Wegfall der Unternehmensidentität – und der abgekürzte gewerbesteuerliche Erhebungszeitraum

Fällt die Unternehmensidentität und damit die sachliche Gewerbesteuerpflicht während des Kalenderjahrs weg, ist der Gewerbesteuermessbetrag für einen abgekürzten Erhebungszeitraum festzusetzen.

Wegfall der Unternehmensidentität – und der abgekürzte gewerbesteuerliche Erhebungszeitraum

Ob der bisherige Gewerbebetrieb eingestellt und (ggf.) ein neuer Gewerbebetrieb in Gang gesetzt wird, bestimmt sich danach, ob der „bisherige“ und der „neue“ Betrieb bei wirtschaftlicher Betrachtung und nach der Verkehrsauffassung identisch sind. Dies richtet sich nach den gleichen Kriterien, die für die Bestimmung der Unternehmensidentität im Rahmen des § 10a GewStG entwickelt wurden. Dabei steht die Überführung wesentlicher Betriebsgrundlagen, insbesondere von Wirtschaftsgütern mit erheblichen stillen Reserven, – in Änderung der bisherigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs – der Einstellung des „bisherigen“ Betriebs nicht entgegen.

Gemäß § 14 Satz 1 GewStG wird der Steuermessbetrag für den Erhebungszeitraum festgesetzt. Erhebungszeitraum ist das Kalenderjahr (Satz 2). Besteht die Gewerbesteuerpflicht nicht während eines ganzen Kalenderjahrs, so tritt an dessen Stelle der Zeitraum der Steuerpflicht (abgekürzter Erhebungszeitraum, Satz 3).

Die Gewerbesteuerpflicht in § 14 Satz 3 GewStG knüpft an den Steuergegenstand gemäß § 2 GewStG an. Danach unterliegt jeder stehende Gewerbebetrieb, soweit er im Inland betrieben wird (§ 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG), der Gewerbesteuer. Gewerbebetrieb ist ein gewerbliches Unternehmen i.S. des EStG (§ 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG). Mit dem Begriff „gewerbliches Unternehmen“ werden nicht nur die sachlichen Grundlagen des Betriebs und die mit ihnen ausgeübte Tätigkeit angesprochen, sondern auch deren Beziehung zu dem oder den Unternehmern des Betriebs1. Die Steuerpflicht gemäß § 14 Satz 3 GewStG knüpft daher ausschließlich an die sachliche Steuerpflicht und nicht an die persönliche Steuerpflicht (= Steuerschuldnerschaft) an2. Der Steuermessbetrag ist danach für das Kalenderjahr als Erhebungszeitraum festzusetzen, wenn die sachliche Steuerpflicht während des Kalenderjahrs fortbesteht; er ist für einen abgekürzten Erhebungszeitraum festzusetzen, wenn die sachliche Steuerpflicht nur für diesen Zeitraum bestanden hat.

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Zu Recht ist daher zwar im hier entschiedenen Streitfall in der Vorinstanz das Finanzgericht Baden-Württemberg3 davon ausgegangen, dass ein partieller Unternehmerwechsel keinen Einfluss auf die sachliche Steuerpflicht einer Personengesellschaft hat4. Ebenso zutreffend ist es davon ausgegangen, dass es durch die Veräußerung der Kommanditanteile zum 30.10.2012 nur zu einem solchen partiellen Unternehmerwechsel gekommen ist, der dementsprechend nicht zu einem abgekürzten Erhebungszeitraum führen konnte. Entgegen der Auffassung der hier klagenden GmbH & Co. KG liegt im Streitfall ein partieller Mitunternehmerwechsel und kein Fall des § 2 Abs. 5 GewStG vor. Ein solcher ist nur anzunehmen, wenn alle Mitunternehmer der das Unternehmen fortführenden Personengesellschaft ausscheiden5. Das ist hier aber nicht der Fall. Denn die Komplementär-GmbH ist aus der GmbH & Co. KG nicht ausgeschieden. Auch war die Komplementär-GmbH Mitunternehmerin der GmbH & Co. KG. Dass sie weder am Vermögen noch am Gewinn oder Verlust der GmbH & Co. KG beteiligt war, steht dem nicht entgegen. Denn ihr Mitunternehmerrisiko besteht darin, dass sie als Komplementärin das Risiko der Haftungsinanspruchnahme für Verluste zu tragen hat6.

Die bisherigen Feststellungen des Finanzgericht tragen jedoch nicht seine Entscheidung, dass auch die Verpachtung der Gebäude und Betriebsvorrichtungen des Kraftwerks aufgrund des Vertrags vom 14.12.2012 die sachliche Steuerpflicht der GmbH & Co. KG nicht beendet habe. Zur Begründung seiner Entscheidung hat das Finanzgericht insoweit allein darauf abgestellt, dass es sich bei der GmbH & Co. KG um eine gewerblich geprägte Personengesellschaft handele, so dass die Verpachtung weiterhin als Gewerbebetrieb anzusehen sei. Insoweit hat das Finanzgericht nicht berücksichtigt, dass auch eine gewerblich geprägte Personengesellschaft nacheinander mehrere Gewerbebetriebe haben kann7. Dass die GmbH & Co. KG das Kraftwerk mit Vertrag vom 14.12.2012 verpachtet hat, kann daher dazu geführt haben, dass sie ihren bisherigen Betrieb eingestellt und mit Beginn der Verpachtungstätigkeit ggf. einen neuen Betrieb begonnen hat.

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Ob im Einzelfall der bisherige Gewerbebetrieb eingestellt und (ggf.) ein neuer Gewerbebetrieb in Gang gesetzt wird, bestimmt sich danach, ob der „bisherige“ und der „neue“ Betrieb bei wirtschaftlicher Betrachtung und nach der Verkehrsauffassung identisch sind8. Dies richtet sich nach den gleichen Kriterien, die für die Bestimmung der Unternehmensidentität im Rahmen des § 10a GewStG entwickelt wurden9.

Unter Gewerbebetrieb ist in diesem Zusammenhang die tatsächlich ausgeübte gewerbliche Betätigung zu verstehen (§ 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG i.V.m. § 15 Abs. 2 und Abs. 3 EStG). Ob diese die gleiche geblieben ist, muss nach dem Gesamtbild der Tätigkeit unter Berücksichtigung ihrer wesentlichen Merkmale wie insbesondere der Art der Betätigung, des Kunden- und Lieferantenkreises, der Arbeitnehmerschaft, der Geschäftsleitung, der Betriebsstätten sowie der Zusammensetzung des Aktivvermögens beurteilt werden. Bei einer Personengesellschaft ist insoweit auf die von der Personengesellschaft ausgeübte werbende Tätigkeit abzustellen, auch wenn die Mitunternehmer Träger des Verlustabzugs sind. Denn der Steuergegenstand, die gewerbliche Tätigkeit i.S. des § 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG i.V.m. § 15 EStG, wird durch die Tätigkeit der Personengesellschaft bestimmt10.

Soweit es in früheren Entscheidungen im Zusammenhang mit der Frage, ob der „bisherige“ Betrieb fortgeführt oder eingestellt wird, heißt, eine Betriebsaufgabe sei regelmäßig zu verneinen, wenn wesentliche Betriebsgrundlagen, insbesondere Wirtschaftsgüter mit erheblichen stillen Reserven, in den neuen Betrieb überführt werden11, hält der Bundesfinanzhof daran jedenfalls für die Frage, ob es in gewerbesteuerrechtlicher Hinsicht zu einem Wegfall der Unternehmensidentität und damit zu einem Wegfall der sachlichen Steuerpflicht kommt, nicht mehr fest. Der Umstand, dass eine für den „bisherigen“ Betrieb wesentliche Betriebsgrundlage -insbesondere dann, wenn sie „wesentlich“ nur wegen der in ihr enthaltenen stillen Reserven ist- in dem „neuen“ Betrieb weiter genutzt wird, kann zwar einer der Umstände sein, die bei der erforderlichen Würdigung der Gesamtumstände zu berücksichtigen sind. Allein aus dem Umstand, dass ein Wirtschaftsgut weiter genutzt wird, in dem erhebliche stille Reserven ruhen, kann aber noch nicht auf eine Weiterführung des „bisherigen“ Betriebs geschlossen werden.

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Sind nach der erforderlichen Würdigung der Gesamtumstände der bisherige und der neue Betrieb nicht identisch, endet die sachliche Steuerpflicht für den bisherigen Betrieb mit der Einstellung der werbenden Tätigkeit und es beginnt (ggf.) eine (neue) sachliche Steuerpflicht mit Aufnahme der (neuen) werbenden Tätigkeit. Entsprechend endet der Erhebungszeitraum für den bisherigen Betrieb und es beginnt (ggf.) ein (neuer) Erhebungszeitraum für einen neuen Betrieb. Fällt die Einstellung der bisherigen werbenden Tätigkeit nicht mit dem Ablauf des Kalenderjahrs zusammen, kommt es für den bisherigen Betrieb zu einem abgekürzten Erhebungszeitraum i.S. des § 14 Satz 3 GewStG. Entsprechend kommt es zu einem abgekürzten Erhebungszeitraum für den neuen Betrieb, wenn die insoweit maßgebliche werbende Tätigkeit nicht zu Beginn eines Kalenderjahrs aufgenommen wird. War auf den 31.12. des Vorjahrs ein vortragsfähiger Fehlbetrag nach § 10a GewStG festgestellt, kann dieser, vorausgesetzt, die Unternehmeridentität ist nicht (ggf. teilweise) weggefallen, im Folgejahr nur noch mit einem positiven Gewerbeertrag des bisherigen Betriebs verrechnet werden. Soweit er dazu nicht genutzt werden kann, fällt er weg. Er kann selbst bei bestehender Unternehmeridentität wegen Wegfalls der Unternehmensidentität nicht mehr zur Verrechnung mit einem positiven Gewerbeertrag des neuen Betriebs genutzt werden. Erwirtschaftet der neue Betrieb seinerseits allerdings einen Verlust, ist dieser auf den 31.12. des Entstehungsjahrs als vortragsfähiger Gewerbeverlust festzustellen.

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Da das Finanzgericht von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen ist, war sein Urteil aufzuheben. Denn die Frage, ob die Verpachtung des Kraftwerks gewerbesteuerrechtlich zu einer Einstellung des (bisherigen) Betriebs der GmbH & Co. KG geführt hat mit der Folge, dass wegen Wegfalls der sachlichen Steuerpflicht für diesen nach § 14 Satz 3 GewStG ein abgekürzter Erhebungszeitraum zu berücksichtigen ist, ist für den Streitfall entscheidungserheblich. Dies folgt schon daraus, dass die Ermittlung des Gewerbeertrags nach § 7 GewStG bei Annahme eines während des gesamten Streitjahrs bestehenden Gewerbebetriebs der GmbH & Co. KG zu einem anderen Ergebnis führen würde als bei Annahme eines nur während eines Teils des Streitjahrs bestehenden Gewerbebetriebs oder zweier nacheinander bestehender Gewerbebetriebe der GmbH & Co. KG.

Die Sache ist nicht spruchreif. Das Finanzgericht hat -aus seiner Sicht zu Recht- bislang keine ausreichenden Feststellungen zur bisherigen Tätigkeit der GmbH & Co. KG sowie dazu getroffen, ob es sich bei dieser gewerbesteuerrechtlich um eine andere Tätigkeit handelt als die Verpachtungstätigkeit. Sollte dies der Fall sein, müsste das Finanzgericht auch noch klären, zu welchem Zeitpunkt die bisherige Tätigkeit beendet wurde. Nach den bisherigen Feststellungen des Finanzgericht wurde der Pachtvertrag, demzufolge die Verpachtung bereits am 01.11.2012 begonnen haben soll, erst am 14.12.2012 geschlossen. Eine rückwirkende Begründung eines Pachtverhältnisses ist steuerlich jedoch nicht anzuerkennen. In Betracht kommt aber, dass es sich bei dem schriftlichen Vertrag lediglich um die spätere schriftliche Fixierung eines bereits zum 01.11.2012 abgeschlossenen und auch tatsächlich vollzogenen Vertrags handelt.

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Sollte die GmbH & Co. KG, wofür Vieles spricht, das Kraftwerk bis zur Verpachtung an Z selbst betrieben haben, wäre sie mit dieser Tätigkeit originär gewerblich tätig gewesen. Sollte es durch die Änderung des Gesellschafterbestands der GmbH & Co. KG und ihrer Komplementärin zum 30.10.2012 zu einer Betriebsaufspaltung zwischen ihr und Z gekommen sein, erzielte die GmbH & Co. KG als Besitzgesellschaft auch mit ihrer Verpachtungstätigkeit weiterhin originär gewerbliche Einkünfte. Für die Frage, ob es durch die Verpachtungstätigkeit der GmbH & Co. KG zu einem Wegfall der Unternehmensidentität gekommen ist, kommt es allerdings nicht darauf an, ob die GmbH & Co. KG mit ihrer bisherigen Tätigkeit originär gewerbliche Einkünfte oder solche aus gewerblicher Prägung erzielt hat, und ob sie durch die Verpachtungstätigkeit (als Besitzgesellschaft im Rahmen einer Betriebsaufspaltung) weiterhin originär gewerbliche Einkünfte erzielt hat. Entscheidend für den Streitfall ist allein, ob es durch die Verpachtung des Kraftwerks gewerbesteuerrechtlich zu einer unterjährigen Beendigung ihres bisherigen Betriebs gekommen ist. Davon ist auszugehen, wenn die GmbH & Co. KG sich von einem aktiven Unternehmen zu einem bloßen Besitzunternehmen im Rahmen einer Betriebsaufspaltung gewandelt hat12. Durch die Zurückverweisung erhält das Finanzgericht die Gelegenheit, die insoweit erforderlichen Feststellungen nachzuholen.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 19. Dezember 2019 – IV R 8/17

  1. BFH, Urteil vom 03.04.2008 – IV R 54/04, BFHE 220, 495, BStBl II 2008, 742[]
  2. z.B. BFH, Urteil vom 25.04.2018 – IV R 8/16, BFHE 261, 175, BStBl II 2018, 484, Rz 16[]
  3. FG Baden-Württemberg, Urteil vom 18.05.2017 – 1 K 3691/15[]
  4. z.B. BFH, Urteile vom 26.06.1996 – VIII R 41/95, BFHE 180, 455, BStBl II 1997, 179, unter 2.a aa; vom 22.01.2009 – IV R 90/05, BFHE 224, 364[]
  5. z.B. BFH, Urteil in BFHE 180, 455, BStBl II 1997, 179, unter 2.a bb, m.w.N.; vgl. auch BFH, Urteil in BFHE 261, 175, BStBl II 2018, 484, Rz 18[]
  6. vgl. z.B. BFH, Urteile vom 03.02.2010 – IV R 26/07, BFHE 228, 365, BStBl II 2010, 751, Rz 27; in BFHE 180, 455, BStBl II 1997, 179, unter 2.a bb; vom 10.10.2012 – VIII R 42/10, BFHE 238, 444, BStBl II 2013, 79, Rz 25 f.[]
  7. z.B. BFH, Urteil vom 04.05.2017 – IV R 2/14, BFHE 258, 470, BStBl II 2017, 1138, Rz 38 f., m.w.N.[]
  8. z.B. BFH, Urteil vom 13.04.2017 – IV R 49/15, BFHE 257, 441, Rz 24[]
  9. z.B. BFH, Urteil in BFHE 257, 441, Rz 24[]
  10. z.B. BFH, Urteil in BFHE 258, 470, BStBl II 2017, 1138, Rz 34 f., m.w.N.[]
  11. z.B. BFH, Urteile vom 03.04.2014 – IV R 12/10, BFHE 245, 306, BStBl II 2014, 1000, Rz 74; vom 22.01.2015 – IV R 10/12, Rz 30; vom 13.10.2016 – IV R 21/13, BFHE 256, 156, BStBl II 2017, 475, Rz 44; vom 17.03.2010 – IV R 41/07, BFHE 228, 381, BStBl II 2010, 977[]
  12. vgl. zur Abgrenzung von Umstrukturierungen während bestehender Betriebsaufspaltung: BFH, Urteil vom 30.10.2019 – IV R 59/16[]
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