Keine Erstattungszinsen auf StraBEG-Rückzahlungen

§ 233a AO, der die Verzinsung von Steuernachforderungen und Steuererstattungen regelt, ist nach einer Entscheidung des Hessischen Finanzgerichts in Kassel auf Beträge, die nach dem Strafbefreiungserklärungsgesetz (StraBEG) zunächst gezahlt und anschließend zurückerstattet worden sind, nicht anzuwenden.

Keine Erstattungszinsen auf StraBEG-Rückzahlungen

Grundlage des Erstattungsanspruchs ist § 37 Abs. 2 AO, da mit Änderung der strafbefreienden Erklärung gemäß § 10 Abs. 3 StraBEG der Behaltensgrund weggefallen ist1.

Ob eine derartige Erstattung von nach dem StraBEG geleisteten Beträgen zu Gunsten des Steuerpflichtigen zu verzinsen ist, wird in der Rechtsprechung – soweit ersichtlich – bisher überhaupt nicht behandelt. In der Literatur geht lediglich Kamps2 ohne weitere Problematisierung von einer Verzinsung aus, allerdings unter Berücksichtigung der 15-monatigen Karenzzeit ab Eingang der strafbefreienden Erklärung beim Finanzamt.

Dieser Ansicht vermag sich das Hessische Finanzgericht nicht anzuschließen. Zwar ist dem Kläger zuzugeben, dass dem Wortlaut nach eine Verzinsung nicht ausgeschlossen erscheint: Gemäß § 233a Abs. 1 AO ist ein Unterschiedsbetrag bei der Festsetzung von Einkommensteuer zu verzinsen, der nach § 1 StraBEG zu zahlende Betrag gilt gemäß § 10 Abs. 1 StraBEG als Einkommensteuer und die strafbefreiende Erklärung steht gemäß § 10 Abs. 2 Satz 1 StraBEG einer Steuerfestsetzung ohne Vorbehalt der Nachprüfung gleich. Darüber hinaus schließt § 10 Abs. 4 StraBEG die Anwendung des § 233a AO nicht aus.

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Nach Auffassung des Hessischen Finanzgerichts fällt ein derartiger Erstattungsanspruch jedoch nicht in den Regelungsbereich des § 233a Abs. 1 AO. § 233a AO regelt enumerativ und abschließend, für welche Steuern Unterschiedsbeträge zu verzinsen sind. § 233a AO zielt dabei auf die Verzinsung von (laufend) veranlagten (Jahres-)Steuern ab3.

Dazu zählt die Abgeltungssteuer nach dem StraBEG trotz der Fiktion als Einkommensteuer materiell gerade nicht. Vielmehr handelt es sich materiell um eine Steuerart „sui generis“4, die abstrahiert von den nach § 1 Abs. 1 StraBEG erfassten, hinterzogenen Steuern als pauschale Abgeltungssteuer zu sehen ist5. Der nach dem StraBEG festgesetzten Abgeltungssteuer liegt keine nach den Regeln des EStG erfolgte Veranlagung zur Einkommensteuer zu Grunde. Es handelt sich stattdessen um eine Selbstberechnungssteuer, bei der vom Steuerpflichtigen selbst ausgewählte Lebenssachverhalte der Veranlagungszeiträume 1993 bis 2002 ohne Bindung an das Prinzip der Abschnittsbesteuerung und das Gebot der vollständigen Erklärung aller Einkünfte angemeldet werden, die zudem verschiedene Steuerarten betreffen können6. Diese – ansonsten unbekannte – Fiktion einer Steuerart dient der Verfahrensökonomie und bewirkt wegen ihres Charakters als Gemeinschaftsteuer, Art. 106 Abs. 3 GG, eine Verteilung des Steueraufkommens auf Bund, Länder und Gemeinden7.

Im Übrigen liegen unterschiedliche Regelungsgegenstände vor. Die Steueranmeldung nach dem StraBEG lässt nämlich die Festsetzungen der in § 8 Abs. 1 StraBEG genannten Steuern unberührt, § 10 Abs. 2 Satz 2 StraBEG. Die Steueranmeldung nach dem StraBEG stellt keinen geänderten Einkommensteuerbescheid dar8.

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Zudem sieht § 233a AO vor, Nachzahlungen und Erstattungen der dort enumerativ aufgeführten Steuerarten zu verzinsen. § 233a AO zielt mithin auch darauf ab, Zinsvor- und -nachteile im Verhältnis Steuergläubiger und Steuerschuldner auszugleichen9. Die Norm geht also von zwei gleichwertigen, gegenläufigen Verzinsungsmöglichkeiten aus, die im Anwendungsbereich des StraBEG gerade nicht gegeben sind. Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 StraBEG erlöschen mit Zahlung des Abgeltungsbetrags unstreitig nicht nur die – hinterzogenen – Steuern, sondern auch die darauf entfallenden Nachzahlungszinsen (und Hinterziehungszinsen)10. Insoweit widerspricht es Sinn und Zweck des StraBEG, dann eine Verzinsung von Erstattungsbeträgen zu ermöglichen. Es gehört zur Risikosphäre des Steuerpflichtigen, wenn er dem Steuergläubiger eine tatsächlich nicht gegebene Steuerhinterziehung anzeigt, um in Zweifelsfällen in den Genuss der Steueramnestie zu kommen11. Auf das vom Kläger angeführte Argument, der Erstattungsanspruch sei außerhalb des zeitlichen Anwendungsbereichs des StraBEG entstanden, kommt es nicht an. Der Steuerpflichtige hat mit seiner Erklärung den Zusammenhang zum StraBEG selbst hergestellt.

Weiterhin spricht gegen eine Verzinsung, dass es durch die Fiktion der Steuerart Einkommensteuer zur Verzinsung von erstatteten Erbschaft- oder Schenkungsteuerbeträgen käme, die ansonsten nach § 233a AO nicht zu verzinsen sind.

Hessisches Finanzgericht, Urteil vom 11. April 2011 – 10 K 3043/07

  1. Joecks in Franzen/Gast/Joecks, Steuerstrafrecht, 6. Auflage 2005, § 10 StraBEG Rz. 16; Rottpeter/Webel in Schwarz, AO, § 10 StraBEG Rz. 7, Stand 15.04.2008; Levedag, FR 2006, 491, 493; Jesse/Geuenich, FR 2004, 497, 501; Stahl, KÖSDI 2004, 14339[]
  2. Kamps, in Streck, Beraterkommentar zur Steueramnestie (BK), 2004, § 10 StraBEG Rz. 79[]
  3. BFH, Urteil vom 18.09.2007 – I R 15/05, BStBl II 2008, 332, 333; Heuermann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 233a AO Rz. 17; Kögel in Beermann/Gosch, AO/FGO, § 233a AO Rz.05.13[]
  4. vgl. FG Hamburg, Urteil vom 12.06.2007 – 5 K 110/06, EFG 2007, 1556; FG Köln, Urteil vom 24.06.2009 – 10 K 965/06, EFG 2010, 11; Kamps in Streck, BK, § 10 StraBEG Rz. 5, 35 ; Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 10 StraBEG Tz. 2, 4, 6, Lfg. 113 Juli 2007[]
  5. vgl. BFH, Beschluss vom 18.02.2009 – VII B 161/08[]
  6. FG Köln, EFG 2010, 11; Levedag, FR 2005, 1084, 1086[]
  7. Kamps in Streck, BK, § 10 StraBEG, Rz. 5, 6; Seer in Tipke/Kruse, § 10 StraBEG, Tz. 2[]
  8. FG Hamburg, EFG 2007, 1556; Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 10 StraBEG Tz. 9[]
  9. BVerfG, Beschluss vom 03.09.2007 – 1 BvR 2539/09, BFH/NV 2009, 2115, 2117; Heuermann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 233a AO Rz. 5; Koenig in Pahlke/Koenig, Abgabenordnung, 2. Auflage 2009, § 233a Rz. 6[]
  10. Heuermann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 233a AO Rz. 20; Rüping in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 8 StraBEG Rz. 4[]
  11. siehe auch Levedag, FR 2006, 491, 493[]
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