaterialien zu § 4 Abs. 6 UmwStG 2002 (= UmwStG 1995 i.d.F. des StSenkG 2001/2002) Anhaltspunkte für ein gesetzgeberisches Versehen.

Die Vorgängerregelungen zu § 4 Abs. 6 UmwStG 2002 fanden sich -soweit hier von Interesse- in § 4 Abs. 5 Satz 1, Abs. 6 UmwStG 1995 i.d.F. des Gesetzes zur Fortsetzung der Unternehmenssteuerreform vom 29.10.1997 -UntStRFoG-3. In § 4 Abs. 5 Satz 1 UmwStG hieß es: „Ein Übernahmeverlust bleibt außer Ansatz, soweit er auf einem negativen Wert des übergegangenen Vermögens beruht.“ § 4 Abs. 6 UmwStG lautete: „Verbleibt nach Anwendung des Absatzes 5 ein Übernahmeverlust, so sind die Wertansätze der übergegangenen Wirtschaftsgüter nach Absatz 1 in der Bilanz der Personengesellschaft einschließlich der Ergänzungsbilanzen für ihre Gesellschafter bis zu den Teilwerten aufzustocken. Ein darüber hinausgehender Betrag ist zu aktivieren und auf fünfzehn Jahre gleichmäßig abzuschreiben, soweit er nicht als Anschaffungskosten der übernommenen immateriellen Wirtschaftsgüter einschließlich eines Geschäfts- oder Firmenwerts zu aktivieren ist. .“ Auch wenn die Gesetzgebungsmaterialien zum UntStRFoG keine Begründung dafür enthielten, weshalb ein negativer Wert des übergehenden Betriebsvermögens keine Berücksichtigung finden sollte, richtete sich diese Regelung doch gegen Gestaltungsmodelle4, mit deren Hilfe durch eine Verschmelzung nach den §§ 3 ff. UmwStG 1995 ein bei der Kapitalgesellschaft wegen § 8 Abs. 4 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) nicht mehr verwertbarer Verlustvortrag (sog. Mantelkauf) als Übernahmeverlust nutzbar gemacht werden konnte5. Diese Regelungen des UntStRFoG wurden für Übertragungsstichtage ab dem 1.01.2001 (§ 27 Abs. 1a UmwStG 2002) durch das -hier anwendbare- Verlustabzugsverbot in § 4 Abs. 6 UmwStG 2002 ersetzt. Dieses Verlustabzugsverbot galt bis zur nachfolgenden Gesetzesänderung durch das Gesetz über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerrechtlicher Vorschriften vom 07.12 2006 -SEStEG-6, das erstmals auf Umwandlungen und Einbringungen anzuwenden ist, bei denen die Anmeldung zur Eintragung in das für die Wirksamkeit des jeweiligen Vorgangs maßgebende öffentliche Register nach dem 12.12 2006 erfolgt ist (§ 27 Abs. 1 Satz 1 UmwStG 2006 i.d.F. des SEStEG).

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Nach den Gesetzesmaterialien zum StSenkG 2001/2002 wurde mit der Neufassung des § 4 Abs. 6 UmwStG 1995 vor dem Hintergrund der Einführung des Halbeinkünfteverfahrens (jetzt Teileinkünfteverfahren) bezweckt, eine „Einmalbesteuerung“ der im Betriebsvermögen der übertragenden Kapitalgesellschaft vorhandenen stillen Reserven sicherzustellen. Das Verlustabzugsverbot des § 4 Abs. 6 UmwStG 2002 sollte verhindern, dass der Veräußerer die Beteiligung steuerfrei oder zur Hälfte steuerfrei veräußert, während der Erwerber in Höhe des Übernahmeverlusts die stillen Reserven in den Wirtschaftsgütern aufdeckt und neues Abschreibungsvolumen schafft, ohne später seinerseits einen Veräußerungsgewinn zu versteuern, weil die stillen Reserven bereits zuvor aufgedeckt wurden7. Es sollte dem -nach § 4 Abs. 6 UmwStG 1995 i.d.F. des UntStRFoG möglichen- sog. Step-Up-Modell der Boden entzogen werden8.

Mit Blick auf diese Entstehungsgeschichte kann dem Gesetzgeber nicht verborgen geblieben sein, dass Übernahmeverluste auf unterschiedlichen Ursachen beruhen können9. Gleichwohl hat er Übernahmeverluste in § 4 Abs. 6 UmwStG 2002 -ohne jegliche Differenzierungen- einem uneingeschränkten Abzugsverbot unterworfen.

Nach alledem ist dem Bundesfinanzhof eine einschränkende Auslegung des § 4 Abs. 6 UmwStG 2002 (= UmwStG 1995 i.d.F. des StSenkG 2001/2002) entgegen seinem Wortlaut nicht möglich. Aus den gleichen Gründen kann der Übernahmeverlust auch nicht berücksichtigt werden, soweit er auf dem negativen Wert des übertragenen GmbH-Vermögens beruht.

Das Verlustabzugsverbot des § 4 Abs. 6 UmwStG 2002 ist mit dem Grundgesetz (GG) vereinbar10.

§ 4 Abs. 6 UmwStG 2002 ist eine Typisierungs- und Vereinfachungsvorschrift, keine typisierende Missbrauchsbekämpfungsvorschrift11. Der Bundesfinanzhof kann daher offenlassen, ob für typisierende Missbrauchsbekämpfungsvorschriften ein anderer verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab als für Typisierungs- und Vereinfachungsvorschriften gilt12.

Die Frage, ob eine Norm Missbräuche verhindern soll, ist Mithilfe der allgemeinen Auslegungskriterien festzustellen13. Dabei dient nicht jede beschränkende Regelung der Missbrauchsabwehr. Vielmehr ist von einer Missbrauchsbekämpfungsvorschrift zu erwarten, dass der Missbrauchsbekämpfungszweck im Tatbestand dergestalt zum Ausdruck kommt, dass der Gesetzgeber die als missbräuchlich angesehenen Gestaltungen typisiert, d.h. den Missbrauch in sachlicher, zeitlicher oder persönlicher Hinsicht konkretisiert14.

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Weder der Wortlaut, die systematische Stellung noch der Normzweck des § 4 Abs. 6 UmwStG 2002 lassen einen Missbrauchsbekämpfungszweck erkennen.

Etwas anderes mag noch für die Vorgängerregelung in § 4 Abs. 5 Satz 1 UmwStG 1995 i.d.F. des UntStRFoG gegolten haben, nach der das Verlustabzugsverbot nur eingriff, soweit Verlustursache ein negativer Wert des übergegangenen Vermögens war. § 4 Abs. 6 UmwStG 2002 sollte hingegen für den Fall der Veräußerung der Anteile die fehlende bzw. nicht ausreichende Besteuerung der im Vermögen der übertragenden Kapitalgesellschaft befindlichen stillen Reserven beim Vorinhaber dadurch kompensieren, dass diese durch die Nichtberücksichtigung eines Übernahmeverlusts beim Erwerber erreicht wurde. Das beim Erwerber eingreifende Verlustabzugsverbot beruhte daher nicht auf einer unangemessenen Gestaltung, sondern fand seine Ursache darin, dass infolge des Systemwechsels hin zum Halbeinkünfteverfahren die Beteiligung im Grundsatz steuerfrei (vgl. § 8b Abs. 2 KStG i.d.F. des StSenkG 2001/2002) oder zur Hälfte steuerfrei (vgl. § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. a bis c, j EStG i.d.F. des StSenkG 2001/2002) veräußert werden konnte, das Halbeinkünfteverfahren aber gleichwohl darauf angelegt war, Gewinne einer Körperschaft einer Gesamtbelastung zu unterwerfen, die typisierend der Einkommensteuerbelastung anderer Einkünfte entsprach.

Verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab für Regelungen des Gesetzgebers im Unternehmenssteuerrecht (EStG oder KStG), die einen Verlustabzug einschränken oder ausschließen, ist Art. 3 Abs. 1 GG.

Die grundsätzliche Freiheit des Gesetzgebers, diejenigen Sachverhalte tatbestandlich zu bestimmen, an die das Gesetz dieselben Rechtsfolgen knüpft und die es so als rechtlich gleich qualifiziert, wird für den Bereich des Steuerrechts und insbesondere für den des Einkommensteuerrechts vor allem durch das Gebot der Ausrichtung der Steuerlast am Prinzip der finanziellen Leistungsfähigkeit und durch das Gebot der Folgerichtigkeit begrenzt15. Im Interesse der verfassungsrechtlich gebotenen Lastengleichheit hat sich der Gesetzgeber dafür entschieden, die objektive finanzielle Leistungsfähigkeit nach dem Saldo aus den Erwerbseinnahmen einerseits und den beruflichen Erwerbsaufwendungen andererseits zu bemessen (objektives Nettoprinzip)16. Das Bundesverfassungsgericht hat bisher offengelassen, ob dieses objektive Nettoprinzip, wie es in § 2 Abs. 2 EStG zum Ausdruck kommt, Verfassungsrang hat; jedenfalls kann der Gesetzgeber dieses Prinzip bei Vorliegen gewichtiger Gründe durchbrechen und sich dabei generalisierender, typisierender und pauschalierender Regelungen bedienen17. Danach bedürfen Ausnahmen von der folgerichtigen Umsetzung der mit dem objektiven Nettoprinzip getroffenen Belastungsentscheidung eines besonderen, sachlich rechtfertigenden Grundes18.

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Als besondere sachliche Gründe für Ausnahmen von einer folgerichtigen Umsetzung und Konkretisierung des objektiven Nettoprinzips erkennt das BVerfG neben außerfiskalischen Förderungs- und Lenkungszwecken auch Typisierungs- und Vereinfachungserfordernisse an19. Dabei sind die Anforderungen an eine zulässige Typisierung durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geklärt20. So muss der Gesetzgeber realitätsgerecht typisieren und die Grenzen verhältnismäßiger, insbesondere zumutbarer Belastung der Betroffenen wahren. Für die gleichheitsrechtliche Abwägung fällt hierbei insbesondere auch ins Gewicht, wieweit dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit eröffnet ist, zwischen verschiedenen Begünstigungs- oder Belastungsalternativen zu wählen21.

Im Streitfall durchbricht § 4 Abs. 6 UmwStG 2002 das objektive Nettoprinzip.

Ein rechtfertigungsbedürftiger Verstoß liegt jedenfalls insoweit vor, als der Übernahmeverlust auf dem vom Kläger getragenen Beteiligungsaufwand beruht22. Bei einem übertragenen negativen Betriebsvermögen erhöht der Beteiligungsaufwand den Übernahmeverlust; dieser Aufwand bleibt unberücksichtigt.

Fraglich ist hingegen, ob § 4 Abs. 6 UmwStG 2002 das objektive Nettoprinzip auch durchbricht, soweit -wie im Streitfall- der Übernahmeverlust auf einem negativen Wert des übergehenden Betriebsvermögens beruht.

Dies kann bezweifelt werden, weil als Folge der abgeschirmten Vermögenssphäre der Kapitalgesellschaft jeweils eine eigene -getrennt besteuerbare- individuelle Leistungsfähigkeit der Kapitalgesellschaft und ihrer Anteilseigner entsteht23 und unmittelbar durch die Verschmelzung (noch) kein über den Beteiligungsaufwand hinausgehender Aufwand des Anteilseigners entsteht. Allerdings ist zuzugeben, dass bei einer Verschmelzung -anders als bei einer Liquidation- die Verbindlichkeiten der Kapitalgesellschaft auf den übernehmenden Rechtsträger übergehen und diesen wirtschaftlich belasten. Diese Frage bedarf aber keiner Klärung, weil ein Verstoß gegen das objektive Nettoprinzip auch insoweit gerechtfertigt wäre.

Gleichwohl ist das Verlustabzugsverbot des § 4 Abs. 6 UmwStG 2002 im Ergebnis verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Gesetzgeber hat mit der Einführung des Halbeinkünfteverfahrens die systematische Grundentscheidung getroffen, Gewinne der Körperschaften einer Gesamtbelastung zu unterwerfen, die typisierend der Einkommensteuerbelastung anderer Einkünfte entspricht24. Es ist daher ein legitimes Ziel, dass der Gesetzgeber im Kontext mit der Einführung des Halbeinkünfteverfahrens typisierend eine Einmalbesteuerung der im Betriebsvermögen der Kapitalgesellschaft vorhandenen stillen Reserven sicherstellen wollte. Die vom Gesetzgeber gewählte Typisierung zur Sicherstellung des von ihm beabsichtigten Ziels bewegt sich innerhalb der vom Gleichheitssatz gezogenen Grenzen.

Der Gesetzgeber hat für seine Typisierung keinen atypischen Fall als Leitbild gewählt. Er ist davon ausgegangen, dass die Beteiligung an der Körperschaft -bei vorhandenen stillen Reserven- nach dem Systemwechsel im Grundsatz entweder steuerfrei (vgl. § 8b Abs. 2 KStG i.d.F. des StSenkG 2001/2002) oder zur Hälfte steuerfrei (vgl. § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. a bis c, j EStG i.d.F. des StSenkG 2001/2002) veräußert werden kann. Dies ist nicht zu beanstanden. Es ist zwar zutreffend, dass nach altem Recht bei der Veräußerung sog. einbringungsgeborener Anteile (vgl. § 21 UmwStG 2002) durch ein Einkommensteuersubjekt innerhalb der Haltefrist von sieben Jahren die stillen Reserven nach § 3 Nr. 40 Satz 3 und 4 EStG i.d.F. des StSenkG 2001/2002 voll zu versteuern waren25. Der Gesetzgeber musste diesen Fall -auch wenn er in den Gesetzesmaterialien genannt wird26- aber nicht als den Grundfall heranziehen.

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§ 4 Abs. 6 UmwStG 2002 weist in verschiedenen Bereichen überschießende Tendenzen auf.

Eine solche überschießende Wirkung tritt z.B. dann ein, wenn -wie bereits erwähnt- die Veräußerung der Beteiligung durch ein Einkommensteuersubjekt voll steuerpflichtig ist (§ 3 Nr. 40 Satz 3 und 4 EStG i.d.F. des StSenkG 2001/2002)25.

Gleiches gilt auch insoweit, als der Gesetzgeber angeordnet hat, dass Übernahmeverluste auch dann insgesamt und nicht nur zur Hälfte außer Ansatz bleiben, wenn ein entsprechender Übernahmegewinn nach § 4 Abs. 7 Satz 2 UmwStG 2002 dem Halbeinkünfteverfahren unterliegt. So verhält es sich z.B. im sog. Erwerberfall bei vorhandenen stillen Reserven. In diesen Fällen kommt es nicht nur zur gewollten „Einmalbesteuerung“, sondern zu einer „Eineinhalbfachbesteuerung“ der stillen Reserven27. Aber auch für die im Streitfall gegebene Konstellation ist die Umsetzung „überschießend“, weil der Beteiligungsaufwand zur Gänze und nicht nur in den Grenzen des Halbeinkünfteverfahrens unberücksichtigt bleibt.

Systemgerecht hingegen ist die Umsetzung aus der Sicht von an der übernehmenden Mitunternehmerschaft beteiligten Körperschaften. Im Körperschaftsteuerrecht nach dem StSenkG 2001/2002 sind Veräußerungsgewinne (§ 8b Abs. 2 KStG i.d.F. des StSenkG 2001/2002) und Übernahmegewinne (§ 4 Abs. 7 Satz 1 UmwStG 2002) steuerbefreit. Das Verlustabzugsverbot stellt sich daher als die folgerichtige Kehrseite dieser Steuerbefreiungen dar28.

Das uneingeschränkte Verlustabzugsverbot hält dennoch einer gleichheitsrechtlichen Abwägung stand.

Die Ursachen der Verlustentstehung sind sehr unterschiedlich. Das vom Gesetzgeber angestrebte Ziel, eine „Einmalbesteuerung“ der stillen Reserven sicherzustellen, ließe sich -wenn überhaupt- nur für den Preis sehr komplizierter gesetzlicher Regelungen erreichen. Dabei bestünde die weitere Schwierigkeit, die Ausnahmen vom Verlustabzugsverbot punktgenau und gestaltungsfest zu treffen. Daher rechtfertigen Vereinfachungserfordernisse im Ergebnis die vom Gesetzgeber gewählte Lösung29.

Zudem ist der gesetzgeberische Gestaltungsspielraum umso offener, je mehr für rechtliche Gestaltungen zugängliche Lebensverhältnisse geregelt werden. So verhält es sich bei § 4 Abs. 6 UmwStG 2002. Die Verschmelzung einer Kapitalgesellschaft auf eine Personengesellschaft oder auf das Einzelunternehmen einer natürlichen Person ist ein Lebensvorgang, der vielfältigen Gestaltungen zugänglich ist.

Hinzu kommt, dass dem Kläger die Möglichkeit eröffnet war, zwischen verschiedenen Belastungsalternativen zu wählen.

Insbesondere eröffnet das Gesetz Steuerpflichtigen die Möglichkeit, eine GmbH zu liquidieren und den Liquidationserlös an sich auszukehren. Beim Alleingesellschafter ist die Liquidation einer GmbH, deren Beteiligung sich im Betriebsvermögen befindet, als Teilbetriebsaufgabe nach § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2, Abs. 3 Satz 1 EStG zu behandeln30. Der (Aufgabe-)Gewinn ist nach dem Unterschiedsbetrag zwischen dem gemeinen Wert des gesamten von der Kapitalgesellschaft ausgekehrten Vermögens und dem Buchwert der Beteiligung zu bestimmen31. Danach wäre es dem Kläger im Grundsatz möglich gewesen, seine Anschaffungskosten für die Beteiligung im Rahmen der durch das Halbeinkünfteverfahren gesteckten Grenzen zur Hälfte (vgl. § 3c Abs. 2 EStG), ggf. auch in voller Höhe (Stichwort „ertraglose Beteiligung“)32 steuermindernd geltend zu machen, sei es dadurch, dass er anlässlich der Liquidation (Teilbetriebsaufgabe) als Einnahmenüberschussrechner zum Bestandsvergleich hätte wechseln (vgl. § 16 Abs. 2 Satz 2 EStG) und in der Schlussbilanz eine Teilwertabschreibung auf die GmbH-Beteiligung hätte vornehmen müssen, sei es dadurch, dass er in Höhe der Anschaffungskosten auf die GmbH-Beteiligung (bei keiner Teilwertabschreibung) einen entsprechenden Aufgabeverlust (Liquidationsverlust) erzielt hätte.

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Im Übrigen hat der Bundesfinanzhof auch die Vorschrift des § 5 Abs. 4 UmwStG 1977, nach der ein Übernahmeverlust ebenfalls nicht abziehbar war, u.a. deshalb als verfassungsrechtlich gerechtfertigt angesehen, weil es den Beteiligten freistand, die Kapitalgesellschaft zu liquidieren und dadurch den Abzug eines Liquidationsverlusts nach den allgemeinen Regeln auszulösen33.

Soweit die typisierende Regelung des § 4 Abs. 6 UmwStG 2002 zusätzlich bewirkt, dass ein auf einem negativen Wert des übertragenen Vermögens beruhender Übernahmeverlust außer Ansatz bleibt, bestehen hiergegen keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Insoweit richtete sich diese Vorschrift (weiterhin) gegen Gestaltungen, mit deren Hilfe sich ein bei der Kapitalgesellschaft wegen § 8 Abs. 4 KStG a.F. nicht mehr verwertbarer Verlustvortrag (sog. Mantelkauf) über eine Verschmelzung nach den §§ 3 ff. UmwStG 1995 als Übernahmeverlust doch nutzbar machen ließ. Dies ist nicht zu beanstanden.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 5. November 2015 – III R 13/13

  1. vgl. BGBl I 2000, 1433, BStBl I 2000, 1428[]
  2. vgl. BFH, Urteil vom 07.10.2009 – II R 58/08, BFHE 226, 404, BStBl II 2010, 302, unter II. 2.a[]
  3. BGBl I 1997, 2590, BStBl I 1997, 928[]
  4. vgl. dazu Neu, DB 1995, 1731[]
  5. so auch Dötsch, DB 1997, 2090; Widmann in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, Altkommentierungen, § 4 UmwStG Rz 220, Fn 1[]
  6. BGBl I 2006, 2782[]
  7. vgl. den Gesetzesentwurf der Fraktionen SPD und Bündnis 90/Die Grünen, Entwurf eines Gesetzes zur Senkung der Steuersätze und zur Reform der Unternehmensbesteuerung, BT-Drs. 14/2683, S. 128 zu Art. 5 zu Nr. 1 Buchst. a[]
  8. vgl. Förster/van Lishaut, FR 2000, 1189, 1193; Korn/Strahl, KÖSDI 2000, 12582, 12606; Stegner/Heinz, GmbH-Rundschau -GmbHR- 2001, 54, 56[]
  9. zu diesen Ursachen vgl. van Lishaut in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, a.a.O., § 4 Rz 106; Bron in Kraft/Edelmann/Bron, a.a.O., § 4 Rz 265 f.; Widmann in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, Altkommentierungen, § 4 UmwStG Rz 624; Stegner/Heinz, GmbHR 2001, 54, 57[]
  10. so im Ergebnis auch BFH, Urteil vom 24.06.2014 – VIII R 35/10, BFHE 245, 565[]
  11. a.A. Hahn, jurisPR-SteuerR 47/2014 Rz 7[]
  12. vgl. dazu Hey, Steuer und Wirtschaft -StuW- 2008, 167, 173; dieselbe, Deutsche Steuerjuristische Gesellschaft Bd. 33, 139, 167[]
  13. Drüen in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, Vor § 42 AO Rz 11[]
  14. vgl. dazu Hey, StuW 2008, 167, 171[]
  15. vgl. z.B. BVerfG, Beschluss vom 12.10.2010 – 1 BvL 12/07, BVerfGE 127, 224, unter D.I., m.w.N.[]
  16. vgl. BVerfG, Beschluss vom 11.11.1998 – 2 BvL 10/95, BVerfGE 99, 280, 290 f., BStBl II 1999, 502, 505[]
  17. vgl. z.B. BVerfG, Beschluss in BVerfGE 127, 224, unter D.III. 1.a, m.w.N.[]
  18. z.B. BVerfG, Urteil vom 09.12 2008 – 2 BvL 1/07, 2 BvL 2/07, 2 BvL 1/08, 2 BvL 2/08, BVerfGE 122, 210, unter C.I. 3.a, m.w.N.[]
  19. BVerfG, Beschluss in BVerfGE 127, 224, unter D.I., m.w.N.[]
  20. vgl. z.B. BVerfG, Beschluss vom 26.10.2004 – 2 BvR 246/98, HFR 2005, 139, unter II.[]
  21. BVerfG, Beschluss in HFR 2005, 139, unter II., m.w.N.[]
  22. vgl. Schmitt in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, a.a.O., 4. Aufl., § 4 UmwStG Rz 148; Bron in Kraft/Edelmann/Bron, a.a.O., § 4 Rz 270 ff.; Kessler/Schmidt, DB 2000, 2032, 2038[]
  23. BVerfG, Beschluss in BVerfGE 127, 224, m.w.N.[]
  24. vgl. BT-Drs. 14/2683, S. 94 f.[]
  25. vgl. dazu Blümich/Klingberg, § 4 UmwStG 1995 Rz 26; Förster/van Lishaut, FR 2000, 1189, 1193; Pung, DB 2000, 1835[][]
  26. vgl. BT-Drs. 14/2683, S. 128[]
  27. vgl. Stegner/Heinz, GmbHR 2001, 54, 57; Förster/van Lishaut, FR 2000, 1189, 1193[]
  28. vgl. Hey, GmbHR 2001, 993, 996; Thiel, FR 2000, 493, 495 f.[]
  29. so auch van Lishaut in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, a.a.O., § 4 Rz 126[]
  30. vgl. BFH, Urteil vom 16.10.2008 – IV R 74/06, BFH/NV 2009, 725, unter II. 3.c[]
  31. vgl. BFH, Urteil in BFH/NV 2009, 725, unter II. 3.d aa[]
  32. vgl. dazu BFH, Urteil vom 25.06.2009 – IX R 42/08, BFHE 225, 445, BStBl II 2010, 220, unter II. 2.; Desens/HHR, § 3c EStG Rz 5[]
  33. BFH, Urteil vom 22.02.2005 – VIII R 89/00, BFHE 209, 224, BStBl II 2005, 624, unter II. 3.b cc[]
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