Vorauszahlungen auf die Einkommensteuer sind grundsätzlich in vier gleich großen Teilbeträgen zu leisten. Eine Ausnahme hiervon kommt insbesondere nicht in Betracht, soweit der Steuerpflichtige geltend macht, der Gewinn des laufenden Veranlagungszeitraums entstehe nicht gleichmäßig.

Das geltende Vorauszahlungssystem ist verfassungsgemäß.
Nach § 37 Abs. 1 Satz 1 EStG hat der Steuerpflichtige am 10. März, 10. Juni, 10.09. und 10.12. Vorauszahlungen auf die Einkommensteuer zu entrichten, die er für den laufenden Veranlagungszeitraum voraussichtlich schulden wird. Die Vorauszahlungen bemessen sich grundsätzlich nach der Einkommensteuer, die sich (…) bei der letzten Veranlagung ergeben hat (§ 37 Abs. 3 Satz 2 EStG). Das Finanzamt kann (…) die Vorauszahlungen an die Einkommensteuer anpassen, die sich für den Veranlagungszeitraum voraussichtlich ergeben wird (§ 37 Abs. 3 Satz 3 EStG). Die beiden in § 37 EStG vorgesehenen Bemessungsgrundlagen bestimmen nur die für den jeweiligen Veranlagungszeitraum insgesamt zu entrichtende Summe der Vorauszahlungen. Die Vorschrift enthält indes keine ausdrückliche Bestimmung, nach welchem Maßstab die insgesamt zu entrichtenden Vorauszahlungen auf die einzelnen Termine zu verteilen sind. Etwas anderes ergibt sich nicht aus § 37 Abs. 1 Satz 1 EStG. Dass die Vorauszahlungen danach auf die Einkommensteuer zu entrichten sind, die der Steuerpflichtige „für den laufenden Veranlagungszeitraum voraussichtlich schulden wird“, spricht entgegen der Ansicht des Klägers- nicht dafür, die Höhe der einzelnen Zahlungen nach der unterjährigen Gewinnentstehung zu bemessen. Die Formulierung verweist auf die Anpassungsmöglichkeit in Abs. 3 Satz 3 und spricht im Übrigen etwas Selbstverständliches aus. Da sich die Einkommensteuer nach dem Einkommen des Veranlagungszeitraums bemisst, sind hierauf auch die Vorauszahlungen zu leisten. Entgegen der Ansicht des Finanzamt spricht auch das Fehlen einer besonderen Vorschrift für die Bemessung der einzelnen Teilvorauszahlungen nicht für ihre Festsetzung in gleicher Höhe. Denn das Fehlen einer solchen Regelung lässt die Frage nach dem richtigen Aufteilungsmaßstab gerade offen. Trotz ihres insoweit unvollständigen Wortlauts ist die Vorschrift aber der ergänzenden Auslegung zugänglich und bedürftig.
Die Auslegung ergibt, dass die insgesamt zu entrichtenden Vorauszahlungen grundsätzlich in gleich hohen Teilbeträgen festzusetzen sind. Eine Ausnahme hiervon kommt insbesondere nicht in Betracht, soweit der Steuerpflichtige geltend macht, der Gewinn des laufenden Veranlagungszeitraums entstehe nicht gleichmäßig.
Für die Festsetzung von jeweils gleich hohen Teilbeträgen spricht die historische Rechtsentwicklung. § 35 Abs. 1 Satz 2 EStG 1934 lautete: „Jede Vorauszahlung beträgt ein Viertel der zuletzt veranlagten Einkommensteuer.“ Eine entsprechende Regelung war bereits in § 95 Satz 1 EStG 1925 enthalten. Durch die Verordnung über die Änderung von Steuergesetzen vom 20.08.1941 [1] ist erstmals die Möglichkeit zur Anpassung der Vorauszahlungen an die sich voraussichtlich für den laufenden Veranlagungszeitraum ergebende Einkommensteuer in das Gesetz eingefügt worden. § 35 Abs. 1 Satz 2 EStG 1934 wurde im gleichen Zug ersatzlos gestrichen. Dafür gab es allerdings keinen erkennbaren Grund [2]. Die neu eingeführte Anpassungsmöglichkeit konnte zwar zu im Ergebnis ungleich hohen Vorauszahlungen führen, da nur die noch offenen Vorauszahlungen angepasst wurden. Das hätte die Aussage von § 35 Abs. 1 Satz 2 EStG 1934 in ihrer grundsätzlichen Bedeutung aber nicht in Frage gestellt. Diese Überlegung verdeutlicht, dass die Rechtsänderung von 1941 nicht für die vom Kläger in Anspruch genommene Auslegung der Vorschrift angeführt werden kann. Auch im zeitgenössischen Schrifttum wurde nach der Streichung von § 35 Abs. 1 Satz 2 EStG 1934 nicht in Frage gestellt, dass die Vorauszahlungen grundsätzlich in vier gleich hohen Teilbeträgen zu leisten seien [3].
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den Umständen bei der Wiedereinführung des Vorauszahlungssystems nach dem Zweiten Weltkrieg. Durch das Kontrollratsgesetz Nr. 12 vom 11.02.1946 [4] war das Vorauszahlungssystem grundlegend geändert und auf ein Voranmeldungssystem umgestellt worden. Einkommensteuer-Vorauszahlungen waren danach auf das im jeweils vorangegangenen Quartal erzielte Einkommen zu entrichten. Jeder Steuerpflichtige hatte entsprechende Anmeldungen abzugeben und die Bemessungsgrundlage für die Vorauszahlungen laufend selbst zu ermitteln. Dieses System galt mit Modifikationen- bis 1950. Mit dem Gesetz zur Änderung des Einkommensteuergesetzes und des Körperschaftsteuergesetzes vom 29.04.1950 [5] ist der Gesetzgeber jedoch zum früheren System zurückgekehrt. Zur Begründung führte die Bundesregierung u.a. aus, das System der vierteljährlichen Vorauszahlungserklärungen habe zu begründeten Klagen geführt. Insbesondere für Gewerbebetriebe bedeute die zusätzliche Erklärung eine erhebliche Mehrbelastung. Das gelte auch für die Finanzverwaltung. Hingegen habe sich das frühere System bestens bewährt [6]. Zwar ist bei der Wiedereinführung des alten Systems versäumt worden, die nicht notwendige Streichung von § 35 Abs. 1 Satz 2 EStG 1934 rückgängig zu machen. Die insoweit bestehende Regelungslücke ist auch danach vom Gesetzgeber nicht mehr geschlossen worden. Eine inhaltliche Änderung war damit aber ebenfalls nicht beabsichtigt. Vielmehr sollte das 1950 wieder eingeführte Vorauszahlungssystem dem bis 1946 geltenden System entsprechen, für das der Grundsatz gleich hoher Vorauszahlungen nicht entfallen war.
Wie die historische Entwicklung zeigt, hat sich der Gesetzgeber bewusst für ein Vorauszahlungssystem entschieden, das aus Vereinfachungsgründen ohne unterjährige Ermittlungen des Einkommens auskommt. Das schließt aus systematischen Gründen die Anwendung eines materiellen Maßstabs für die Bemessung der einzelnen Vorauszahlungen aus. Systemkonform ist allein ein rechnerischer Aufteilungsmaßstab, der ohne tatsächliche Ermittlungen im Einzelfall angewandt werden kann. Auch die vom Kläger für richtig gehaltene „Auslegung“ der Vorschrift lässt sich in das bestehende Vorauszahlungssystem nicht ohne erhebliche Eingriffe einfügen. Sie würde eine Umgestaltung des geltenden Systems erfordern, die im Wege einer ergänzenden Gesetzesauslegung von der Rechtsprechung nicht vorgenommen werden darf, weil ein Systemwechsel stets dem Gesetzgeber vorbehalten ist. Die Bemessung der Vorauszahlungen nach materiellen Kriterien, z.B. des zeitanteilig bis zum Vorauszahlungstermin verwirklichten Zuwachses an finanzieller Leistungsfähigkeit, würde nicht nur von der Finanzverwaltung, sondern auch vom Steuerpflichtigen einen erheblichen Mehraufwand erfordern. Selbst wenn eine abweichende Festsetzung nur in Ausnahmefällen und auf begründeten Antrag hin vorzunehmen wäre, müssten konkrete Maßstäbe für die unterjährige Einkommensermittlung, die Anforderungen an die Dokumentation und die Verifikation des Erklärten geschaffen werden, um auch in diesem Fall den gleichmäßigen Vollzug des Gesetzes zu gewährleisten. Eine ungleichmäßige Festsetzung der Vorauszahlungen ohne objektivierte Tatsachenbasis wie im Streitfall- käme jedenfalls nicht in Betracht.
Das geltende Vorauszahlungssystem ist auch nicht verfassungswidrig. Es greift weder unverhältnismäßig in grundrechtlich geschützte Positionen ein noch verstößt es gegen das Gebot der Besteuerung nach der individuellen Leistungsfähigkeit. Das gilt zunächst für die im System angelegte und vom Gesetzgeber gewollte Nichtberücksichtigung der unterjährigen Leistungsfähigkeit. Ihr steht zum einen der Vorteil erheblicher Verwaltungsvereinfachung und Entlastung der Steuerpflichtigen gegenüber. Unverhältnismäßig hohe Vorauszahlungen werden außerdem durch die Möglichkeit der Anpassung in § 37 Abs. 3 Satz 3 EStG grundsätzlich vermieden. Diese vom Gesetzgeber bewusst gewählte Typisierung erachtet der BFH nicht zuletzt unter Berücksichtigung des berechtigten öffentlichen Interesses an einer Verstetigung der Steuereinnahmen für gerechtfertigt.
Entsprechendes gilt im Ergebnis für die im Gesetz bestimmten Entrichtungstermine. Dem Kläger ist zuzugeben, dass eine Vorauszahlung „für das erste Quartal“ nicht am 10.03.erhoben werden dürfte, weil nicht typisierend angenommen werden kann, dass der zu besteuernde finanzielle Zuwachs an Leistungsfähigkeit bis zu diesem Datum bereits vollständig erzielt worden ist. Zu berücksichtigen ist aber, dass die Vorauszahlungen im geltenden System gerade nicht für die Einnahmen eines bestimmten Quartals zu leisten sind, sondern dass es sich um einen Bruchteil der für das gesamte Jahr zu entrichtenden Vorauszahlungen handelt. Im Übrigen konnte der Gesetzgeber davon ausgehen, dass jedenfalls die zur Erfüllung der Vorauszahlungspflicht erforderliche Liquidität bis zu den im Gesetz bestimmten Terminen typischerweise bereits verdient und vorhanden ist. Dafür spricht nicht zuletzt, dass die geltende Regelung von der ganz überwältigenden Mehrheit der Steuerpflichtigen offenbar widerspruchslos hingenommen wird [7]. Auch im Schrifttum sind verfassungsrechtliche Bedenken gegen die im Gesetz bestimmten Entrichtungstermine soweit ersichtlich- noch nicht vorgebracht worden. Die frühen Vorauszahlungstermine weisen zur Überzeugung des BFHs eine noch hinreichende Anbindung an den beim Steuerpflichtigen typischerweise zu unterstellenden stetigen Zuwachs an finanzieller Leistungsfähigkeit auf. Ob die vom Kläger bevorzugte Verschiebung der Entrichtungstermine um einen Monat nach hinten die Steuerpflichtigen spürbar entlasten würde, ohne die Sicherung des Steueraufkommens zu gefährden, bedarf keiner Entscheidung, weil sie jedenfalls verfassungsrechtlich nicht geboten ist. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass individuellen Zahlungsschwierigkeiten im Rahmen des Erhebungsverfahrens, z.B. durch Stundung, Rechnung getragen werden kann und unter Umständen auch muss [8].
Bundesfinanzhof, Urteil vom 22. November 2011 – VIII R 11/09
- RGBl I 1941, 510[↩]
- vgl. Stolterfoth, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 37 Rz A 63[↩]
- vgl. Blümich, Einkommensteuergesetz, 5. Aufl.1943, § 35 Anm. 3[↩]
- Steuer- und Zollblatt 1946, 2[↩]
- BGBl 1950, 95[↩]
- BT-Drucks 1/317, S. 22[↩]
- vgl. aber Nds. FG, Urteil vom 01.03.1982 – VII 184/81, EFG 1982, 571; FG Berlin, Urteil vom 04.09.2001 – 5 K 5105/01, EFG 2001, 1614[↩]
- vgl. Schmidt/Drenseck, EStG, 30. Aufl., § 37 Rz 3[↩]
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